Kurzgeschichte
Familie

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"Familie"
Veröffentlicht am 02. September 2012, 24 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Familie

Familie

Familienglück

Ich war mit dieser Verbindung eh nie zufrieden gewesen. Der Typ hatte etwas an sich gehabt, das ihn, für mich, unsympathisch machte. Damals wusste ich noch nicht, was es war. Ich dachte, das ich so reagierte, weil ich meine Tochter nicht verlieren wollte. Dann erfuhr ich von seinem wahren Charakter.

Langsam hatte ich mich daran gewöhnt, das sie mit ihm zusammen war. Gefallen, hatte es mir dennoch nicht. Eine Art Alarmglocke schrillte ständig in meinem Kopf. Ich hatte mit meiner Frau darüber geredet. Sie meinte, das ich einfach nur eifersüchtig sei. Ich solle akzeptieren, das sie, meine Tochter, kein kleines Kind mehr war. Das tat ich ja. Gefiel mir zwar nicht, aber ändern konnte ich es auch nicht.

Eines Tages kam sie bedrückt nach Hause. Und sehr spät. Normalerweise kam sie gleich nach Schulschluss nach Hause. Erst dann traf sie sich mit ihren Freunden, oder ihrem Freund. Am Kühlschrank hinterließ sie uns eine kurze Notiz, mit wem sie sich wo traf. Damit wir uns keine Sorgen um sie machten. Diesen Zettel hatte ich vermisst.

Sie verkroch sich sofort in ihr Zimmer. Sprach kein Wort mit uns. Das war uns auch neu. Meine Alarmglocken läuteten lautstark. Ich rechnete mit dem Schlimmsten. Hoffte aber, das ich mich irrte.

Der Hunger lockte sie aus ihrem Zimmer. Es war schon weit nach acht gewesen. Ich hatte mich schon gefragt, wann sie Hunger bekommen würde. Da sie nach der Schule nicht nach Hause gekommen war, um sich am Kühlschrank zu bedienen, musste sie großen Hunger haben.

Ich redete nicht um den heißen Brei herum.

„Im wievielten Monat bist du?“

Mir wäre ein riesiger Felsbrocken vom Herzen gefallen, wenn sie mir gesagt hätte, das sie nicht schwanger sei. Stattdessen erstarrte sie und fragte mich, woher ich das wüsste. Ich antwortete nicht. Wartete darauf, das sie sich zu mir umdrehte und mir ins Gesicht sah. Sie konnte mit uns über alles reden. Das wusste sie ganz genau. Wir waren für Klarheit und Wahrheit. Keine Lügen und Heimlichtuereien. Deshalb funktionierte auch unsere Ehe so gut. Streits gab es kaum, weil wir über alles redeten. Den Partner ausreden ließen. Stets ruhig und sachlich blieben. Und genauso erzogen wir unsere Tochter.

Unter Tränen gestand sie mir, das sie in der sechsten Woche war. Das sie nicht die einzigste war, mit der er geschlafen und dann fallen gelassen hatte. Es war nur das eine mal gewesen. Keiner hatte an Verhütung gedacht. Dabei hatten wir sie rechtzeitig aufgeklärt. Ihr alles über Geschlechtsverkehr, Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaft, so wie deren Verhütung, erzählt. War das alles für die Katz gewesen?

Es fiel mir schwer, die ruhe zu bewahren. Nicht auszurasten und zu meckern. Ich war geladen. Seinetwegen. Und weil meine Tochter so blind gewesen war. Wie sollte ich es ihrer Mutter sagen? Sie saß vor dem Fernseher und löste Kreuzworträtsel. Ich musste sie in die Küche holen. Meine Tochter musste es ihr persönlich beichten.

„Wie konntest du nur so unvorsichtig sein. Du bist fünfzehn Jahre alt. Wir dachten, du wärst reif genug, um auf dich selbst aufpassen zu können.“, fing meine Frau an.

„Für Standpauken ist es zu spät.“, unterbrach ich sie, „Reden wir lieber darüber, wie es jetzt weitergeht. Behalten, oder nicht behalten. Auf alle Fälle möchte ich, das du deine Schule beendest und eine Ausbildung machst. So, wie ich deine Mutter kenne, ist sie gegen Abtreibung. Wir sind auf jeden Fall für dich da. Auch für dein Kind, wenn du es behalten möchtest. Das versprechen wir dir.“

Sie weinte. Es waren Tränen der Erleichterung. Bestimmt hatte sie mit schlimmeren gerechnet. Aber was hätte das gebracht. Was passiert war, war nun mal passiert. Man konnte es nicht mehr ändern. Und heutzutage war es irgendwie zur Normalität geworden, beizeiten ein Kind zu bekommen.

