Kurzgeschichte
Das Goldene Kind

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"Das Goldene Kind"
Veröffentlicht am 21. Dezember 2012, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Das Goldene Kind

Das Goldene Kind

Beschreibung

Eine kleine Geschichte aus dem Alltag.

Wartend stehe ich in der Schlange. Um mich herum hört man Gelächter, Gerede und das Piepen, wenn die Kassiererin die Waren über die Kasse zieht. Vor mir steht eine kleinwüchsige Frau, die unglaublich viel Zeugs auf das Band legt. Kann sie dies überhaupt alles tragen?, frage ich mich selbst, während ich ihr weiter zuschaue. Als sie sich kurz umdreht sehe ich in ihrem Blick diese selbstverständlichkeit. Selbstverständlichkeit darüber, dass sie so viel kaufen wird. Eine so kleine, zierliche Person mit dieser riesigen Menge. Ich muss grinsen. Sie gefällt mir. Sie strahlt Stärke aus.
Plötzlich höre ich rechts von mir ein Kind nach seiner Mama rufen.
"Maaamaaaaaaaaa!", schreit es aus seiner Kehle. Ich wende meinen Kopf zu dem Kind, das nicht älter als fünf zu sein scheint. Es sitz ganz vorne in einem Einkauswagen, der ebenfalls an der Kasse steht. Das Gesicht ist vom Schreien gerötet. Wieder schreit es aus voller Kehle nach seiner Mama. Immer und immer wieder.
Ein Mann taucht auf und geht auf den Wagen zu, der bis oben hin vollgepackt ist, bis auf diese kleine Lücke ganz vorne. Er nimmt das Gesicht des Kindes in seine großen Hände und gibt dem Kind einen sanften Kuss.
Ist sie seine Tochter?, frage ich mich wieder. Er streichelt über ihre goldenen Löckchen, die sie bis zum Kinn trägt. Sie scheint beruhigt. Schreit nicht mehr wie verrückt. Dann begegnet sie meinem Blick. Ich weiss, das sie weiss, dass ich sie beobachte. Das fühle ich.
Als der Vater sich nach hinten begibt, um den Wagen anzuschieben, höre ich seine Flip Flops auf den Fließen. Er hat dunkelbraune Haare, die ihm ebenfalls bis zum Kinn gehen. Persönlich mag ich Männer nicht mit solch einer Haarlänge, aber zu ihm passt es.
Ich kriege den Einkaufswagen hinter mir in den Rücken gerammt. Ich schaue mich um. Ein großer Mann zeigt mit seinem knochigem Finger nach vorne. Und erst jetzt merke ich, das ich eine Lücke hinterlassen habe. Keine kleine. Schnell hole ich auf und beobachtete weiter das kleine Mädchen und ihren Vater, während ich meine Sachen aufs Band lege.
Ihr Vater tut es mir gleich. Das Mädchen streckt ihre Arme nach vorne. Sie möchte mithelfen. Ich lächel.
"Hier. Das kannst du auch aufs Band legen. Möchtest du das?", fragt der dunkelhaarige Mann. Er weiss genauso gut wie ich, das sie es möchte. Ehrgeizig legt sie eins nach dem anderen hinauf: Fleischwurst, Brot, Toilettenpapier und Küchenrollen. Sie will zu den Getränken greifen, doch ihr Vater hält sie auf.
"Das lassen wir erstmal drinne.", flüstert er sanft. Das Mädchen nickt und ihre Locken schwingen mit.
Im selben Moment wie ich, schiebt er den Wagen wieder ein kleines Stückchen nach vorne.
Ich bin bei der Kassiererin angelangt. So schnell sie kann, zieht sie meine Waren über die Kasse. Es piept in einem durch. Und ich versuche mit ihr standzuhalten.
Flüssig sagt sie mir die Endsumme. Ich zücke mein Portmonee und beobachte weiter das entzückende Pärchen. Sie sind nun auch bei der Kasse angelangt.
"Bleib sitzen, Anna.", ermahnt der Vater das Kind.
Anna. Das ist also ihr Name. Dieser Name ist so alltäglich und doch hat er etwas besonderes.
Anna versucht sich wieder aufzurichten.
"Ich habe gesagt du sollst sitzen bleiben, Schatz.", flüstert er eindringlich.
Diesmal bleibt sie sitzen. Hört auf ihren Vater und schaut ihm zu, wie er von vorne alles in den Wagen legt.
Ich bin derweil fertig. Lenke meinen eigenen Einkauf an die Seite. Beobachte sie weiter. Sie faszinieren mich.
Der Vater kramt seinen abgenutzen Ledergeldbeutel aus seiner rechten Hosentasche und Anna wartet geduldig. Als er bezahlt, bedankt er sich höflich bei dem Kassierer und lenkt auch seinen Einkauf an die Seite. Sie stehen nun vor mir. Bevor er den Wagen hinausschiebt, langt er nach einer Zeitschrift, die Werbung für den Laden hier macht.
"Ich will aussuchen!", fleht das goldene Kind. Ohne ein Wort greift er wieder hinter sich und zieht noch zwei andere Zeitschriften heraus. Er hält sie ihr vors Gesicht.
Langsam schüttelt sie ihren Kopf. Mit einem zuckersüßen und verlegenem Lächeln. Sie kann sich nicht entscheiden. Sie möchte alle behalten.
Ich merke das ich das Kind gut einschätzen kann, denn auch der dunkelhaarige Mann legt ganz einfach alle drei in seinen Einkaufswagen dazu. Er schiebt ihn hinaus. Und das kleine goldene Kind verschwindet mit ihm.

