Krimis & Thriller
Der Tod der Kritikerin VII

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"Der Tod der Kritikerin VII"
Veröffentlicht am 30. Januar 2013, 10 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Der Tod der Kritikerin VII

Der Tod der Kritikerin VII

Im Bett

Glücklicherweise gab sie mir auf einmal total den Rest.

Das klingt makaber, ich weiß. Aber es zeichnete sich damit ein neuer Weg ab, eine Wegscheide, die hin zu einen klaffend schwarzen Abgrund führte, nachdem sich ein Erdbeben zugetragen und mir Minuten lang den Boden unter den Füßen wegzogen hatte.

Zunächst gab es ein leichtes Vorbeben.

Wann und wie, Tatsache, es fiel doch die Sprache auf die Liebe. Sie erzählte zunächst von einem einzigen Verhältnis, das sie bislang gehabt hatte, wobei die unterlegte Melodie verkündete: ja, bin auch schon einmal an der Ostsee gewesen, weil es nun einmal dazu gehört, dorthin gereist zu sein, wenn man schon in diesem Land lebt, in der diese angrenze. Sie hat mich nicht gerade enttäuscht, nein, das kann ich nicht sagen, das wäre zu viel gesagt - meinte sie weiter zwischen den Zeilen.

„Macht man sich etwa großartige Erwartungen, wenn man etwas aus Anpassungsdruck tut anstatt aus freiem Willen?“, hätte sie genauso gut sagen können.

Nein, es hat sich nur das herausgestellt, dass ich mir letztlich die Frage stellen musste, was die Leute nur so daran finden, an der Ostsee (Liebe). Und ich, ich bin nun einmal ein Bergmensch (Einzelmensch), das Meer bedeutet mir offensichtlich nichts. Leider, Schade, aber so ist’s nun einmal. Schulterzucken.

Das war schon etwas, was mich stummer Fisch den Mund öffnen ließ. Wenngleich es noch viel Schlimmer kommen sollte.

Aber zunächst, was war das Thema? Handelte es sich wirklich um Liebe, Zärtlichkeit und Sexualität? Oder sprach sie vom Hackfleisch, dass sie sich gestern Abend gebraten hatte? Genauso gut hätte sie über die Symptome der Fußbeulen und Hühneraugen ihrer Großmutter sprechen können, solch einen Abstand zum Objekt der Rede wahrte sie.

Ich wusste es oft wirklich nicht zu unterscheiden, ob sie jetzt von etwas sprach, was sie überhaupt nichts anging und hörte nur um so angestrengter hin, um mir zu bestätigen, dass es sich tatsächlich um Freundschaft und Liebe handelte, nicht um Fleisch und Essen.

 

„Dabei konnte ich seinen Körpergeruch nicht mal ausstehen.“

Das war ein sehr intimer Schritt gewesen, rein zwischenmenschlich-persönlich und exklusiv, oder etwa nicht? Ich war jedenfalls viel mehr als erstaunt. Schlichtweg paff und perplex bis in die tiefsten Enden all meiner Fasern.

„Würden Sie das bitte noch einmal wiederholen, was sie eben gesagt haben.“ Ich beugte mich mit meinem Oberkörper über den Tisch, um besser zu hören.

Aber sie hatte es gesagt.

Zum einen musste man das nicht erzählen, handelte es sich doch um eine Intimität, etwas Persönliches, das nur ihr und ihm, ihrem ehemaligen Freund, etwas anging. Das war nämlich wie eine sexuelle Anomalie, die jemand gerne praktizierte und die etwas ungewöhnlich war, aber die man keinem Dritten verraten sollte. Man tat gut daran, dies für sich zu behalten oder nicht?

Ich war zutiefst geschockt, obwohl es mich nicht betraf, aber es entfachte einen Automatismus in meiner Phantasie, den ich nicht zügeln konnte. Immer wieder stellte ich mir eine Frau vor, die auf dem Bett liegt, auf dem Rücken. Ein Mannkörper beugt sich über sie, und was riecht sie da? Es kommt ihr ein Körper entgegen, ein Lebewesen, ein lebendes Etwas, das starke unappetitliche Gerüche ausströmt.

Was macht sie?

Sie gibt sich ihm hin!

Unfasslich!

Ich meine, kann man das auf Dauer aushalten?

Mit den genitalen Berührungspunkten ist es nicht getan, man reibt sich ja aneinander, tauscht hier Säfte aus, man spürt des anderen Körper, muss diesen doch erleiden können, ihn einigermaßen erträglich empfinden, denn wie fühlt man sich andererseits im Bewusststein, dieser Körper ströme unangenehme, beizende und säuerliche Düfte, Gerüche und Schweißpartikeln aus? Das muss doch kribbeln und krabbeln auf der Haut, als marschierten tausend Ameisen über einem hinweg und ätzten ihren säuerlichen Urin aus. Das macht doch nervös und fickrig. Das konnte man doch nur schlecht aushalten und wenn, nur kurzzeitigst. Überfiel einem danach nicht das Verlangen, sofort sich zu waschen, andernfalls man selbst als eine stinkende, faule und morbide Kloake durch die Welt läuft?

