Fantasy & Horror
Licht, Blut und Schatten - Teil 1

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"Licht, Blut und Schatten - Teil 1"
Veröffentlicht am 05. Juli 2012, 300 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Was soll man über sich selbst erzählen? Ich schreibe sehr gerne und sehr viel. Meist Texte und Kurzgeschichten aus dem Horror, Fantasy oder Thriller-Bereich.
Licht, Blut und Schatten - Teil 1

Licht, Blut und Schatten - Teil 1

Einleitung

Licht Blut Schatten Jedes dieser Worte steht für einen der größten Schwertkämpfer seiner Zeit. Ein geächteter Paladin, ein gewissenloser Vampir und eine vogelfreie Elfe. In ihrem Wesen weder wirklich gut noch vollkommen verdorben, versuchen sie sich so gut wie irgend möglich in einer Welt zurechtzufinden, in der Gier, Hass, Rassismus und Gewalt die bezeichnendsten Wesenszüge seiner Bevölkerung

darstellen. Auf verschiedenen Wegen erfahren die Helden von der Existenz eines legendären Schatzes. Eine gnadenlose Hatz beginnt, in der jeder der drei fest davon überzeugt ist, das Richtige zu tun und nur dem Weg des eigenen Schicksals zu folgen. Die Geschichte taucht den Leser in eine dreckige Welt, in der selbst die Helden ihre rauen Ecken und schartigen Kanten besitzen. Sie zeigt ihre gnadenlose Seite, konfrontiert sie aber auch mit Gefühlen wie Liebe, Loyalität und Freundschaft. Sie führt die drei auf ihrer

turbulenten Reise durch endlos wirkende Steppen, nebelverhangene Sümpfe, unergründlich tiefe Höhlen und riesige, feuerspeiende Gebirge, bis sie schlussendlich die Verlorenen Lande erreichen. Hier, an einem Ort, der von den Göttern selbst verlassen zu sein scheint, erfüllt sich ihre wahre Bestimmung und zwingt sie zum alles entscheidenden Showdown.

Licht, Blut, Schatten

1. Der Gestank nach Tod und kaltem Rauch lag in der Luft. Schreckliches war an diesem Ort geschehen. Die Gewissheit darüber lief einem als kalter Schauer über den Rücken, lange bevor einem die eigenen Sinne eine Bestätigung zu dieser grausamen Befürchtung lieferten. Kaum ein Gebäude war unversehrt geblieben, beinahe alles war vom Krieg zerstört und keiner der hier lebenden Menschen hatte das offensichtliche Massaker überlebt.

Die drei Elfenkrieger, die sich langsam und vorsichtig in die qualmenden Ruinen hineinwagten, wussten dies, auch ohne dass sie nach möglichen Verletzten Ausschau halten mussten. Die erdrückende Stille, die über der Trümmerlandschaft lag, war Beweis genug. Niemand schrie mehr um Hilfe, keine Seele stöhnte vor Schmerzen oder jammerte um Beistand. Rein gar nichts war zu hören. Selbst die wild lebenden Tiere der näheren Umgebung schienen sich vor dem hier geschehenen Grauen in Sicherheit gebracht zu haben. Alles wirkte, als hätte nur der Tod selbst den Ort noch nicht verlassen.

Den Männern war dies alles egal. Sie waren weder für die Katastrophe verantwortlich, noch waren sie hergekommen um Menschen zu betrauern oder nach Überlebenden zu suchen. Jagen wollten sie und nichts anderes beschäftigte ihr Denken. Einzig dieses eine Ziel trieb sie voran. Und sie verfolgten es mit höchster Hingabe und Konzentration, denn ihre Herzen waren erfüllt von brennendem Hass und gerechtem Zorn gegenüber dem Ziel ihrer Suche. Evelyna Snaps. Im Grunde war sie eine von ihnen und doch war sie so anders. Eine

Schwarzelfe, finster, verkommen, böse. Kein Kind des Lichts wie ihre Jäger. Mit einer Haut wie Teer und ebenso widerwärtig dunklem Haar. Böse war sie, so wie alle ihrer Art. Ein verabscheuungswürdiger Zweig der Evolution. Die Beweise lagen klar auf der Hand. Ist es denn nicht die Nacht, die der Natur ihre Farbenpracht nimmt und glänzende Schönheit mit hässlich grauen Schleiern überzieht? Sind es nicht die Schatten, in denen sich das Übel verkriecht? Schwarz ist die Farbe des Todes, der Vergänglichkeit, der Verwesung! Wie könnte ein aufrechtes Kind des Lichts, mit goldener Haut, leuchtenden Haaren

und schillernder Seele, ein solches Wesen nicht aus tiefstem Herzen hassen? Allein, dass sich eine derartige Beleidigung Elf nennen durfte, war ein Affront gegen die Herrlichkeit des Lichtgottes selbst. Nein! Es bedurfte keiner weiteren Beweise für dieses heilige Dogma. Und doch gab es sie. Besonders gegen dieses Weib. Unzählige Untaten wurden ihr angelastet. Eine feige Mörderin war sie. Selbst bei den Menschen genoss sie einen derart schlechten Ruf, dass sie ihr einen Namen gegeben hatten, der ihre Boshaftigkeit wohl am vortrefflichsten umschrieb:



Evil-Lynn*. (*Evil, Wort der elfischen Sprache für ’Dem Wesen der Elfen entsprechend. Ein uraltes Wort der elfischen Sprache, das in seiner eigentlichen Bedeutung für das vollkommen reine Wesen der Elfen steht. Durch die grenzenüberschreitende Dominanz der Elfen wurde das Wort vor ewigen Zeiten auch in die menschliche Sprache übernommen. Allerdings mit einer vollkommen anderen Auffassung darüber, was unter dem Wesen der Elfen zu verstehen ist. Bei ihnen steht das Wort für Hinterlist, Boshaftigkeit und das Schlechte im Allgemeinen.) Die drei Kopfgeldjäger arbeiteten sich

weiter durch die Trümmer. Immer wieder stoppten sie, hockten sich nieder und ließen ihre feinen Elfensinne nach verräterischen Spuren wittern. Der atemraubende Gestank und der schreckliche Anblick der misshandelten Leichen überall, ließ ihnen diese Arbeit zur Qual werden. Trotzdem blieben sie so konzentriert, wie es einem Elfen in einer derartigen Situation nur möglich war. Janar, der Anführer der kleinen Gruppe, hob die Hand, um sich die Aufmerksamkeit seiner Begleiter zu sichern. Er hatte ein kleines Lagerhaus in der Mitte der verwüsteten Ortschaft erspäht. Es war weniger in

Mitleidenschaft gezoge als die anderen Gebäude. Wahrscheinlich deshalb, weil die marodierenden Orks, die zweifellos für die hiesige Katastrophe verantwortlich waren, dort die größte Beute vermutet hatten und nichts zerstören wollten, was man später noch nutzen oder teuer verkaufen konnte. Mit einigen routinierten Handzeichen gab der Sonnenelf seinen beiden Begleitern zu verstehen, dass er die Gesuchte im Inneren des Lagers vermutete. Es lag zentral, bot eine gute Rundumsicht und darüber hinaus einen ausreichend geschützten Rastplatz für die Nacht. Wäre er an Stelle seiner Beute, hätte er sich ebenfalls dort

verkrochen. Janar entschloss sich zum sofortigen Angriff. Es gab keine Zeit zu verlieren. Seine Gegnerin war gewieft und äußert gefährlich. Je länger er zögerte, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihn entdeckte, ihm feige in den Rücken fiel oder gar davonlief. Soweit würde er es jedoch nicht kommen lassen. Janar schickte seine Kameraden in die Flanken des Gebäudes, um seiner Beute mit einer schnellen Zangenbewegung jegliche Chance zur Gegenwehr zu nehmen. Weitere stumme Befehle folgten. Wenige Augenblicke später, wusste jeder, was zu tun war. Einer der beiden ausgesandten Krieger

würde die rückwärtige Zugangstreppe nehmen und durch die obere Hintertür ins Lager eindringen; der andere einen der nahen Bäume hinaufsteigen und sich von dort aus einen Weg über das Dach suchen. Janar selbst plante, direkt an der Vorderseite in Stellung zu gehen und über das Erdgeschoss einzudringen. Somit waren alle möglichen Fluchtwege blockiert. Die drei griffen an. Nahezu geräuschlos rannte der Anführer des Trios auf die Front des Lagers zu. Dort angekommen, drückte er sich an die Außenwand des Gebäudes und linste durch ein zerstörtes Fenster zu seiner Rechten. Er benötigte nur einen kurzen

Blick, um die gesamte Lage im Inneren trotz des dort vorherrschenden Durcheinanders einschätzen zu können. Niemand da! Janar nutzte die günstige Gelegenheit und schwang sich mit einer katzengleichen Bewegung über das Fensterbrett. Sanft landete er neben einigen zerrissenen Getreidesäcken, die achtlos über den schrecklich zugerichteten Kadaver eines jungen Mannes geworfen waren. Ohne den armen Kerl eines weiteren Blickes zu würdigen, schlich er weiter. Das Erdgeschoß bestand nur aus einem einzigen großen Lagerraum, der von einem halben Dutzend hölzerner

Stützpfeilern getragen wurde. Wie vermutet hatten die Grünhäute den gesamten Bestand des Lagers geplündert und nur wertlosen Tand und einige weitere Leichen zurückgelassen. Nirgendwo bot sich eine günstige Stelle für einen Hinterhalt. Janar konnte die Umgebung komplett überblicken. Sehr gut! Das Augenmerk des Elfen galt als Nächstes einer freistehenden Treppe in der Mitte des großen Raumes, die ihn hinauf ins Obergeschoss und damit zum vermuteten Aufenthaltsort seiner Beute führen sollte. Janar zog seinen Säbel. Das Gewicht der Waffe und das angenehme Gefühl des hölzernen Griffes

in seiner Hand hatten etwas Vertrautes an sich, das ihn mit Selbstsicherheit und Zuversicht erfüllte. Er lächelte. Momente wie dieser erregten ihn. Der Augenblick, an dem ein Jäger seine Beute stellt, die letzten Sekunden vor dem Triumph des Siegers. Der eine Moment an dem das Opfer verstand, dass es rettungslos verloren war. Dafür lohnte es sich zu leben. Nichts auf der Welt war damit zu vergleichen. Janar trat auf die erste Stufe und zögerte plötzlich. Irgendetwas stimmte nicht. Aufmerksam ließ der Elf seinen Blick schweifen. Dann endlich sah er, was seine inneren Alarmglocken zum Läuten gebracht hatte. Über dem fünften Tritt

war ein kaum sichtbarer Metallfaden gespannt. Neugierig folgten seine Blicke dem hauchdünnen Draht. Er verlief über einen kleinen Nagel an der rechten Seite der Treppe hinweg und verschwand in der Tiefe. Janar steckte seinen Kopf durch das Geländer und sah hinab. Dort erkannte er, dass der Faden mit einem metallenen Topf verbunden war. Der wiederum war so gekonnt angebracht, dass jegliche Berührung der Falle ihn scheppernd hätte hinabstürzen lassen. Das war der endgültige Beweis, dass sich der Kopfgeldjäger auf der richtigen Spur befand. Er nickte stumm. Menschen hätten den Topf mit Schrauben, Nägeln oder anderen

