Kapitel 22 Akzeptanz
Liron starrte nur zu ihnen herüber. Aber… das war vielleicht die falsche Wortwahl. Liron hatte soeben aufgehört zu existieren.
Alexis stolperte ein paar Schritte rückwärts.
,, Ich hatte euch gewarnt Alexis.“, sagte Fylla.
Violett glühende Augen sahen ihnen entgegen. Schienen noch verwirrt über die plötzliche Freiheit die er ihnen Geschenkt hatte.
,, Es tut mi leid Liron. Verdammt ich dachte…“
,, Was ihr gedacht habt ist egal Alexis. Es ist zu spät. Ich habe ihm ein Versprechen gegeben. Verzeiht mir. „ Sie trat näher an Liron und tastete nach dem Schwertgriff. ,,Lebt Wohl alter Freund.“
Sie würde nicht warten bis das was Liron jetzt auch immer beherrschte sich vollständig gesammelt hatte. Dann wäre es wahrscheinlich schon zu spät.
Fylla holte mit der Waffe aus. Es würde nur einen Moment dauern.
Die Klinge schnitt lediglich Luft. Wo war er hin? Lediglich einige Funken waren noch dort wo Liron eben noch gestanden hatte.
Ein Schlag traf sie im Rücken und schleuderte sie nach vorne. Sofort drehte sie sich um.
Immer noch nichts zu sehen.
Auch Alexis sah sich nach allen Seiten um und selbst der Drache Zemas konnte nichts entdecken.
,, Wo ist er hin ?“ hektisch suchten Alexis Augen die Umgebung ab. Der Seher konnte nicht einfach verschwunden sein.
Aus dem Nichts heraus blendete sich plötzlich ein Lichtblitz. Die Helligkeit blendete einen Moment alles aus.
Nur langsam konnte Fylla wieder ihre Umgebung erkennen. Und dort stand Liron wieder als wäre nichts gewesen. Die seltsam veränderten Augen geschlossen und die Hände beinahe wie zum Gebet gefaltet.
Warum ? Alexis stellte sich zum Wiederholten Male diese Frage. Was immer Liron jetzt auch war er hatte genug Macht sie alle zu vernichten. Wieso also lebten sie überhaupt noch? Bisher hatte er sich lediglich Verteidigt... War es möglich das…
Fylla setzte zu einem neuen Angriff an. ,, Stopp“ Alexis schuf ein magisches Netz das die Ordensjägerin ins Wanken brachte.
,, Was ?“ , wollte sie wissen nachdem sie mit knapper Not einen Sturz verhindert hatte.
,, Ich hatte recht.“ , sagte der Magier ungläubig.
,, Womit ?“ , wollte Zemas wissen.
,, Er ist noch da.“ , sagte Alexis während er an Fylla vorbei auf Liron zuging. Der Seher trug einen kleinen Spiegel am Gürtel mit sich herum. Wenn das funktionieren würde…
,, Liron hört ihr mir zu ?“ , fragte er.
Unsicher, als ob er nicht wüsste wer mit ihm sprach sah der Seher in seine Richtung. Der glühende Blick schien ihn aufmerksam zu Mustern.. Versuche herauszufinden mit wem er es zu tun hatte.
Lirosn Verstand war ein Strudel aus durcheinanderrufenden Stimmen und fragen. Er wusste nicht wer er war nicht was er war. Er handelte einfach nach Gespür und war den Angriffen irgendwie ausgewichen. Magie ja… aber ein zu einfaches Wort für das was in ihm lauerte. Und sein Geist zerbrach daran es erfassen zu wollen. Und die eine Stimme wurde immer lauter. Jene die ihn aufforderte doch von seinen Kräften Gebrauch zu machen. Jegliche Zurückhaltung hinzuwerfen aber… ein Rest seiner alten Existenz hinderte ihn daran. Doch er wusste nicht wie lange er diese Stimme noch würde ignorieren können , als eine neue Stimme sich einen Weg durch das Chaos seiner Wahrnehmung suchte. Eine vertraute Stimme.
,, Hört ihr mir zu ?“
Der Magier hoffte Recht zu behalten. Wenn noch Hoffnung für Liron bestand musste er es versuchen.
,, Erinnere dich wer du bist. Liron Weißläufer, König des Bundes ,falls das noch etwas bedeutet , Seher und ein Freund.“
Bilder und Erinnerungen fanden ihren Weg durch die alles übertönenden Stimmen.