„Morgen gehst du nicht in die Schule. Wir beide werden zu meiner Frauenärztin gehen. Ich denke, das wäre wohl das Beste. Oder warst du schon bei einem Frauenarzt gewesen?“, fragte meine Frau.

„Nein. Ich weiß es durch einen Schwangerschaftstest. Ich brauche übrigens noch einen Fünfer. Meine Freundin hatte mir ausgeholfen.“

„Okay. Ich ruf jetzt meine Kollegin an und tausche mit ihr die Schicht.“

 

Ich war aufgeregter, als damals. Als ich mein Kind erwartete. Noch keine vierzig und ich sollte schon Opa werden. Der Gedanke gefiel mir gar nicht. Ich fühlte mich so alt. Immer wenn ich Opa, oder Großvater, höre, stelle ich mir einen alten Mann vor, mir grauem Haar. Ich war noch nicht so weit.

Wir bereiteten alles für den Nachwuchs vor. Die erste Zeit würde es bei seiner Mutter sein. Ihr zimmer war groß genug für ein Kinderbett mit kleiner Spielecke. Ich tapezierte die Babyecke neu. Die Tapete hatte sich meine Tochter ausgesucht. Kleine, lustige Piraten auf hellblauen Hintergrund. Ich machte meiner Frau den Vorschlag, unser Schlafzimmer genauso zu tapezieren. Sie fand es gar nicht lustig.

Drei Monate vor dem errechneten Geburtstermin, waren wir so weit, den Neuankömmling zu empfangen. Wir hofften, das er nach unsere Tochter kommen würde. Es hatte lange genug gedauert, um uns an den Gedanken zu gewöhnen, das sie ein Kind bekam. Wie lange würde es wohl dauern, bis wir uns an seinen Anblick gewöhnen würden, wenn er wie sein Erzeuger aussah. So ein Kind konnte man nur schwer lieben und in sein Herz schließen. Jedes mal würde man daran denken, was sein Erzeuger ihr getan hatte.

Ich weiß nicht, ob man es Glück nennen konnte. Meine Frau musste arbeiten und ich durfte mit meiner Tochter ins Krankenhaus fahren. Sie verstand es überhaupt nicht, warum wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln fuhren, anstatt einen Krankenwagen zu rufen. Sie konnte ihr Kind doch nicht in der Straßenbahn oder im Bus bekommen. Ich sagte ihr immer wieder, das sie keine Angst haben brauchte. So früh, wie wir losgefahren waren, kamen wir sogar noch viel zu früh an. Wenn wir wollten, könnten wir irgendwo noch eine Tasse Kaffee trinken. Ganz in Ruhe.

Das taten wir dann auch. Im Krankenhaus. Nachdem wir sie angemeldet hatten. Ihr Zimmer wurde in der Zwischenzeit vorbereitet. Frische Laken und all das. Ich fragte mich, wie lange es bei ihr dauern wird, bis sie ihr Kind in Händen halten konnte. Bei seiner Frau hatte es etwas mehr als zwölf Stunden gedauert, zwischen dem Platzen der Fruchtblase und der Geburt. Eine Bekannte hatte nicht so viel Glück. Sechsunddreißig Stunden lang lag ihr Kind im Trockenen. Ob das wirklich stimmte? Mir kam es recht lang vor.

Als wir in ihr Zimmer gingen, bekam sie ihre Wehen. Ziemlich starke, so wie sie aussah. All zu lange würde es wahrscheinlich nicht mehr dauern, bis mein Enkel auf die Welt kam. Und zu meinem Pech musste ich dabei sein. Die ganze Zeit über. Hand halten. Gut zureden. Ablenken. Damals, bei meiner Frau, hatte ich Glück gehabt. Ich wartete in ihrem Zimmer. Versuchte ein wenig zu schlafen. Aber daran war gar nicht zu denken. Irgendwie spürte ich ihre Schmerzen.