Materialien gefüllt, um ein lauteres Geräusch zu verursachen. Orks hingegen, wären gar nicht erst auf die Idee gekommen, sich derart abzusichern. Nein, nur ein Elf begnügte sich, dank seiner hervorragenden Sinne, mit einer derart simplen Vorrichtung. Du bist hier irgendwo, nicht wahr Evelyna? Vorsichtig stieg Janar über die Falle hinweg nach oben. Sein Weg führte ihn in einen schmalen Flur mit beidseitig je zwei, zum Teil offen stehenden Türen. Er musste nicht lange überlegen, wohin er von hier aus zu gehen hatte. Die beiden inneren Zimmer boten aufgrund ihrer ungünstigen Lage keine

ausreichende Aussicht zur Stadt hinaus. Für jemanden auf der Flucht, ein schier unverzichtbares Hilfsmittel. Eine raffinierte Schurkin wie Evelyna hätte niemals auf einen derart wichtigen Vorteil verzichtet. Es blieben also nur die zwei äußeren Räume. Hier wiederum war der linke der günstigere, denn die Aussicht im rechten wurde durch die Krone eines hohen Baumes versperrt. Der elfische Jäger klopfte sich für seine Weitsicht mental auf die Schulter und schlich weiter. Hab’ ich dich! Die zwei ausgesandten Begleiter Janars traten in eben diesem Moment aus ihren Verstecken heraus und ihrem Anführer

zur Seite. Ein kurzer Blickkontakt verriet, dass sie auf ihrem Weg hierher ebenso wenige Probleme gehabt hatten, wie er. Die Beute konnte also noch nicht geflohen sein. Alle möglichen Fluchtwege waren abgedeckt. Sie war genau dort, wo er sie haben wollte. Ahnungslos und in der Falle! Janar war zufrieden. Alles lief perfekt nach Plan. Die drei Kopfgeldjäger erreichten die Tür hinter der sie ihre Beute vermuteten. Routiniert brachten sie sich in Stellung. Je ein Elf mit gezogener Waffe an beiden Seiten des verschlossenen Zuganges und Janar selbst direkt davor, um ihn mit einem brutalen Tritt aufzustoßen.

Krack! Sein Fuß hieb mit aller Kraft gegen das letzte Hindernis auf seinem Weg zum Ziel. Holz brach, Scharniere beugten sich ächzend der brachialen Gewalt. Krachend flog die Tür auf und schlug lautstark gegen die innere Wand. Sofort setzten die drei Jäger nach. Doch der Raum vor ihnen war so leer wie der Rest des Gebäudes. Janars Gedanken rasten. Verwirrt blickte er in alle Richtungen. Das Miststück war nicht hier. Aber warum? Wo war sie? Was hatte er übersehen? Ihr Gepäck lag vor ihm auf dem Boden. Ihre Decke, der für sie so typische lange

Mantel, eine Tasche mit Lebensmitteln und verschiedenen Ausrüstungsteilen. Flackernd brennende Kerzen, die den halbdunklen Raum mit tanzenden Schatten füllten, eine fast leere Flasche Wein. Hatte er denn nicht alles bedacht? Sie musste einfach hier sein. Die beiden Fenster des Raumes waren vergittert und konnten nicht geöffnet werden. Es gab keinen Ausweg und doch war sie nicht hier. Wenn also alles, was er getan hatte, klar darauf hinauslief, dass sie hier sein musste, wo konnte sie sich dann verkrochen haben? Natürlich! Die Dachstreben!! Erschrocken zuckte der Kopfgeldjäger zusammen.

Verdammt, sie war… …oben!!! Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Die Erkenntnis hatte kaum ihren Weg in sein Bewusstsein gefunden, da nahm er aus den Augenwinkeln heraus eine schattenhafte Bewegung war. Sie fiel lautlos von der Decke herab, überschlug sich auf ihrem Weg nach unten und bewegte sich dabei derartig schnell, dass ihre Attacke im Zwielicht des Zimmers bestenfalls schemenhaft zu erkennen war. Blut spritzte. Der Krieger zu seiner Linken griff sich plötzlich mit

einem verblüfften Ausdruck in den Augen an den Hals und brach röchelnd zusammen. Janar wirbelte herum, suchte verzweifelt ein Ziel, das er bekämpfen konnte. Außer dem leblosen Körper seines toten Kumpan vor ihm, konnte er jedoch nichts entdecken. Verdammt, war die schnell! Wo bist du? Ein erstickter Aufschrei ließ Janar ein weiteres Mal herumfahren. Gerade noch früh genug, um auch seinen anderen Begleiter zu Boden sinken zu sehen. Hinter ihm stand die gesuchte Schwarzelfe. Sie grinste spöttisch und hob zwei Finger zum Gruß an die Stirn. Ihre pupillenlos schneeweißen Augen

funkelten kampfeslustig und stachen, dank des tiefschwarzen Körpers der Elfe, auf bedrohliche Weise aus der fahlen Dunkelheit des Raumes hervor. »Janar Kallenar, knabenliebender Sonnenelf, Blondschopf und Tylanidors unfähigster Kopfgeldjäger. Ich hätte mir denken können, dass du es bist, der hier so ungeschickt hereingestolpert kommt.« »Evil-Lynn, lange nicht gesehen!« Der Angesprochene spie den Satz zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. »Sprich nicht in den Worten der Menschen zu mir, Goldlöckchen. Nenn mich bei meinem richtigen Namen oder noch besser, bei meinem Titel!«, »Panthra? Nennst du dich etwa immer

noch so? Wie erbärmlich!« Der Kopfgeldjäger trat einen Schritt zur Seite und begann ganz langsam damit, seine Gegnerin zu umrunden. Die Schwarzelfe sah ihm mit unveränderter Arroganz dabei zu. »Du hättest dir bei der Wahl deiner Begleiter mehr Mühe geben sollen. Die zwei haben sich derart laut bewegt, …ein Zwerg hätte sie bemerkt.« »Gute Leute sind schwer zu finden. Was soll ich sagen? Sie waren billig und ausreichend engagiert. Und sie haben ihren Zweck erfüllt. Ich habe dich vor meiner Klinge…« Die Antwort bestand in einem hellen Lachen. »Ist das so? Na, dann komm mal

her und versuch dein Glück!« Evelyna wich ein wenig zurück und folgte der langsamen Seitwärtsbewegung ihres Gegners. »Ich habe dich schon einmal aus dem Verkehr gezogen, Lynn! Vergiss das nicht!« »Ja! Weil ich vollkommen betrunken und halbnackt in einer schmutzigen Seitengasse lag. Ich erinnere mich gut. Was für eine Nacht!« Sie schnalzte genießerisch mit der Zunge. »Nun, bis zu deinem Eintreffen zumindest…« »Hätte ich dich doch nur damals schon getötet, Abschaum. Sieh dich und deinesgleichen doch nur an! Die schwarze Haut, das dunkle Haar, dieser

unnatürlich weiße Blick ohne Pupillen und jeden Funken Anstand. Das Fehlen jeglicher Moral. Hätten die Menschen gewusst, wie undankbar und verdorben ihr seid, sie hätten euch niemals Asyl gewährt!« Es war immer das Gleiche, wenn die zwei Elfengattungen aufeinander trafen. Der Hass war tief verwurzelt. Beide Arten bekämpften sich nun schon seit über hundert Jahren. Hell, Dunkel, Gut, Böse! Wenn sich zwei Vertreter der beiden im Grunde so ähnlichen Völker gegenüberstanden, drehte sich alles nur noch um dieses eine Thema! Unversöhnlich! Vor einigen Jahrzehnten war der Streit

dann eskaliert. Die selbsternannte Seite des Lichts begann urplötzlich damit, die Auseinandersetzung zu einer religiösen Grundsatzfrage zu erheben. Ein gnadenloser Genozid begann. Den unterlegenen Schwarzelfen war nichts anderes übrig geblieben, als Hals über Kopf aus ihrer Heimat zu fliehen. Lange Zeit zogen sie ziel- und haltlos umher. Nirgendwo gab es einen Ort an den sie hätten gehen können. Heimatlos und verstoßen, erniedrigt, gejagt und nahezu vernichtet. Nur die Menschen waren schließlich bereit, ihnen so etwas Ähnliches wie ein neues Zuhause anzubieten. Doch zu welchem Preis? Die menschliche Krone verpflichtete einen

Großteil der männlichen Elfen kurzerhand, ihr bei ihrem schrecklichen Krieg gegen die Orks zur Seite zu stehen. Die dunkelhäutigen Frauen zwang sie zu erniedrigenden Fron- und Liebesdiensten. Als die Vertriebenen entsetzt dagegen aufbegehrten, schob man sie brutal in die abgelegenen Rauchara-Wälder ab. Ein kaum zu bewohnendes Gebiet direkt an der Grenze zu den Verlorenen Landen. So blieb es bis heute. »Asyl? Das ich nicht lache! Deine Ignoranz ist wirklich bemerkenswert, Janar! Was haben ausgerechnet die Menschen denn Dankenswertes für uns getan? Sie haben uns benutzt! Versklavt!

Ausgepresst wie überreife Zitronen. Gnadenlos! Das was übrig blieb, warfen sie in ein mit Asche überzogenes Drecksloch, das nur jemand Wald nennen kann, der nie zuvor dort gewesen ist. Meine Leute verrotten dort, Janar! Aber ich wette, das ist dir ebenso gleichgültig wie alles andere auch.« »Ihr habt bekommen, was ihr verdient habt! Nicht mehr und nicht weniger! Die Menschheit bot euch gnädig eine helfende Hand, ihr aber habt sie nicht etwa ergriffen, sondern hineingebissen. Es ist nicht verwunderlich, dass den Rundohren danach die Lust an euch vergangen ist!« »Wir kämpfen ums Überleben,

Schwachkopf!« »Jaja! Immer kommt ihr mit den gleichen Phrasen. Dass ist so erbärmlich!« »Elender Rassist!« »Schandfleck!« »Verblendeter Narr!« ...

Fortsetzung...