Wie erträgt frau das, und wie lange konnte sie das verheimlichen, bis es nicht mehr gutginge? War mann so geblendet, dass ihm das nicht irgendwann verdächtig erschien, diese zwanghaften Waschattacken nach dem Geschlechtsverkehr? War jemand so ignorant, dass er dies mit einem Schulterzucken abtat: na, die ist vielleicht ein bisschen was von reinlich und sauber, aber, na ja, Frauen! Oder wie oder was?

Ich fragte, wie lange die Beziehung dauerte?

DAS KANN MAN DOCH NICHT FÜNF JAHRE AUSHALTEN!

Nein, das musste unerträglich sein. Doch sie hatte Fünf Jahre gesagt.

Ein neuer Kinsey-Report gehörte her: wie viel Prozent des weiblichen Geschlechts sich vor dem Körpergeruch ihres Mannes ekeln? Und dieser Personenkreis weiter gefragt: was ist der Grund, dass sie sich diesem Martyrium aussetzen und sich nicht einen anderen Partner suchen?

Da war doch das Klischee, SIE könnten sich besser anpassen, aber beim besten Willen konnte ich mir dies nicht bei einem Partner vorstellen, mit dem man sexuell verkehrt, dass man das längere Zeit könne.

Was waren sie doch für unschlagbare Chamäleons.

Aber ich bin ja ein Mann. Deswegen fehlt mir die Phantasie und das Vorstellungsvermögen. Wenngleich ich’s nicht glauben konnte.

Oder sie, sie war ein Chamäleon.

Ja, daran glaube ich: auch Frauen sind nicht anders wie Männer, kaum irgendwie. Nur diese Person war anders als sonstwelche!

Ach, was mache ich mir da für einen Kopf? Vielleicht war alles viel harmloser. Ich bin doch nicht blöde, habe schon einige Erfahrungen auf dem Buckel. Sie haben sich arrangiert, dass sie jedes Mal die Karnickelstellung absolviert haben, womit wohl der denkbar geringste Hautkontakt entstanden ist. Das war für beide die beste Lösung, beide konnten damit gut leben.

Zu diesem Schluss gekommen, drehte sich sofort wieder das Karussell in meinem Kopf: Aber sobald er über sie liegt, in ihr eingedrungen und da sein Kopf ganz nah an ihrem ist, musste sie unwillkürlich im Geruchsmoment der ekeligen Ausdünstung seines Atems abrupt den Kopf zur Seite schlagen, sich ihm abwenden, so weit als möglich, das heißt ihren Hals rechtwinklig verrenken und verdrehen, so dass sich ihr Mund zu dem des Ekelpaketes so weit wie möglich entfernt befindet.

Anders konnte es doch nicht sein, verdammt!

Man kann doch nicht ein widerliches Insekt küssen, Kuss als intimster Kontakt des körperlichen Säfteaustausches, ohne etwa die Lippen zu verzerren, so dass der Partner es merkt oder über kurz oder lang atemlos nach Luft schnappen oder überhaupt sich übergeben müssen, Kuhmist!

Und wenn sich Frau von Mann wendet, unvorstellbar anders, schruppt, reibt und wichst sich dieser unter der ihm Liegenden letztlich bloß einen ab, weil er mit ihr, mit dem Mund, mit der Person gar nicht in Berührung gelangt.

Und das fünf Jahre hindurch!

Ist das nicht ein deprimierende Vorstellung?

Ich weiß nicht, wie lange ich schwieg, aber ich fing mich irgendwann wieder und dachte, jetzt musst du etwas dazu sagen, etwas, was ihr meinen Schockzustand verheimlichte. Da herrschte jetzt ein Schweigen zwischen uns, das sich in einem Gespräch nicht gehörte. Mist, was konnte man darauf schon sagen?

Aber mir fiel doch etwas ein. Etwas, was die Brenzligkeit dieses Gesprächsstadiums abmilderte.

Ich lachte amüsiert in mich hinein, sagte, das erinnert mich an eine Stelle in einem Roman aus der Weltliteratur.

Sie spitzte die Ohren und ließ herausflutschen: „Ach wirklich?“ Als wäre sie enttäuscht, dass ich nicht geschockt und vor den Kopf gestoßen wäre von ihrer Erzählung.

„Ja, wirklich!“

Mir schien es geboten, ein kleines Rätselspiel aufzurollen und so deutete ich die Lösung zunächst nur an.

„Franz Kafka!“

Sie überlegte in den Raum hinein, also ihr Augenmerk von mir abgewandt und murmelte: „Ja, Franz Kafka!“, als läge ihr die Lösung auf der Zunge und sie müsse sie bloß ausspucken. Aber sie kam nicht darauf.

„Wissen Sie nicht, im Schloss, als er mit dieser Frau in irgendwelchen hinteren versteckten Räumen oder Nischen schlief.

„Ja! Richtig, sie meinen, die Hand, diese Finger, die zusammengewachsen waren wie bei einer Wassertier, bei einer Ente etwa.“

„Genau!“

Ich sah sie vor mich sitzen, beide Hände artig über den Tisch gehalten und eine zerknüllte Serviette in der Faust. Ich dachte: ich verstehe jetzt nur zu gut, weswegen sie sich nach jedem Bissen zwanzig Mal damit den Mund abstupste.

 

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