Da saß ich nun und musste uns beide ablenken. Ich erzählte ihr eine Anekdoten, aus meiner Vergangenheit. Die Geschichte, wo ich einem anderen Mann einen dicken, fetten Kuss auf die Lippen presste. Nüchtern war ich dabei nicht gewesen. Ihrer Mutter hatte es damals nicht gepasst. Für sie war es, als hätte ich eine andere Frau geküsst, obwohl sie ganz genau wusste, das ich hundert pro hetero war. Wütend stand sie auf und verließ die Feier. Und ich bin ihr hinterher. Die Party war mir egal gewesen. Ich wollte sie nicht verlieren. Vor allem wegen so einem Blödsinn nicht. Auch wenn ich nicht ganz so verstand, warum sie so wütend reagiert hatte. Erst sehr viel später erfuhr ich, das der Typ, dem ich den Schmatzer gegeben hatte, sie versucht hatte zu betatschen. Es blieb nur bei diesem einen Abend. Ich hatte mit ihm darüber geredet und er versprach mir, das er es nie wieder tun würde. Und er hielt sein Versprechen. Sie war also nicht auf mich sauer, weil ich ihn geküsst hatte, sondern weil sie nicht wollte, das er sie weiter anfasst.

Ich schwelgte so sehr in der Erinnerung, das ich gar nicht mitbekommen hatte, das der kleine Kerl schon da war.

Ein Prachtzwerg. So klein und doch so kräftig. Er lag an ihrer Brust und saugte. Wir konnten uns die Träne nicht unterdrücken, als wir ihn ansahen. Weder meine Tochter, noch ich. Wie schnell doch die Zeit vergeht. Er sah ein wenig aus, wie ich. Unsere Gene hatten sich durchgesetzt. Hoffentlich kam sei Charakter auch von uns.

Meine Frau hatte es sehr eilig gehabt. Sie stürmte in das Krankenhaus und rief die ganze Zeit nach unserer Tochter. Ich eilte zu ihr, bevor sie etwas tat, was sie hinterher bereuen würde. So früh hatte ich gar nicht mit ihr gerechnet. Bestimmt hatte sie vorzeitig Feierabend gemacht, um ihr Enkelkind sehen zu können. Frauen und Babys.

Es war ein seltsames Gefühl gewesen, ihn zum ersten Mal im Arm zu halten. So ein kleines, zierliches Wesen. Und so was wird mal ein großer, stattlicher Mann. Unglaublich. Aber so hatte es die Natur eingerichtet.

Meine Frau verlor ein paar Tränen. Sie war so stolz auf ihren Enkel. In wenigen Tagen würde er bei uns wohnen und nachts wecken, weil er Hunger hat. Daran musste ich denken, als ich sie so sah.

„Oma.“, lächelte ich sie an.

„Opa.“, grinste sie zurück.

Ich konnte es immer noch nicht glauben. Irgendwie fühlte ich mich nicht wie ein Opa. Eher wie... Ich weiß nicht so genau. Aber nicht wie ein Opa. Großväter bezogen Rente. Und ich musste noch über zwanzig Jahre arbeiten gehen, bevor ich Rente beantragen durfte.

 

Eines muss ich meiner Tochter lassen. Sie war eine sehr gute Mutter. Wie sie mit ihrem Kind spielte, es hegte und pflegte. Sie meisterte alles perfekt. Ihre Mutter und ich konnten normal arbeiten gehen, weil sie ihr Kind mit in die Schule nahm. Dank ihres Sturkopfs. Sie überredete nämlich den Direktor und ihren Lehrer, das sie, meine Tochter, ihr Kind mit in den Unterricht nehmen durfte.

Ich habe sehr viel Respekt vor meiner Tochter. Trotz Doppelbelastung, schaffte sie ihr Abitur mit zwei Komma eins. Das feierten wir ausgiebig. Ich lud meine ganze Familie in ein gehobenes Restaurant ein. Mir war es egal, wie teuer es werden würde. Meine Tochter hatte ein großartiges Abitur. Wenn das kein Grund zum Feiern war.

Ein paar Tage drauf kam sie zu mir und wollte wissen, was sie machen solle:

„Ich würde gern Medizin studieren und Ärztin werden. Aber das dauert. Mein Sohn hat auch Bedürfnisse. Und die kosten Geld. Das heißt, das ich eine Ausbildung machen muss, die maximal drei Jahre dauert, damit ich Geld verdienen kann.“

„Deine Mutter und ich verdienen nicht schlecht. Es reicht zum Überleben und wir können noch etwas zurücklegen. Wie du weißt, hast du ein Sparbuch. Das hatten wir angelegt, weil wir gehofft hatten, du würdest eines Tages studieren und etwas aus die machen. So um die zehntausend sind bisher angespart worden. Weil, du hattest ja Geburtstagsgeld und so bekommen, von Verwandten und Bekannten. Mach dir also keine Sorgen. Studiere und wir kümmern uns mit um deinen Sohn. In ein paar Tagen geht er ja in den Kindergarten. Und davon abgesehen, war heute ein Brief für dich gekommen. Du hattest ja schon öfter erwähnt, was du beruflich machen willst. Deine Mutter und ich haben uns darum gekümmert. Wenn mich nicht alles täuscht, dürfte darin dein Temin stehen, wann dein Studium anfängt.“

Sie war überglücklich und konnte es nicht glauben.