»Lichtscheue Hure!« »Es reicht! Wir sind wie wir sind, weil IHR uns dazu gemacht habt und nicht weil unsere Haut die falsche Farbe hat!« »Nichts als hohles Gerede! Allein die Liste deiner zahllosen Verbrechen beweist zu Genüge, was ihr seid.« »Verlogene Propaganda und verdrehte Tatsachen! Lügen, die…« »Schweig, Weib! Nichts mehr! Du stirbst! Hier und jetzt!« Evelyna begegnete den Worten mit offener Verachtung. »Wohl kaum, mein Sonnenschein! Aber dich ehrt der Versuch, egal wie jämmerlich er auch

enden mag!« Janar hatte das Interesse an der Unterhaltung verloren. Das Weib war einfach unbelehrbar. Was mühte er sich also ab? Außerdem, er war nicht zum Reden hergekommen, sondern um zu richten. Mit einem zornigen Schrei auf den Lippen vollführte er einen plötzlichen Angriff und stieß seine scharfe Klinge blitzartig nach vorne. Die Attacke verfehlte das angestrebte Ziel nur um Haaresbreite. Evelyna war rechtzeitig nach hinten gesprungen. Sofort konterte sie mit einer eleganten Körperdrehung und einem seitwärts geführten Hieb auf Janars Waffenarm. Ihr Dolch traf klirrend gegen die

messerscharfe Schneide seines Krummschwertes. Beide Kämpfer fochten ein paar weitere, sehr schnell ausgeführte Schläge, um das Talent des Gegners zu erproben und nach möglichen Schwachpunkten zu suchen. Dann trennten sie sich wieder voneinander. Trügerische Ruhe trat ein. Vorsichtig umtänzelten sie sich. Die zwei Kontrahenten warteten lauernd auf eine günstige Gelegenheit oder eine unachtsame Sekunde. Doch beide waren zu geübt und zu gut trainiert, um sich eine vorzeitige Blöße zu geben. Es war Evelyna, die als Erste die Geduld verlor. Sie täuschte eine nach links gehende Bewegung an, glitt jedoch

urplötzlich nach rechts hin weg, sprang vor und stieß mit ihrem Dolch in die vermeintlich ungeschützte Flanke ihres Gegners. Janar jedoch war ein besserer Kämpfer als sie gedacht hatte. Er fiel zwar auf den Trick herein, hielt seine Deckung aber trotzdem aufrecht. Bevor ihre Klinge seinen Körper erreichen konnte, wischte sein Arm den ihren zur Seite. Davon ließ sich die Schwarzelfe jedoch nicht beirren. Ihre Attacke hatte zwar nicht zum erhofften Resultat geführt, sie dafür aber in eine günstigere Position gebracht. Entschlossen trat sie mit aller Kraft gegen den Oberschenkel ihres Gegners. Janar stöhnte vor Schmerzen. Nur

mühsam behielt er das Gleichgewicht. Evelyna kannte kein Erbarmen und setzte nach. Mit einem zornigen Schrei auf den Lippen schnellte sie vor. Kraftvoll hieb ihre Faust gegen die Schulter des Mannes. Janar stöhnte und wankte einen Schritt nach hinten. Er wusste, dass er sich von der Gaunerin nicht derart in die Defensive treiben lassen durfte, fand jedoch keine Gelegenheit etwas daran zu ändern. Evelyna ließ ihm kaum Zeit zu reagieren. Geschickt versuchte sie als Nächstes, ihm mit einem weiteren tiefen Tritt das Standbein unter dem Körper wegzureißen. Der Kopfgeldjäger wich aus, erreichte dies allerdings nur durch

einen spontanen Satz nach hinten. Fast wäre er dabei auf den leblosen Körper eines seiner Kameraden getreten. Janar konnte es eben noch verhindern, verlor dadurch aber für einige Sekunden seine Konzentration. Der Druck auf ihn wuchs stetig an, denn auch diesen Fehler wusste die Schwarzelfe sofort für sich zu nutzen. Geduckt stürmte sie heran und stach mit ihrem Dolch zu. Wieder wich Janar rechtzeitig genug aus. Die Angst in seinem Gesicht zeigte deutlich, wie schwer es ihm mittlerweile fiel, dem wilden Ansturm standzuhalten. In wilder Todesangst ließ er seinen Krummsäbel kreisen. Zu hoch für Evelyna, die erneut abgetaucht war und die unvorsichtig

geöffnete Deckung seines Angriffs nun endgültig für sich zu nutzen wusste. Den Kopf noch immer eingezogen, sprang sie einen Schritt nach vorne, unterhöhlte so seine eh schon fahrige Defensive und stach ihm den scharfen Dolch direkt auf Höhe des Brustbeins unter die Rippen. Der Kopfgeldjäger blickte entsetzt an sich hinab und kippte ächzend nach vorne. Sofort schwang sich die Elfe auf seinen Rücken und griff ihm ins blonde Haar. Brutal riss sie seinen Kopf zurück, entblößte die Kehle, um ihre tödliche Arbeit an ihm ein für alle Mal zu beenden. »Unfähiger Mistkerl! Sagte ich nicht das ich… Uh?«

Ein stechender Schmerz ließ sie mitten im Satz verstummen. Fassungslos erkannte sie, dass einer von Janars Begleitern sich noch einmal hatte aufraffen können. Mit letzter Kraft war es ihm gelungen seinen Säbel zu erheben und ihr auf Höhe der Taille in die Seite zu stechen. Da sie nicht mit einer derartigen Attacke gerechnet hatte, traf die Waffe ihr Ziel ohne jede Gegenwehr. Die Wunde war glücklicherweise nicht stark oder gezielt genug gesetzt, um tödlich zu wirken, ging aber tief und schmerzte höllisch. Außerdem blutete sie stark. Blind vor Wut hieb Evelyna dem Mann mehrmals ins Gesicht. Er war

längst wieder zusammengebrochen, aber die Elfe musste irgendwohin mit den in ihr hochkochenden Gefühlen aus Panik, Schrecken und Wut. Sie verlor völlig die Kontrolle. Wie rasend schlug und stach sie immer und immer wieder auf die drei leblosen Körper ein. Erst als ihre Muskeln vor Anstrengung brannten und bunte Flecken vor ihren Augen tanzten, beruhigte sie sich langsam und sackte erschöpft in sich zusammen. Nach einer kurzen Verschnaufpause kroch die Schwarzelfe zu ihrem Rucksack und verband sich die blutende Stelle so gut sie es eben vermochte. Dann brach sie zusammen. Am nächsten Morgen erwachte sie mit

schrecklichen Kopfschmerzen. Sie hatte furchtbaren Durst und einen widerwärtig metallischen Geschmack in ihrem Mund. Ihre Wunde brannte höllisch und der hohe Blutverlust ließ sie schwindeln. Evelyna spürte, dass sie leichtes Fieber bekommen hatte. Ihr geschundener Körper mahnte sie lauthals, sich in den nächsten Tagen möglichst still zu verhalten und auszuruhen. Trotzdem entschied sich die Elfe dagegen. Ein Verbandwechsel und eine großzügig bemessene Menge Wein mussten genügen. Danach plünderte sie die drei Leichname, räumte ihre Sachen zusammen und machte sich widerwillig auf den Weg. Wenn es einem Hornochsen

wie Janar gelungen war, sie derart problemlos aufzuspüren, dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ihre anderen Häscher sie ebenfalls fanden. Sie rannte los. Es war nicht leicht, aber Evelyna verbiss sich den Schmerz. Sie war eine Gejagte und hatte keine Wahl. Dank ihrer dunklen Haut und ihres herausragenden Talentes, sich auch am Tage vor allem und jedem zu verbergen, bewegte sie sich trotzdem nahezu ungesehen durch die verbliebenen SCHATTEN der vergehenden Nacht. 2. Unter den Orks gab es unzählige

Häuptlinge, Kriegsherren und Clanführer. Ein übergreifendes Staats- und Herrschersystem kannten sie nicht. Es lag ihnen einfach nicht im Blut, sich in größeren Strukturen zu organisieren, dafür waren sie seit jeher zu jähzornig, zerstritten und vor allem anderen, zu machtgierig. Trotzdem gelang es ihnen immer mal wieder, sich zusammenzurotten und mehr aus nackter Gier als aus einem Gefühl der Einigkeit heraus, ein großes Heer aufzustellen. Mit dieser Armee marschierten sie dann gegen ihren Urfeind, die Menschheit. Diese schrecklichen Ereignisse dauerten in der Regel an, bis die Orks urplötzlich die Lust verloren und völlig unvermittelt

wieder in die heimatlichen Gefilde verschwanden. Niemand wusste, warum sie das taten oder was ein Auslöser hätte sein können. Nur eines war gewiss. Die Grünhäute hinterließen bei jedem ihrer Feldzüge eine schier unermessliche Spur aus Zerstörung, Leid und Tod. Der derzeit tobende, siebte Marsch der Orks war der bisher längste. Er dauerte nun schon fast drei Jahre an und nichts wies auch nur im Entferntesten darauf hin, dass er in naher Zukunft enden könnte. Einem der größten Kriegshelden der ersten Stunde, Barragh Breitmaul, gelang es in dieser Zeit die Führung eines kleinen aber durchaus

schlagkräftigen Bergstammes zu übernehmen. Er hatte in unzähligen Schlachten gekämpft und sich den Ruf eines unerbittlichen Kriegers erarbeitet. Irgendwann war er dann noch in den Besitz einer recht ansehnlichen Menge Goldes gekommen und hatte sich damit zu Ruhe gesetzt. Etwas von dem viele Orks träumten, was jedoch nur die wenigsten von ihnen erreichten. Dank dieses kleinen Vermögens hatte er sich zu ehren sogar eine weitgehend aus Holzstämmen bestehende Festung errichten lassen. Nichts besonderes, ein kleines Bollwerk umrahmt von orktypischen Rundhütten und Zelten aus gegerbtem Leder. Eine stetig wachsende

Ortschaft voll reger Betriebsamkeit. Es begann zu dämmern. Auf dem Hof der Festung waren einige, vorwiegend weibliche Orks damit beschäftigt, das Nachtmahl für den Stamm zu bereiten. Der Duft nach würziger Blutsuppe und gebratenem Fleisch hing in der Luft. Barragh saß auf seinem gezimmerten Thron im großen Saal des Haupthauses und hob genießerisch die breite Nase in die Luft. Wie jeden Abend hatte er die beiden Flügeltüren des Haupteingangs schließen lassen, um sich nach Art der großen Menschenfürsten vor seinen Untergebenen zurückzuziehen. Irgendwo hatte er gehört, dass eine gewisse

Distanz zum Volk einen Herrscher noch mächtiger erscheinen ließ. Barragh erschien gerne mächtig. Ihm lief das Wasser im Maul zusammen. Sein Magen knurrte lautstark. Langsam lehnte er sich in seinem breiten Stuhl zurück und grinste zufrieden in sich hinein. Brummend rieb er seinen gewaltigen Bauch. So ließ sich das Leben genießen. Er war vielleicht nicht der bedeutendste Herrscher dieser Gegend, aber er hatte auch keine großen Ansprüche. Ihm reichte es, über einen Haufen halbwegs loyaler Artgenossen zu befehligen und sich die Zeit, die ihm noch blieb, mit üppigen Fressgelagen, Fässern voll Wein und feisten

Orkweibern zu versüßen. Seltsame Geräusche drangen plötzlich von draußen her an sein Ohr. Es klang, als gäbe es einen kleinen Tumult. Hatten sich die Weiber wieder wegen irgendeiner menschelnden Kleinigkeit in den Haaren? Bei Groll, das war das Problem, wenn man der Häuptling eines Orkstammes war. Ständig gab es irgendwelches Gezänk. Jammereien, Gekreische und handfeste Prügeleien waren quasi an der Tagesordnung. Räudiges Pack! Nichts, womit er nicht schon früher zurechtgekommen wäre. Ein paar gebrochene Nasen und getretene Ärsche würden schon dafür sorgen, dass sich die

Lage da draußen schnell wieder beruhigte. Ächzend erhob er sich von seinem Platz und ärgerte sich leise vor sich her murmelnd, dass er befohlen hatte, das Haupttor zu schließen. Nun musste er den kompletten Saal durchqueren, anstatt sich einfach lautstark Gehör zu verschaffen und einige schwere Dinge auf die Rädelsführer zu werfen. Es war wohl nicht zu ändern, er musste laufen. Die guten Jahre und das hohe Alter hatten Barragh fett werden lassen. Fett und bequem. Die Schreie von draußen wurden indes immer lauter. War das Kampfeslärm? Prügelte sich die Saubande etwa? Zornig

begann Barragh damit, lauthals vor sich hinzuschimpfen. Wüste Drohungen verließen seine wulstigen Lippen. Durch die grob gezimmerten Torflügel hindurch würde man ihn bei dem Geschrei da draußen zwar kaum verstehen, aber das kümmerte ihn derzeit ziemlich wenig. Sie würden schon sehen, was sie davon hatten! Irgendjemand würde für diesen Radau bitter bezahlen! Barragh ließ seine Schimpftirade gleich noch etwas lauter werden. Vielleicht hörte ihn ja doch irgendwer und ihm blieb der Weg durch die Halle letztlich doch erspart? Eine bestenfalls vage Hoffnung! »Ihr verdammten räudigen Straßenköter!

