Kapitel 1 Dakarah
Rauch stieg von den Dächern Lairs auf, während sich die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg durch die dichte Wolkendecke brachen und den Schnee auf den Straßen zum Glitzern brachten. Kein Vergleich zu Dakarah einer Stadt, die als Wüstenbastion noch nie Schnee gesehen hatte. Hier oben jedoch in den Bergen weit oberhalb der großen Flüsse und der dahinter liegenden Einöde war es fast immer klirrend kalt.
In der Burg des Fürsten der Stadt jedoch wurde die Kälte durch einen fast utopischen Verbrauch an Brennholz auf Distanz gehalten.
Lord Ralath fuhr von seinem Stuhl in der großen Halle hoch, als der Bote die Nachricht überbrachte. Es war nicht seine Art schnell wütend zu werden, aber in diesem Fall machten ihn die wenigen Zeilen des Briefs extrem unruhig.
,,Zwanzig Jahre lang. Zwanzig Jahre lang haben die Drachenjäger alles getan um gegen die Ritter vorzugehen… und jetzt plötzlich sog kurz vor dem Ziel beginnt dieser Narr von einem Großmeister mit Verhandlungen?“ Er fegte mit der Hand einen Becher vom Tisch, klirrend landete das Metallgefäß auf dem Boden. Rotwein, in der Farbe von Blut, verteilte sich über die Steinfliesen.
,, Könnte Daltor etwas ahnen?“ , fragte Caleb besorgt. Natürlich dachte Ralath. Wem hatte der König schließlich die Kontrolle über Dakarah zugesagt sollte der Plan aufgehen….
,, Wie sollte er Caleb ? Nein… wenn er etwas ahnen könnte hätte er die Befehle des Königs ignoriert. Doch stattdessen machen sie brav weiter wie die Lemminge… Trotzdem, zwanzig Jahre und dann das.“
,, Warum sorgt ihr euch dann Mylord. Wie ihr schon sagtet, bald brauchen wir sie nicht mehr.“
Ralath schien sich langsam wieder zu beruhigen. Seine grauen Augen schienen Caleb durchbohren zu wollen, als sei die Nachricht seine Schuld.
,, Das ist wahr. Aber wenn irgendetwas schief geht… wird der König mich dafür verantwortlich machen und alles abstreiten. Was das für euch bedeutet sollte euch klar sein. Euer Leben hängt von eurem Erfolg ab mein Freund. Ein Leben das mir gehört, das solltet ihr niemals vergessen.“
Der Mann nickte bedächtig.
,, Nun jetzt wo das geklärt wäre begleitet mich ein Stück. Die neusten… Lieferungen der Jäger sind äußerst Vielversprechend und ich denke einige davon sollten euch begleiten wenn ihr nach Dakarah aufbrecht. Wartet auf einen günstigen Augenblick. Vielleicht bis der Drachenritter wieder abgereist ist. “
,, Ich verstehe nicht, wie sie ihn überhaupt in die Festung lassen können.“
,, Nun genau wie ihr mein Freund. Genau wie ihr. Diplomatie ist doch etwas Großartiges wenn man sie mit einem Dolch in der Hinterhand betreibt.“
Er trat an ein Fenster und sah hinaus. Soeben wurde ein großer Käfig auf den Schienen die Straße hinauf gebracht. Das Schienensystem war extra genau hierfür angefertigt worden, denn mit menschlicher oder tierischer Muskelkraft ließ sich das Vorhaben kaum verwirklichen. Die Kreatur im inneren der Metallgitter musste fast so viel wiegen wie ein Berg und selbst der kohlebefeuerte Dampfantrieb schien versagen zu wollen.
,, Ich hoffe nur diesmal funktioniert es. Die letzten sind gestorben.“ , meinte Caleb.
,, Keine Sorge, das wird es. Nirugil glaubt zu wissen, was schief gegangen ist. Also macht euch keine Sorgen. Diesmal wird nichts schief laufen….“
Funken stoben auf, als der Stahl der Messer aufeinanderprallte. Saret sprang rasch zurück, um einem Schlag seines Gegners auszuweichen nur um diesen dann eine der zwei Waffe aus der Hand zu treten. Im hohen Bogen flog der Dolche durch den Raum und blieb im Holz der Tür stecken.
Sareth ließ die Waffen sinken und sah zu, wie sein Gegner zur Tür trat und die Klinge wieder an sich nahm. Dabei beobachteten seien blauen Augen jede Bewegung seines Mentors jederzeit bereit einer neuerlichen Attacke zuvor zu kommen.
,, Was ist los Gulins , werdet ihr alt ?“ , fragte er spöttisch, als der Mann das Messer nur mit Mühe aus dem Holz lösen konnte.
Gulins sah auf und betrachtete ihn, als würde er Sareth das erste Mal wirklich wahrnehmen. Seine grauen Haare und die unübersehbaren Narben in seinem Gesicht schimmerten im schwachen Schein einer Gaslampe. Die Verletzung stammte von der Klaue eines Drachen, dem der alte Mann während seiner Zeit als Jäger zu nahe gekommen war und er behauptete immer mit Stolz, dass dies die erste und einzige Verletzung gewesen sei, die ihm je im Kampf zugefügt wurde.
