Kurzgeschichte
Geben und Nehmen

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"Geben und Nehmen"
Veröffentlicht am 22. März 2013, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Heilpraktikerin, Autorin, Mutter, Großmutter, Hunde- und Katzenmama Am liebsten fröhlich, ohne den Ernst außer Acht zu lassen. Mehr findet Ihr auf meiner Homepage: http://nachtfluege.de
Geben und Nehmen

Geben und Nehmen

Beschreibung

Erleben durch die Kraft, die manche Menschen im Herzen tragen und weitergeben.

Geben und Nehmen

 

Ganz klein sah ihr Gesicht aus. Wie eine Landkarte gezeichnet ihre immer noch feinen Züge.

Furchen und Runen zeugten von viel Erlebtem, sicher nicht immer nur Gutem, aber ganz feine Fältchen um die Augen und den Mund spiegelten die Fröhlichkeit der langen Lebensjahre, mit der sie immer wieder sich das Licht in graue Tage geholt hatte.. Sie milderten die Schärfe der Linien, die sich von den Wangenknochen bis zum Hals schlängelten.

Die schlanken Hände, bedeckt mit hervortretenden Adern, gepflegt und doch von dem Anpacken erzählend, ein wenig gekrümmt die Finger, die immer noch so weich und wohltuend eine heiße Stirn kühlen konnten, lagen ruhig in ihrem Schoß, übereinander gelegt, ein wenig die Fingerenden verhakt, als müsse sie sich selbst festhalten, nach Jahren der rastlosen Tätigkeiten.

Ab und zu, wenn sie von früher mit leiser Stimme erzählte, blitzen die Augen, schalkhaft zwinkernd und wenn sie lächelte, erstrahlte ihr Gesicht, beleuchtet von innerer Wärme, in einer fast jugendlichen, rosigen Schönheit.

Ihre Zuhörer saßen eng an sie geschmiegt und wer keinen Platz in ihrer unmittelbaren Nähe erhaschen konnte, versuchte, durch Anlehnen an den Nächstsitzenden den Kontakt aufzubauen.

Junge und alte Zuhörer wandten ihre Gesichter der Erzählerin zu. Und wenn man genau hinsah, konnte man feststellen, dass die Augen der meisten fast unruhig hin und her flogen…seltsam in dieser so ruhig anmutenden Runde. Aber ja, durch die tastenden Berührungen, dem oft leicht schräg geneigten Kopf einiger Lauschenden wurde man dann gewahr, dass in vielen Augen das Licht fehlte, dass es sich hier um blinde Menschen handelte.

Blind geboren, durch Erkrankung erblindet, durch Alter oder Unfall.

Alle diese vom Schicksal gerüttelten Menschen hatten auf Grund ihrer Lebensumstände bisher nie gelernt, die Blindenschrift zu lesen.

In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, oft als lästig von den Angehörigen weggesperrt, hatten sie hier im Sankt- Marien- Heim eine neue, liebevolle Aufnahme erfahren und sogen jedes Wort gierig in sich auf, dürstend nach Wissen, Erleben, Gelebtem.

So waren schon das Radio, die Geschichten der CD´s und Cassetten eine ganz neue, atemberaubende Welt für sie.

Doch die Stunden mit „Tante Martha“, wie sie von allen liebevoll genannt wurde, gehörten zu den lehrreichsten, weil innigsten Begegnungen, denn in ihrer so sehr liebevollen, ruhigen Art konnte sie in ihren Erzählungen aus ihrem so langen Leben auch sehr viel Wissen und Lehrreiches weitergeben.

 

Sie schilderte Leben, Gerüche, Bilder so intensiv, dass jeder sich ein eigenes Bild, eine eigene Geschichte im Innern erstehen lassen konnte, so erleben, miterleben konnte, was ihm vorher verwehrt war.

Eine Symbiose, die in unserer gehetzten, nach Geld und Vorteil strebenden Ich- Welt einen ganz besonderen Stellenwert einnahm.

Da die Benachteiligten, in ihren Fähigkeiten noch Eingeschränkten und vorher fast Vereinsamten und dort diese kleine, uralte Frau, allein, weil sie durch Krieg und Krankheit alle Angehörigen verlor, aber durch ihren

starken Willen, Anderen nahe zu sein, Werte zu vermitteln, wie in einer Familie nun ihre letzten Jahre verbringen konnte.

Wir sollten öfter hinschauen, wenn uns das Leben zeigt, wie jedes noch so schwache Glied einer Kette gehalten wird, wenn es nach mehreren Seiten von einem anderen abgesichert wird.

 

 

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Über den Autor

flovonbistram
Heilpraktikerin, Autorin, Mutter, Großmutter, Hunde- und Katzenmama

Am liebsten fröhlich, ohne den Ernst außer Acht zu lassen.

