Science Fiction
Sie haben es sich verdient

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"Sie haben es sich verdient"
Veröffentlicht am 07. April 2013, 20 Seiten
Kategorie Science Fiction
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Sie haben es sich verdient

Sie haben es sich verdient

Beschreibung

Einen schönen Lebensabend haben wir uns doch alle verdient!

Sie haben es sich verdient

 

 

Von allen die ihm geblieben waren, war ihm Luisa am liebsten. Sie würde er am meisten vermissen.

Ihre Mutter musste kommen und sie behutsam von Karl lösen.

„Komm, meine Kleine, da wo Opa hingeht, ist es sehr schön, er wird viel Freude haben“, sagte Tessa zu ihr.

„Er soll aber hier bleiben.“ 

Dicke Tränen schossen ihr aus den Augenwinkeln.

„Ist schon gut,“, sagte Karl und lächelte, „ich werde mich prächtig amüsieren.“

Jetzt wo der Tag immer näher rückte, war er sich des ganzen nicht mehr so sicher.

In letzter Zeit spielten seine Gefühle völlig verrückt. Zuerst hatte er Angst gehabt.

Fürchterliche Angst. Später wich die Angst dem Gefühl der Vorfreude, der Abenteuerlust.

Jetzt, einen Tag vor seiner Abreise, wirbelten all diese Empfindungen in seinem Kopf umher.

Mal wollte er bleiben, um noch etwas Zeit mit seiner Enkelin zu verbringen, dann wollte er nur noch weg.

Er wusste nicht wie oft er das Prospekt schon durchgelesen hatte, vielleicht einhundert Mal oder mehr, es war schon ganz abgegriffen und voller Eselsohren, doch er griff erneut danach.

 

„Sie haben es sich verdient!“, lautete die Überschrift. Ein lächelndes älteres Pärchen war auf dem Cover abgebildet. Sie saßen eng umschlungen auf einer Hollywoodschaukel und sahen verträumt einer untergehenden Sonne zu.

Ihr Termin ist der 12/03/2077

 

Nur noch ein Tag, dachte Karl.

Er legte das Prospekt zurück auf den Tisch und stand auf.

Tessa kam aus der Küche, blieb aber im Türrahmen stehen und lächelte ihn an.

„Das Essen ist gleich fertig.“ Karl nickte und lächelte zurück.

„Ich kann es gar nicht glauben, dass es morgen schon soweit ist, Papa.“

„Ich auch nicht“, sagte Karl.

Viktor, Tessas Ehemann betrat das Wohnzimmer.

„Karl, schau her. Lächeln!“

Er hatte einen Fotoapparat in der Hand.

Karl hatte keine Lust zu lachen, ausdruckslos sah er in die Kamera. In den letzten Tagen hatte er oft genug gelächelt, obwohl ihm ganz und gar nicht danach war.

„Ach Karl, komm schon.“

„Ich hab jetzt keine Lust, Viktor.“

„Dann eben nicht.“

Viktor schoss trotzdem ein dutzend Fotos von ihm.

Karl war ans Fenster getreten und sah hinaus. Auf der Straße war wenig los.

Viktor trat neben ihn und sah ebenfalls hinaus.

„Mein Termin ist in fünfunddreißig Jahren“, sagte er „und weißt du was, ich freue mich darauf.

Ich bin gespannt wie es dort aussieht, und ob das stimmt mit den zwei Monden.“

Karl antwortete nicht darauf. Er mochte Viktor nicht sonderlich. Er war ein arroganter, selbstsüchtiger Mann, außerdem hasste er es, wie Viktor ständig seinen Namen wiederholte, als könnte er ihn vergessen, wenn er ihn nicht häufig genug wiederholte.

„Karl, ich hab vorhin gesehen das du noch nicht unterschrieben hast. Langsam wird die Zeit knapp.

Sieh doch Karl, wenn du uns das Geld gibst, können wir für Luisa alles nötige in die Wege leiten. Wenn nicht bekommt sie es erst mit achtzehn ausgezahlt, und du willst doch keiner achtzehn jährigen so viel Geld überlassen?“

„Ich werde es mir überlegen“, entgegnete Karl knapp.

„Lass dir aber nicht zu lang Zeit. Ich schau mal wo das Essen bleibt.“

Er schlug Karl auf die Schulter und ging in die Küche.