 

 

So war das damals. Lange ist es her. Sie ist eine sehr gute Ärztin. Nachdem mein Arzt in Rente gegangen war, wechselte ich zu ihr. Die Wartezeiten sind sehr lang, da sie sehr viele Patienten hat. Ihr guter Ruf eilt ihr voraus. Und die Warteliste ist sehr lang.

Ihr Sohn, mein Enkel, fing vor kurzem eine Jurastudium an. Wir alle sind sehr stolz auf ihn. Er ist voller Ehrgeiz. Intelligent. Redegewandt. Naja. Und das gefällt meiner Tochter nicht so ganz; er ist homosexuell. Ihr einzigstes Kind und er wird nie Nachwuchs bekommen. Für sie ist es nicht tragisch. Sie hätte nur gern gewusst, wie es ist, Oma zu sein.

Für uns lief das Leben gut. Lange genug hatte es auch gedauert, bis ich endlich einmal Glück hatte. Von der Kindheit bis zur Jugend kannte ich nur die Schattenseiten des Lebens. Als ich die zwanzig schon eine Weile überschritten hatte, fand ich meine jetzige Frau und damit auch mein Glück. Erst durch sie fand ich Spaß am Leben. Sie ist eine großartige Frau und ich liebe sie über alles.

 

 

 

 

Tochter

Ich saß am Esstisch und blätterte die Zeitung durch. Seit einigen Tagen wohnte ich nun schon bei meiner neuen Flamme. Ihre Tochter und ich verstanden uns blendend. Sie hatte mir, bei unserer ersten Begegnung, gleich gesagt, das ich nicht ihr Vater bin. In einem Ton... Dafür hätte sie eine Ohrfeige verdient. Ihre Mutter gefiel der Ton auch nicht und wollte gerade anfangen mit ihr zu schimpfen. Ich hielt sie zurück und sagte ihr:

„Verschone sie, denn sie weiß nicht was sie tut.“

Es hatte keine von beiden verstanden, wie ich es meinte. Aber das machte nichts. Die Mutti schimpfte nicht. Das war mir wichtig. Ich hatte keine Lust darauf, das sie sich, meinetwegen, verkrachten. Das hätte zur Folge gehabt, das mich die Tochter hasste, sie beide sich ständig belöffelten und der Familienfrieden zerstört war. Ich wollte diese Beziehung haben. Die Frau bedeutete mir sehr viel.

Sie hatte beschissene Arbeitszeiten. Wir sahen uns kaum. Um so mehr Zeit verbrachte ich mit ihrer Tochter. Unter ihrer rauen Schale, verbarg sich ein liebevoller Kern. Sie konnte wirklich sehr nett sein, wenn sie wollte. Wir unterhielten uns über ihre Mutter und deren Vergangenheit. Grob. Sie erzählte mir nur das Nötigste. Und ich musste ihr versprechen, lieb zu ihrer Mutter zu sein. Denn sie hatte bisher nicht besonders viel Glück mit ihren Männern gehabt. Ich war der letzte Versuch. Sie beichtete mir auch, das ich der Erste wäre, mit dem sie sich unterhalten könne. Das bedeute für mich, das ich zwei Frauen hatte, die ich nicht enttäuschen durfte.

An dem Abend, als ich die Zeitung durchblätterte, wollte sie weggehen. Sich mit einem Jungen treffen. Ich war nicht ihr Vater. Aber ich wollte ein guter Freund sein, der immer für sie da war. Der ihr Ratschläge gab. Nur wie sollte ich es ihr sagen?

Als sie an der Tür stand und sich von mir verabschiedete, fragte ich sie, ob ihre Mutti Bescheid weiß. Ob sie sich auf eine Zeit geeinigt hätten, wann sie wieder da sein sollte. Nicht das sich ihre Mutter Sorgen um sie machte.

„Kannst du es nicht für mich machen?“, fragte sie mich.

