Kapitel 8 Überfahrt
Jaret war lange nicht mehr in Hama, der Hauptstadt Egariums gewesen. Die Stadt war eine der ersten gewesen die Rubens Eroberungsplänen zum Opfer gefallen waren und hatte den Fall der alten Ordnung eingeleitet.
Mans ah auch hier, genau wie in Dynastets, immer noch überall die Schäden welche der Krieg hinterlassen hatte. Besonders den einstmaligen Regierungssitz im Herzen der Stadt hatte es schwer getroffen, denn Rubens Untergebene hatten sich nicht die Mühe gemacht das Gebäude zu schützen. Als Symbol des frei regierten Egariums war es ihm wohl ein Dorn im Auge gewesen.
Aber dies war nicht ihr Ziel. Die Gruppe bestehend aus Gerret, Verren, Jade und ihm war auf dem Weg zum trotz des Zustands, immer noch belebten Hafens.
Hama war eine der größten Handelsstädte und als solche hatte sie, selbst während der vergangenen Monate nicht an Bedeutung eingebüßt. Der Ort war nach wie vor ein Tummelplatz für Leute aus allen Regionen. Von Raven bis Arbitrium, jeder noch so kleine Volksstamm, jede noch so unbedeutende Ortschaft hatte hier ihre Vertreter.
Wenn es jemanden gab der verrückt und fähig genug war die vier ins ungewisse zu Segeln dann hier.
Trotzdem würden sie vorsichtig sein müssen. Verren führte nicht nur das Buch mit Rubens Notizen sondern auch einen Großteil der von diesen gesammelten Seelen mit sich, ein Schatz für den mancher bereit wäre über Leichen zu gehen. Solange allerdings niemand davon wusste würde wohl nichts passieren.
Der Hafen lief über vor Menschen. Arbeiter, Seeleute ,Stadtwachen. Es war ein belebtes, farbenfrohes Chaos in dem man nur allzu leicht selbst verschwinden konnte.
Schon von weitem konnte man das gute Dutzend Schiffe sehen das zurzeit im Hafen lag.
Das letzte Mal als Jaret hier gewesen war, hatten Rubens Armeen die Stadt überrannt und sie hatten fliehen müssen. Und während der Flucht hatte er die anderen Verloren. Er wusste bis heute nicht genau was passiert war, aber es hatte ihn von Grund auf verändert.
Und nun stand er wieder hier. Als würde sich alles wiederholen.
Ihr erstes Ziel bildeten natürlich die im Hafen liegenden Schiffe. Viele würden hier sein um Fracht loszuwerden und danach ohne Auftrag hier festsitzen bis sie erneut gebraucht wurden um Waren von hier weiter zu transportieren.
Sie fanden zwar auch bald einen Schiffeigner der bereit war sie mitnehmen, aber als die Gruppe ihm schließlich eröffnete wo ihr Ziel lag, versuchte er einen Rückzieher zu mache.
,, Ihr wollt einfach so ins Ungewisse ? Hört mal her ihr vier, ich bin bei weiten kein Feigling aber was ihr Vorhabt ist Wahnsinn. Ich kann weder das Leben meiner Leute noch eures riskieren, egal was ihr dafür bietet.“ , meinte der Mann, dem man ansah das er wirklich meinte, was er sagte. Er hatte ganz klar keine Angst um sich sondern um seine Mannschaft.
Etwas das Jaret unter anderen Umständen wohl zu schätzen gewusst hätte.
Jetzt aber jedoch stand ihm genau das im Weg. ,, Hört her , wenn ihr ablehnt wird sicher auch sonst jeder andere ablehnen, der auch nur halbwegs bei Verstand ist. Aber ich verspreche euch niemanden wird etwas geschehen. Wenn wir in vier Tagen nicht am Ziel sind, kehren wir um.“
Der Kapitän zögerte immer noch. Einen Moment sah der Mann einfach nur hinaus aufs Wasser auf dem sich die Sonne spiegelte.
,, Nun Jaret Weißläufer. Ich denke damit könnte ich leben und muss hoffen, dass ihr uns nicht in den Tod führt.“
Der Manns treckte ihm die Hand hin und Jaret zögerte nicht lange. Jetzt hieß es nur noch Glück haben. Gerret hatte die Reisezeit auf mehrere Tage geschätzt. Er hoffte dass vier ausreichen würden.
,, Adriana,
die Reise nach Hama verlief bis jetzt ausgesprochen ruhig.
lediglich das Wetter macht mir langsam zu schaffen. Es gibt wahrlich schöneres,
als stundenlang durch Nebel und Regen zu marschieren.
Wenigstens bin ich nicht mehr vollkommen allein. Torus, ein Magier
der mich seit Dynastes begleitet, scheint ein aufgeweckter junger Mann zu sein. Richtig trauen kann ich ihm immer noch nicht aber meinen ersten Eindruck eines Narren muss ich zurücknehmen.
Er erinnert mich mehr an Alexis in dem Alter.
Wenn wir in Hama ankommen hoffe ich rasch ein Schiff zu finden Die Reise wird mich mindestens zwei Tage kosten.