,, Na warte.“ Der Gulins griff Sareth erneut an, diesmal von der Seite. Dieser blieb allerdings ruhig stehen anstatt sich in Sicherheit zu bringen, erkannte er die Finte doch sofort. Vielleicht wurde sein Mentor wirklich alt, das er glaubte auf diesen einfachen Trick hereinzufallen.
Er wehrte die Klinge des Messers ab , einem kleinen Schnitt am Arm konnte er trotzdem nicht entgehen , und nutzte die Lücke in der Verteidigung um den Mann die Waffe an die Kehle zu setzen.
Gulins erstarrte und ließ seine Waffen fallen, als Zeichen dafür, das er Aufgab.
,, Schade das Daltor nicht hier ist. Dann hätte ich einen würdigen Gegner.“ Sareth trat zurück.
,, Wie es aussieht Junge, bist du trotzdem etwas unvorsichtig. Normalerweise hätte ich dich nicht verletzen können.“
Ihm war vorher schon klar gewesen, das Gulins ihn darauf ansprechen würde. Seit ein paar Tagen machte Sareth sich bereits darüber Gedanken.
,, Ich habe heute wohl andere Sorgen.“ , erwiderte er, während er die Messer auf den großen Tisch in der Halle zurücklegte, auf dem sich auch noch andere Waffen befanden. Dies hier war ein speziell für diesen Zweck eingerichteter Trainingssaal, in dem die Drachenjäger ihre Fertigkeiten erlernten und auch im Kampf gegeneinander erweitern konnten.
Vier große Säulen Grenzten einen kleinen Platz unter einem verglasten Stück des Dachs ab, der normalerweise für die Übungskämpfe als Ring genutzt werden konnte. Ein Fenster erlaubte einen Blick auf die staubige unter ihnen liegende Stadt und das spärlich bewachsene Land davor. Hier waren sie noch ein Stück vor der Wüste… aber bereits einige Wegstunden von Dakarah entfernt begann die lebensfeindliche Einöde… Zuflucht der hiesigen Drachenritter wie er wusste. Dort draußen konnten sie sie nicht verfolgen und ihm erschiene s ein Rätsle, wie überhaupt ein Menschliches Wesen dort draußen Überleben konnte. Allein dafür musste er ihnen einen gewissen Respekt zollen. Vielleicht, überlegte er, bekamen sie Vorräte per Zeppelin von anderen enklaven. Den Drachen hätten sie am Himmel bemerkt. Andererseits…
Gulins riss ihn aus seinen Gedanken. ,, Gefühle haben in einem Kampf nichts verloren Sareth. War das nicht das erste, was ich dir beigebracht habe?“
,, Das zweite. Das erste war Mitleid mit seinen Feinden zu haben.“
,, Offenbar eine vergebliche Lektion. Also, was macht euch zu schaffen?“
,, Der Botschafter der Drachenritter.“
,,Litos ,soll sein Name sein, wenn ich mich richtig erinnere ?“ , erwiderte der Mentor.
Sareth nickte.
,, Was ist mit ihm ?“ , wollte Gulins wissen.
,, Er soll heute ankommen.“
,; Das ist richtig. Aber ich verstehe nicht wieso euch das Sorgen bereitet.“
,, Mir ist einfach nicht wohl bei dem Gedanken einen Drachenritter in die Stadt zu lassen. Geschweige denn in die Festung.“ Sareht zögerte einen Moment. ,, Was wisst ihr über ihn ?“
Gulins überlegte. ,, Nun, das wenige was ich bisher über ihn gehört habe klingt mehr nach einem Mythos als nach einem Mann. Gerüchten zufolge hat er die Wüste ohne einen einzigen Schluck Wasser im Gepäck durchquert. Dadurch wurde er bei den hiesigen Drachenrittern zu so etwas wie einer Legende. Nebenbei gibt es verschiedene Berichte aus anderen uns bekannten Enklaven wie etwa Dunhill. Aber alle sin allem ist recht wenig Bekannt. Ich würde allerdings aufpassen. Seine Kräfte sollen die der meisten anderen Ritter bei weitem übertreffen.“
,, Das klingt mehr nach einem Wahnsinnigen und ihr habt recht, vermutlich ist es wirklich nur ein Mythos. Ich war schon in der Wüste. Ohne Wasser überlebt man keine zwei Stunden. Aber.. was ist mit dem Drachen?“
,, Da ist mir leider nur der Name bekannt. Seraphim. Seltsam wenn man bedenkt, dass der Orden über alle bekannten Drachen Buch führt.“
,, Vielleicht habt ihr etwas übersehen oder vergessen. Auch ihr könnt euch nicht alles merken.“
,, Sareth, wollt ihr mich beleidigen ? ich habe die Jahre seit ich außer Dienst gestellt wurde mit dem Studium dieser Schriften verbracht. Und alles ist fein säuberlich gespeichert… hier drin.“ Er tippte sich gegen den Kopf.
