Kurzgeschichte
Eine neue Eiszeit

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"Eine neue Eiszeit"
Veröffentlicht am 29. März 2013, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Das Schreiben hat mittlerweile Ausmaße erreicht, bei denen ich es nicht mehr als Hobby abtun kann. Es ist zur Krankheit geworden und ist gleichzeitig die Medizin. Problem und Therapie. Ich bin süchtig nach meinem Methadon, es ist mir mittlerweile wichtiger geworden als das Heroin. Die Worte sind Hunger und Brot zugleich. Sie halten mich nachts wach und machen mich tagsüber müde. Nichts liebe und hasse ich so sehr, wie das geschriebene Wort. Ich ...
Eine neue Eiszeit

Eine neue Eiszeit

Früher haben der kleine Wilhelm und seine Freunde hinter meinem Laden Fußball gespielt. Die Mülltonnen dienten ihnen als Torpfosten. Es kam schon vor, dass nach einem langen Tag nicht mehr genug Luft im Ball war. Dann mussten sie in meinen Laden kommen, um ihn aufzupumpen. Ab und zu ging auch eines meiner Fenster kaputt, aber ich habe nie etwas gesagt. Und je näher der Winter kam, desto schwermütiger wurde ich, denn bis zum Frühling würde kein Kind mehr lachend hinter meinem Laden spielen. Doch immer wenn der Schnee geschmolzen war, hörte ich wieder ihr Lachen. Eine Zeit lang war alles gut. Doch dann nahmen sie ihnen ihren Ball weg und gaben ihnen Uniformen. Wollten sie nicht, dass meine Fenster kaputt gingen? Damit jeder Mensch ihr vierbuchstabiges Gedicht lesen konnte?

 

J U D E

 

Als Spielzeugverkäufer verdient man nicht gut, in einem Land in dem Kinder nicht spielen. Über Deutschland ist eine neue Eiszeit gekommen. Der nächste Frühling ist nicht in Sicht. Es wird sehr lange dauern, bis hier Kinder wieder lachen.

Sie treiben uns wie Vieh zusammen. Alle Fenster sind zertrümmert. Die Mülltonnen liegen auf dem Boden und der Hof glänzt vor gläsernem Schnee. Diese Kinder kennen keinen Zucker mehr, nur noch Glas und Feuer. Mit den Fenstern verschwinden ihre Gedichte. Es ist wie ein Omen, ein Vorgeschmack auf unsere nicht vorhandene Zukunft. Denn mit uns verschwindet auch die Bedeutung dieses Gedichtes. Folgt uns, steigt mit uns auf die Ladeflächen der Lastwägen. Diese Kinder weinen nicht und sie lachen nicht. Sie klettern nicht auf Bäume, denn man braucht das Holz um Schlagstöcke zu schnitzen. Statt Cowboy und Indianer, spielen sie Viehtreiber im Schlachthof. Dieser Schnauzer tragende Österreicher muss seine Kinder noch mehr hassen, als die Söhne Israels, denn er stiehlt ihnen ihre Kindheit, nimmt ihnen alles und lässt nur leere Hüllen in Uniformen zurück.

Während der Lastwagen über das Kopfsteinpflaster wackelt, steht der kleine Wilhelm im Lichtkegel einer Laterne. Seine Ausdruckslosen Augen sprechen aus, was ich befürchtet habe. Nie wieder wird er Fußball spielen, seine Kindheit endet heute. In ein paar Jahren wird er selbst Kinder haben und sollten sie in seinem Garten Fußball spielen, werden verschwommene Erinnerungen zurückkehren. Aber er wird sie nicht verstehen, wird nichts empfinden. Nach dem Sündenfall gibt es kein zurück, zu den unschuldigen Freuden einer Kinderseele.

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Hörbuch

Über den Autor

weltenweiterw
Das Schreiben hat mittlerweile Ausmaße erreicht, bei denen ich es nicht mehr als Hobby abtun kann. Es ist zur Krankheit geworden und ist gleichzeitig die Medizin. Problem und Therapie. Ich bin süchtig nach meinem Methadon, es ist mir mittlerweile wichtiger geworden als das Heroin. Die Worte sind Hunger und Brot zugleich. Sie halten mich nachts wach und machen mich tagsüber müde. Nichts liebe und hasse ich so sehr, wie das geschriebene Wort. Ich kann nicht anders als es als meine Berufung zu sehen. Hermann Hesse trifft es mit seinen Worten am besten. Ich will Dichter werden oder Nichts.-Kerim Mallée

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schnief wie wahr
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