Fantasy & Horror
Gottes Klingen - Kapitel 1

0
"Gottes Klingen - Kapitel 1"
Veröffentlicht am 08. März 2013, 14 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will? Tue ich das gerade nicht, studiere ich Rechtswissenschaften und bemühe mich, nicht gleich jedes damit verbundene Klischee zu erfüllen (letzteres womöglich nur mit mittelmäßigem Erfolg), oder fröne in irgendeinem Pub meinen Lastern.
Gottes Klingen - Kapitel 1

Gottes Klingen - Kapitel 1

Beschreibung

Ilgarion Quynt reist als zielloser Abenteurer durch die achtzehn Fürstentümer des Königreichs Kalatars, bis er von einer Gruppe von Paladinen ihn zu einer geheimnissvollen Mission rekrutiert. Auf der Suche nach einem verschollenen Ritter sie in den Süden des Reiches, doch in der Wüste und den prunkvollen Städten stoßen sie nur auf Zwietracht und Missgunst. Bald schon werden die Ideale der Gottesmänner auf eine harte Probe gestellt und Ilgarion weiß nicht mehr, wem er noch trauen kann. Zur besseren Orientierung findet man auf meinem Profil mittlerweile eine Karte Kalatars. Titelbild by el7bara (Quelle: everystockphoto.com)

 

Brüder an Bord
34. Mondweihe. 763 ÄIII n.Br. – Fürstentum Hammat

Gilwen saß am Bug der Firandella und starrte abwesend in das Marineblau der Welle, das am Horizont mit dem ungetrübten Azur des Himmels verschmolz. Blau umschloss seine ganze Welt, alles war Blau abgesehen von dem strahlend goldenen Fleck am Himmel, der unbarmherzig seine sengenden Strahlen auf sie herab warf. Hier am Bug unter einem der großen Segel fand er zumindest die Gnade des kühlen Schattens, aber nichts bot Schutz vor der zehrenden Langeweile. Seine Bücher hatte er bereits doppelt gelesen, das Morgengebet war längst gesprochen, die Suppe, die der Smutje fabriziert hatte, ausgelöffelt. Wenigstens hatte die Seekrankheit ihn verschont, wohingegen zwei seiner Paladinbrüder sich seit Wochen in ihren Kabinen verschanzten und Eimer mit ihrem Erbrochenen füllten.
Rufe drangen zu ihm, als einige der dunkelhäutigen Matrosen damit begannen, das Hauptdeck zu schrubben. Fast war er versucht, aufzustehen und ihnen zu helfen, nur um der Grube des Nichtstuns zu entfliehen, doch eine derartige Tätigkeit ziemte sich nicht für einen Mann seines Ranges. Sein Blick glitt über das Deck, wobei er Eigon Weid erkannte, einen

 

Ordensbruder, der bedächtig seine Suppe löffelte und dabei verträumt über die Reling starrte. Vom Haar des alten Eigon war nur lichter, weißer Flaum geblieben, der sein kahles Haupt wie eine dünne Moossicht bedeckte. Wenige, weiße Bartstoppeln reckten sich aus Kinn und Wangen. Obgleich Eigon ein strenges Schweigegelübde abgelegt hatte, suchte man vergeblich ein Zeichen von Bitterkeit oder Reue in seinem Gesicht, das ein ewiges, unerschütterliches Lächeln zierte.
Ein Stück weiter in Richtung Achterdeck erkannte Gilwen seinen Kameraden Hieronymus, der auf dem Deck sein tägliches Kontingent Liegestütze stemmte. Der blonde Paladin achtete genauestens auf seinen Körper, was ihn zu einem tödlichen Kämpfer machte, allerdings auch Arroganz in sein Herz gesät hatte. Gilwen vermied es daher, sich in Hieronymus‘ Nähe aufzuhalten, wohingegen er mit Eigon nur allzu gerne mal ein Wort gewechselt hätte, wenn dessen Gelübde dem nicht im Weg gestanden hätte.
Letztlich gelangte sein Blick zum Achterdeck, wo der Paladin Revanno Cavelli hitzig mit dem Kapitän der Firandella debattierte. Obgleich der hünenhafte Seemann Cavelli um mehr als nur einen Kopf überragte, redete der kleine Mann doch wie wild auf ihn

