Romane & Erzählungen
Verwehte Zeit erwacht

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"Verwehte Zeit erwacht"
Veröffentlicht am 22. März 2013, 8 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Heilpraktikerin, Autorin, Mutter, Großmutter, Hunde- und Katzenmama Am liebsten fröhlich, ohne den Ernst außer Acht zu lassen. Mehr findet Ihr auf meiner Homepage: http://nachtfluege.de
Verwehte Zeit erwacht

Verwehte Zeit erwacht

Beschreibung

In so vielen Kleinigkeiten hängen die Erinnerungen von Generationen. Sie lassen eine vergangene Zeit erwachen.

 

Piefel

 

Auf dem alten Schreibtisch liegen kleine Schachteln, einige Bücher.

Das Holz fühlt sich warm an, genau wie Schrank und Sessel, die mir seit meiner Kindheit so sehr vertraut sind, stammt dieses schöne Gründerzeitteil aus dem Haushalt meiner Großeltern, wurde von meiner Patentante übernommen.

Ich halte diesen kleinen Ring in der Hand und weine.

Was bedeutet er alles, wer trug ihn, warum macht er mich so wehmütig?

Elisabeth, meine  Großmutter bekam ihn von ihrem Paul zur Verlobung.

Zwei kleine Schlangen umwinden sich und beiden tragen einen Opal als Auge im Kopf.

 

 

Tante Ira trug ihn nach dem Tod ihrer Mutter.

Er ist klein, doch passt er an meine linke Hand.

Da liegt das Buch, das mich in meiner Kindheit und Jugend faszinierte, wurden doch hier die Geschehnisse des Haushaltes schon von meinen Urgroßeltern festgehalten. Geburten, Taufen, Todesfälle, Vertreibung, Verlust des Hofes. Viel erfahre ich immer wieder neu aus dieser Familienchronik.

Tief beeindruckte mich immer der Satz „- 1920 – Gott helfe uns, die rote Armee dringt bis an die Wechsel vor“  und so verlassen viele deutsche Familien ihre Heimat an dem großen Fluss und die Umgebung um Marienburg.

Mit vier Kindern schlagen  sich meine Großeltern durch und erreichen, durch Verwandtschaft gestützt, eine kleine Stadt im Sauerland, Berleburg, neue Heimat für die Kinder, ein Haus wird gekauft. Doch viel Freude hat der Großvater nicht daran, er bricht

 

2 Jahre später tot zusammen.

Auch die Großmutter lerne ich nicht kennen, sie stirbt 1946, voller Hoffnung die Heimkehr ihrer Söhne aus dem Krieg erwartend, doch diese erfüllt sich nicht.

Jetzt löse ich den Hausstand meiner Tante auf, natürlich kann ich mich von den meisten Dingen nicht trennen, waren und bleiben sie doch immer ein Bestand meines Lebens.

 

Schauen wir einmal zurück:

Es geht nicht mehr. Tante Ira  kann sich nicht mehr selbst versorgen und sie soll in ein Heim. Das kann ich nicht zulassen. Sie gab mir Kindheit.

Bei ihr fühlte ich mich immer sicher und geborgen. Also steht  mein Entschluss fest, sie kommt zu mir, zu uns. Der Familienrat hat es beschlossen.

 

 

Da liegt sie, klein, abgemagert, jenseits der Wirklichkeit, unserer Wirklichkeit. Sie ist wieder Kind, ruft nach Mama, weint, möchte nicht mehr eingesperrt sein.

Pein überflutet mich, das hat sie nie erzählt.

Ich wusste aus ihren Erzählungen, wenn wir in ihrer kleinen Einzimmerwohnung gemütlich zusammen saßen oder im Bett uns noch etwas erzählten, dass mein Großvater , als Schulleiter und Musiklehrer sehr streng war, dass Oma sehr auf die ihr anerzogene Etikette und Bildung achtete, diese weiter zu geben, das war man seiner Herkunft schuldig.

 

Ich halte ihre Hände, singe für sie, erzähle von früher, von unseren gemeinsamen Zeiten, streichle ihr schmal gewordenes Gesicht; meine Kinder spielen für sie, die Bettlägerige, mit den Kasperlepuppen und Kuscheltieren selbsterdachte Stücke.

 

 

Dann der stille Sonntag, an dem sie einfach einschläft.

