Krimis & Thriller
Der Kurzurlaub - Ein Spanien - Kurzkrimi

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"Der Kurzurlaub - Ein Spanien - Kurzkrimi"
Veröffentlicht am 04. Juni 2008, 10 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Über den Autor:

Ich lebe dort, wo andere Urlaub machen. Ich würde mir aber wünschen, Touristen würden dort Urlaub machen, wo andere leben!
Der Kurzurlaub - Ein Spanien - Kurzkrimi

Der Kurzurlaub - Ein Spanien - Kurzkrimi

Der Kurzurlaub Das Wasser erfrischte ihn und die immer stärker werdende Brandung forderte seine volle Aufmerksamkeit. Voller Körpereinsatz war nötig um sich etwas weiter vom Ufer zu entfernen, um dann immer gegen den Strom ankämpfend, an der Küste entlang zu schwimmen. Sein Körper hatte ihn förmlich genötigt, sich zu betätigen und etwas Sport zu betreiben. Ja, er war ehrlich zu sich selbst, er versuchte doch nur seine Nerven zu beruhigen. Endlich hatte er es geschafft, war zurück am Strand und in Sicherheit. Erschöpft ließ er sich in den Sand gleiten und die Sonne wärmte und trocknete ihn. Als sich sein Magen bemerkbar machte, zog er sich an und fuhr mit seinem Motorroller, ohne noch einmal in seine Haus zu gehen, zum Hafen. Er mußte sich eingestehen, es hatte wirklich keinen Sinn mehr, die für den morgigen Tag geplante Abreise noch einmal hinauszuschieben. Er verspürte keine Lust und würde zurück nach Hamburg fliegen. Der Wunsch noch einmal an diesen Ort zurückzukehren, an die Plätze, die ihnen so viel bedeutet hatten, war immer größer und tiefer geworden. Während er auf seinem Motorroller saß und über die stark befahrene Straße, hier hatten sie damals den schweren Unfall mit dem Autobus beobachtet, zum Yachthafen fuhr, fielen ihm viele Einzelheiten wieder ein, die er in den letzten Monaten versucht hatte, mit viel Energie und Anstrengung, aus seiner Erinnerung zu löschen. Hilfreich dabei war nicht nur die schöne Blondine aus der Kneipe an der Ecke, gleich neben dem Taxistand am neuen Einkaufzentrum „Europacenter“ in der Hamburger Innenstadt, die er vor einigen Monaten kennengelernt hatte. Immerhin, auch das fiel ihm jetzt ein, als er schon die alten Gemäuer des Hafens erblickte, sie hatte eine tolle Figur, es war alles dran, was das Männerherz so höher schlagen läßt. Dennoch, der Wunsch hier nach Andalusien zurückzukehren, an den weißen Sandstrand von La Barrosa zu gehen, im azurblauen Atlantik zu schwimmen und in die romantische Tapa-Bar in Sancti Petri einzukehren, hatten auch die Traummaße 90 – 60 – 90 nicht verdrängen können. Jetzt war er endlich hier. An der Uferpromenade, an der die kleinen Fischerboote ankerten, stellte er seinen Roller ab und lief, den dünnen, blauen Pullover über die Schultern gelegt, in Richtung der kleinen Bar. In einer zersplitterten Fensterscheibe, noch waren nicht alle Häuser vom Schleier des alten Generalissimo Franco befreit worden, erst nach und nach wurde renoviert und restauriert, wurde aus dem alten Kerker ein moderner Yachthafen, erblickte er sein Abbild. Würde er sich eines Tages wieder trauen, würde er vergessen können? So viele Kleinigkeiten erinnerten ihn, nicht zuletzt der dünne, blaue Pulli, den er jetzt an sich im Spiegelbild erblickte. Hatten sie ihn nicht bei ihrem letzten, gemeinsamen Ausflug nach Cádiz im Kaufhaus erworben? Langsam näherte er sich der Tapa – Bar und der Duft nach „Chorizo“ und Knoblauch, nach Sherry und frischem Weißbrot zog über die neu angelegte Promenade direkt zu ihm, als würde man ihn locken wollen, hier einzukehren. Wie damals, dachte er, als die zahlreichen Tische und Stühle zusammengekettet an der Hauswand standen, und die Eingangstür fest verschlossen war, und sie schon gedacht hatten, es sei geschlossen. Auch heute hatte der Inhaber der Bar alles gesichert, denn der Levante blies und machte es einem nicht gerade leicht, sich draußen aufzuhalten. Feiner Sand, nicht ordnungsgemäß entsorgter Müll, Reste von Gräsern und verdorrten Pflanzen fegten über die Straßen, scheinbar alle mit dem gleichen, unbekannten Ziel. Knarrend öffnete sich die alte Tür und drinnen herrschte, auch das glich dem Besuch von damals, ein reges Treiben. Am Tresen saßen einige alte Männer und tranken ihren Fino. Über dem Durchgang in einen hinteren Teil der Bar, zu dem ein Hinweisschild mit der Aufschrift zeigte, lief ein Fernseher, ohne Ton und mit relativ schlechter Bildqualität. Er lachte leise und fühlte sogar ihre Hand auf seiner Schulter, als er sich an den ersten kleinen Vierertisch setzte, genau wie damals. Der Camarero stellte unaufgefordert einen Teller mit Oliven auf den Tisch und erwartete wortlos seine Bestellung, in der Hand einen kleinen Block und einen Stift. Eigentlich hatte es hier angefangen, das Ende. Seltsam, wenn er heute darüber nachdachte, verwischten sich gerade die wichtigen Einzelteile zu einer zähen und undurchdringlichen Masse in seinem Kopf. Hatte sie begonnen, oder war es der unrasierte Gast, der in dieser uralten Levis-Hose am Tresen saß? Er schüttelte sich, so als könne er die Erinnerung mit abschütteln, könne das Geschehene ungeschehen machen. Der Ober brachte den „Cáfe Solo“ an den Tisch, stellte ihn ab und drehte sich, ohne eine weitere Regung zu zeigen, anderen Gästen zu, die gerade den kleinen Gastraum betraten. Hastig trank er das dampfende Gebräu, es sollte ihm ein wenig helfen, denn das Schwimmen war doch anstrengender gewesen, als er sich hatte eingestehen wollen. Ob das Bedürfnis sich zu bewegen, ihn weitergebracht hatte? War nicht in Wirklichkeit alles, was er versuchte, bewußt oder unbewußt, nur ein Hinauszögern auf den einen Punkt? Er mußte es tun, sonst würde er nicht nach Hamburg zurückkehren können. Die Fahrt zurück zu seinem Quartier, das kleine Haus in El Palmar, was er sich gemietet hatte, weil man hier keinen Ausweis brauchte, um sich anzumelden, ging schneller als erwartet. Der Espresso hatte seine Wirkung nicht verfehlt, er war aufgekratzt, geradezu wild entschlossen, aber doch so vernünftig, den nächsten Tag abzuwarten. Die Nacht wurde unruhig, er wälzte sich im Bett hin und her. Der Wind, der auch entgegen der sonstigen Gewohnheit, in der Nacht nicht abgenommen hatte, ließ ungewohnte Geräusche eindringen, die ihm auch nicht gerade dabei halfen, Ruhe zu finden. Ein Alptraum jagte den nächsten und so fand erst gegen Morgen ein wenig Schlaf. Heute mußte es passieren, denn in den frühen Abendstunden ging sein Flieger zurück nach Deutschland. Die wenigen Sachen, die er für diese einwöchige Reise mitgenommen hatte, waren schnell in der kleinen Reisetasche verstaut. Später, danach, wollte er sie abholen. In der nahegelegenen „Venta“ trank er einen „Cáfe con leche“ und versuchte sich an einem Stück gerösteten Brotes mit Olivenöl, einem typischen spanisches Frühstück, welches aber nicht seine Zustimmung fand. Im Tank seines Motorrollers war noch genügend Treibstoff für die geplante Tour, die er sich für heute vorgenommen hatte. Die Fahrt führte zuerst entlang der Küstenstraße, durch die kleinen Ortschaften, die man kaum auf einer normalen Straßenkarte fand. Genau, dachte er, als er das Hinweisschild mit der Aufschrift entdeckte, hier muß ich weiterfahren. Die Straße stieg an, immer weiter empor, nicht gerade eine Berggegend, aber für das kleine Moped schon eine Herausforderung. In seiner Erinnerung sah er, wie sie damals in dem gemieteten Clio, hier entlangfuhren. Er hörte ihr Lachen und glaubte sogar aus dem nicht eingeschalteten Autoradio das Lied der Gipsy Kings, das während ihres Urlaub permanent gespielt wurde, zu erkennen. Seine Anspannung stieg und er hatte Mühe den Lenker des Motorrollers zu halten, so feucht und glitschig waren seine Hände. Schweißtropfen liefen über seine Stirn, teils blieben sie an den Augenbrauen hängen, teils liefen sie seitlich davon hinab, bis zum Rand seines blauen Pullis. Die Erinnerung kam näher und Angst, die langsam den Nacken hochzog, machte sich breit, einige Haare, die bei der letzten Rasur auf seinen Armen stehengeblieben waren, stellten sich auf. Vorsichtig schaute er sich um, er vergewisserte sich, ob seine Fracht auch noch auf dem korbähnlichen Behältnis, das auf dem hinteren Teil seines Rollers angebracht war, auf seinen Einsatz wartete, stumm und erstarrt. Das Ziel seiner Reise lag hinter dem Berg, auf dem der kleine Touristenort Vejer lag. In den kleinen und engen Straßen war um diese Zeit reger Verkehr. Hoffentlich sieht mich keiner, dachte er, während er an der einzigen roten Ampel des Ortes hielt. Endlich hatte er dem Gemenge den Rücken gekehrt und die Straße wurde wieder etwas breiter. Nun waren es nur noch wenige Hundertmeter, dann kam die Abbiege auf der rechten Seite, die er nicht verpassen durfte, um an sein Ziel zu gelangen. Aber wie hätte er je diese Abfahrt verpassen können? Schon so oft war er im Traum hierher gefahren und hatte angehalten. Glücklicherweise war er aber immer genau an dieser Stelle jäh aus seinen Träumen erwacht. Heute würde er allen Mut zusammennehmen müssen, um die letzten Meter bis an den Zaun der kleinen Wiese, wo sich der runde, alte Brunnen, er hatte gerade mal fünf Meter Durchmesser, befand. Von weitem erkannte er den Olivenbaum, an dem er sich damals angelegt hatte, um sich seiner ganz sicher zu sein. Der Baum stand noch immer an diesem Ort, hatte all diese Zeit geschwiegen. Er rollte mit seiner Maschine die letzten Meter, dann drehte er den Zündschlüssel herum und der Motor schwieg. Starr blickte er auf das Ungetüm des Wasserreservoirs, während er vorsichtig und behutsam vom Roller stieg. Der Olivenbaum diente als Parkplatz und fast hätte er den Baum begrüßt! Er schüttelte seinen Kopf und griff in den Korb. Erneut glaubte er ihre Stimme zu hören und sein Herz schlug so laut, wie schon lange nicht mehr. Er näherte sich langsam dem Brunnen, während er sich suchend umsah. Aber es war niemand in der Nähe. Er lehnte sich gegen die alten Mauersteine und rief leise ihren Namen, die Hand noch immer fest verschlossen. Einen letzten Blick hinter sich werfend, um sicher zu sein, daß ihn niemand beobachtete, schob er den Deckel des Brunnens ein wenig zur Seite. Erst jetzt warf er den kleinen Strauß rote Rosen hinab in die Tiefe, er verharrte, bis er das leise Plätschern des Wassers vernahm. Sicher würde sie noch immer hier unten liegen, er hatte sie genügend mit Steinen beschwert. Einen letzten Blick und ein letztes Lebewohl, dann fuhr er zurück nach El Palmar und weiter zum Flughafen nach Jerez.
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Hottendorff
Ich lebe dort, wo andere Urlaub machen. Ich würde mir aber wünschen, Touristen würden dort Urlaub machen, wo andere leben!

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Coeur Danke - für die tolle Gutenachtgeschichte,
LG, Erna
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