 

ein und Gilwen war sich sicher, dass er dabei kein Blatt vor den Mund nahm. So war Revanno eben, ein kleiner Hitzkopf aus Vaska, dessen sprunghafte Zunge mühelos Eigons Schweigegelübde kompensierte, ihn aber nicht ungern in Schwierigkeiten brachte. Tatsächlich diskutierte er mit jedem, der nicht schnell genug fliehen konnte, als würde ein Schelm in seinem Schädel ihn dazu zwingen. In Debatten über Gott, Glauben und Wahrheit schlug er seine Schlachten am liebsten, aber wenn ihm diese ausgingen, langte das Wetter ebenso. Schon in den ersten Wochen auf See hatte ein jeder Matrose sein Weltbild gegen Cavellis Sturmangriffe verteidigen müssen, dass Gilwen darauf gewettet hätte, seinen Kamerad bald mit eingeschlagener Nase auf dem Unterdeck zu finden. Doch die Matrosen hatten sich köstlich amüsiert, gelacht und ihrerseits darauf gewettet, wer Cavelli von der Gewichtigkeit der Hurerei überzeugen konnte. Natürlich war es keinem gelungen, obgleich Revanno während der ausschweifenden Debatte mit den Seemännern so manchen Becher Rum gekippt hatte.
Rum…
Gilwen dürstete es ebenfalls nach einem Schluck, nach dem Feuer in seiner Kehle, das die Langeweile vielleicht ausbrennen könnte.

 

 

 

Doch der Zweifel verdarb ihm die Lust. Der Kodex verbot den Genuss von Alkohol nicht ausdrücklich, doch duldeten viele der hochrangigen Paladine ihn trotzdem nicht. Ob Aymeric Lemorgant zu diesen gehörte, wusste er allerdings nicht. Jäh keimte die Frage in ihm auf, was er überhaupt über seinen Anführer wusste. Doch nachdem er ein wenig in seinen Erinnerungen gestöbert hatte, musste er sich eingestehen, dass sein Wissen nicht über Gerüchte und das, was ohnehin offensichtlich war, hinausging. Lemorgant war der Name des Königshauses, das seit mehr als tausend Jahren über die achtzehn Fürstentümer Kalatars herrschte. Einige sagten, Aymeric sei der Erstgeborene des herrschenden Königs Aldrin I., andere hingegen behaupteten, der Erzpaladin stamme nur aus einer Seitenlinie des Königshauses. Doch wie die Wahrheit auch lauten mochte, für Gilwen zeugte es von größter Tugend, wenn ein Adliger oder gar ein Prinz ein Leben ohne Mängel, ohne Nöte für den Glauben opferte. Er hätte Aymeric selbst nach dessen genauer Herkunft gefragt, doch verschlug ihm die Anwesenheit des Erzpaladins stets die Sprache, denn vor solcher Erhabenheit mussten seine Fragen zur Bedeutungslosigkeit verblassen.  

 

Kopfschüttelnd wandte er den Blick vom Heck ab, um wieder der nahtlosen blauen Wand am Horizont entgegen zu starren.
Was uns wohl erwartet?
Auch das Ziel ihrer Mission war ihm allenfalls schleierhaft bekannt. Man hatte ihm gesagt, dass sie nach Hammat reisen würden, in eines der Fürstentümer des Südens, um dort einen verschollenen Paladin namens Cardwyn Venauld zu suchen.
Erneut hämmerten Fragen unbarmherzig auf seinen Geist ein. Warum war Cardwyn dort gewesen? Gab es für die Suche nach ihm noch einen anderen Grund als die bloße Solidarität gegenüber einem Bruder? Wozu brauchten sie Quynt und was hatte es mit der Brosche auf sich, die Aymeric ihm gezeigt hatte?
Letzten Endes blieb ihm keine andere Wahl, als vor seinem eigenen Unwissen zu kapitulieren. Immer noch starrte er dem Horizont entgegen, doch über die Ränke seiner Gedanken hatte er die feine sandfarbene Linie nicht bemerkt, die sich plötzlich zwischen Marineblau und Azur gezogen hatte. Er blinzelte, während es aus dem Krähennest bereits der erlösende Ruf schallte:
„Land in Sicht!“  