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Hörbuch

Über den Autor

xoxoYvonnexoxo

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xoxoYvonnexoxo Re: - Vielen vielen Dank an euch. Hätte damit nicht gerechnet, das ihr diese Geschichte so toll fandet. Noch einmal Danke. :)
Vor langer Zeit - Antworten
EvaDark Herzlich willkommen auf My Storys!

Ich find diese Story richtig gut! Dein Schreibstil ist gut, deine Ausdrucksweise. Und du hast es geschafft, eine eher langweilige Situation spannend zu gestalte, ich hab das wirklich gerne gelesen!

Auf Wiederschreiben Eva Dark

PS: "Ich weiss, das sie weiss, das ich sie beobachte. Ich fühle es." Dieser Satz hat es mir angetan. Schön!
Vor langer Zeit - Antworten
EvaDark Sehr gut! Wirklich guter Schreibstil. Mir ist nicht langweilig geworden, obwohl die Situation ja nicht so viel an sich hat, aber due hast das so umgesetzt, dass es etwas besonderes war! Wenn du so weiter machst. . . hut ab!

Auf Wiederschreiben Eva Dark

PS: "Ich weiß, das sie weiß, das ich sie beobachte. Das fühle ich." Dieser Satzt hats mir besonders angetan!
Vor langer Zeit - Antworten
Montag Gut beschriebene Alltagsbegebenheit. Herzlich willkommen auf myStory.
Vor langer Zeit - Antworten
Alecto Eine kurze Geschichte, einfach so aus dem Leben gegriffen und, obwohl so "alltäglich", sehr schön zu lesen.
Einen kurzen Moment dachte ich in eine andere Richtung, aber so, wie es "ausging", gefällt es mir ausgesprochen gut.

Nette Kurzgeschichte =)
Vor langer Zeit - Antworten
EagleWriter Sehr schöne Geschichte. Aus dem Alltag genommen und doch nicht langweilig.

lg
E:W
Vor langer Zeit - Antworten
Moonoo Kinder die vor einer Kassiererin schreien hab ich auch mal in einem Text thematisiert.... :)

Gut leserlicher Text mit Spannung.

Liebe Grüße
Vor langer Zeit - Antworten
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