Ein Abend in Dynastes, Einander jagende Sinneseindrücke… Ein gewaltiger Saal. Es war nicht viel… aber etwas an dem er sich festhalten mit dem er die Stimmen beruhigen konnte.
Aber doch nicht genug. Aber etwas….
,, Seht euch an Liron. Wisst ihr noch wie ihr ausseht? Wisst ihr noch was ihr seid?“
Eine Stimme verdrängte alle anderen selbst die des Magiers, begehrte gegen Lirons wiederkehrenden Kampfgeist auf.
,, Geht Zauberer.“
,, Ich rede nicht mit euch Kreatur. Liron seht hinein.“ Er deutete auf den Spiegel den Liron bei sich trug.
Woher hatte er ihn noch gleich… Ein Brunnen...Gestalten aus Nebel… Und verbranntes Land… er hatte dort etwas verloren…. Die Erinnerung entzog sich ihm aber er wusste, dass es wichtig war. Er musste es wissen.
Er tastete mit der Hand nach dem Stück Glas. Einen Moment war er sich sicher dass er den Spiegel fallen lassen würde. Das der Moment der Hoffnung mit ihm zerschellen würde.
Glühende Augen sahen ihm aus dem Spiegelglas entgegen. Dahinter brannte Feuer. Feuer , das bereit war alles zu verschlingen.
Aber nein…das war nicht er… und das würde er nie sein.
Aber wer war er dann? Die Erinnerung.. das Verlorene… er suchte danach auch wenn die Stimmen die seinen Verstand durchlöcherten versuchten ihn davon abzuhalten. Versuchten seine eigene Stimme erneut zum Schweigen zu bringen.
Er ignorierte sie… versuchte die Erinnerung zu finden….
Liron riss die letzten verbliebenen Mauern ein. Und wurde beinahe von dem Überrollt was ihn traf.
Eine zerstörte Stadt… eine Kreatur groß wie ein Baum die zum Schlag gegen ihn ausholte… jemand.. sie… warf sich dazwischen…
Die Stimmen versuchten ihn davon abzuhalten die Mauern um sein selbst wieder zu errichten…
Er ließ es nicht zu. Das hier war genauso Teil von ihm wie alles andere.
Adrianas Tod wurde abgelöst. Sein Dorf in Flammen… Ragnars Tod…
Doch er ließ nicht zu das ihn erneut mit sich Riss. Er nutze den Schmerz der Erinnerungen drängte die Stimmen damit zurück.
,, Es funktioniert.“ Alexis war sich nicht einmal sicher was genau funktionierte aber Liron schien es irgendwie zu schaffen. Er hatte alles auf eine Karte Gesetzt und Gewonnen.
Der Seher sank auf die Knie.
,, Danke….“ Er verlor erneut das Bewusstsein. Doch diesmal tauchte er ein in friedliche traumlose Dunkelheit.
Überrascht stellte Alexis fest, dass eine Träne über Lirons Gesicht lief.
,, Was habt ihr getan ?Ist es vorbei ?“ Fylla hatte während der ganzen Zeit geschwiegen und dem seltsamen Schauspiel zugesehen. Sie war sich nicht sicher ob sie es Verstand. Selbst Alexis schien es nicht ganz zu begreifen.
,, Wart ihr das ?“ , wollte Zemas wissen.
Der Zauberer schüttelte den Kopf. ,,Nein. Das war er ganz allein.“
,, Wie ist das Überhaupt möglich ? Sein Geist war zerstört oder. Ich meine sobald dieses andere… dieser andere Teil von ihm… Besitz ergriffen hat..“
,, ich weiß es nicht. Und ich glaube nicht, dass ich es jemals selbst herausfinden will. Ich glaube es hat durchaus seinen Preis gefordert.“
Liron wachte erst eine gute Stunde später erneut auf. Zemas kreiste in großem Abstand um ihr provisorisches Lager um nach eventuellen Verfolgern Ausschau zu halten die Anbrail ihnen nachgeschickt haben könnte. Alexis hingegen war unauffällig losgegangen um in einem nahegelegenen Dorf einige Vorräte zu besorgen. Er besaß immer noch einige Goldmünzen wie er Fylla versicherte. Und selbst wenn nicht. Der Magier hatte jede Menge Möglichkeiten die Händler notfalls auch zu täuschen. Solange diese nicht zu misstrauisch waren konnte er sie mit Steinen bezahlen.
So kam es das Fylla allein war als Liron wieder aufwachte. Sie bemerkte zuerst nur aus den Augenwinkeln wie der Seher sich aufsetzte und mit dem Rücken zu ihr in die Landschaft starrte.
,, Ich dachte eine Weile verloren zu sein. Danke das ihr euer Versprechen halten wolltet.“
Die Stimme des Sehers klang immer noch lechz zittrig als ob er sich selbst noch nicht ganz trauen würde.
,, Dankt mir nicht. Nicht dafür. Glaubt mir wenn Alexis nicht einen anderen Weg gefunden hätte…. Ihr wärt nicht hier.“
Der Seher sah immer noch Gedankenverloren in die Ferne. Die Sonne war grade im Begriff Unterzugehen und zeichnete die Silhouetten der Bäume welche auf der Wiese vor ihnen wuchsen nach.
,, Doch.“ , stellte Liron schließlich fest. ,, Ich schon glaubt mir.“
,, Wie… wie ist euch das gelungen . ich meine... Liron jeder andere wäre Tod oder sein Verstand ausgelöscht worden. Wiese ihr nicht?“
Zum ersten Mal sah er zu ihr herüber. Etwas hatte sich verändert. Ein Auge wirkte normal und hatte seine gewohnte blaue Farbe das andere aber lag im Schatten und glühte in demselben violetten Farbton wie zuvor.
Fylla wollte aufspringen aber eine Hand hielt sie fest. ,, Ich habe es akzeptiert.“ , sagte Liron. ,, Das war die einzige Möglichkeit.“
Er ließ sie los.
Einen Moment war Fylla unsicher. Weglaufen oder bleiben?
Das war immer noch Liron. Zumindest schien es so… Bleiben.
,, Was machen wir jetzt ?“ , wollte er wissen.
,, Edrick konnte nach Hama entkommen und versucht alle zu sammeln die noch hinter dir stehen. Wir werden wohl besser auch dorthin reisen. Alexis ist bereits Unterwegs Vorräte besorgen.“
Der Seher nickte. Ja Hama schien die beste Möglichkeit. Trotzdem gefiel es ihm nicht einfach so zu gehen.
Hinter sich hörte er Schritte. Alexis kam mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken aus dem nahegelegenen Wald gelaufen.
,, Liron ihr seid Wach…“ Der Seher drehte sich um, sorgte aber diesmal dafür, dass seine beiden Augen im Licht blieben. Er musste irgendwie lernen es zu Verbergen. Sonst könnte er spätestens in Hama Probleme bekommen. Niemand würde jemanden trauen der Möglicherweise von einem Geist oder ähnlichem besessen war.
,, Ja. Und ich möchte euch ebenfalls danken. Ich weiß nicht was geschehen wäre wenn ihr nicht gewesen wärt. Ihr beide.“
Alexis schien zu zögern. ,, Nun eigentlich habe ich gar nichts getan. Größtenteils wart ihr das selbst.“
Sobald Zemas wieder zu ihnen gestoßen war machten sie sich bereit nach Hama aufzubrechen. Erneut mit Zemas zu Fliegen kam nicht in Frage. Jetzt wo der Großteil des Bundes Anbrail Unterstand war das Risiko entdeckt zu werden zu groß. Und ein gut gezielter Ballisten Bolzen konnte auch einen Drachen zu Fall bringen.
Also mussten sie die mehrtägige Reise zu Fuß antreten. Etwas das Zemas, der sich nur in äußersten Notfällen seiner Menschlichen Form bediente nicht grade gelegen kam.
Unterwegs begegneten sie immer wieder kleineren Verbänden von Soldaten welche die größeren Straßen patrouillierten. Liron und die anderen konnten nicht wissen ob sie nach ihnen suchten beschlossen aber kein Risiko einzugehen. Wann immer sich eine Gruppe näherte wichen sie auf die kleineren Nebenpfade aus.
Nur einmal gelang es ihnen nicht. Sie bemerkten die Wachen zu spät und konnten nicht mehr rechtzeitig auf einen anderen Weg gelangen.
Es war eine Gruppe von Fünf Mann plus einem weiteren bei dem es sich wohl um den Hauptmann handeln musste.