 

Für einen Moment hoben die Matrosen die Köpfe vom Deckboden, Hieronymus erstarrte in seiner Liegestütze, Eigon ließ den Suppenlöffel sinken, Cavelli hielt für einen Augenblick den Mund. Doch während die Matrosen kurz darauf mit ihrer Arbeit fortfuhren, eilten die Paladine unter Deck. Gilwen ließ sich bewusst zurückfallen, da er weder die herablassende Behandlung Hieronymus‘ noch eine feurige Rede Cavellis ersehnte. So erreichte er seine Kajüte als letzter.
Der schmale Verschlag ängstigte ihn mit seiner Enge, denn die maroden Plankenwände schienen jedes Mal ein Stück näher zu rücken, wenn er gerade nicht hinsah. Außer einer unbequemen, schäbigen Pritsche, einer recht solide wirkenden Truhe und einem ewig fauligen Geruch beherbergte die Koje nichts.
Gilwen ließ sich auf sein Lager sinken, wo er zunächst den Waffenrock ablegte, den er, wie der Kodex verlangte, stets zu tragen hatte. Anschließend kramte er sein Kettenhemd aus der Truhe, um es anschließend über sein ebenfalls weißes Untergewand zu stülpen. Dann schlüpfte er erneut in den Wappenrock, legte Schwergut und Stulpen an. Schließlich entnahm er sein Langschwert der Truhe, das noch in der ledernen Scheide steckte.

 

Langsam zog er es heraus, worauf die Klinge im dämmrigen Licht der Koje sanft zu strahlen begann. Jedem Paladin wurde zur nach seiner Initiation ein solches Schwert überreicht, gearbeitet aus feinstem Stahl und mit Illusionsmagie verzaubert, sodass es stets leuchtete. Obgleich der Zauber im Kampf keinerlei praktischen Nutzen besaß, vermochte er doch bereits im Vorfeld so manchen Feind zu beindrucken. Zudem machten die Gerüchte, die sich um die Klingen der Paladine rankten, sie wesentlich mächtiger, als sie eigentlich waren. Langsam strich Gilwen über die Figuren der maskierten Engel, die beidseitig über dem Griff prangten und deren ausgebreitete Flügel zur Parierstange verschmolzen. Dann steckte er das Schwert zurück in die Scheide und nahm sein letztes Kleinod aus der Kiste, eine faustgroße Metallscheibe, überzogen von einer Schicht reinsten Silbers. In die Vorderseite hatte man das Wappen des Richtschwerts geätzt und es ebenfalls mit einem Illusionszauber versehen, der jedoch wesentlich mehr Macht besaß als die Klinge. Ein einziges Wort reichte, um dem Schmuckstück einen Lichtblitz entfahren zu lassen, der selbst hartgesottene Kerle außer Gefecht setzte, so wie es mit Quynt geschehen war. Sorgsam verstaute er das Symbol, welches die Paladine schlicht als Fackel 

 

 

bezeichneten, in der dafür vorgesehenen Tasche an seinem Gürtel.
Nachdem er sich noch einmal versichert hatte, seine Vorbereitungen abgeschlossen zu haben, leerte er die Truhe, faltete die zweite und dritte Garnitur weißer Unterkleider sowie den zweite, Waffenrock zusammen, verstaute sie zusammen mit seinen Büchern und dem kümmerlichen Rest seines Reisegepäcks in einem Seesack und kehrte anschließend an Deck zurück. Die Seesäcke der übrigen Paladine lagen in Mitten des Decks, wo man Eigon und einen jungen, hageren Bruder namens Jonathras abgestellt hatte, um sie zu bewachen. Letzterer hatte zu den beiden Unglückseligen gehört, die während der gesamten Fahrt an Seekrankheit gelitten hatten. Die Krankheit hatte ihn ausgezehrt, sodass er nun mager und ermattet wirkte. Selbst seine kurzen, satinblonden Haare schienen noch weiter verblasst zu sein. Eigon nickte Gilwen freundlich zu, als er an ihnen vorbei ging, wohingegen Jonathras wortlos und mit vor Konzentration versteinerter Miene über die Planken marschierte.
Am Bug traf er auf die übrigen Brüder, allesamt in Kettenrüstung und Waffenrock. Schwerter und Fackeln prangten an ihren Gürteln.