Ich sagte, das mache ich. Dafür bestimme ich, wann sie wieder zu Hause sein soll. Das passte ihr nicht ganz. Stimmte aber zu, als ich ihr sagte, Mitternacht. Es war eigentlich zu spät, da sie am kommenden Tag wieder in die schule musste. Aber ich wollte mit ihrer Mutter alleine sein. Ein entspannendes Bad nehmen und ab in die Federn. Sie musste nicht alles mitkriegen.

Als meine Göttin nach hause kam, war sie völlig kaputt. Nichts mit baden. Das andere fiel auch flach. Stattdessen machte ich ihr eine Kleinigkeit zum Abendessen. Wir unterhielten uns kaum, weil sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Wie lange würde ihr Körper den Stress noch durchhalten?

Ich brachte sie ins Bett. Sie hatte Schlaf bitter nötig. Ich hoffte, das es ihr am Wochenende besser ging, ihre Tochter wieder ausging und wir nachholen würden, was ich heute geplant hatte.

Kurz nach dem sie eingeschlafen war, kam ihre Tochter. Sie sah auch nicht besser aus. Wie lange war sie weg gewesen? Höchstens eine Stunde. Länger auf keinen Fall. Und geweint hatte sie auch. Das sah man ganz deutlich.

Ich bat sie zu mir an den Esstisch. Schweigend setzte sie sich hin. Sie hatte geweint. Jetzt sah ich es ganz deutlich. Ich fragte sie, wie so sie es nicht ausgenutzt hatte und bis Mitternacht draußen geblieben war? Zuerst wollte sie nicht antworten. Doch dann platzte es aus ihr heraus. Und wieder flossen Tränen. Ich rückte näher zu ihr und streckte ihr meine Arme entgegen. Sie sah auf und legte ihren Kopf an meine Schulter.

Ihr erster Liebeskummer und ihre Mutter schlief. Auf was hatte ich mich da eingelassen. Ich hatte keine Zeit gehabt, da hinein zu wachsen. Von jetzt auf gleich musste ich Vater, Mutter und Freund sein. Ich fühlte mich überfordert. Hoffte, das ihre Mutter aufwachen und mich ablösen würde. Aber die schlief.

Da mir nichts tröstendes einfiel, streichelte ich ihr nur über den Kopf. Es schien sie zu beruhigen. Allmählich hörte sie auf zu weinen. Kurze Zeit später, hörte ich leises Schnarchen. Sie war eingeschlafen.

Ich trug sie in ihr zimmer, legte sie aufs Bett, zog ihr die Schuhe aus, deckte sie zu und ging wieder raus. An der Tür blieb ich kurz stehen und blickte zurück. Sie war schon ein wunderbares Mädchen. Ich weiß, das sie nicht meine Tochter war. Dennoch hatte ich das Gefühl, sie wäre es. Ein kleiner Wunsch ging in Erfüllung. Der Wunsch eine Tochter zu haben. Ihr gegenüber würde ich es nicht sagen. Nachdem sie mir klipp und klar gesagt hatte, das ich nicht ihr Vater bin und nie sein werde. Trotzdem fühlte ich mich so

Am folgenden Morgen saßen wir gemeinsam am Frühstückstisch. Ich war der einzigste, der nicht wirklich geschlafen hatte. Die ganze Nacht lang hatte ich darüber nachgedacht, wie ich mich fühlte. Dachte an meine Angebetete, die sich an mich angeschmiegt hatte, als ich zu ihr ins Bett kam. Betrachtete sie im Mondschein. Fuhr mit meinen Augen ihren Körper entlang. Sah ihre Tochter noch einmal. Die beiden sahen sich sehr ähnlich.

Ich dachte an die Zukunft. Ist es diesmal die richtige? Hatte ich endlich einmal Glück? Würde ich mit ihr alt werden? Ich hoffte es. Sie war nicht nur wunderschön, sondern auch sehr lieb und zuvorkommend. Eine Frau, die ich mir bisher immer nur vorgestellt hatte und glaubte, das es sie nie geben wird. Sie liebte mich, wie ich war. Versuchte nicht mich zu ändern. Nutzte mich nicht aus. Es war wahre Liebe und ich hoffte, das sie wirklich der Schatz war, den ich schon so lange gesucht hatte.

Ihre Tochter schaute mich seltsam an. Sie lächelte dabei. War der Liebeskummer vergessen? Ich hatte nicht viel dazu beigetragen. Aber wenn es geholfen hatte, freut es mich sehr.