Wollt ihr wohl endlich die Schnauze halten? Wenn hier nicht gleich wieder Ruhe ist, reiß ich euch eure stinkenden Ohrlappen ab und werfe sie mir in die Abendsuppe! RUHE, BEI GROLL!« Er unterbrach seine in orkischer Sprache gehaltene Schimpftirade, weil ihm die Luft für noch mehr Worte fehlte. Vielleicht hatte er sich in den letzten Monaten tatsächlich etwas zu sehr gehen lassen? Er schnaufte schwer und stützte sich auf die Lehne eines nahen Stuhles. Dabei bemerkte er erfreut, dass es auf der anderen Seite der Tür tatsächlich ruhiger geworden war. Es schien, als hätten seine Worte wider Erwarten den gewünschten Erfolg gehabt. Zufrieden

machte der Häuptling auf der Stelle kehrt und schlurfte nach einer kurzen Rast zu seinem Thron zurück. Dabei konnte er es sich nicht verkneifen, seinen Leuten weiter die Leviten zu lesen. »Das wollte ich euch auch geraten haben, ihr stinkenden Kotfresser! Und nun seht zu, dass ihr endlich mit dem Essen fertig werdet. Ich sterbe vor Hunger…« Barragh unterbrach sich selbst, stockte und sah misstrauisch über die Schulter. Seit wann gehorchten ihm seine Leute eigentlich aufs Wort? Bislang musste er sich immer erst mit ein paar Ohrfeigen und wüsten Drohungen Gehör verschaffen. Irgendetwas stimmte da

doch nicht? »Nara, bring mir Wein! Sofort, hörst du?« Wenn seine Hauptfrau dem Befehl nachkam, war alles gut und das seltsame Verhalten seiner Leute nur das Resultat seines strengen Führungsstils. Barragh gefiel der Gedanke. Als sich wie auf Kommando auch tatsächlich sofort die beiden Torflügel bewegten, fühlte er sich für einen Augenblick in seiner Annahme bestätigt. Damit war es bewiesen, er war der geborene Anführer. Vielleicht sollte er ja doch über eine Karriere als Warlord nachdenken? Bei dem Talent? Kriegsmeister Barragh vom Stamme der

Breitmäuler…, das war doch mal ein Name mit Klang und Würde. »Hör auf zu trödeln, Weib, und bring mir endlich den Krug. Wie weit seid ihr mit…?«, die weiteren Worte blieben ihm im Halse stecken. Bei der Person, die sich undeutlich als Schattenriss im Torbogen abzeichnete, handelte es sich nicht um Nara. Auch nicht um eine seiner anderen Frauen. Nicht einmal um ein Ork. Barragh schluckte entsetzt. Die fremde Gestalt begann, nun da sie die vollständige Aufmerksamkeit des Orks besaß, in leisen, aber gut verständlichen Sätzen zu sprechen. Sie wählte die Sprache der Menschen, die auch Barragh recht gut beherrschte.

»Setz dich auf deinen Thron und schweig, Fettsack. Ich habe mit dir zu reden und nicht die Nerven, mir noch länger dein unerträgliches Gejammer anzuhören.« Der Schatten bewegte sich auf Barragh zu. Als er das Licht der vorderen Fackeln durchquerte, konnte der Orkhäuptling endlich erkennen, mit wem er es zu tun hatte. Erschrocken stöhnte er auf. Das darf nicht sein! Unmöglich! Doch nicht hier? Vor ihm stand ein hochgewachsener Mann in stolzer Haltung. Er war in eine dunkel schimmernde Lederrüstung gekleidet, die ihm perfekt auf den Leib

geschneidert war. An seiner Hüfte hingen ein kostbar wirkender Degen und ein auffallend langer Dolch mit reichen Verzierungen. Ein blutrotes Regencape rundete das Gesamtbild ab. Jedes Detail bewies den erlauchten Stand des Fremden. Dies alles war es jedoch nicht, was den Ork derartig mit Angst erfüllte. Das wahrlich grauenerregende waren die auffallend bleiche Haut, die schmalen farblosen Lippen und dieser furchtbar brutale Ausdruck in den Augen, der einen bis tief hinein in die schlimmsten Albträume verfolgen konnte. »Setzen, sagte ich!« Barragh zuckte zusammen, als hätte ihn jemand geschlagen, gleichzeitig stieß er

einen entsetzten Laut aus und tat, wie ihm geheißen. Der Ork wagte nicht zu sprechen, demütig senkte er den Blick. Mit etwas Glück kamen gleich seine Leute hereingestürmt, um ihn zu retten. Es würde wahrscheinlich viele Tote unter den Seinen geben… Besser sie, als ich!, dachte er in einem Anflug von selbsterhaltendem Egoismus. Was bei Groll, will denn bloß ein Vampir von mir? So, als hätte sie die Gedanken des Orks gelesen, begann die fahle Gestalt zu sprechen. Ihre Stimme war dunkel und melodiös. »Darf ich mich zuvörderst kurz vorstellen? Mein Name ist Frigore Antoine Salazar.« Der unheimliche

Vampir deutete eine leichte Verbeugung an. Unverhohlener Spott lag in seinem Blick. »Für dich reicht es jedoch, wenn du mich einfach Frigore nennst.« Barragh hob den Kopf, stellte ihn fragend schief und blickte seinen ungebetenen Gast aus verständnislosen Augen an. »Du hast Recht, ich sollte dir erklären, warum ich hier bin. Nun gut! Ein gewisser Alderon d’Auvergne, seines Zeichens Herzog von Trontheym und der Provinz Grenzlande, bot mir fünfzig Goldkronen, wenn ich ihm deinen Kopf überbringe.« Der Vampir trat einen Schritt nach vorne. »Du kennst diesen Mann, nicht

wahr?« Der Häuptling nickte zögernd. Dann brach es wie aus einem Wasserfall aus ihm heraus. »Ein Mensch, natürlich. Aber warum denn nur? Ich habe ihm doch alles gesagt, was ich weiß. Ich schwöre! Jedes noch so kleine Detail über Ragnar und den Schatz, den er gefunden hat, habe ich ihm verraten. Alles! Er hat versprochen, mich zu verschonen, wenn ich ihm sage, was ich weiß. Und das habe ich getan! Wirklich!« Die Worte des Orks nahmen etwas flehentliches an. Dieser fette Wicht weiß etwas über einen Schatz? Frigore hob interessiert die Brauen, lohnte sich dieser lahme

Auftrag am Ende etwa doch? »Ich schlage vor, du erzählst alles, was du weißt und dann sehen wir weiter. Wer weiß, vielleicht finden wir beide ja sogar eine Lösung für unser kleines Problem?« Barragh witterte eine Chance, diese äußerst brenzlige Situation doch noch lebend zu überstehen. Er sprang auf und eilte zu einer kleinen Truhe in der Nähe. »Aber natürlich! Ich sage Euch alles, was ich weiß, Herr! Und wisst Ihr was? Ich verdoppele sogar die Summe, die dieser Hundsfott von einem Menschen Euch für meinen Kopf geboten hat. Einhundert Goldkronen, bar auf die Hand. Dafür verschont Ihr mein

wertloses Leben und nehmt diesem hinterhältigen Bastard dafür das Seine.« Derart übereilig, dass er um ein Haar über seine eigenen Füße gestolpert wäre, kehrte der stark beleibte Ork zu dem klobigen Tisch vor seinem Thron zurück und stellte einen Beutel Münzen darauf. »Einverstanden? Einhundert Goldstücke und alle Informationen, die ich Euch über Ragnar geben kann. … Im Austausch für mein Leben!?« Der Vampir griff in aller Ruhe nach dem Beutel, blickte kurz hinein und dann wieder zu dem fetten Häuptling hinüber. Sein stoisches Schweigen musste als Antwort genügen. »Gut, gut! Ich verstehe. Zuerst die

Informationen, dann das Geschäft. Natürlich!« Barragh wischte sich mit dem Ärmel seines Rockes den Angstschweiß aus dem Gesicht. »Zu Beginn des Siebten Orkzuges verirrte sich meine Kriegshorde in die Brandmarschen. Es waren chaotische Zeiten damals und…« »…und Grünhäute haben offensichtlich nicht die geringste Ahnung, wie man sich in der Wildnis orientiert. Niemand, nicht einmal ein Ork, ist so blöd und geht freiwillig in die Verlorenen Lande.« »So ist es nicht, Herr. Unsere Meute hatte von einem bisher unbekannten Pfad durch das Nebelzinnengebirge

erfahren. Ein Weg, der uns tief hinein in das Reich der Menschen und damit zu großer Beute führen sollte. Uns war das Risiko das wir eingingen, natürlich bewusst, jeder weiß, was hinter diesem Gebirge und seinen feuerspeienden Gipfeln liegt, aber Ragnar besaß einen ausgezeichneten Ruf als Hordenführer und wir vertrautem ihm blind. Was jedoch keiner von uns bedachte, in den Nebelzinnen ist es sehr schwer, sich nach den Gestirnen zu orientieren. Der stete Rauch der vielen Vulkane dort, die hohen Klippen, dazu das dauerhaft schlechte Wetter… All das machte es uns fast unmöglich, die Himmelsrichtungen zu bestimmen. Wir

liefen mehr oder weniger nach Gefühl. Naja, und so kam es, wie es kommen musste. Anstatt uns wie geplant nordöstlich zu halten, knickten wir versehentlich ab und gerieten auf einen eher westlich verlaufenden Weg. Direkt hinein in die Brandmarschen und damit auch in die Verlorenen Lande. Als uns unser Fehler bewusst wurde, war es zu spät.« »Ragnar hat nicht bemerkt, dass ihr euch verirrt hattet?« »Nein! Das heißt, ich glaube es nicht…? Als wir begriffen, was geschehen war, saßen wir schon mitten drin in der Katastrophe. Die Brandmarschen sind auch so schon schlimm genug, Herr.

Nichts als stinkender Morast, fauliges Wasser und allerlei bösartiges Getier! Als ob das nicht schon genug wäre, näherten wir uns unwissentlich dem Hort eines jungen Bergdrachen. Urplötzlich standen wir dem Untier Auge in Auge gegenüber. Ohne jede Vorwarnung! Fast gleichzeitig stand mit einem Mal die Welt um uns herum in Flammen. Es war furchtbar! Ein paar der Männer flohen in wilder Panik, kamen jedoch nicht sehr weit. Andere stellten sich tapfer dem Kampf. Viele verbrannten. Ich erinnere mich an ihre Schreie. Es war grauenhaft! Ich selbst stand mutig und entschlossen neben Ragnar in der ersten Reihe, bis mich der

zuckende Schwanz der Bestie erwischte und fast in zwei Hälften riss.« Frigore verkniff sich einen spöttischen Kommentar bezüglich der gut gepolsterten Körperfülle des Orks und forderte ihn stattdessen auf, fortzufahren.