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flovonbistram Re: Bilder, die so selten sind ... -
Zitat: (Original von kraemerk am 29.03.2013 - 10:31 Uhr) ... Klasse erzählt, nachdenklich bleibe ich zurück,

Guten Morgen, Flo,

Katharina




Danke Katharina und liebe Grüße
Flo
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Bilder, die so selten sind ... - ... Klasse erzählt, nachdenklich bleibe ich zurück,

Guten Morgen, Flo,

Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
flovonbistram Re: -
Zitat: (Original von Pinball am 28.03.2013 - 15:18 Uhr) Eine sehr liebvoll erzählte Geschichte, die mir sehr gut gefallen hat!
Es ist wohl heute eher die Ausnahme, im Kreis der eigenen Familie seinen Lebensabend zu verbringen, aber es ist jedem zu wünschen, das erleben zu können und einen Teil der Wärme und Liebe zu bekommen,. die duirch einen selbst ein Leben lang gegeben wurde!




Du hast recht, die Großfamilie, in der auch Platz war für die Alten, die Kranken, die gibt es nur noch ganz selten. Es ist ja auch kaum noch machbar.

Danke

Herzliche Grüße
Flo
Vor langer Zeit - Antworten
Pinball Eine sehr liebvoll erzählte Geschichte, die mir sehr gut gefallen hat!
Es ist wohl heute eher die Ausnahme, im Kreis der eigenen Familie seinen Lebensabend zu verbringen, aber es ist jedem zu wünschen, das erleben zu können und einen Teil der Wärme und Liebe zu bekommen,. die duirch einen selbst ein Leben lang gegeben wurde!
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Re: Re: Eine Geschichte, - Du hast völlig recht. Das meiste stecken die Chefs dort ein. In unserem Dorf gibt es auch so eine Einrichtung. Madam fährt im dicken Mecedes und das Pflegepersonal bekommt einen Hungelohn und muss dazu noch Überstunden en masse schieben, die dann nicht mal bezahlt werden. Und Absetzen geht auch nicht. Da geht mir der Hut einfach hoch. (In der Zeitung veröffentlichte sie, dass sie so pflegt, wie sie selber im Alter mal gepflegt werden will. Na hoffentlich geht wenigstens ihr dieser Wunsch in Erfüllung.)
Hier fehlt es offensichtlich an der nötigen Kontrolle, weil die Abrechnung der Pflegegelder, intransparent ist. Man könnte viel darüber schreiben. Es fehlt einfach an der nötigen Ehrlichkeit.
Wünsch Dir trotzdem ein schönes Osterfest.
Bärbel

Zitat: (Original von flovonbistram am 27.03.2013 - 22:42 Uhr) Liebe Bärbel, meine Tochter arbeit in der Diakonie in einer Schule für Schwerstbehinderte als Heilpädagogin.
Die Betreuer und Lehrkräfte sind permanent körperlich und seelisch überfordert, weil es in diesen Einrichtungen immer viel zu wenig Personal gibt und die Bezahlung sauschlecht ist.

So viele Gelder gehen ins Ausland und wo bleiben wir?
Aber das Thema ist riesig...

Abendgrüße von Flo


Zitat: (Original von baesta am 27.03.2013 - 17:56 Uhr) die zu Herzen geht. Und doch es gibt auch so viele Beispiele der anderen Art, wie man mit Behinderten umgeht (auch in Pflegeheimen).

Liebe Grüße
Bärbel


Vor langer Zeit - Antworten
Zeitenwind Geben - So anschaulich geschrieben, wie die Hauptperson in Deiner Geschichte.

Gruß vom Trollbär
Vor langer Zeit - Antworten
flovonbistram Re: Eine Geschichte, - Liebe Bärbel, meine Tochter arbeit in der Diakonie in einer Schule für Schwerstbehinderte als Heilpädagogin.
Die Betreuer und Lehrkräfte sind permanent körperlich und seelisch überfordert, weil es in diesen Einrichtungen immer viel zu wenig Personal gibt und die Bezahlung sauschlecht ist.

So viele Gelder gehen ins Ausland und wo bleiben wir?
Aber das Thema ist riesig...

Abendgrüße von Flo


Zitat: (Original von baesta am 27.03.2013 - 17:56 Uhr) die zu Herzen geht. Und doch es gibt auch so viele Beispiele der anderen Art, wie man mit Behinderten umgeht (auch in Pflegeheimen).

Liebe Grüße
Bärbel

Vor langer Zeit - Antworten
baesta Eine Geschichte, - die zu Herzen geht. Und doch es gibt auch so viele Beispiele der anderen Art, wie man mit Behinderten umgeht (auch in Pflegeheimen).

Liebe Grüße
Bärbel
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