Fantasy & Horror
Nachttänzer [Kapitel 2]

Seyla

Ein greller Blitz fuhr über den Nachthimmel. Er durchbohrte die letzten Sterne, die die Wolken noch nicht vertrieben hatten, wie ein scharfes Messer. Der Wind frischte erneut auf und zog Seylas seidenes Rüschenkleid sacht mit sich. Sie seufzte.

Nicht weit vor ihr ging der Eingeweihte neben ihrer Mutter. Sie unterhielten sich über die Nachttänzer. Seyla zuckte jedes Mal zusammen , wenn der Mensch das Wort „Vampir“ gebrauchte. Bei den Nachttänzern galt es ein Schimpfwort. Hoffentlich erwähnte er es vor den Herrschern nicht.

Seyla hob den Kopf. Sie beobachtete einige Blitze. Dieser Eingeweihte hatte sie, zugegebenermaßen, ziemlich beeindruckt. Er schien gar keine Angst vor ihr zu haben. Und obwohl sie nicht wusste, wieso , zauberte dieser Gedanke ein Lächeln auf ihr Gesicht. Er war so anders als die anderen Menschen. Er schien sie nicht als Monster zu betrachten, sondern als ganz normales Mädchen.
Ein Zupfen an ihrem Kleid riss Seyla aus ihren Gedanken.

„Bist du verliebt?“ Es war Blossom. Sie schaute von unten zu Seyla hinauf und grinste sie frech an.
„Nein!“,meinte Seyla schnell. Sie war sich selbst nicht sicher, ob sie log. „In wen denn?“

Blossom kicherte und deutete vielsagend auf den Eingeweihten.
„Nein“,wiederholte Seyla.

Blossom grinste und meinte: „Ich kann deine Aura sehen, Seyla. Und sie sagt mir, dass du flunkerst.“

Seyla überlegte. War sie verliebt? In diesen blonden Mann? Aber sie kannte ihn doch gar nicht! Seyla wusste nicht mal seinen Namen.

Seufzend wandte sie sich erneut zu Blossom: „Und wenn es so wäre?“

Blossoms Grinsen wurde noch breiter. „Dann würde ich ihm das sagen.“

„Tu das nicht!“,sagte sie. Auch wenn sie in ihn verliebt WÄRE, er würde sie niemals mögen. Wer liebte schon ein Monster? Zwischen diesen Menschenmädchen gab es viel mehr Auswahl für ihn.

„Also stimmt es?“,fragte Blossom.

„Was denn?“
„Was deine Aura mir gerade verraten hat. Das du denkst, er würde dich niemals mögen. Aber ich kann dir sagen, was er von dir hält.“
Seylas Wangen begannen zu glühen. „Was denn?“,fragte sie eilig.

Blossom betrachtete kurz ihre Fingernägel, dann sagte sie : „Willst du das wirklich wissen? Ich will dich nicht verletzen!“

Seyla spürte, wie etwas in ihrem Inneren zerbrach. „Verstehe.“,murmelte sie und senkte den Blick.

„War doch nur Spaß“,meinte Blossom erschrocken. „Dich scheint es ja schwer erwischt zu haben!“

Seyla seufzte kurz, dann fragte sie : „Willst du mir jetzt sagen, was er denkt oder nicht?“

„Er hält dich für wunderschön, aber er vermutet, dass du etwas besseres verdient hast als einen Menschen. Ich glaube er hält dich für eingebildet.“

„Was? Das glaube ich dir nicht.“
„Wieso nicht?“

„Weil … weil … ich nicht glauben kann, dass er mich wirklich mag...“

„Tut er aber.“

„Und was soll ich jetzt tun?“

„Wenn er das Treffen mit dem Herrscher überlebt, kannst du ihn gerne küssen.“

Seyla blieb stehen. „Du meinst...?“

Blossom nahm sie an der Hand und zog sie weiter. „Ich weiß nicht, was passieren wird. Du kannst dich ja für ihn einsetzten.“

Seyla nickte.

Wenige Minuten später erreichten sie den alten Schrottplatz am Ende der Straße. Hierhin verirrte sich fast niemand. Es türmten sich Berge von Abfall und ein komischer Geruch lag in der Luft. Aber es war nicht der Gestank von Müll, sondern der Geruch von Verwesung und Tod.

Ihr Vater war vorausgegangen. Er war hinter einem der Müllberge verschwunden und bedeutete die Anderen am Eingang zu warten.
Es war still. Der Mensch betrachtete neugierig den Schrottplatz und Seyla war sich sicher, dass er gerne alles genau erforscht hätte.

Nach einigen Minuten kehrte Horne zurück. Er winkte sie zu sich in die Mitte des Platzes. Seyla sorgte sich. Dieser Mensch hatte keine Ahnung, wem er gleich gegenübertreten würde.. Ein Schatten erhob sich aus einem der Müllhaufen. Er näherte sich bedrohlich dem Menschen.