Ich glaube, das war der Beginn. Wir begannen eine Familie zu werden. An die Vergangenheit dachte ich gar nicht mehr. Wollte ich auch gar nicht. Was ich wollte, hatte ich geschafft. Ein neues Glück finden und die Vergangenheit vergessen. Den ganzen Schmerz. Das Leid. All das hatte ich endlich hinter mir gelassen.

Als ich so dasaß und meinen Kaffee trank, sagte ich plötzlich: „Deine Tochter...“ Was ich sagen wollte, weiß ich nicht mehr. Vielleicht, das sie überpünktlich nach Hause kam. Oder das sie einen Freund hat. Wie gesagt, ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls unterbrach sie mich. Sie sagte nur zwei Worte. Mehr nicht. Aber diese zwei Wochen trieben mir das Wasser in die Augen. Es war nicht leicht, die Tränen zu unterdrücken. Tränen der Freude. Des Glücks. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet. Und da war ich mir sicher, das ich gefunden hatte, wonach ich schon so lange und sehnsuchtsvoll gesucht hatte. „Unsere Tochter!“

Dabei hatte sie mich angesehen. Schielte zu ihrer Mutter rüber. Nippte an ihrem Kaffee. Lächelte. Ihrer Mutter verschlug es die Sprache. Sie wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus. Ihre Tränen flossen, vor Freude. Diese Worte aus dem Munde ihrer Tochter. Und bevor mir die Tränen kamen, nahm ich die Zeitung vors Gesicht und erwähnte ganz beiläufig:

„Erziehung gehört zu den väterlichen Pflichten.“

Wir lachten darüber. Am liebsten hätte ich die beiden gepackt und wäre mit ihnen in die Natur gegangen. An einem stillen See. Oder in den Wildpark. Aber die eine musste in die Schule und die andere auf Arbeit. Ich machte das, was ich jeden Tag tat. Kümmerte mich um den Haushalt. Erledigte die Einkäufe und sah mich nach einem Job um. Dann wartete ich auf mein geliebtes Wesen. Zwischendurch ging ich in meine Wohnung und schaute nach der Post. Das mir ein Unternehmen zurückschrieb und mir obendrein eine positive Antwort gab, daran glaubte ich schon lange nicht mehr. Ich war nicht mehr der Jüngste und zu lange aus dem Berufsleben heraus. Kein Auto und kein Führerschein. Wer will mich da noch haben?

Dennoch hatte ich ein ausgefülltes Leben. Eine Frau, die ich über alles liebte, eine Tochter, die ich sehr gern hatte und den Haushalt. Half meiner Tochter bei den Hausaufgaben. Gab ihr Ratschläge und Tipps. Zeigte ihr, das sie immer auf mich zählen konnte.

Meine Wohnung behielt ich dennoch. Nicht weil ich damit rechnete, das es eines Tages wieder vorbei wäre. Ich behielt meine Wohnung, damit meine Tochter sich keine suchen musste, wenn sie eines Tages ausziehen wollte. Und falls sie ungestört sein wollte. Noch wusste sie nichts davon. Auch nicht ihre Mutter. Ich wollte es ihr sagen, wenn ich sah, das sie so weit war.

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Superlehrling

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koollook Zwei interessante und menschliche Geschichten über die Schwierigkeiten und Freuden des Lebens. Was mir besonders gut gefällt, ist, dass du postiv schreibst, trotz der Probleme geht alles gut aus. Dabei bist du fast schon zu positiv, was ein kleiner Kritikpunkt wäre, da es doch eher einem Märchen gleicht mit 15 ein Kind zu bekommen, es in den Unterricht nehmen zu dürfen, dann Medizin zu studieren usw. Merkst du etwas? Das ist ein Stück weit zu perfekt. Und du beschreibst diese Dinge kaum. Du berichtest einfach und lässt Details aus, was das Ganze noch weiter weg rücken lässt.
Was mir bei beiden Texten und bei einem anderen, den ich von dir gelesen habe, aufgefallen ist, ist, dass du durchgehend dass falsch schreibst. Und du benutzt dieses Wort leider auch sehr oft, was es noch aufälliger macht. Es ist nicht immer schön, Relativsätze einzubauen da sie doch sehr am Stil nagen.
Noch ein unschöner Fehler im zweiten Text war "einzigste". Einziger hat keine Steigerungsform.
Insgesamt haben mich die Texte unterhalten und die positive Grundstimmung konnte mich erheitern.
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