Fantasy & Horror
Drachentöter Kapitel 7

Kapitel 7 Denkwürdige Unterredung

Litos sah auf, als er Geräusche vor der Tür hörte. Einem normalen Ohr wären die leisen Schritte sicherlich entgangen. Aber nicht ihm.

Er sah von dem Buch in seinen Händen auf, das er aus dem kleinen Regal geholt hatte, das neben einem Tisch und dem Bett, das wie er feststellte viel zu klein für ihn war, die einzige Einrichtung in dem Raum darstellte. Sein Reisemantel lag über die Lehen eines Stuhls ausgebreitet und eine Kerze bildete die einzige Lichtquelle.

Litos hatte eigentlich nur schlafen wollen, als er den Speisesaal der Festung verlassen hatte.

Dann jedoch war sein Blick auf das halbe Dutzend Bücher gefallen. Besser gesagt auf den einen Titel, der seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

Langsam strichen seien Finger über die klar gedruckten Buchstaben, während er ein paar der Zeilen las, die ihm im Gedächtnis geblieben waren.

Jetzt jedoch klappte er das Buch zu und lauschte auf weitere Schritte. Vielleicht war wer auch immer vor der Tür stand vorbeigegangen… oder stand zögernd davor.

Sareth zog die Tür auf und trat in das Zimmer. Litos saß der Tür gegenüber am Tisch und zog Fragend eine Augenbraue hoch, als würde es ihn überraschen, den Jäger zu sehen. Einen Augenblick schienen sich beide nur feindselig zu mustern.

Dann stand Litos  auf und warf sich wieder den Mantel über die Schultern. Aber nicht schnell genug.

Die Ärmel des grauen Leinenhemds das der Ritter trug waren an der Schulter verrutscht und offenbarten dort etwas, das wie ein Geflecht aus Brandnarben aussah, bevor der Stoff des Staubmantels die alte Wunde bedeckte. Seine Waffe, das Silberschwert, lag in schwarzen Stoff gewickelt zusammen mit einem Buch auf dem Tisch.

,, Ihr lest ?“ , fragte Sareth um zumindest die Stille zu durchbrechen. Warum hatte ihn der Drachenritter herbestellt? Unruhig legte sich seine Hand auf den Griff des Messers, das er trug.

,, Aufstieg und Fall Dunhills. Ich empfehle euch wirklich es zu lesen. Eines meiner Lieblingsbücher, nur leider bekommt man draußen in der Wüste keine Kopien. Mich verwundert, das die Drachenjäger eine Besitzen. Oder das sich jemand die Mühe macht den Text auf eine Druckplatte zu übertragen.“

Sareth wusste nicht genau, worauf der Ritter hinaus wollte. ,, Das ist doch nichts Besonderes.“

Der Buchdruck war im letzten Jahrhundert von der Stadt Parivor ausgehend immer weiter verbreitet und heutzutage fand man kaum noch handschriftliche Bücher. Und auch Papier war überall zu finden… Der König in Etrir gab seit einigen Jahren sogar Wertscheine aus, die langsam die Goldmünzen verdrängten.  Papier und Buchdruck hingen einfach untrennbar mit dem Rest Castarias zusammen.

,, Natürlich nicht… für euch zumindest. Ich vergesse manchmal das ihr recht kurzlebig seid.“

Sareth strich sich mit einer Hand über die Augen. Langsam hatte er genug.

,, Ihr habt mich sicher nicht gerufen, um mit mir über Literatur zu diskutieren.“

,, Nein.“ Litos stimme wurde plötzlich ernst, ,,Setzt euch doch.“

,, Ich glaube ich verzichte.“
Litos lehnte sich vor. ,, Ich würde es euch empfehlen.“

Es war als würde plötzlich eine schwere Hand auf seinem Geist liegen und versuchen jeden eigenen Gedanken darunter zu ersticken. Er sah fast zu wie sich seine Füße ohne dass er es wollte auf den Stuhl zubewegten.

Mit einem wütenden Zischen schüttelte er den fremden Einfluss aus seinem Verstand.

,, Beeindruckend. Es gibt nicht viele, die mir Mental wiederstehen können.“
,,Tut so etwas noch einmal…“ Sareth beendete den Satz nicht. Ihm war klar, dass das eben keine simple Laune des Ritters gewesen war. Es war eine Prüfung… nur wofür der wovon?

Hätte Litos seine vollen Fähigkeiten eingesetzt hätte er Sareths, ohne Drachenblut Schutzlosen, Geist einfach zerschmettern können, das war ihm klar.

Langsam setzte er sich. Als wäre nichts geschehen fragte der Ritter:
,, Wart ihr schon mal in Dunhill ?“

,, Wie sollte ich ? Für einen Jäger wäre es allein tödlich sich der Stadt nur zu nähern.“ Sareth schüttelte den Kopf. Entweder stellte Litos sich dumm… oder er wollte auf irgendetwas hinaus.

Dunhill war seit dem Verrat der Ritter ihre letzte sichere Zufluchtsstätte. Eine Stadt, die man Berichten Zufolge nur mit Flügeln, oder eben mit einem Drachen,  sicher erreichen konnte.