 

 

Tessa hatte Sauerbraten mit Knödel gekocht, Karls Leibspeise, doch irgendwie wollte ihm das Essen nicht so recht schmecken.

„Du isst ja kaum was, Papa.“

Karl schnitt sich ein großes Stück Braten ab und steckte es sich demonstrativ in den Mund.

Er sprach mit offenem Mund: „Mmh,et schmäckd hörrlich, Dessa.“

Luisa kicherte neben ihm und tat es ihm gleich: „Ja, hörrlich!“

„Manchmal könnte man glauben ich hätte zwei kleine Kinder“, sagte Tessa, lächelte aber dabei.

Es war Viktor, der keinen Spaß an der Sache fand.

„Luisa! Man spricht nicht mit vollem Mund! Und du Karl, ermutige sie nicht noch.“

Eine Weile aßen sie schweigend weiter, dann schob Karl seinen Teller zur Seite.

„Danke, Tessa, es war sehr lecker, ich muss jetzt noch ein paar Vorbereitungen treffen.“

Er stand auf und ging in das kleine Zimmer, welches er seit fast zehn Jahren sein Eigen nannte.

„Geh ihm hinterher“, sagte Viktor zu ihr.

Ein paar Minuten später klopfte Tessa an seine Tür.

Sie setzte sich neben Karl und sah ihm tief in die Augen.

„Es wir alles gut werden, Papa. Es wird so sein, wie es im Prospekt steht.

Du hast doch auch mit Sandra gesprochen.“

„Nur weil ihr Mann vor zwei Jahren seinen Termin hatte, weiß sie trotzdem nicht, wie es sein wird.

Dass weiß niemand, Tessa. Alles was wir wissen, steht in diesem bescheuerten Prospekt, sagen uns die Medien, die Regierung. Wir können nur glauben.“

Karl hatte geschrien, und jetzt streckte Viktor seinen Kopf in den Türrahmen.

„Alles okay bei euch?“

„Ja, lass uns bitte allein, Schatz“, entgegnete Tessa ihm.

Viktor verzog das Gesicht und schloss die Tür.

„Ich mag ihn nicht, hab ihn nie gemocht.“

„Ich weiß, Paps. Aber er sorgt gut für uns.“

„Du und Luisa habt etwas besseres verdient.“

Sie lächelte ihn an, sagte aber nichts dazu.

„Ihr zwei werdet mir fehlen.“

In Tessas Augen sammelten sich Tränen.

„Ja, du uns auch.“

Tessa umarmte ihren Vater. Dann ließ sie ihn los, wischte sich die Tränen ab und wurde plötzlich Ernst.

„Du hast nicht unterschrieben. Ich glaube es wäre wirklich besser uns das Geld zu geben.“

Karl antwortete nicht. Er konnte nicht. Von Tessa hätte er das nicht erwartet.

„Ich möchte jetzt alleine sein“, brachte er schließlich hervor.

Tessa stand auf.

„Denk darüber nach.“

Sie schloss die Tür und Karl blieb mit seinen Gedanken allein.

 

Sie haben es sich verdient.

Er wollte diese Belohnung nicht.

Er könnte abhauen, sich verstecken, aber war das wirklich besser? Ein Leben auf der Flucht?

Zudem hatten sie bisher alle Ausreißer gefangen.

Vielleicht wurde er sogar bereits beobachtet.

 

 

Die Nacht war schrecklich gewesen. Wirre Albträume hatten ihn geplagt und immer wieder aufwachen lassen. Er sah auf seine Nachttischuhr. Fünf Uhr dreißig.

In drei Stunden würden sie kommen. Das Haus schlief noch.

Karl stand auf und zog sich an.

Vielleicht kommen sie überhaupt nicht, vielleicht haben sie mich einfach vergessen, könnte doch sein.

Karl wusste, das dass Wunschdenken war. Sie würden ihn nicht vergessen, sie hatten noch nie jemanden vergessen.

Er schlich die Treppe herunter und ging in die Küche.

Eine halbe Stunde später, kam Tessa. Sie hatte Luisa auf ihrem Arm, die aber noch, oder vielleicht wieder, an ihre Schulter gekuschelt, schlief.

„Sie wollte dir unbedingt noch Aufwiedersehen sagen. Hast du Hunger?“

„Nein, danke“, sagte Karl.

„Ich will das Luisa das Geld bekommt. Pünktlich zu ihrem Achtzehnten Geburtstag. Ich habe alles in die Wege geleitet“, sagte er zu ihr.

„Ist schon okay, Papa.“

 

Nein, sie hatten ihn nicht vergessen. Von seinem Fenster aus hatte Karl ihren Wagen vorfahren sehen. Einen Moment später hatte es geklingelt.

Alle hatte ihn noch einmal umarmt. Sogar Viktor.

Sein Jackett war durchtränkt von Tessa und Luisas Tränen.

Der Beamte hatte sich etwas abseits gestellt und solange gewartet. Nach einer Weile hatte er dann dezent gehüstelt.

Er trug Karls Koffer und lächelte die ganze Zeit. Nur die Schusswaffe, die an seinem Gürtel hing, trübte das Bild ein wenig.

Der Wagen war in schlichtem schwarz gehalten, und nichts deutete darauf hin, dass es dieser Wagen war, der einmal jeden über fünfundsiebzig mitnehmen würde.

Der Beamte öffnete die Schiebetür, und Karl stieg ein.

Er war nicht alleine. Noch ein anderer Mann saß bereits darin.

„Karl Stemme, bist dus?“

Der Mann sprang auf, und schlug sich den Kopf an der Decke des Wagens an.

„Aua“

Er fiel zurück und rieb sich die Stirn.

„Geht es ihnen gut?“

„Nichts passiert, nichts passiert. Das wärs jetzt noch, brech mir den Schädel so kurz vorm Ziel.“

Er lachte laut und unglaublich hoch.

„Karl, erkennst du mich nicht mehr, ich bins Frank, Frank Mayer. Gesamtschule zwanzig zwanzig.“

Der Wagen fuhr an und für einen Moment erstarrte Franks Lachen.

„Es geht los. Ich hab gehört, man braucht mehrere Stunden bis zum Hafen, ich hoffe wir bekommen gute Plätze.“

Karl ging nicht darauf ein, aber er kannte Frank tatsächlich, damals hatten sie ihn nur „The Brain“ genannt.

„Natürlich kenn ich dich noch, Frank.“

„Das wir uns hier wieder treffen, Wahnsinn. Und, bist du aufgeregt, Karl?“

„Ja.“

„Und ich erst. Ich hab gehört, die fragen dich noch auf dem Flug, wie und wo du gerne wohnen möchtest. Also ich will an die Südseite. Wo willst du hin, Karl?“

„Ich weiß noch nicht.“

„Entscheid dich aber nicht zu langsam,sonst sind alle guten Plätze weg.“

Frank redete ununterbrochen. Karl war jetzt schon genervt. Aber irgendwie hatte er auch Mitleid mit Frank. Hinter der aufgesetzten Vorfreude, konnte er deutlich die Angst vor dem Unbekannten spüren. Eben jene Angst, die auch ihn durchdrang.

Das Wageninnere wurde durch künstliches Licht erhellt, und erst jetzt fiel ihm auf, dass der Wagen keine Fenster hatte. Sie konnten nicht sehen wo sie hinfuhren. Auch fehlten die Türgriffe im Inneren des Fahrzeugs.

Der Fahrer war durch eine schwarzgefärbte Glasscheibe von ihnen getrennt.

Der Wagen fuhr jetzt mit hoher Geschwindigkeit, dass konnte er deutlich spüren.

„Frank, halt mal kurz die Klappe!“

Frank war gerade dabei gewesen, von den verschiedenen Kulinarischen Leckereien zu erzählen, welche sie erwarten, hielt aber umgehend den Mund, nachdem er Karls Aufforderung vernommen hatte.

„Hallo! Wo sind wir gerade? Ich müsste mal pinkeln!“

Karl klopfte gegen die Scheibe und wiederholte seine Bitte.

„Können wir kurz halten, ich müsste mal austreten.“

Er wartete auf eine Antwort.

Frank schien ebenfalls gebannt zu lauschen. Eine Minute verging. Sie bekamen keine Antwort und der Wagen wurde auch nicht langsamer.