...

Fortsetzung...

»Nur weiter!« »Als ich einige Tage später wieder zu mir kam -bei Groll, nur wir beide hatten das schreckliche Massaker überlebt- berichtete mir Ragnar von seinem grandiosen Sieg über das Untier und einem unermesslichen Drachenhort aus Gold und anderem wertvollen Kram, den er hinter dem Leichnam gefunden hatte. Die Zeit meiner Bewusstlosigkeit hatte er genutzt, um soviel von dem wertvollen Zeug zusammenzuraffen wie er… wie wir… heimtragen konnten. Den Rest hatte er irgendwo versteckt. Mehr weiß ich nicht, er wollte mir den genauen

Ort nicht verraten. Ragnar versprach mir jedoch, mich an der Beute zu beteiligen, wenn ich ihm beim Tragen helfen und bei meinem Leben schwöre würde, niemals nach dem Schatz zu suchen oder auch nur ein Wort über ihn zu verlieren.« »Der schändliche Eid eines Orks. Offensichtlich vollkommen wertlos…!« Barragh verzog verschämt das Gesicht. »Ich habe mich an die Abmachung gehalten! Bis zu dem Tag, als ich in Gefangenschaft dieses verdammten Herzogs geriet und der Scharfrichter schon seine Klinge wetzte. Ich konnte doch nicht anders? Das eigene Leben ist es durchaus wert, einen Eid zu

brechen…« Der Vampir wedelte unwillig mit der Hand. Er war nicht hergekommen, um mit einer verkommenen Grünhaut über moralische Grundsätze zu diskutieren. »Was du nicht sagst! Wo ist dieser Ragnar jetzt? Könnte er das restliche Gold nicht längst geborgen haben?« »Nein! Als man mich nach meiner Verhaftung in den Kerker geworfen hatte, hörte ich von einigen Mitgefangenen, dass Ragnar während seiner nächsten Expedition in die Brandmarschen schwer verletzt wurde. Angeblich rammte ihm irgendein riesiger Echsenmensch eine Axt in den Schädel. Es ist mir ein Rätsel, wie der

Dreckskerl eine derartige Verletzung überstehen konnte, aber es muss ihn über Monate hinweg ans Bett gefesselt haben. Seit dieser Zeit fehlen ihm ein Auge, ein Ohr und eigentlich auch der komplette rechte Schädelknochen. Nun soll eine wahrhaft gewaltige Narbe die Reste seiner zerdepperten Visage zieren.« »Gut zu wissen! Und wo befindet er sich jetzt?« »Das weiß ich nicht genau! Das Letzte was ich hörte war, dass er seit kurzem wieder dabei ist, eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen. Er kann sich ein weiteres Versagen nicht noch einmal leisten, er ist alt und wie gesagt nicht

mehr der Kräftigste… für seine Verhältnisse wenigstens. Deshalb wird er kein Risiko eingehen und nur die Besten um sich scharen. Und die gibt es nur an der Front im Nordwesten.« »Keine sehr genaue Ortsangabe!« »Ja leider, ich weiß! Aber dank seiner auffälligen Verwundung müsste Ragnar trotzdem gut zu finden sein. Besonders für einen mächtigen Vampir mit Euren Fähigkeiten!« »Erspar mir deine Speichelleckereien, Ork.« »Verzeihung!« Barragh schielte ängstlich auf den Geldbeutel, der vor ihm auf der Tischplatte stand. »Und? Lasst Ihr mich am Leben? Ich habe

meinen Teil der Abmachung eingehalten! … Euch alles gesagt.« Frigore nickte und griff nach der angebotenen Bezahlung. In aller Seelenruhe warf er einen zweiten Blick ins Innere des Beutels. »Das hast du in der Tat. Allerdings kann ich mit der Beschreibung deines Kameraden nur wenig anfangen. Ihr Orks kämpft nun schon derart lange gegen die Menschheit, dass es dutzende Krieger mit derart zerschmetterten Schädeln geben dürfte. Eure Art ist zäh, wie man weiß!« »Wartet! Wartet, Herr! Es gibt da noch etwas! Unter den Sachen, die wir mit uns nahmen, war auch ein kostbarer

Dolch. Die schärfste Schneide, mit der ich es je zu tun hatte. Seine Klinge bestand aus einem seltsamen Metall, das sogar im Tageslicht schwärzlich schimmerte. Oh! Tageslicht… Ich meine… Ich wollte nicht… Ich…« Der Ork verstummte erschrocken, als er bemerkte, dass er dem Vampir mit seinen unbedachten Äußerungen eventuell zu Nahe getreten war. »Beruhige dich, Dummkopf! Sprich weiter!« »Natürlich, Entschuldigung. Ragnar würde sich niemals von dieser Waffe trennen. Sie ist einzigartig! Man mag von uns Orks halten, was man will, aber da hört der Spaß auf. Wie sagt ein altes

Sprichwort? Es gibt nur zwei Dinge auf die ein Ork sich stets verlassen kann. Auf die Hinterlist seiner Brüder und das Schwert in seiner Hand!« »Eine Klinge aus schwarzem Metal? Adamantit wahrscheinlich!? Sehr interessant! Keine wirklich gute Fährte, aber besser als nichts!« »Nicht wahr? Das ist aber wirklich alles, was ich weiß. Bitte Herr, lasst mir mein Leben!« Es entstand eine kurze Pause, in der es fast schien, als würde der Vampir die Bitte überdenken. Dann, vollkommen unvermittelt, begann er wieder zu sprechen. »Etwas solltest du noch über mich wissen, Ork. Ich bin sehr

verlässlich! So etwas ist unabdingbar für meinen Beruf, weißt du? Gnade kann ich mir da leider nicht erlauben. Das wäre schlecht für meinen Ruf…!« Mit diesen Worten sprang der Vampir auf und dem vollkommen überrumpelten Ork entgegen. Die schneeweißen Fangzähne des Blutsaugers blitzten im Schein der Pechfackeln und ließen das zur schrecklichen Fratze entstellte Gesicht des Untoten noch furchterregender erscheinen. Barragh schrie auf vor Angst und hob seine Hände, um nicht in den Hals gebissen zu werden. Frigore jedoch dachte gar nicht daran seine Fänge in das widerwärtige Fleisch eines Orks zu schlagen.

Stattdessen zog er seinen Degen und rammte ihn dem feisten Häuptling mitten ins Herz. Der Todeskampf währte nur kurz. Als der Körper des Orks erschlaffte, hackte der Vampir der Leiche das von seinem Auftraggeber geforderte Beweismittel von den Schultern. Dann erst trat er mit gemessenem Schritt nach draußen in die Nacht. Ein zufriedenes Lächeln schlich sich auf seine bleichen Lippen, als er seinen Weg nach außen und dort durch ein gutes Dutzend weiterer toter Körper fand. Na, das war doch besser gelaufen, als er anfangs gedacht hatte. Der Vampir bemerkte, dass er hungrig war. Aber es dürstete ihn nach BLUT und nicht nach

der ungenießbar schwarzen Brühe, die durch die Adern der Grünhäute floss. 3. Es gibt Zeiten, da klappt einfach gar nichts. Da war man eben erst einigen echt mies gelaunten Kopfgeldjägern entkommen und schon hatte man den nächsten Ärger am Hals. Evelyna fluchte laut. Wie hatte sie nur so naiv sein können? Es war ihr ein leichtes gewesen, das Lager der Menschen auszumachen und sich unbemerkt heranzuschleichen. Fünf gut bewaffnete Krieger hatte sie ausgemacht. Zudem ein durchaus beeindruckendes Schlachtross

und einige Zelte. Normalerweise hätte sie die Menschen einfach umgangen, denn Söldner ließen sich nur äußerst ungern etwas wegnehmen und waren darüber hinaus ohnehin notorisch pleite. In ihrer derzeitigen Verfassung konnte sie sich diesen Luxus jedoch nicht erlauben. Sie brauchte dringend medizinisches Material. Irgendetwas und Evelyna war überzeugt: Wenn es etwas gab, dass selbst die ärmsten Soldaten stets in ausreichender Menge mit sich herumtrugen, dann waren es heilende Salben, schmerz- und fiebersenkende Pulver und sauberes Verbandszeug. Sie hatte keine Wahl, ihre Wunde hatte sich entzündet und sie hatte Fieber

bekommen. Lange hielt sie so nicht mehr durch. Das kleine Lager der Soldaten schien ihr dabei wie ein Wink des Schicksals. Vielleicht hatte ja sogar Mora, die dunkle Göttin selbst, sie bis hierher geleitet? Wenn es so war, könnte ihr Glück ruhig noch etwas anhalten. Hoffentlich… Evelyna entschloss sich zu einem kleinen Dankesgebet. Dann erst schlich sie sich in eines der Zelte. Ohne das geringste Geräusch zu verursachen, begann sie damit, es zu durchstöbern. Schnell fand sie wonach sie suchte. An einem der Stützpfosten hing eine lederne Tasche. Sie war gut gefüllt und enthielt alles, was sie zur Versorgung ihrer

Verletzung benötigte. Ein Lächeln überflog das Gesicht der Elfe. So viel Glück auf einmal. Es war beinahe zu einfach. Dann geschah das Unglaubliche. Nur ein kurzer Augenblick der Unachtsamkeit genügte und plötzlich stand einer der Menschen bei ihr im Zelt. Evelyna war überzeugt, dass der Kerl sie nur rein zufällig entdeckt hatte. Trotzdem reagierte er gedankenschnell. Schneller, als die vor Entsetzen erstarrte Elfe. Ehe sie sich versah, hieb er ihr mit der Faust ins Gesicht und ließ ihr die Lichter ausgehen. Evelyna fluchte erneut. Das hätte einfach nicht geschehen dürfen. Sie hätte

den Mann, trotz ihres Fiebers, rechtzeitig hören müssen. Es war doch nur ein Mensch? Verfluchter Tölpel! Wie unsagbar peinlich! Menschen! Ausgerechnet! Tumbe Hornochsen mit der Empfindungsfähigkeit eines… ja eines was eigentlich? Der Schwarzelfe fiel kein anderes Wesen ein, das mit noch kümmerlicheren Sinnesorganen ausgestattet war. Zu einer anderen Zeit hätte Evelyna sämtliche Hosentaschen dieser grob behauenen Idioten ausgeraubt, vernäht und mit Blumen behangen, ohne dass diese überhaupt mitbekommen hätten, dass jemand in der Nähe war. So aber war sie nun ihre

Gefangene. Was für eine Schande! Wenn diese peinliche Geschichte jemals bekannt wurde, konnte sie ihren Titel vergessen. Für alle Zeiten. Keine Panthra ließ sich derart plump überrumpeln. Scheiße! So lag sie nun da, mit gebundenen Händen neben einer kleinen ausgebrannten Feuerstelle und konnte sich kaum noch rühren. Sie hatte schrecklichen Durst, ihre Wunde schmerzte höllisch und ihr war hundeübel. Wenn ihr nicht bald etwas einfiel, war das hier ihr Ende. »Wasser! Bitte…« Einer der Söldner, ohne Zweifel der