Und dann ist da immer noch dieses Gefühl verfolgt zu werden…
Während ich diese Zeilen schreibe könnte ich schwören jemanden im Nebel gesehen zu haben.
Die Sache wird langsam unheimlich.
Nur noch ein paar Wochen
Liron“
Er schüttelte das Wasser aus dem Mantel den er trug. Der Regen war gegen Nachmittag ihres zweiten Reisetages noch schlechter geworden und Liron sah sich gezwungen mit Torus an einem Bauernhof in der Nähe halt zu machen und um Unterkunft für ein paar Stunden zu bitten.
Der Hof wurde lediglich von einem älteren Ehepaar bewohnt, welche die zwei Reisenden auch gerne hereinbaten. Was auch daran liegen konnte das man Lirons Bewaffnung unschwer übersehen konnte. Sobald er im inneren des Hauses war legte er das Schwert und die Pistole weg und schob sie in eine Ecke des Raumes möglichst weit von sich weg, welcher, neben der angrenzenden Küche, den gesamten Innenraum bildete und sowohl als Schlaf als auch als Essraum diente.
Er wollte keinen bedrohlichen Eindruck erwecken. Was ihm wohl trotzdem nicht ganz gelang, wozu Torus sein Übriges beitrug.
Durch seien Kleidung war er unschwer als Magier zu erkennen und nur eine Tischbreite von jemanden entfernt zu sitzen der mit einem Fingerschnippen töten konnte, hätte wohl jeden mit etwas Vernunft nervös gemacht.
,, Wir sind auf der Reise nach Hama.“ , versuchte Liron ein Gespräch zu beginnen. Draußen prasselte noch immer der Regen auf das Dach des einfachen Ziegelhauses und ab und zu sickerte auch ein Tropfen Wasser durch die Decke und landete auf dem Lehmboden.
Der Mann der ihm gegenübersaß versuchte tatsächlich interessiert zu wirken. ,, ich war schon lange nicht mehr dort. Nur einmal vor fünf Jahren als ich einen kleinen Überschuss zu verkaufen hatte.
Der Hof wirft leider nicht mehr so viel ab, aber zum Leben reicht es.“
Das Gespräch ging noch eine Weile hin und her doch schließlich verstummten alle vier am Tisch befindlichen Personen und nur noch das schwächer werdende Rauschen des Regens war zu hören.
Nach einer Weile stand Liron auf. Es regnete zwar immer noch aber es würde erträglich sein.
Und die zwei Alten würden froh sein sie loszuwerden.
Er verabschiedete sich und auch Torus, der während der meisten Zeit geschwiegen hatte brummte ein kurzes,, Danke“ , dann verließen sie das kleine Haus und machten sich wieder auf den Weg.
,, Sie hatten Angst vor uns.“ , meinte Torus als sie ein Stück weit weg waren.
,, Wundert euch das ?“ , fragte er den Zauberer.
,, Nein aber es gefällt mir nicht. Angst erzeugt misstrauen und misstrauen führt dazu das Menschen… dumme Dinge tun.“
,, So wie ihr ?“
,, Nein !“ rief er fast. ,, Was ich getan habe tut mir leid. Ich bereue es zutiefst egal was ihr oder sonst jemand denkt. Aber Hass aus Misstrauen hat es erst zu dieser Situation kommen lassen.“
,, Seit ihr euch da ganz sicher ? Oder seid ihr nicht dem gleichen Trugbild aufgesessen? Angst, die zu etwas gefährlicherem wurde?“
,, Vielleicht.“ Torus hielt kurz an. ,, Aber wo liegt der Anfang dieser Spirale aus Misstrauen ? Könnt ihr mir das sagen? Wer hat zuerst misstraut, die Magier oder die Menschen?“
,, Vielleicht ja beide.“
Sie erreichten Hama während die Sonne bereits unterging. Die Wolkendecke die sie seit Dynastest begleitete war aufgerissen und das rote Abendlicht spiegelte sich in den Tausenden von Seen welche das Umland der Stadt durchzogen.
Schon von weitem hörte man die Hammerschläge der Schmieden von Hama und das leise rauschen der Wellen welche hinter der Stadt auf die Küste prallten.
Brücken und Wege durchzogen die Seenlandschaft vor der Stadt und wie fast jedes Mal wenn er hierherkam ließ Liron es sich nicht nehmen einen kleinen Umweg zu machen.
Man konnte einfach losgehen, den Wegen folgen oder sich treiben lassen ohne die Gefahr sich zu verlaufen. Die Stadt war, wie ein Leuchtfeuer von überall einsehbar.
Heute jedoch beschränkte er sich darauf einfach einen der größeren Seen zu umrunden. Es würde bald dunkel werden und er wollte darauf verzichten Torus sein Verhalten zu erklären. Er hätte es ohnehin nicht gekonnt.
Die Stadt hatte sich in den letzten Jahren nicht wirklich verändert. Die Gebäude waren teilweise erneuert worden und andere waren verschwunden oder komplett ersetzt worden.
Aber im Großen und Ganzen blieb das Bild gleich.