 

 


Auch der ältliche Falloven, Aymerics Adjutant, der während der Reise Jonathras‘ Schicksal geteilt hatte, befand sich unter den Brüdern und wirkte nicht weniger ausgezehrt als sein Leidensgenosse. Allesamt hatten sie ihren Blick auf die Küstenlinie gerichtet, die in den vergangenen Minuten merklich aufgeklart war, sodass man nun auch die lehmfarbenen Türme und Häuser von Kap Bruch erkennen konnte, der Hauptstadt Hammats.
Unser Ziel.
„Brüder“, sprach Aymeric, „vor uns liegt die Küste Hammats. Kap Bruch, um genau zu sein. Wie Ihr wisst, verdächtigt der König die südlichen Fürstentümer der Rebellion und noch diverser anderer Dinge…Er entsandte Cardwyn Venauld, einen guten Mann, um dezent Nachforschungen anzustellen, doch nun ist Venauld verschwunden. Er war ein Bruder und ein Mann des Königs, weshalb unsere Ehre gebietet, ihn zu finden, was auch immer mit ihm geschehen ist. Bedenkt dabei, dass sein Verschwinden Bände über die Wahrheit der Gerüchte um eine Rebellion spricht. Ich will nichts beschönigen. Wir reisen nicht grundlos zu acht, denn dort an dieser Küste erwarten uns vermutlich keine Freunde.

 

 

 

Möglicherweise wird uns ihre Verachtung bei jedem Schritt begleiten, möglicherweise empfangen sie uns freundlich und zuvorkommend, doch bedenkt, dass diese Freundlichkeit hohl ist und dass hinter ihr die Dolche der Feindschaft lauern. Wir sind Männer des Königs, Männer Gottes. In diesen Landen verachtet man beides, also seid auf der Hut“, er hielt kurz inne, bevor er die Stimme hob und sich selbst auf die Brust schlug, „Was rechtschaffen ist, wird niemals fallen!“
„Was rechtschaffen ist, wird niemals fallen“, echote der Wahlspruch des Ordens aus sechs Kehlen zurück, während die Küste immer näher rückte.
Schon konnte Gilwen über den Bug hinweg den Hafen von Kap Bruch erkennen und die unzähligen Schiffe, die dort ankerten. Die Masten stolzer Galeonen aus den Westlanden reckten sich dem makellos blauen Himmel entgegen, die faltigen Segel nogronischer Dschunken wehten leichte im sanften Wind, Galeeren von der Säbelküste ruhten träge an den Kais. Unzählige Menschen wuselten wie Ameisen umher, schleppten Lasten zu den Kontoren, verhandelten Gewürzpreise, verkauften Fisch, erleichterten auf weniger ehrenhafte Weise die Taschen ihrer Mitmenschen, flanierten im Schatten bunten Schirme, verdorrten unter der sengenden Sonne.  

 

„Jeder von denen könnte meinen Tod wollen“, stach die bittere Gewissheit in Gilwens Geist, während seine Hand nach dem Griff des Schwertes tastete.

 

 

http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_85529-0.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_85529-1.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_997631.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_997632.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_997633.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_997634.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_997636.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_997638.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_997640.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_997641.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_997642.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_997654.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_997655.png
0

Hörbuch

Über den Autor

Crawley
Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will?
Tue ich das gerade nicht, studiere ich Rechtswissenschaften und bemühe mich, nicht gleich jedes damit verbundene Klischee zu erfüllen (letzteres womöglich nur mit mittelmäßigem Erfolg), oder fröne in irgendeinem Pub meinen Lastern.

Leser-Statistik
25

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
EagleWriter Jeder von denen könnte meinen Tod wollen. - Das klingt doch mal nach sehr Gastfreundlichen Landen. Da Buche ich sicher meinen nächsten Urlaub.
Bin gespannt
lg
E:W
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
1
0
Senden

85529
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung