Romane & Erzählungen
Mär: Entstehung des Schokoladen-Weihnachtsmannes

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"Mär: Entstehung des Schokoladen-Weihnachtsmannes"
Veröffentlicht am 24. Dezember 2012, 16 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Mär: Entstehung des Schokoladen-Weihnachtsmannes

Mär: Entstehung des Schokoladen-Weihnachtsmannes

Beschreibung

Osterhase und Weihnachtsmann sind verzweifelt. Die Eier schlüpfen sofort aus, sobald sie gelegt werden. Sie kommen auf eine geniale Idee, die die Menschheits-Kultur verändern wird.

Es war nachts und einer jener warmen Tage um die Weihnachtszeit, die zyklisch alle Jahrtausende ein paar Mal auftreten. Auch letztes Jahr war es schon warm gewesen, was ungewöhnlich war.
Wie jedes Jahr hatten sich auf einer mondbeschienenen Lichtung der Osterhase und der Weihnachtsmann zu ihrem Geschäftsmeeting verabredet.

Der Weihnachtsmann wartete bereits dort. Ihm troff der Schweiß von der Stirn, entweder aus Angst vor schlechten Nachrichten oder der extremen Hitze wegen. Beides hing eng miteinander zusammen, wie man gleich erfahren wird.
Er war mehr als beunruhigt: Letztes Jahr lief es nicht so gut mit dem Gabenverteilen. Es lag an dem unberechenbaren Wetter, das da nicht mitspielte. Ungewöhnlich warm war es gewesen. Ob das heuer auch wieder der Fall war, konnte er leider nicht beurteilen. Bekanntermaßen wohnt der Weihnachtsmann weit oben in der Nähe des Nordpols, um seinen Rentieren die natürliche Umgebung zu gewährleisten. Zwar hatte er einmal Grönland besucht, gesehen, wie da der ein oder andere große Gletscherberg Tränen vergoss und an manchen Stellen auch seine kantigen Spitzen verlor und abbrachen, aber konnte das nicht noch eine Auswirkung vom letzten Jahr gewesen sein? Er wusste also nicht, wie das Wetter unterhalb des Polarkreises gewesen war oder noch weiter unten um den Äquator herum, ja global gesehen: war die Wärmeperiode noch da?

Plötzlich fielen zwei riesige Schatten auf die Lichtung. Eines dieser rechteckigen Gebilde, die mit ihren scharfen Spitzen direkt auf den Weihnachtsmann wiesen, legte sich nunmehr nach rechts ab, einen kurzen Moment, bis es wieder zurückkam und dann aufrecht neben dem anderen stand. Plötzlich verdunkelte sich die Lichtung gänzlich. Aber auch nur einen Moment, denn dann verschwand der Schatten wieder und das Mondlicht überspülte erneut mit seinem schmierigen Gelb die ganze Fläche.
Nun sah der Weihnachtsmann den kleinen Osterhasen vom nahen Berg herunterhoppeln, über dem der Mond aufgegangen war. Als er sich hüpfend immer mehr der Lichtung näherte, wuchsen allerdings die schlimmsten Befürchtungen mit dem sich immer klarer abzeichnenden leeren Korb auf dessen Rücken.
Gleich schrie der Weihnachtsmann erschrocken und entsetzt auf, wobei er sich instinktiv seinen langen weißen Bart raufte: „Nein, nicht schon wieder! Ich höre schon die Wehklagen der Menschenkinder in meinem Ohr wie voriges Jahr: Weihnachtsmann, wir wollen Eier! Eier! Eier! Verstehst Du? Weihnachten ohne Eier ist kein richtiges Weihnachten.“
Der Osterhase, inzwischen herangehoppelt, erwiderte im selben Tonfall, nur viel, viel lauter und dissonanter: „Du bist gut. Was glaubst du, wie’s mir ergeht? Ostern ohne Eier! Ich bin in der selben Lage wie du, nur viel, viel schlimmer. Das ist der Supergau, sage ich Dir. Das definitive Ende! Mein Karriere stagniert. Nein, noch schlimmer, ich bin erwerbslos. Schlussendlich kann ich meine Rente beantragen.“ Und Tränen quollen aus den Augenwinkel des Osterhasen.
„Ja, allerdings kann ich mir vorstellen, dass das noch ärger ist wie bei mir. Aber was können wir tun?“
Es trat ein Schweigen ein, Ratlosigkeit. Der Weihnachtsmann kämmte sich immer wieder mit den Händen seinen langen, weißen Bart von oben nach unten, wohingegen des Osterhase Blume hinten nervös zuckte, als hätte man ihr darauf Pfeffer gestreut.
In eine verteufelt schwierigen Lagen waren sie hier geraten, das stand fest.
Die Kunde berichtete, dass in manchen Teilen der Erde, vermutlich um den Äquator, wo es naturgemäß am heißesten überhaupt ist, die Eier, sobald sie gelegt worden waren, binnen weniger Minuten, ja Sekunden wie in einer Pfanne gebraten wurden. Auch wenn das nicht stimmen und nur eine hysterische Übertreibung darstellen mochte, so war doch eines Fakt: kaum ein Ei erreichte seinen Bestimmungsort nicht als Küken.
Was konnte man schließlich dagegen tun, wenn sich die Erde so erwärmt hatte, dass die Eier, die aus allen Gegenden der Welt zum Osterhasen geliefert wurden, bevor sie ihr Ziel erreichten, der Wärme wegen bereits größtenteils ausgeschlüpft waren? Oder diese nach längerer Lagerung ungewöhnlich rapide verdarben?
Ja, was glaubt ihr?
Dass man bereits derartig erstaunliche logistische Meisterkonzeptionen von High-Tech-Kühlsystemen besaß wie heutzutage, die die Gefahr einer zu starken Bewärmung von Eiern untergruben? Diese eis-gekühlten Transportmöglichkeiten und Kühlhallen mit Filtersystemen oder was sonst noch?
Nein, ein vorzeitiges Ausbrüten war nur der natürliche Prozess der Dinge.

Die hilflosen Gesellen schauten da- und dorthin, selbst den Mond blickten sie ratlos in sein fahles, gelbes Gesicht. Doch der, der schien sich nur einen zu grinsen. Dem Weihnachtsmann, friedfertiger und gutmütiger als er konnte kaum ein Wesen in irdischer oder überirdischer Welt sein, juckte die Faust, diesem Spötter seine freche Visage zu polieren. Aber leider war dieser zu weit weg von ihm, so dass das Mondgesicht gleich gar noch sarkastischer zu grinsen schien.
Voller Schaudern erinnerte sich der Weihnachtsmann des Aufstandes, den es unter den Menschen gab.
Zu Recht räumte er ein, gingen vor allem die Erwachsenen auf die Barrikaden: „Unsere Sprösslinge, noch im Wachsen begriffen, brauchen substanzielle Nahrung. In einem Ei sind alle Nährstoffe enthalten, die ein Heranwachsender benötigt: Eiweiß, Mineralien und Vitamine.“ Zum Schluss drohten sie ihm sogar: „Noch einmal brauchst du nicht mehr ohne Eier in unser Haus kommen. Dann kündigen wir Deinen Dienst. Dann bist du arbeitslos! Damit du Beschied weist!“ – Nein, ohne konnte er sich nicht mehr sehen lassen, ausgeschlossen. Allein wenn er daran dachte, zitterte und erschauderte er – undenkbar, unerträglich, kommt gar nicht in die Tüte.
Als sich die Grinsfalten des Mannes im Mond sogar jetzt vom Kinn bis zur Haarwurzel zu ziehen schienen, so sarkastisch verzerrt war das über alle Maß spöttische Grinsen, reichte es dem Weihnachtsmann. Er riss sich davon los und fand wieder Worte: „Nun gut, dann muss ich mir ein anderes Geschenk für die verwöhnten Menschenkinder überlegen.“
Und er verfiel einen Moment ins Grübeln. Plötzlich hatte er des Rätsels Lösung!
Er würde den Menschenkindern Schokoladen-Eier bringen.
Der Osterhase war’s auch zufrieden, schließlich war es gleichgültig, ob er in seinem Korb am Rücken richtige oder aus Schokolade bestehende Eier beförderte. Hauptsache, er hatte etwas zu tun, was ihm sein Einkommen sicherte. Das war nun einmal wichtiger als jede Tradition, so schön sie sein mochte. Die Kasse musste stimmen.

Es trat etwas ein, womit der Weihnachtsmann nicht gerechnet hatte, da dies bislang einmalig in seiner Laufbahn gewesen war. Zwar hatte er schon den ein oder anderen Stress mit besonders renitenten Kindern gehabt, aber dass sich die Verhältnisse nunmehr so umkehren würden, hätte nie jemand vermutet, der bei klarem Verstande gewesen war.
Glücklicherweise begleitete ihm am heutigen Tage Knecht Rupprecht, der sich bei ihm weiterbilden wollte. Seine Kenntnisse im Sicherheits- und Helferamt beim Nikolaus, dem härtesten Konkurrenten des Weihnachtsmannes, wollte er bei einem anderen Dienstleitungs-Herrn ergänzen, erweitern und vertiefen. Damals halfen sich die Dienstleistungsgesellschaften selbstverständlich gegenseitig gerne aus.
Ahnungslos hielten sie mit ihrer vierspännigen Kutsche vor der Schar verheißungsvoll wartender Familien. Man erinnere sich, letztes Jahr hatte es schon kaum Weihnachtseier gegeben und so waren die Menschen natürlich heuer besonders gespannt. Würden Sie leer ausgehen?
Sofort sprangen die ersten an die aufgetürmten Säcke hin. Hätte nicht Knecht Rupprecht achtgegeben, wäre es zu Schlimmern gekommen. Denn der Berg Säcke wankte bereits, nachdem die ersten Erwachsenen sich an diese ranmachten und sie neugierig öffnen wollten. Die Menschen in ihrem Misstrauen, ihrer Ungeduld und Gier konnten einfach nicht innehalten und sich, wie in früheren Zeiten, demütig beschenken lassen.
Aber nicht nur das hatte sich mittlerweile in deren Verhalten geändert.
So wie heutezutage, so auch damals bereits, gab es die sogenannten Wutbürger.
Als der Weihnachtsmann die Eier verteilen wollte, hatten sie ihm, so schnell schauen konnte er gar nicht, einige aus der Hand und gierig an sich gerissen.
Angewidert hielten sie die schwarzen Kugeln von sich und dachten natürlich zuerst, schwarz, sind Eier schwarz? Normalerweise nicht.
Schon riefen sie aus: „Wer hat so etwas schon gesehen? Schwarze Eier! Eier müssen bunt und farbig sein, bestenfalls weiß und beige. Aber schwarz wie die Nacht! Das ist keine schöne Farbe für Eier, nein!“
„Aber probiert Sie doch erst einmal...“, argumentierte der Weihnachtsmann verzweifelt dagegen.
„Nein, nein. Bewahre uns davor. Schwarze Eier!“, tönten die meisten zwar, aber einige knabberten doch daran.
Sofort spieen sie den Bissen angewidert aus. Polternd, mit Füßen auf den Boden stampfend oder weniger martialisch und besonnener, entsetzt die Hände über ihre Köpfe zusammen schlagend, erbosten sie sich: „Jetzt ist es aber genug! Das ist der pure Betrug. Weihnachtsmann, verzieh Dich und verschwinde aus unseren Augen, solange Du keine richtigen Eier mehr liefern kannst. Wir wenden uns an einen anderen Dienstleister! Darauf kannst Du Gift nehmen! Unerhört! Unverschämtheit!“ Gar mancher wollte sich selbst mit diesem infernalischen Geschrei nicht begnügen und attackierte bereits den ein oder anderen Sack und hätte Entsetzliches verursacht, wenn nicht der gute Knecht Rupprecht mit seiner schwingenden Knute beherzt dazwischen getreten wäre.
Aber die Wutbürger ließen sich kaum aufhalten. Es kam zu einem Gerangel unwürdig eines vorweihnachtlichen Festes. Schon purzelten die ersten Säcke von der Kutsche auf den Boden, zerrissen dabei und unzählige schwarze Eier rollten überallhin.
Damit hatten die Kinder Gelegenheit, von diesem verschmähten Weihnachtgeschenk zu stibitzen. Verdruckst und heimlich steckten sie sich in den Mund. Sofort waren sie hin und weg und riefen begeistert aus: „Oh, die schmecken aber himmlisch!“
Damit war das Schicksal dieser kohlschwarzen Eier besiegelt. Zwar versuchten die Erwachsenen, diese verführten Kinder noch davon abzubringen, aber wie wild und völlig aus dem Häuschen schrieen sie dagegen: „Weihnachtsmann, lieber Weihnachtsmann, bring uns jedes Jahr Schokoladen-Eier, wir wollen keine echten, wir wollen nur noch solche Eier.“
Von da ab war es nicht mehr weit bis zum Schritt, dass der Weihnachtsmann anstatt der Eier einen Weihnachtsmann formte.
Seitdem gibt es Weihnachtsmänner aus Schokolade.
Wir Menschen kennen sie ja.

Was, Sie glauben mir diese Geschichte nicht und verweisen sie in den Bereich der Fabeln? Und das, obwohl sie jahrein, jahraus den Beweis in Händen halten: Schokoladen-Weihnachtsmänner!
Aber klar, schnell haben Sie eine andere Interpretation parat. Sie sagen angesichts der Schokoladen-Gestalt, stimmt schon, irgendwoher muss dieser Weihnachtsmann auf die glorreiche Idee ja gekommen sein. Und der Weg von einem Hühner-Ei zum Schokoladen-Ei erscheint gleichfalls plausibel. Aber damals gab es doch den Treibhaus-Effekt noch gar nicht, der ist doch jüngeren Datums.
Also ist die Geschichte unwahr!
Für Sie ist der Treibhauseffekt nicht periodisch wiederkehrend, sondern stetig steigend. Genau, so ist es, so muss es sein! Wäre es anders, würde Ihnen ja eine Aufgabe, ein Ziel in Frage gestellt sein, dessen sie als Mensch so sehr bedürfen wie die Luft zum Atmen: die Verringerung des Kohlenmonoxid-Ausstoßes, sogenannt CO2-Reduzierung.
Nein, das geht nicht, wenn dieser Treibhauseffekt zyklisch ist, dann, dann verschwindet er ja wieder und was dann? Ein schwarzes Nichts tut sich ihnen auf.

Tja, so ist der Mensch halt. Er lässt sich nicht seinen Glauben abspenstig machen, hält er auch noch so viele Gegenbeweise in Händen, er interpretiert sie letztlich so, wie er sie sehen will: zur Bestätigung seiner Theorie. Andere Annahmen verweist er einfach in den Bereich der Fabel. Er sagt: das, was du mir da erzählt hast, ist nur eine Mär.

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