Während er sich mit Torus einen Weg durch die selbst am Abend noch überlaufenen Straßen suchte tauchte vor ihnen langsam das wohl Eindrucksvollste Gebäude der Stadt auf.
Das was, als die drei Reiche noch von ihren jeweiligen einzelnen Herrschern , den Regierungssitz von Egarium gebildet hatte. Hier hatte der frei gewählte Rat getagt und man konnte leicht die Gemeinsamkeiten mit dem Ratspalast in Licentia feststellen. Das Gebäude hatte ganz klar als Vorbild dafür gedient.
Doch ihr Ziel lag nicht im Zentrum der Stadt. Wenn sie ein Schiff nach Grauhafen finden wollten mussten sie zum Hafen von Hama.
Auch wenn nun seit mehr als zwanzig Jahren ein Bündnis zwischen den Ländern des Bundes und den Hostis bestand waren Handelsreisen zwischen den beiden Kontinenten noch immer eher selten. Aber mit etwas Glück würden sie ein Schiff finden.
Und Notfalls stand Liron immer noch frei sich eines zuweisen zu lassen. Etwas auf das er allerdings lieber verzichten würde. Das letzte Mal als er unbedachter Weise seine Identität preisgegeben hatte, wäre das beinahe sein Ende gewesen. Wenn er nicht rechtzeitig gewarnt worden wäre. Lis, ein Irrlicht war damals mit ihm und Fylla gereist und hatte sie warnen können.
Das war allerdings etwas das Torus nicht zu verstehen schien. ,, Wieso stehen wir hier noch immer rum ? Können wir nicht einfach irgendein Schiff nehmen? Ich denke mal ihr solltet in der Lage sein das zu organisieren.“
,, Das wäre ich, ja. Aber so etwas verursacht Aufmerksamkeit. Glaub ihr nicht auch? Und es muss ja nicht gleich die ganze Stadt wissen, dass ich hier bin.“ , antwortete er. ,, Am besten wäre es wenn wir ein Handelsschiff finden. Ich werde mich ein wenig bei den Schiffen umhören. Ihr könntet derweil den Gaststätten hier einen Besuch abstatten und nach einer Passage fragen.“
Torus nickte. Zu zweit würden sie schneller etwas finden. Der Seher warf ihm eine kleine Geldbörse zu. ,, Wenn jemand eine Anzahlung verlangt.“ , rief er bevor Liron selbst im Gedränge am Hafen verschwand.
Er betrat den im Dunkeln liegenden Innenraum der Kneipe und spürte sofort wie sich ein Dutzend Köpfe in seine Richtung umdrehten. Das Auftauchen eines Magiers führte wohl immer dazu, dass sich dieser einen Moment im Zentrum der Aufmerksamkeit befand.
Torus war die Blicke mittlerweile schon gewohnt.
Selbstbewusst durchschritt er den Raum und setzte sich an einem Tisch an den bereits drei weitere Männer in Seemannskleidung saßen.
Die drei sahen einen Moment auf als der Magier sich ungefragt auf einen Stuhl fallen ließ, aber niemand protestierte.
,, Was wollt ihr ?“ , brummte schließlich einer.
,, Ich suche nach einer Überfahrt nach Grauhafen. Wisst ihr zufällig ob demnächst ein Schiff in die Richtung ausläuft?“
,, Grauhafen hm ? Kenne nur wenige die so verrückt sind. Soll sich aber angeblich lohnen.“ , meinte ein anderer.
Der dritte deutete auf einen Mann der allein an einem Tisch in der Ecke des Raumes saß.
,, Redet mal mit dem alten Ägir da drüben.“
Torus verabschiedete sich von den drei und ging die paar Meter hinüber zum anderen Tisch. Der Mann sah im Gegensatz zu den anderen nicht auf als er sich näherte und Torus musste sich eingestehend das er ihm beim Eintreten glatt übersehen hatte.
Funkelnde Augen starrten ihn unter einem ins Gesicht gezogenen Hut an.
Er hatte nach einer Überfahrt gesucht und war natürlich gleich auf jemanden gestoßen der nicht grade einen seriösen Eindruck machte. Liron würde vermutlich begeistert sein.
Aber jetzt gab es eh kein Zurück mehr.
,, Ihr seid Ägir ?“
Der Mann nickte kaum sichtbar. ,, Und ihr sucht also nach jemanden der euch nach Grauhafen mitnimmt ?“
,, Richtig.“
,, Dann seit ihr richtig. Ich wollte morgen früh los. Wenn ihr zahlen könnt, dürft ihr mit.“
,, Ich reise nicht allein.“ , meinte Torus.
,, Wie gesagt solange ihr für die Reise aufkommt ist mir der Rest egal.“
Torus setzte sich. Offenbar hatte er Glück. Jetzt musste er nur noch…
Hinter sich bewegte etwas und er drehte sich grade noch rechtzeitig um , um zu sehen wie jemand durch die Tür der Taverne stürzte.
Warum hatte es der Mann so eilig gehab…. Er tastete nach dem Beutel den Liron ihm gegeben hatte. Weg. War ja klar.
,, Ich bin gleich wieder da.“ Rief er Ägir zu während er durch die Tür stürzte.