Kurzgeschichte
Ende einer Angst

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"Ende einer Angst"
Veröffentlicht am 26. März 2013, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Ende einer Angst

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Ende einer Angst

Ende einer Angst

© by Pinball



Ich höre es, ganz genau kann ich es hören und ich höre es nicht zum ersten Mal.
Immer, wenn ich Nachts im Bett liege, höre ich es, dieses Knistern der Decke in meinem Zimmer.
Obwohl es in meinem Zimmer stockdunkel ist, glaube ich sogar sehen zu können, wie sich der dünne Riss, der sich an der Zimmerdecke quer durch mein Zimmer zieht, vergrößert und immer breiter wird, jede Nacht.
An jedem Morgen, wenn ich aufstehe und es hell ist in meinem Zimmer, sehe ich nach. Und an jedem Morgen ist es derselbe dünne Riss wie am Morgen zuvor.
Aber nur bis zum Abend, wenn es dunkel wird ist es derselbe Riss. Wenn ich im Bett liege, dann geht es wieder los. Dann knistert der Riss und vergrößert sich.
Bei jedem Knistern sage ich zu mir selbst „Beim nächsten Knistern stehst du auf, machst Licht und siehst nach“. Aber jeden Abend bleibe ich liegen, lasse es dunkel und glaube zu hören und fast sehen zu können, wie sich der Riss verändert, wie er breiter wird.
Dies ist nun der vierte oder schon fünfte Tag. Besser gesagt vierte oder fünfte Nacht, denn am Tag ist nichts zu hören oder zu sehen.
Und wie an den vergangenen Tagen sage ich mir wieder „Aufstehen, Licht an, nachsehen“.
Aber wie in den vergangenen Nächten bin ich wieder zu träge, lasse es dunkel und warte auf den Schlaf.
Warum stehe ich nicht auf, warum lasse ich es dunkel? Nur weil ich zu träge bin oder habe ich Angst, daß ich recht habe und der Riss sich wirklich vergrößert?
Heute kommt es mir vor, als sei das Knistern deutlicher, lauter geworden. Ich versuche, es zu überhören, wie ich es die letzten Tage auch getan habe. Aber heute ist es irgendwie … ja irgendwie anders als sonst.
Ist es dieses seltsame drückende und beklemmende Gefühl, daß mich überkommt? Ich spüre es heute zum ersten Mal, seit ich das Knistern zum ersten Mal gehört habe.
Ich sehe an die Decke, versuche mit meinen Blicken die Dunkelheit zu durchdringen, aber ich kann nichts sehen. Aber ich höre es, höre es lauter und deutlicher als in den Nächten vorher.
Und plötzlich ist es kein Knistern mehr, es ist jetzt zu einem Ächzen und Knacken geworden und ich glaube sehen zu können, wie die Zimmerdecke sich langsam mehr und mehr durchbiegt, der Riss nach mir zu greifen scheint, bis die Decke im Zeitlupentempo auf mich herab fällt.
Das Knistern hat aufgehört. Es gibt keine Zimmerdecke mehr, die knistern könnte. Es gibt auch keinen Riss mehr, der sich vergrößert. Es gibt auch mich nicht mehr, den Einzigen, der das Knistern gehört und hören könnte.
Es gibt nur noch Trümmer, die Trümmer der Zimmerdecke, die mich erschlagen hat.
Es ist dunkel geblieben und alles ist voller Staub.  

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Pinball Re: -
Zitat: (Original von welpenweste am 27.03.2013 - 10:23 Uhr) Gelungen! Ganz ehrlich!
Deshalb 5 Sterne.
günter


Dankeschön für die Sterne und den Kommentar!
Michael
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Gelungen! Ganz ehrlich!
Deshalb 5 Sterne.
günter
Vor langer Zeit - Antworten
Pinball Re: -
Zitat: (Original von schnief am 27.03.2013 - 07:28 Uhr) Gut geschrieben



Dankeschön! Ich freue mich, wenn Dir die Geschichte gefallen hat!
Vor langer Zeit - Antworten
schnief Gut geschrieben
Vor langer Zeit - Antworten
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