,, Es ist wunderschön dort.“

Sareth zögerte, dann stellte er eine frage, die ihn schon eine Weile beschäftigte. ,, Wieso seit ihr dann hier draußen in der Wüste ? Wieso ziehen sich die Drachenritter nicht nach Dunhill zurück?“
,,Wieso ? Ich glaube die ehrlichste Antwort darauf wieso ich hier draußen bin ist, das ich es in Dunhill nicht mehr ausgehalten habe. Wisst ihr, die Ritter altern sehr viel langsamer als normale Menschen, wie ihr mittlerweile sicherlich erraten habt. Und der Rat in Dunhill besteht aus den ältesten von uns. Einige im Drachenrat sind beinahe tausend Jahre alt und manche von ihnen sind so mächtig, das sie diesen Konflikt hier,“ , er machte eine ausladende Handbewegung als versuchte er die Festung und as gesamte umgebende Land einzuschließen, ,, mit einem Fingerzeig beenden könnten. Aber stattdessen Sitzen sie in ihren Hallen und debattieren. Verstaubte, Jahrhundertealte Bürokraten, die Angst vor selbst den kleinsten Veränderungen in ihrer Welt haben. Und die Welt verändert sich immer schneller.“ , die plötzliche Hass in Litos Stimme ließ Sareth unwillkürlich zurückweichen.

Jetzt war es kein Zu Schau stellen von Emotionen mehr… der Ritter kochte vor Wut. Vor Wut auf seine eigene Art…

Aber nicht nur das ließ ihn Vorsichtig werden… Sareth wusste, das Litos ihn nicht anlog. Alles was er ihm grade erzählt hatte entsprach der Wahrheit.

,, Und deshalb seit ihr und einige andere Gegangen ?“

,, Nicht nur deswegen…  Aber das geht euch nichts an.“ Litos schien sich wieder beruhigt zu haben und schloss einen Augenblick die Augen. Oder vielleicht hatte er ihn lediglich erneut mit gespielter Wut zum Narren gehalten… Sareth wusste es nicht.

,, Warum seid ihr wirklich hier ?“ , verlangte er zu wissen.

,, Glaubt es oder nicht, aber ich bin nur wegen der Drachen hier.“

,, Und genau das glaube ich euch nicht. Ihr würdet euer Leben doch nicht für ein paar Kreaturen riskieren.“

Die Augen des Ritters blitzten bedrohlich auf. ,, Ich hätte auch nicht erwartet, das ihr es versteht. Das Blut in unseren Adern verbindet Ritter und Drachen. Wir können einander rufen über viele Meilen und in manchen Fällen  sogar über die Schwelle des Todes hinweg.“

,, Ich verstehe nicht…“

,, Diese Verbindung bleibt bestehen, egal was geschieht. Ihr könnt es euch nicht vorstellen, wie es ist den Schmerz mitzuerleben. Ihre Ritter leben noch .Und auch wenn ich ihn nicht willkommen heiße, mich davor abschirmen kann, so kenne ich ihn gut genug.“ Litos Worte ergaben für ihn keinen Sinn… ,,Möchtet ihr es sehen?“

,, Was sehen ?“

Bevor er reagieren konnte, hatte der Drachenritter bereits seine Hand gepackt. Einen Augenblick lang, der ihm selbst als Ewigkeit erschien, stürzte alles auf ihn ein.

Die Farben schienen plötzlich greller zu sein und selbst das schwache Kerzenlicht blendete ihn fast, war es doch grell wie die Sonne geworden. Das Licht schien ihm die Augen verbrennen zu wollen, doch konnte er sich nicht dazu bringen, sich abzuwenden. Und auch Litos griff lockerte sich nicht.

Warum war es in dem Raum plötzlich so kalt…

Die Wüstennacht brachte Frost… Das war gut. Vielleicht würde die Kälte beenden was die Jäger nicht geschafft hatten. Kälte eins ein Wort, ein fremder Begriff, begann sich nun langsam ihren Weg in den Körper des Drachen zu suchen und das Leben zu vertreiben. Jahrhunderte alte Erinnerungen, die langsam verschwanden, hinabtrudelten in nichts als Finsternis und drohten ihn mitzureißen.

Sareth hatte Mühe sich dagegen zu stemmen, aber mit einem verzweifelten Ruck gelang es ihm, sich aus dem Griff den Ritters zu winden. Der Strom der fremden Sinneseindrücke riss fast augenblicklich ab. Eine Weile flackerte sein Blick und  er glaubte das Bewusstsein zu verlieren, dann jedoch fing er sich wieder. Sareth konnte das Blut in seinen Ohren rauschen hören. Ein stetes dröhnen, das ihn zuerst glauben ließ , er sei Taub.

,, Ihr habt es gesehen.“ Klang Litos etwa... überrascht? Oder war das nur seine eigene Verwirrtheit?

,, Wer seit ihr ?“ , Litos flüsterte die Worte fast und Sareth war sich später nicht sicher, sie wirklich gehört zu haben.

,, Was zur Hölle habt ihr getan ?“ Er sprang auf, tastete nach seinem  Dolch… und fand die Waffe nicht.