Liron hatte sich einen dunklen Kapuzenumhang besorgt um in genau solch einer Situation wenigstens sei e Züge verschleiern zu können. Jetzt zog er sich die Kapuze tief ins Gesicht und hoffte das Beste.
Der Hauptmann hielt sie an. ,, Entschuldig die Störung aber wir sind angewiesen worden alle Reisenden zu kontrollieren. Der Verräter Liron ist immer noch auf der Flucht und wir wollen nicht, dass er entkommt.
Liron fühlte leichte Wut in sich aufsteigen. Verräter ? Er wollte überhaupt nicht wissen was Anbrail ihm angedichtet hatte.
Da Fylla , Zemas und Alexis offenbar nicht gesucht wurden wendete sich die Aufmerksamkeit der Wachen schnell dem Reisenden mit dem Kapuzenmantel zu. Liron wusste, dass sie entdeckt werden würden.
,, Ihr. Zeigt euch wenn ihr nichts zu verbergen habt.“ , forderte ihn eine der Wachen auf.
,, Ein gut gemeinter Rat. Lasst uns einfach weiterziehen.“
,, Zum letzten Mal. Nehmt die Kapuze ab oder wir übernehmen das.“
Liron sah auf. Seine Augen glühten im Halbschatten auf. ,, Noch einmal. Zurück.“
Der Wachhauptmann schreckte tatsächlich kurz zurück. Dann jedoch fing er sich wieder. ,, Schnappt sie euch. Und tötet den Dämon.“
Der Hauptmann zog ohne weitere Worte seine Waffe und hieb nach Liron. Dieser jedoch wich aus. Seine einzige Waffe bestand aus dem abgebrochenen Schwertgriff den er immer noch bei sich trug. Alexis hatte ihn bereits gefragt warum er es überhaupt noch mitschleppte. Aber die Waffe war ihm überantwortet worden und zerbrochen oder nicht, es war seine Aufgabe darauf acht zu geben.
.Der Wachmann der ihn Angegriffen hatte geriet ins Straucheln als seine Attacke ins Leere lief. Liron zielte und lies den Knauf auf dessen Kopf krachen.
Der Mann fiel sofort wie Betäubt um und blieb liegen.
Die drei der übrigen fünf bekamen es nun mit Alexis, Zemas und Fylla zu tun. Alexis lies eine Welle aus verdichteter Luft auf zwei der Soldaten zurasen welche diese mit Knochenbrechender Gewalt von den Beinen holte. Zemas neben ihm nickte nur kurz anerkennend.
Fylla wehrte derweil einen Angriff der dritten Wache ab. Offenbar ein noch unerfahrener Kämpfer den er vernachlässigte seien Verteidigung. Mehr brauchte Fylla auch nicht. Sie unterlief den Angriff und hieb dem Mann die Waffe aus der Hand. Der nächste Schlag durchbohrte die Brust der Wache und der Kämpfer ging mit einem Überraschten Ausdruck in den Augen zu Boden.
Liron stand derweil auf sich gestellt den zwei verbliebenen Wächtern gegenüber.
Diese drängten ihn von den anderen ab und versuchten ihn einzukreisen. Hielten sich gleichzeitig aber auch immer möglichst weit zurück. Sie hatten offenbar Angst vor ihm.
Dazu haben sie auch allen Grund, meinte eine Stimme in seinem Kopf und er war froh festzustellen das es sich um seine eigene Handelte. Er war wieder her über sich selbst…
Gleichzeitig war da aber auch etwas Neues. Nicht dieselbe Unheilvolle Macht wie zuvor aber ähnlich genug. Er experimentierte damit lies es aus seinem Geist in seine Fingerspitzen wandeln.
Er wusste nicht genau was er tat aber Instinkt riss er seine Hand hoch und ein Blitz fällte einen seiner zwei Gegner. Der letze Überlebende zögerte als er sah wie seine übrigen Gefährten fielen. Einen Moment sah er unsicher zwischen Liron und den anderen hin und her. Dann gab er Fersengeld und verschwand in den Wäldern.
Zemas wollte ihm nachsetzen aber Liron hielt ihn zurück. Dafür bestand kein Grund. Es war genug Blut geflossen für einen Tag. Und sie hofften den nächsten bereits in den schützenden Mauern von Hama zu verbringen.