„Ich hab gehört sie fliegen hin und wieder Stars zu uns“, griff Frank den Faden wieder auf,

 und sie haben einen der besten Köche.“

Karl ließ sich zurück in seinen Sitz fallen. Er hatte Angst.

 

Irgendwann schlief Frank ein, mitten im Satz. Karl beneidete ihn um den Schlaf.

Er sah auf seine Uhr, sie waren jetzt etwas mehr als fünf Stunden unterwegs und die Sitze wurden immer unbequemer. Mittlerweile musste er wirklich dringend aufs Klo.

Er glaubte schon lange nicht mehr, dass sie zum Hafen gebracht wurden. Eigentlich hatte er es nie wirklich geglaubt.

Der Wagen wurde langsamer. Er hörte Kies unter den Reifen knirschen, dann hielten sie an.

Die Fahrertür wurde geöffnet. Schritte entfernten sich. Nach einer Weile kehrten sie zurück und der Wagen fuhr erneut an.

Der war nur pinkeln, dachte Karl neidisch.

 

Auch Karl schlief ein.

Träumte sogar. Zwei Monde drehten sich immer wieder um sich selbst, tanzten miteinander, strahlten um die Wette.

Eine Bodenwelle ließ ihn hochschrecken. Der Wagen wurde wieder langsamer und hielt schließlich.

Er hörte Stimmen, konnte sie aber nicht verstehen. Es folgte ein elektrisches Summen.

Der Wagen fuhr wieder an.

Seine Hose klebte an ihm und es roch nach Urin. Im Schlaf hatte sich seine Blase entleert.

Karl schüttelte den Kopf. Es gab keinen Zweifel mehr, dass hier etwas nicht stimmte, dass die Regierung, die Medien, die Prospekte logen.

Der Wagen hielt. Der Fahrer stieg aus. Erneut hörte er Stimmen.

In der Nähe knallte es plötzlich. Dann noch einmal. Die Abfolge der Explosionen wurde immer schneller. Bald vermischten sie sich zu einem monotonen Rattern. Das Rattern eines Maschinengewehrs.

Frank schreckte hoch. „Sind wir da?“

Er vernahm die Schüsse.

„Ja, wir sind da“, antwortete er sich selbst, als habe er immer schon gewusst, dass es so kommen würde.

Die Tür wurde aufgerissen. Strahlend helles Licht, flutete das Wageninnere und blendete sie.

Hände griffen nach ihnen, zogen sie aus dem Wagen.

Karl fiel zu Boden.

„Bäh, der hier hat sich vollgepisst.“

Sofort zog man ihn wieder nach oben, schubste ihn nach vorne.

Karl fiel erneut auf die Knie.

„Steh auf“, hörte er hinter sich jemand sagen.

Für einen Moment konnte er sich umsehen.

Wüste. Wüste und Soldaten.

Er wurde wieder nach oben gerissen.

„Lauf, alter Mann!“

Er entdeckte Frank in einiger Entfernung, ebenfalls von einem Soldaten bedrängt. Frank lächelte.

 

„Beeil dich!“ Wieder ein Schubser, diesmal behielt Karl sein Gleichgewicht.

„Wo sind wir hier“, brachte er hervor, „was habt ihr mit uns vor?“

Keine Antwort.

Sie erreichten die Kante eines Grabens. Das Flutlicht drang nicht bis ganz hinunter, nur eine einzige blasse Hand, lugte aus der Dunkelheit empor, so als wolle sie ihm zum Abschied noch einmal winken.

Vor ihm stand der Soldat, das Gesicht vermummt. Karl konnte jetzt den ganzen Platz überblicken.

Ein schmuckloses Gebäude zu seiner rechten, dutzende Militärfahrzeuge zu seiner linken.

Er sah eine weitere schwarze Limousine auf die staubige Wüstenstraße einbiegen.

„Karl!“ Es war Frank der ihn rief, jetzt ebenfalls an der Kante stehend.

Er deutete auf die zwei riesigen Scheinwerfer, die den ganzen Platz beleuchteten.

„Karl, schau, die zwei Monde.“

Vor ihm legte der Soldat an, und Karl richtete seinen Blick auf ihn.

In der schwarzen Limousine, erwachte ein Mann. Er glaubte ein Maschinengewehr gehört zu haben.

 

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