HOTEL PARADIES, HAMBURG
Diese Herberge ist keine Adresse
für Erlebnishungrige
und Entspannung suchende Touristen,
dieser Ort ist kein Ausgangspunkt,
dieser Ort ist Endstation.
Doch man kommt
ganz einfach hin.
Vom Hauptbahnhof
geht man Richtung Osten,
vorbei an Wechselstuben,
billigen Pornoläden, Spielhallen
und einer Bude in der unsagbar alte
Fischbrötchen hinter verstaubten Scheiben
schwitzen.
Vorbei an ausgebrannten Junkies,
altersschwachen Nutten
und Perversen aller Geschmacksrichtungen.
Vorbei an Billig - Märkten
die den Plastikmüll von Morgen
verhökern, und gleich neben dem Türkischen Imbiss
mit dem schmutzigen Koch steht es
in verblichenen roten Neon - Buchstaben:
Hotel Paradies, Hamburg.
Man steigt fünf Stufen empor,
vorbei an dem Obdachlosen
der den Eingang
zu seinem Wohnzimmer erklärt hat,
stößt die schwere Eichentür auf
und geht hinein, wartet eine Minute
bis sich die Augen an das fahle Licht
und die Nase an den Gestank
gewöhnt haben.
Dann den Flur entlang,
die zweite Tür links,
da ist die Rezeption:
Ein überheiztes schmuddeliges Wohnzimmer
in dem eine unerhört fette Frau sitzt
und kassiert. Fragen werden keine gestellt,
irgend ein Name fürs Meldebuch
wird reichen, während die ganze Zeit
ein lauter Fernseher fremde Realitäten
auf die toten Pupillen der Alten schmeißt.
Hotel Paradies, Hamburg
Eine knarrende Treppe hinauf,
einen düsteren Gang entlang.
Steinaltes Linoleum unter den Füßen,
speckiger Dreck in den Ecken.
Die dünnen Presspappetüren
haben aufgeklebte Nummern
die den Weg weisen: 11... 12... 13.
Da ist es. Die vierzehn. Man braucht
keinen Schlüssel, nur ein
fadenscheiniger Riegel ist alles
was die Außenwelt fernhält.
Die Einrichtung spartanisch:
Zwei eiserne Bettgestelle,
( Einzelzimmer kostet extra.)
ein wackliger Tisch, zwei Stühle
viel älter als man selber, ein Schrank
ohne Türen.
Hotel Paradies, Hamburg
Den Pappkoffer unters Bett geschoben
sitzt man da auf dem kalten Laken,
dreht sich Zigaretten
und lauscht dem Husten eines alten Junkie.
In der Nase
den Gestank von billigem Wein, Erbrochenem,
Dreckstarrenden Socken und altem Blut.
Langsam verschwindet die Sonne
hinter den löchrigen Vorhängen,
Schatten kriechen über ausgeblichene Wände
und eine Armee von Kakerlaken
macht sich auf zum langen Marsch
hin zu dem Pappkoffer.
Hotel Paradies, Hamburg.
Nebenan, in Nummer 13, setzt sich
eine vierzehn jährige Ausreißerin
aus Göttingen ihren abendlichen Schuss
Vergessen und eingebildete Freiheit,
nun bereit ihren schmächtigen Körper
auf den Straßen zu vermieten.
Für die Miete, den nächsten Schuss.
Zur Rechten, in Nummer 15, schreit
ein alter Säufer nach seiner Mutter.
Ein alter Fixer pumpt sich
seine eigene Pisse in die letzte Vene.
Sein Restleben, nur noch
ein winziger Punkt in seinen Pupillen.
Hotel Paradies, Hamburg
Hier ist Endstation.
Obdach für die Gescheiterten, die Verlierer
und Versager, die Geprellten
und von allen Verlassenen.
Die letzte Herberge zerplatzter Träume
vom ewigen Glück.