Anführer der Gruppe, kam grinsend auf sie zu gestapft und hockte sich neben sie. »Vergiss es, Spitzohr! Von mir bekommst du gar nichts. Die Belohnung für dich liegt bei dreihundert Goldkronen. Egal ob tot oder lebendig…« »Na, dann bring es doch endlich hinter dich, Menschling! Worauf wartest du noch?« »Na, na. Nicht so voreilig, meine schwarzhäutige Schönheit! Der Weg in die nächste Stadt ist weit… Und einsam!« Er lachte dreckig und stieß der Elfe mit der flachen Hand gegen den Kopf. »Zeit genug, mich noch ein wenig mit dir zu vergnügen. Heute Nacht

werden wir zwei viel Spaß miteinander haben.« »Das wagst du nicht, Dreckskerl! Wenn du mich anrührst, bring ich dich um!« Der Söldner schlug ein weiteres Mal zu. Brutaler jetzt. »Versuch es nur, kleine Pantherdame! Ich werde dir schon noch beibringen, wer hier das Sagen hat! Ich warne dich!« Evelyna wusste nichts zu entgegnen. Stattdessen funkelte sie den Mann aus hasserfüllten Augen an. »Siehst du? Schon besser!«, er öffnete den Mund zu einem fast zahnlosen Grinsen. Schwärzlich verfaulte Stummel linsten zerklüfteten Ruinen gleich hinter rauen Lippen hervor. Ihr Anblick erfüllte

Evelyna mit Übelkeit. »Ich sag dir was, Elfe! Wenn du schön brav bist, beschütze ich dich nicht nur vor meinen Männern, ich hätte vielleicht sogar Essen und etwas Wasser für dich übrig!« »Niemals!«, Evelyna spuckte dem Mann vor die Füße. »Lieber sterbe ich!« »Abwarten! Du wirst noch darum betteln, mir gefällig sein zu dürfen! Hör auf meine Worte!« Der Spott im Gesicht des Offiziers wuchs in die Breite. Dann wandte er sich von der Elfe ab und seinen Männern zu. »Packt zusammen, wir brechen auf!« Wenig später zog der Söldnerhauptmann

seine gefesselte Gefangene an einem langen Strick hinter sich her. Von seinem Pferd herab sah er in regelmäßigen Abständen zu ihr nach hinten und ergötzte sich an ihrem Elend. Die Entzündung in Evelynas Wunde hatte sich indes weiter ausgebreitet. Der Fieberwahn stand ihr als kalter Schweiß auf der Stirn und sie bekam kaum noch richtig mit, was um sie herum geschah. Mehrmals stürzte sie zu Boden und wurde dann solange über den Boden geschleift, bis es ihr irgendwie wieder gelang auf die Füße zu kommen und weiter zu stolpern. Mit einem deutlich sadistischen Unterton in der Stimme richtete der Reiter das Wort an seine

Gefangene. »Reite ich dir etwa zu schnell, meine Liebe?« Ein kehliges Lachen folgte, dann hieb er dem Schlachtross seine Sporen in die Flanken, worauf es einen plötzlichen Satz nach vorne tat. Evelyna wurde unsanft nach vorne gerissen. Da ihre gefesselten Hände über einen Strick mit dem Sattel des Söldners verbunden waren, hatte sie keine Chance, dem Ruck zu entgehen. Unsanft und ohne die Möglichkeit, sich abzustützen stürzte die Elfe nach vorne in den Dreck. »Du wirst mich noch anflehen, das Lager mit mir teilen zu dürfen, du schwarzhäutiges

Miststück!« Der Elfe war es unmöglich zu antworten. Sie war durch den Sturz unsanft auf ihrer verletzten Seite gelandet und vor Schmerzen halb wahnsinnig. »Hauptmann Gehrnot! Schauen Sie, dort vorne!« Einer der Männer deutete den Weg hinunter auf eine verwahrlost wirkende Gestalt am Wegesrand. »Sieht wie ein Landstreicher aus!« Der Söldnerführer ließ von seinem Spielzeug ab und konzentrierte seinen Blick in die angegebene Richtung. Dort erkannte er in einiger Entfernung eine in Decken gehüllte Gestalt, die unbewegt an

der Straßenseite stand und auf irgendetwas zu warten schien. Gehrnot überlegte kurz. Sie alle befanden sich auf einem nur spärlich bewachsenen Gebirgsausläufer, daher war ein Hinterhalt eher unwahrscheinlich. Die karge Landschaft bot kaum brauchbare Verstecke. Außerdem bestand sein eigener Trupp aus vier gut ausgebildeten Soldaten. Allesamt bis an die Zähne bewaffnet, kampferfahren und überaus mordlustig. Der Hauptmann grinste gemein. Höchstwahrscheinlich handelte es sich bei dem Fremden tatsächlich nur um einen herumstreunenden Vagabunden. Eine gute Gelegenheit sich und seinen Männern ein wenig Spaß zu

gönnen. »Los Männer, wollen doch mal sehen was diesen Verrückten hierher in die Einöde verschlagen hat. Los! Auf geht’s!« Erneut beschleunigte er die Gangart seines schwer gepanzerten Rosses und trabte auf die einsame Gestalt zu. Seine Männer trotteten ihm zu Fuß hinterher. Nur Evelyna verlor einmal mehr das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Als Gehrnot sein Ziel erreicht hatte und abrupt abbremste, war die Elfe derart geschwächt, dass sie von allein nicht mehr auf die Füße kam. Röchelnd und hustend rollte sie sich von Krämpfen geschüttelt zusammen. Das war das Ende! Wie es schien würde sie in diesen

kargen Bergen schon bald ihr Leben aushauchen. Ihr war es mittlerweile beinahe egal. Endlich Ruhe, Frieden, das Ende aller Schmerzen… Halt! NEIN! Niemals! Trotzig lehnte sich etwas tief in ihrem Inneren gegen diese Gedanken auf. So leicht wollte sie sich dann doch nicht geschlagen geben. Noch war sie nicht gänzlich am Ende. Reiner Hass holte sie ins Leben zurück. Evelyna weigerte sich, es den Menschen derartig einfach zu machen. Wenn sie schon sterben musste, dann würde sie den sadistischen Hauptmann mit sich nehmen. Irgendwie!

Sie zwang sich zur Ruhe und sammelte neue Kraft. Der Anführer ahnte nichts von alledem und ergriff in eben diesem Augenblick das Wort. »Heda, Fremder! Hast dich wohl verlaufen?« Der Angesprochene rührte sich nicht. »Bist dir wohl zu fein, dich mit einem einfachen Soldaten zu unterhalten, was? Das solltest du dir besser noch einmal überlegen, mein guter Wille hat Grenzen!« Wieder entlockten die Worte dem Mann keine erkennbare Reaktion. Gehrnot wurde langsam ärgerlich. Was bildete dieser Kerl sich eigentlich ein? Stand da

wie ein staubiger Ölgötze. »Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!« Zu allem Überfluss hielt der Landstreicher sein Gesicht unter einer Art schmutziggrauer Leinendecke verborgen, die er sich lose über Kopf und Körper geworfen hatte. So etwas konnte der Söldnerführer schon gar nicht leiden. Ihm gefiel es mehr, wenn er die Angst in den Augen seiner Opfer sehen konnte. Hier aber erkannte er nicht einmal das Gesicht. Er schnaubte verärgert. »Zum letzten Mal! Runter mit der Decke! Und dann will ich wissen, was du hier verloren hast! Gehorche, Freundchen, oder meine Leute werden

die Worte einzeln aus dir herausprügeln.« Wieder entgegnete der Fremde kein einziges Wort. Aber er drehte seinen Kopf, blickte die Söldner für einen Moment lang aus den Schatten heraus an und schüttelte dann verneinend den Kopf. »Gut, dann eben auf die Schmerzhafte! Vigurd, Aldar, zeigt dem Idioten, was wir mit Leuten machen, die denken, sie könnten sich über uns lustig machen.« Die zwei kicherten boshaft, nickten und zogen ihre Schwerter. Selbstbewusst bewegten sie sich auf ihr vermeintliches Opfer zu. Der Fremde hielt seinen Blick noch immer auf Gehrnot

gerichtet. »Stecht ihn ab!«, sagte dieser. »Und nehmt alles mit, was eventuell von Wert sein könnte. Haltet euch aber nicht zu lange mit ihm auf, der Kerl geht mir auf die Nerven. Erst als die zwei Krieger ihr Ziel schon fast erreicht hatten, kam plötzlich Leben in den seltsamen Mann. Mit einer fließenden Bewegung warf er die Decke, in die er sich gehüllt hatte, zur Seite und richtete sich zur vollen Größe auf. Eine blankpolierte Rüstung aus glänzendem Stahl kam zum Vorschein. Exakt in der Mitte des Brustpanzers prangte eine goldene Sonne mit drei detailliert gearbeiteten Strahlen, die sich

gleichförmig von ihr entfernten. Das Zeichen der Dreifaltigkeit der Götter. Die Söldner erkannten sofort, mit wem sie es zu tun hatten und blieben eingeschüchtert stehen. Der vermeintliche Landstreicher war ein Paladin. Einer der berühmten Gotteskrieger aus der Tempelstadt Ambassador. In den Händen hielt der Fremde einen prunkvoll verzierten Zweihänder. Kampfbereit funkelte er seine Gegner an. »Zurück mit euch! Mein Name lautet Sir Crane Arthur Barlowe, Erster Ritter der göttlichen Trinität. Als Solcher befehle ich euch, übergebt mir eure Gefangene und geht in Frieden. Nutzt mein

großzügiges Angebot, denn ich werde meine Worte nicht wiederholen!« »Was? Niemals!« Gehrnots Gesicht zeigte eine Mischung aus Ungläubigkeit und Widerwillen. »Wir sind dir in allen Belangen überlegen, Paladin! Dank deinen Göttern, wenn wir dich unbehelligt ziehen lassen. Und nun aus dem Weg!« »Genug der Worte!« Der Reiter hatte seine Entscheidung verkündet und Paladine diskutierten nicht. Anfangs wollte Barlow die Gruppe tatsächlich unbehelligt vorbeiziehen lassen. Nun aber, wo er erkannt hatte, um wen es sich bei der dunkelhäutigen Gefangenen handelte und

sich die Söldner darüber hinaus seinen Befehlen verweigerten, war es dafür zu spät. Barlow ließ seinen Zweihänder in einem mächtig geführten Halbrund vorschnellen. Vigurd, einer der zwei Söldner, die auf ihn zugelaufen waren, war das Ziel dieser ersten Attacke. Routiniert hob der anstürmende Söldner sein Schwert zur Parade. Doch er hatte dabei die unbändige Kraft des Paladin unterschätzt. Die schwere Klinge war mit einer derartigen Gewalt geführt, dass sie die zum Schutz erhobene Waffe wie einen dünnen Zweig zur Seite wischte und nahezu ungemindert in den Körper des überraschten Mannes eintrat. Erst als sie in einer leicht schräg von der