,, Sucht ihr das ?“ Der Ritter hielt die Klinge ins nun wieder gedämpfte Licht. Es schien Sareth immer noch unvorstellbar, wie ihn die kleine Flamme noch vor wenigen Sekunden hatte  blenden können. Das matte Metall glitzerte bedrohlich, als Sareth klar wurde, das er nun völlig unbewaffnet war. Der Ritter stand auf, sein Blick musterte ihn langsam, als würde er Sareth zum ersten Mal sehen.

Sekunden verstrichen.

 Litos warf ihm die Waffe zu und er hätte sie vor Überraschung beinahe fallen gelassen. ,, Was habt ihr getan ?“ , wiederholte er seine Frage.

,, Ich habe gar nichts getan, nur etwas gezeigt. Und jetzt denkt darüber nach. Wie es wäre immer damit leben zu müssen. Oder lasst es.“

,, Ihr habt  meinen Verstand manipuliert.“ Sareth hielt die Waffe auf den immer noch ruhig da sitzenden  Drachenritter gerichtet. ,, Bleibt in Zukunft aus meinem Kopf draußen… oder ihr werdet es bereuen.“
Er drehte sich um und verschwand aus der Tür, die er hinter sich zuschlug.

,, Was seit ihr …“ , murmelte Litos, nachdem Sareth verschwunden war.

Er schloss die Augen, bis die Schritte vor der Tür verhallt waren. Etwas streifte seinen Geist.

Warum hast du das getan?

,, Weil ich es musste…“

Wirklich ? Woher wusstest du, dass er dazu in der Lage wäre?

,, Ich wusste es nicht.“
Und doch hast du gehandelt.

,, Manchmal hat man keine Wahl.“ , flüsterte er in die nachfolgende  Stille.  Aber.. hätte er eine gehabt? Ein Rätsle, dessen Lösung er würde verschieben müssen. Noch blieb ihm eine Aufgabe zu erfüllen.

Litos warf einen Blick auf die fast heruntergebrannte Kerzenflamme. Mit einer Handbewegung erlosch das Feuer und ließ den Raum in Dunkelheit zurück. Nur Litos Augen glommen noch schwach in der Finsternis, während er sich langsam an die nur vom Mond, der durch ein kleines Erkerfenster schien, erhellte Dunkelheit gewöhnte.

Litos wusste nicht wie viel Zeit verstrich, bis er schließlich erneut Schritte  vernahm und jemand, der eine Fackel trug, die Tür aufzog. Eine ihm fast schon vertraute Gestalt stand im schwachen Lichtschein.

,, Also dann…“ , der Ritter stand auf und nahm die in dunklen Stoff gewickelte Waffe  an sich. Die Klinge hatte er bereits geschwärzt, so dass der Stahl ihn nicht verraten konnte. Langsam schlossen sich seine Finger um den Griff, bevor er sich dem Neuankömmling zuwendete.

Die Zeit des Redens und Verhandelns war vorbei.

Die Schatten im Hof der Festung von Dakahra wirkten fast lebendig. Zwei Gestalten huschten durch die Finsternis, kaum wahrnehmbar vor den ebenso Dunklen Mauern. Das Metall mehrere großer Käfige zeichnete sich schemenhaft ab… und ein halbes Dutzend Männer bewaffnet mit Gewehren, die wachsam alles beobachteten. Litos fluchte innerlich. Eigentlich hatte er gehofft ohne einen Kampf auszukommen. Er hielt seinen Begleiter an.

,, Ihr bleibt hier Hawer.“

,, Ihr werdet mich brauchen.“

Litos schüttelte traurig den Kopf. ,, Mit denen werde ich alleine fertig.“

,, Aber…“ Er unterbrach ihn.

,, Stellt mich nicht in Frage. Ihr werdet hier gebaucht. Haltet euch weiterhin bedeckt. Solange niemand ahnt wer ihr seid, seid ihr sicher.“

Der Mann gab auf und ging zur Festung zurück. Bald wurde die Gestalt von der Finsternis verschluckt. Litos wartete noch einen Moment um sicherzugehen, das Hawer wirklich gegangen war, dann trat er aus den schützenden Schatten auf den Hof hinaus, so dass die Wachen ihn sehen mussten.

Einige zögerten, als sie den Fremden praktisch aus dem Nichts auftauchen sahen, andere richteten sofort die Waffen auf ihn.

Einer, offenbar der Anführer der Wachmannschaft, drängte sich nach vorne. ,,Waffen runter. Zumindest erst mal.“ , wies er seine Leute an, die dem Befehl auch zögerlich folgten.

,, Das ist ein Sperrgebiet. Ohne Genehmigung des Großmeisters darf sich hier niemand aufhalten. Ich muss euch bitten zu gehen.“
Litos blieb stehen, grade mal ein paar Schritte von der sich nun bildenden Mauer aus Bewaffneten entfernt. Er konnte die angespannten Gesichter in der Finsternis nicht erkenne, wusste aber, das jeder von ihnen bereit war, auf ihn zu schießen, sollte er irgendeine feindselige Geste machen.

,, Letzte Warnung, geht.“