Mein Mann ist mit den Kindern unterwegs, so kann ich mich ganz einfach hinsetzen, ihre Hände halten und Abschied nehmen, Abschied, der so sehr schmerzt, Abschied damit auch von unseren gemeinsamen Erinnerungen, von so vielen Jahren, Kindheit, Vertrautheit, Liebe.

Nun schaue ich auf den Schrank, sitze an dem Schreibtisch, manchmal auf dem alten Sessel und ganz leise höre ich ihre liebe Stimme, „Piefel“ ein Ausdruck, von dem keiner weiß, was er bedeutet, aber immer ihr Ausdruck ist für Erstaunen, Verwunderung, Glück gewesen ist.

Alle diese vertrauten Möbelstücke, Geschirr und viele Kleinigkeiten schmücken nun mein Heim und geben mir ab und zu das Gefühl, in eine ganz alte, verwehte Zeit einzutauchen.

 

 

 

 

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Hörbuch

Über den Autor

flovonbistram
Heilpraktikerin, Autorin, Mutter, Großmutter, Hunde- und Katzenmama

Am liebsten fröhlich, ohne den Ernst außer Acht zu lassen.

Mehr findet Ihr auf meiner Homepage:

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flovonbistram Re: VERWEHTE ZEIT ERWACHT -
Zitat: (Original von Bleistift am 22.03.2013 - 19:57 Uhr) Mit sehr viel menschlicher Wärme erzählt
und von daher sehr gern gelesen.

LG Louis


Danke, sie gab mir Wärme in einer teilweise sehr schlimmen Kindheit
und ich denke fast täglich an sie.
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift VERWEHTE ZEIT ERWACHT - Mit sehr viel menschlicher Wärme erzählt
und von daher sehr gern gelesen.

LG Louis
Vor langer Zeit - Antworten
flovonbistram Re: Zeitverwehung -
Zitat: (Original von Zeitenwind am 22.03.2013 - 17:14 Uhr) Das sind Zeilen, die mich wieder nachdenklich stimmen. Es sind nun drei Jahre vergangen, seit mein Vater so da lag. Drei Jahre, in denen ich fast daran zugrunde gegangen bin. Doch so langsam kehrt das Leben zu mir zurück und auch die ganzen Worte, die er mir fürs Leben mitgab, helfen mir weiterzumachen. Und wenn ich Fragen habe, so antwortet er mir und ich kann seine Werte an meine Kinder weitergeben.

Du siehst, es beschäftigt mich - Dein Text beschäftigt mich.

Gruß vom Trollbär



und darum ist es so wichtig, dass wir uns die schönen Erlebnisse immer wieder ins Erinnern holen, damit sie Balsam für die Seele werden.
Alles Liebe und danke
Herzlich Flo
Vor langer Zeit - Antworten
Zeitenwind Zeitverwehung - Das sind Zeilen, die mich wieder nachdenklich stimmen. Es sind nun drei Jahre vergangen, seit mein Vater so da lag. Drei Jahre, in denen ich fast daran zugrunde gegangen bin. Doch so langsam kehrt das Leben zu mir zurück und auch die ganzen Worte, die er mir fürs Leben mitgab, helfen mir weiterzumachen. Und wenn ich Fragen habe, so antwortet er mir und ich kann seine Werte an meine Kinder weitergeben.

Du siehst, es beschäftigt mich - Dein Text beschäftigt mich.

Gruß vom Trollbär
Vor langer Zeit - Antworten
flovonbistram Re: Macht traurig -
Zitat: (Original von baesta am 22.03.2013 - 12:27 Uhr) Deine Geschichte, wohl wissend, dass wir Alle eines Tages den gleichen Weg gehen werden. Dennoch, die Erinnerung bleibt und Du hast sie der Allgemeinheit vermacht.

Liebe Grüße
Bärbel


Aber trotz der Traurigkeit überwiegt die Freude an den Erinnerungen.
Wer mein Buch Lebensscherben (kann online gelesen werden, ist vergriffen) kennt, weiß, wie wichtig gerade diese Tante für mich immer war.

Danke und liebe Grüße
Flo
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Macht traurig - Deine Geschichte, wohl wissend, dass wir Alle eines Tages den gleichen Weg gehen werden. Dennoch, die Erinnerung bleibt und Du hast sie der Allgemeinheit vermacht.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
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