,, Gulins , ich kenne euch seit meiner Kindheit, also fast zwanzig Jahre lang. Aber selbst ihr seid sicher noch nicht alle Schriften in den Bibliotheken durchgegangen.“
Die Bibliothek in Dakarah war noch eines der kleineren Archive der Jäger. Und selbst hier lagerten tausende von Büchern, Schriftrollen und teilweise noch uralten Tontafeln mit Aufzeichnungen über Drachen, die Ritter und die Geschichte der Jäger.
Diese Archive befanden sich in den weitläufigen Kellern der Festung von Dakarah. Bei der Gründung des Außenpostens war es für die wechselnden Herrscher der Festung ein leichtes gewesen, die Anlage einfach auszubauen, so das der heutige Komplex einem zusammengewürfelten Haufen aus den verschiedensten Stilrichtungen glich. Während man in einem Gang auf massive Steinmauern stieß konnte es sein, das man an der nächsten Ecke bereits auf neueres Fachwerk traf. Alte Befestigungsanlagen waren teilweise durch aufbauten aus Holz erweitert worden und die gesamte Festung schien einem beim Überflug mit einem Zeppelin mehr wie ein Mosaik vorzukommen, anstatt ein Gebäude. Ein sich ständig veränderndes Mosaik, denn wo an der anderen Stelle grade erst neue Gebäude entstanden, wurde an einer anderen mit dem Zahn der Zeit gekämpft, der auch vor den Wällen der Burg nicht Halt machte. Seit sieben Generationen arbeitete die gleiche Familie von Steinmetzten an den Hallen und Gebäuden innerhalb der Mauern, jedoch hatte erst die langsame Entstehung von Dakarah dem stetigen Ausbau der Festung ein Ende gemacht. Anfangs war es schwer gefallen, Siedler aus den Wäldern oder den Bergen weiter im Herzen von Castaria hier anzusiedeln, erwartete sie hier doch lediglich die Hitze der nahen Wüsten im Norden und das karge Land um den damaligen Außenposten herum.
Das alles hatte sich erst vor rund 100 Jahren geändert. Damals hatte man begonnen in den Hügeln rund um die Stadt nach Bodenschätzen zu suchen und war fündig geworden. Heute war die Landschaft durchzogen von Minen, die Gold und andere Erze förderten. Und erst durch die Abgaben und den Gewinn aus diesen Minen hatte der wahre Aufstieg der Stadt zu einem der wichtigsten Orte im gesamten Land begonnen. Entsprechend begehrt war natürlich auch die Herrschaft über Dakarah.
Die Fürsten der nahe liegenden Städte hatten sich, aufgrund der großen Entfernung zum Palast des König in Etrir , ohne Rücksicht bekämpft. Oft wechselte die Stadt mehrmals im Monat den Besitzer. Ein Zustand, der vor allem dem Bergbau Schadete. Denn die ständigen Kleinkriege machten ein Gewerbe fast unmöglich. So brachen die regelmäßigen Goldlieferungen ins Herzland des Reichs ab.
Ein Zustand, den der König nicht akzeptieren konnte. Und so wurde die Stadt letztlich der einzigen Macht in der Region zugesprochen, die die Mittel hatte diese Länger zu verteidigen. Den Drachenjägern. Seit dem war es ruhig geworden. Niemand wagte es , sich den Jägern entgegenzustellen, welche die Stadt nach und nach zu ihrem Hauptquartier ausgebaut hatten. Von hier aus überwachten sie nicht nur die Wüste, sondern auch den Rest des Kontinents.
,, Ich muss gehen.“ , riss Gulins Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Der Bewahrer ,, Ich schicke euch einen Boten, wenn der Ritter eintrifft. Ihr wollt sicher dabei sein.“
,, Und ob.“ , erwiderte Sareth. Der Mentor verschwand durch die Tür, in der jetzt eine große, durch das Messer verursachte, Kerbe klaffte. Sareth selbst blieb noch einen Moment in der Halle stehen und sah hinaus auf die in der Abendsonne ruhig daliegende Stadt. In einem entfernten Teil seines Verstandes wusste er natürlich das dies ein trügerischer Anblick war. Die Erzschmelzen von Dakarah standen niemals Still, die kohlebefeuerten Wasserpumpen arbeiteten Tag und Nacht um nicht nur die Versorgung der Stadt mit Trinkwasser sicherzustellen, sondern auch um die Arbeit in den Goldminen zu ermöglichen. Den von diesen hing nicht nur der Wohlstand der ganzen Stadt ab…
Auch der König und sämtliche weiter im inneren liegenden Fürstentümer profitierten vom Goldhandel.
Er wendete sich vom Fenster ab und trat nach draußen in die Labyrinthischen Gänge der Festung. Wie Gulins gesagt hatte, er würde es erfahren wenn der Bote eintraf. Und bis dahin blieb ihm nicht viel zu tun.
Langsam ließ er den Trainingssaal hinter sich. Vielleicht sollte er eine Weile mit den neuen Schülern reden… die meisten davon sahen zu ihm aus irgendeinem Grund auf und auch wenn diese stille Verehrung ihm missfiel… so nahm er es doch auch mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis.
Oder er könnte Iflu einen Besuch abstatten. Bei dem Gedanken lächelte er.