Schulter abwärts verlaufenden Linie das Brustbein erreicht hatte, kam sie zum stehen. Vigurd war tot, bevor er begriff, was geschehen war. Der Paladin beließ es nicht bei dem Erfolg, noch immer waren ihm seine Feinde Vier zu Eins überlegen. Kraftvoll riss er den Zweihänder aus der Leiche. Keine Sekunde zu früh, denn schon erfolgte der Gegenangriff. Aldar, der zweite entsandte Söldner, hatte nicht vor, den Fehler seines Kameraden zu wiederholen und suchte sein Heil im Angriff. Nur um wenige Millimeter verpasste sein Schlag das Haupt des Gotteskriegers. Sofort setzte er nach. Dieses Mal aber war sein Ziel besser

vorbereitet. Das riesige Schwert des Paladin stoppte den Schlag bereits auf halbem Wege. Klingen krachten aufeinander. Funken stoben. Stahl rieb über Stahl, bis sich die Parierstangen der Griffe ineinander verkeilten. Beide Männer pressten ihre Körper nach vorne und versuchten, sich gegenseitig umzustoßen. Aldar tat einen kraftvollen Schritt nach vorne, um den verfluchten Gottesmann in die Defensive zu treiben. Doch dieser hielt spielend dagegen. Nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt, funkelten sie sich aus hasserfüllten Blicken an. Schweiß tropfte, Speichel spritzte ihnen bei jedem keuchenden Atemzug von den

Lippen. Die Anstrengung stand den beiden förmlich ins Gesicht geschrieben. Barlowe wusste, dass er keine Zeit verlieren durfte. Die restlichen Söldner stürmten bereits auf ihn zu und hatten ihn fast erreicht. Es galt, keine Zeit mehr zu vergeuden. Da er keine Hand frei hatte, hieb Crane mit seiner Stirn gegen die Nase des Feindes. Knirschend brach der Knorpel und ließ Aldar vor Schmerzen aufheulend zurückwanken. Der Schrecken nahm ihm für wenige Augenblicke die nötige Konzentration. Der Paladin nutzte den Moment der Unachtsamkeit gnadenlos aus. Er hatte leichtes Spiel. Seine zwei folgenden, gut

gesetzten Hiebe, rissen schreckliche Wunden und töteten Aldar. Blieb der Rest, allen voran ihr berittener Anführer. Wo war der Kerl bloß? Reiter auf derart gerüsteten Pferden hatten in einem Kampf wie diesem stets alle Vorteile auf ihrer Seite. Es blieb ihm ein Rätsel, warum ein erfahrener Soldat wie Gehrnot diese äußerst wichtige Überlegenheit nicht zu seinen Gunsten nutzte? Als Crane der Ursache gewahr wurde, konnte er nicht anders, als beeindruckt zu grinsen. Die Schwarzelfe hatte die anfängliche Unterhaltung der Männer genutzt und den langen Strick mit dem sie an das Pferd gebunden war, heimlich um einen günstig gelegenen

Strauch gewickelt. Damit kam das schwer gepanzerte Tier kaum noch von der Stelle. Gehrnot, der Anführer des Trupps war außer sich vor Zorn. Mit hochrotem Kopf hieb er mit seinem Schwert auf die Elfe ein. Diese wich der Klinge trotz ihrer sichtbar schlechten Verfassung derart gekonnt aus, dass der Mann sein Pferd nur immer hoffnungsloser in das Geäst verstrickte. Schließlich blieb dem Ritter nichts weiter, als den störenden Strick zu durchtrennen. Mehr bekam Crane nicht mit, denn seine zwei verbliebenen Feinde waren auf Schwertlänge heran. Die Überzahl machte ihm schwer zu schaffen. Die beiden Söldner hieben wie

wild auf ihn ein. Nur seiner hervorragenden Ausbildung war es zu verdanken, dass er diesem brachialen Ansturm nicht unterlag. Langfristig war er dadurch sogar im Vorteil. Die blindwütige Gewalt, mit der die beiden Männer vorgingen, ließ sie schnell müde werden. Schon jetzt verloren ihre Hiebe an Kraft und Genauigkeit. Barlowe, der wesentlich besser trainiert war, blieb noch ein wenig in der Defensive und ließ bewusst Schlag um Schlag auf sich niedergehen. Dann, als er den perfekten Moment zur Riposte gekommen sah, hob er die lange Klinge seines Bihänders blitzschnell über den Kopf. Mit der hierdurch gewonnenen zusätzlichen

Reichweite riss er das Schwert mit aller Macht schräg nach unten. Die Klinge traf den ersten Söldner mitten in die Brust, sie durchschnitt das Leder seiner Rüstung, seine Rippen, sein Fleisch. Blut sprudelte hervor. Damit war der Angriff des Paladins aber noch lange nicht am Ende. In einer weitergehenden, fließenden Bewegung, der Treffer hatte die Wucht der Waffe nur unwesentlich gebremst, schlug er dem letzten verbliebenen Kämpfer das Schwert aus der Hand. Dieser starrte den Paladin voll ungläubigem Entsetzen an. Seine Lippen formten stumme Worte, die jedoch nie artikuliert wurden. Bevor es soweit war, schlug Crane dem Mann den

Kopf von den Schultern. Der Kampf war vorbei. Blieb nur noch einer, Hauptmann Gehrnot. Ob ihm bewusst war, dass all seine Männer ihr Ende allein seiner Unzulänglichkeit zu verdanken hatten? Ein kehliger Aufschrei riss den Gotteskrieger aus seinen Gedanken. Evelyna war es trotz ihrer Fesseln irgendwie gelungen, sich auf den Rücken des Pferdes zu schwingen und den Strick ihrer noch immer gebundenen Hände um die Kehle des verhassten Söldnerführers zu legen. Röchelnd kämpfte dieser bereits ums Überleben. Sein Gesicht hatte sich in einem eindeutig ungesunden Dunkelrot verfärbt, seine Zunge quoll wie ein fetter

lila Wurm zwischen halbverfaulten Zähnen hervor und seine Augen zeigten weit aufgerissen, dass er sich seines kurz bevorstehenden Todes absolut bewusst war. Dann endlich, erschlaffte der Körper des Mannes. Evelyna aber ließ noch immer nicht von ihm ab. »Er ist tot, beruhige dich!«, rief Barlow.

Fortsetzung...

Mit hasserfülltem Blick streckte die Angesprochene sich mit aller Gewalt nach hinten durch, während sie gleichzeitig ihre Knie gegen den Rücken des erschlafften Hauptmann presste. Der Strick der ihre Hände band, drückte sich tief in den Hals des Toten. Ein widerliches Knacken erklang, als die Nackenwirbel brachen. Jetzt erst nahm Evelyna ihre gefesselten Hände nach oben, worauf Gehrnots Leichnam langsam aus dem Sattel kippte und zu Boden stürzte. Crane hatte inzwischen die Zügel des Pferdes gegriffen. »Steig ab, Elfe! Dies ist nicht dein

Pferd!« »Ebenso wenig, wie es das Deine ist! Da es sein ursprünglicher Besitzer es offensichtlich nicht länger benötigt…,« Sie deutete beiläufig auf Gehrnots Leichnam, »…beanspruche ich es für mich! Ich kann kaum noch laufen, ich brauch es!« Die Stimme der Elfe war kränklich und leise. »So! Wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich mich nun verabschieden. Hab Dank für deine Hilfe, Gotteskrieger. Geh deiner Wege, leb wohl!« »Du bist eine gesuchte Verbrecherin, ich werde nicht gehen. Und auch du bleibst wo du bist!« Evelyna blickte verblüfft auf den Paladin

hinab. »Spinnst du, Mensch? Ich habe dir gerade dein verdammtes Leben gerettet. Hätte dieser Möchtegern Hauptmann dich mit seinem gepanzerten Pferd niedergeritten, lägst du jetzt sterbend in deinem Blute.« »Möglich, aber so ist es nun Mal nicht geschehen. Ich habe überlebt, weil es der Wille der Götter war. Und sie waren es auch, die dafür gesorgt haben, dass du mir in die Hände fällst. Finde dich mit dem Gedanken ab, dass ich dich der Gerichtsbarkeit meines Ordens ausliefern werde. Auf dich wartet ein fairer Prozess.« »Wa…? Niemals!«, die sichtlich geschwächte Schwarzelfe wollte

davonpreschen, aber Crane hielt das Tier mit eisernem Griff. Evelyna gab auf, ihr fehlte die Kraft um sich weiter zu erwehren. Resigniert glitt sie langsam und vorsichtig vom Rücken des Tieres und hielt Barlowe ihre gefesselten Hände hin. »Trotz allem haben wir gut zusammengearbeitet. Behalt das Pferd, löse die Fesseln und lass mich gehen. Ich bin kein Verbrecher und außerdem schwer verletzt. Ich habe nichts getan! Der einzige Grund aus dem ich gejagt werde, ist meine Hautfarbe. Die Sonnenelfen haben ein Kopfgeld auf alle meiner Art ausgesetzt, dass muss sogar jemand wie du wissen. Komm

schon!« »Belehre mich nicht, als wäre ich ein ungebildeter Dummkopf. Deine Argumente mögen der Wahrheit entsprechen, aber sie umfassen nicht die gesamte Geschichte. Das Wichtigste hast du mir wohlweißlich verschwiegen. Ich weiß, wer du bist, denn du bist in meinen Kreisen so etwas wie eine kleine Berühmtheit. Dein richtiger Name lautet Evelyna Snaps. Bei den Menschen kennt man dich als Evil-Lynn. Alle anderen Völker nennen dich Panthra! Den Panther! Eine Ehrenbezeichnung der Schwarzelfen für ihre besten Meuchelmörder.« »Unsinn! Es gibt in der menschlichen

Sprache überhaupt keine Entsprechung für diesen Titel. Grob zusammengefasst bedeutet Panthra wohl eher so etwas Ähnliches, wie Befreier. Vielleicht könnte man es auch als Rebell oder besser noch Freiheitskämpfer umschreiben. Mörder aber, bedeutet es ganz sicher nicht! Das ist eine Erfindung der Sonnenelfen!« Evelyna runzelte ärgerlich die Stirn, zu mehr war sie nicht mehr fähig. Es kostete sie ungemein viel Kraft sich halbwegs zu konzentrieren, daher verzichtete sie auf eine weiterführende Diskussion. Was wussten Menschen schon über derartige Dinge. Sie versuchte es stattdessen mit einem versöhnlichen Lächeln. Es

misslang gründlich. »Trotzdem, du bist erstaunlich gut informiert! Für ein Rundohr.« »Ich kenne sogar die vollständige Liste aller Straftaten derer du angeklagt bist. Sie ist beeindruckend umfangreich, wenn ich das sagen darf. Und sicher nicht allein das Resultat eines heldenhaften Freiheitskampfes!« »Propaganda, Lügen und haltlose Übertreibungen!« Evelyna machte eine abwertende Bewegung. »Da bin ich sicher. Aber darüber wird letztlich ein Gericht entscheiden.« »Oh bitte! Was soll das? Jeder weiß, dass die menschliche Rechtsprechung nichts taugt. Sie ist korrupt und mein

