Romane & Erzählungen
Superkräfte

Das Unwetter

 

Die Leute am Strand wurden unruhig. Manche bemerkten, dass es irgendwie kühl wurde und der Wind auffrischte. Auch Robin schaute an den Himmel und erschrak, als er riesige Berge an dunklen schon fast schwarzen Wolken sah. Schnell packte er seine Sachen zusammen und beeilte sich zu seinem Fahrrad zu kommen. Ein Mann rief ihm hinterher:
„Bleib lieber hier Junge. Hier in der Strandbar. Es zieht ein Gewitter auf, das fühle ich.“

Robin blieb unschlüssig stehen. Plötzlich krachte es ohrenbetäubend. Ohne noch weiter nachzudenken, rannte Robin, wie alle anderen, die sich noch nicht in Sicherheit gebracht hatten, in die nur wenige Meter entfernte Bar. Es war brechend voll, und doch herrschte eine gute fast fröhliche Stimmung, die sich oft entwickelte, wenn sich Menschen gerade vor einem Unwetter in Sicherheit gebracht hatten und dann zusammen im Sicheren saßen. Es entwickelten sich Gespräche zwischen fremden Leute und so entstand ein Gefühl von Zusammenhalt. Robin zog sein altes Handy aus der Hosentasche und schickte seinen Eltern pflichtbewusst eine SMS, dass er sich in Sicherheit befand.

Dann schaute er sich um. Es waren nur noch wenig Plätze frei. Unsicher setzte er sich auf dem nächstbesten Stuhl. Ein Mann sprach ihn an:

„Hey, du bist doch der Junge von Gerade eben.“
Robin schaute erschrocken auf und antwortete dann:
„Ja, genau. Danke für die Warnung.“
„Gern Geschehen, auch wenn Gewitter gar nicht so gefährlich sind. Ich wollte einfach nicht nass werden.“

In diesem Moment fing es an zu schütten. Die Regentropfen hämmerten gegen die großen Panoramafenster und die Gespräche verstummten Großteils. Irgendwie genossen alle die Illusion der Natur ausgesetzt zu sein.
Robin nahm das Gespräch mit dem alten Mann wieder auf:

„Warum hast du gerade gesagt Gewitter seien nicht gefährlich? Du hast mich doch davor gewarnt?“

Der alte Mann brummelte:
„Vergiss es, ich habe wohl wieder zu viel geredet.“

Jetzt war Robin sichtlich verwirrt und bohrte weiter:

„Wie kann man über Gewitter zu viel Reden, welche Geheimnisse gibt es da schon.“
Der alte Mann lachte und flüsterte:

„Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“

Robin nickte natürlich neugierig. Er hörte liebend gerne alte Grusel- und Lagerfeuergeschichten. Und nichts anderes erwartete er. Woher sollte er auch schon wissen, dass diese eine Geschichte sein ganzes Leben ändern würde. Immer wieder stellte er sich die Frage, ob er das Geheimnisse auch hätte hören wollen, wenn er die Folgen gekannt hätte.

 

Der alte Mann fing an zu erzählten:

„Ich werde dir jetzt eine Geschichte erzählen. Glaube sie, oder halt auch nicht. Irgendwann einmal, haben Menschen von alten Göttern bestimmte Fähigkeiten bekommen. Viele verschiedene Götter verteilten ihre magischen Fähigkeiten an die Menschen. Manche Fähigkeiten sind verschollen oder ausgestorben. Andere haben sich bis heute weiterverbreitet oder zumindest gehalten. Ich habe von meinem Großvater einen magischen Ring bekommen. Und irgendwann, wenn du alle wichtigen Fähigkeiten verstanden hast, erscheinen zwei weitere Ringe an deiner Hand. Diese kannst du wiederum weitergeben. An zwei Personen, die du auserwählst . Und diese Personen werden irgendwann auch wieder zwei neue Ringe besitzen, die sie weitergeben können.“

Als der alte Mann schwieg kommentierte Robin:

„Eine wirklich tolle Geschichte, auch wenn die Idee mit den Ringen alt ist. Die kommt schon in so vielen Geschichten vor, irgendwie sind magische Ringe öde.“

Der alte Mann lachte:

„Du glaubst mir also nicht? Und zu den Ringen. Das ist die einzige sinnvolle Art für ein magisches Artefakt. Ein Ohrring oder Armband wäre doch zu auffallend.“

Lachend meinte Robin:

„Schöne Geschichte, aber was soll heißen ich glaube dir nicht?“

Der alte Mann lächelte nachdenklich und ein bisschen traurig:

„Junge, das ist keine Geschichte.“

Während er das sagte legte er einen silbernen Ring auf den Tisch. Dann stand er auf und ging davon. Robin rief:
„Hey, hey bleiben sie stehen!“
Ein paar Leute drehten sich verwirrt um. Robin schnappte sich den Ring und lief dem alten Mann hinterher. Das letzte was Robin von dem alten Mann sah, war sein nachdenklicher Blick, mit dem er nochmal zurückblickte, bevor er in das Gewitter hinauslief. Mit einem dumpfen Knall fiel die Tür ins Schloss. Etwas ratlos setze sich Robin wieder an den Tisch und drehte den Ring in seinen Händen. Er dachte:

„Den alten Mann werde ich wohl auch nie mehr vergessen. Vielleicht ist der Ring sogar was wert. Aber eigentlich muss ich den Ring an diese unglaubliche Begegnung behalten. Hoffentlich passiert dem Mann draußen im Gewitter nichts.“

 

Nach einer halben Stunde, und mehreren Softdrinks später, war das Gewitter endlich weiter gezogen. Robin schnappte sich seinen Rucksack und lief durch den nassen Sand in Richtung der Fahrradständer. Als er dort angekommen war, kramte er in seiner Hosentasche nach dem Fahrradschlüssel. Verwirrt zog Robin zwei Gegenstände aus seiner Tasche, einmal den silbernen Ring und den Fahrradschlüssel. Robin schloss sein Fahrrad auf und steckte sich den den Ring an seinen Zeigefinger so konnte er den Ring wenigstens nicht verlieren. Unterbewusst registrierte Robin, dass der Ring perfekt an seinen Zeigefinger passte.
Mit einem Schaudern setze sich Robin auf seinen vom Regen nassen Sattel und fuhr nach Hause. Also dem vorübergehenden Zuhause, einen schönen Caravan, in dem Robin und seine Familie gerade Urlaub machten.

Völlig verfroren sprang Robin von seinem Fahrrad. Es hatte doch merklich abgekühlt. Erfreut betrat er den warmen Wohnwagen und zog seine nassen Klamotten aus. Nachdem er warme gemütliche Kleider angezogen hatte, erklärte er sich einverstanden noch ein Brettspiel mit seinen Brüdern anzufangen. Die Geschichte mit dem silbernen Ring hatte Robin in diesem Moment schon wieder fast vergessen. Erst Abends, als er ihm Bett lag, und ein seltsames Knistern ertönte, erinnerte sich Robin wieder an die Geschichte des alten Mannes.