Kopf den Sonnenelfen eine ganze Menge Gold wert! Ich bin verurteilt, bevor die Verhandlung überhaupt begonnen hat. Da kannst du mich auch gleich hier niederstrecken.« Der Paladin schüttelte den Kopf. »Nicht dort, wohin ich dich bringen werde! Du wirst in meinem Orden einen fairen Prozess erhalten. In Ambassador wird das Recht vor den Augen der drei Götter gesprochen. Gerecht und ausschließlich anhand von Beweisen und unumstößlicher Indizien. Und nun Ruhe, der Punkt steht nicht länger zur Debatte! Du bleibst in Gefangenschaft!« Trotzdem durchschnitt er der Schwarzelfe die Fesseln. »Und nun zieh

dein Oberteil aus und leg dich hin.« »Was?« Sprachloses Entsetzten, paarte sich mit ehrlicher Überraschung. »Du willst mich…? Oh natürlich! Menschen, pah! Denkt sogar ihr Paladine immer nur an das Eine? Jeder will es unbedingt mal mit einem Elfenweib treiben, was? Ich warne dich, fass mich an und dir ergeht es wie dem Mistkerl dort drüben.« Barlowe verstand nicht recht, worauf Evelyna hinaus wollte. Zumindest tat er so. Dann zog er einen Tiegel Salbe und ein paar Binden aus seiner Gürteltasche. »Deine Wunde muss versorgt werden, Mädchen. Sie hat sich schwer entzündet. Wenn ich mich nicht bald darum kümmere, wird sie brandig und du wirst

qualvoll zu Grunde gehen.« Leicht verschämt tat die Elfe wie ihr geheißen wurde. Nun, da sie sich entspannen konnte, versank sie langsam aber sicher in einen tiefen Schlaf. Das Letzte was sie sah, war die gleißend helle Rüstung des Paladin, die sich im LICHT der Mittagssonne spiegelte. 4. Wenige Tage später. Mittlerweile waren ungesund graugrün wirkende Wolken aufgezogen. Deutliche Vorboten eines bevorstehenden Unwetters. In einem der prunkvollsten Paläste der gotländischen

Provinzhauptstadt Trontheym begab sich Herzog Alderan d’Auvergne müde in sein Schlafgemach. Den gesamten Tag über hatte er sich mit immer neuen schrecklichen Nachrichten von der Front auseinandersetzen müssen. Seine Generäle hatten viele Ideen, jedoch versprach nicht eine von ihnen den dringend benötigten Sieg. Die Orks waren vor gut einem dreiviertel Jahr erstmals dazu übergegangen, sich einer direkten Konfrontation mit den Menschen zu entziehen. Stattdessen überfielen sie in kleinen aber brandgefährlichen Gruppen die grenznahen Dörfer und Weiler, plünderten sie aus und hinterließen eine

nicht enden wollende Spur aus Schmerz, Trauer und Leid. Im gesamten Grenzgebiet häuften sich Stimmen, die lautstark nach Vergeltung schrien und selbst der König richtete seinen kritischen Blick auf das südliche Herzogtum. Durch die zahllosen Attacken der Grünhäute wagte sich kaum noch ein Kaufmann vor die Tür und so etwas war schlecht für den Handel. Dies wiederum brachte die gesamte Wirtschaft des Gotlandes in Schwierigkeiten. Ein Teufelskreis, den zu durchschlagen eigentlich Alderans höchste Aufgabe war. Er war verzweifelt. Wie konnte er den Forderungen nachkommen, wenn er nicht

das Geld hatte, einen großen Vergeltungsschlag zu finanzieren? Und wie sollte er dem König erklären, dass er dringend weitere finanzielle Mittel benötigte? Vor nicht einmal einem Jahr war ihm erst eine äußerst großzügig bemessene Menge Goldkronen zugesprochen worden. Zu seinem Leidwesen hatte er den größten Teil der Summe jedoch nicht in den Krieg, sondern in den Ausbau seines prunkvollen Palastes investiert. Damals sah noch alles so aus, als würde die bereits bestehende Streitmacht der Menschen den Krieg problemlos irgendwann für sich entscheiden. Und nun das! Woher nahmen die Orks auch

die Frechheit ihre Strategien derart grundlegend zu ändern? Über mehrere Jahre hinweg war alles ganz hervorragend verlaufen. Menschen und Orks hielten sich in ihren Erfolgen und Niederlagen in etwa die Waage. Alderan konnte in regelmäßigen Abständen seinen König um finanzielle Unterstützung aus dem Wehretat bitten, die auch jedes Mal prompt gewährt wurden. Besonders nach Beginn des Siebten Orkzuges zeigte sich die Krone äußerst spendabel. Sie sandte anstandslos ein mittleres Vermögen nach Trontheym. Geld genug, um ein wenig davon auch in nichtmilitärische, mehr privat angelegte Ausgaben fließen zu

lassen. Mit jedem Griff in die Kasse ein klein wenig mehr. Niemand, am allerwenigsten der König, schien sich daran zu stören. Solang es nur hier und da größere Erfolge von der Front zu vermelden gab, war alles gut und jeder zufrieden. Eben diese Siege aber, stellten sich nun nicht mehr ein… Wie unfair! Wie gemein! Hatte er sich das bisschen Luxus denn nicht redlich verdient? Kein anderer Fürst im Reich hatte es über einen so langen Zeitraum hinweg mit derart grässlichen Monstern zu tun. Er war es doch, der von allen am Meisten litt! Und überhaupt, nur seiner militärischen Genialität war es doch zu verdanken, dass die Orks nicht längst

über die Menschheit hergefallen waren. Inzwischen war die Kriegskasse leer, es gab nichts Positives auf das man hätte verweisen können und die Grünhäute wurden in der Zwischenzeit immer aggressiver. Alderan seufzte herzerweichend. Auch als er seine seidenen Pantoffeln ablegte und sich mit einem weiteren, aus purem Selbstmitleid geborenem Stöhnen in sein Bett begab, ging es ihm kaum besser. Warum nur war alles so schwer? Warum nur waren alle gegen ihn? Nur eine einzige Trumpfkarte hielt der Herzog noch in Händen. Wie verzweifelt klammerte er sich an dieser letzten Gelegenheit fest! Der eine verbliebene

Hoffnungsschimmer. Damit dieser am Ende aber auch wirklich wahr wurde, musste Alderan sehr umsichtig vorgehen und jegliche verbliebene Konkurrenz ausschalten. Vor längerer Zeit war es ihm gelungen, einen fetten Ork namens Barragh Breitmaul gefangen zu nehmen. Dieser erbettelte sich seine Freiheit, in dem er winselnd von einem angeblichen Schatz berichtete. Einem phantastischen Drachenhort der irgendwo in den Verlorenen Landen versteckt liegen sollte. Ausgerechnet! Und dann konnte der Dummkopf noch nicht einmal den exakten Ort bestimmen.

Aber anscheinend kannte er wenigstens jemanden, der besser informiert war. Einen letzten überlebenden Begleiter. Ragnar Schädelspalte hieß er. Ein selbst für orkische Gepflogenheiten eher ungewöhnlicher Name und eine noch bizarrer klingende Geschichte dahinter. Aber! Trotz aller berechtigter Zweifel. Einige Fakten sprachen durchaus dafür, dass dieser Barragh die Wahrheit gesprochen haben könnte. Kein Ork war ein derart gekonnter und vor allem detailverliebter Lügner. Außerdem hatte Alderan nichts mehr zu verlieren. Er stand quasi mit dem Rücken zur Wand. Der Herzog hatte Barragh damals in einem Anflug von unangebrachter

Mildtätigkeit ziehen lassen und sofort einige seiner besten Soldaten auf die Suche nach diesem Ragnar entsandt. Es gab eine eindeutige Beschreibung zu der Grünhaut, denn anscheinend hatte der Ork seinen seltsamen Namen nicht nur aus einer verrückten Laune heraus verliehen bekommen. Irgendwer, oder besser irgendetwas, hatte ihm tatsächlich einst den Kopf in zwei Hälften geteilt. Es glich einem Wunder, dass man Derartiges überhaupt gerade stehend überleben konnte. Waren schon verflucht zähe Hunde diese Orks. Finden konnten seine Männer ihn trotz dieser deutlichen Beschreibung aber nicht. Erst viel später war dem Monarchen

aufgegangen, dass jeder Tag, den er länger für die Suche nach dem Verschwundenen aufbringen musste, auch ein Tag mehr war, an dem Barragh seine Geschichte weitererzählen konnte. Diese Grünhäute waren bekannt für ihr loses Mundwerk! Das konnte und durfte er nicht zulassen. Sein Leben, seine gesamte Existenz als Herzog, hing an diesem Schatz. Ohne weiters Zögern hatte Alderan den Vampir Frigore beauftragt dieses Leck zu schließen. Seit dem konnte er an nichts anderes mehr denken. Müdigkeit übermannte den Herzog. Langsam fielen ihm die Augen zu und er versank über all diesen Sorgen in einen

unruhigen Schlaf. Ein eiskalter Hauch ließ ihn erwachen. Zu Tode erschrocken riss Alderan die Augen auf und wollte sich aufsetzen. Weit kam er nicht. Etwas drückte ihn mit unbändiger Kraft in die Kissen zurück. »Was…?« »Still!«, erklang eine schneidend kalte Stimme. »Ich bin es. Frigore. Ich bin hier, um Euch von der Erfüllung meines Auftrags zu berichten.« Der Vampir deutete mit der freien Hand auf einen nahen Schreibtisch auf dem der grauenhaft anzusehende Schädel eines Orks lag. Alderan lachte leise. »Ja, das ist

Barragh. Er ist also tatsächlich tot. Gut gemacht, mein Freund! Hat er noch irgendetwas gesagt, bevor er abgetreten ist?« »Ihr meint über den versteckten Drachenhort?« »Nein! Oh… Du weißt es also schon? Gut, gut! Sehr gut sogar! Ich brauche einen vertrauenswürdigen Spezialisten, der sich für mich in die Verlorenen Lande wagt und all das Gold herschafft. Du bist der Beste! Wie wäre es? Hast du Interesse? Ich würde mich sehr großzügig zeigen.« »Ihr kennt das genaue Versteck des Schatzes, Herr?« »Nein! Leider nicht, noch nicht! Aber

ein Ork namens Ragnar Schädelspalte weiß es, ich suche ihn schon seit Wochen. Allerdings ohne Erfolg, wie ich gestehen muss!« »Ihr habt auf die falschen Leute vertraut, Exzellenz. Hättet Ihr mich nach ihm suchen lassen…« Noch immer drückte der Vampir den Monarchen in die Kissen. »Ich weiß, Frigore! Verzeih! Nun da ich sicher sein kann, dass du meines Vertrauens würdig bist, werde ich diesen Fehler sicher nicht wiederholen.« In den Augen des Monarchen spiegelte sich nackte Geldgier. »Wir beide zusammen, können Großes erreichen! Denk an all das Gold! Mehr als genug, um dir eine

eigene Grafschaft zu kaufen!« Frigores bleiches Gesicht war in der Dunkelheit des Zimmers nur schemenhaft zu erkennen. »Interessantes Argument! Ich arbeite jedoch stets nach strengen Regeln, dass solltet Ihr noch wissen! Wenn ich einen Auftrag annehme, führe ich ihn auch bis zum Ende aus! Ich lasse mich durch nichts und niemanden aufhalten. Und, was am wichtigsten ist, ich versage nicht. Niemals!« Alderan nickte begeistert. »Das ist genau das was ich meine, Frigore! Das macht deinen Wert aus!« Der Vampir schüttelte den Kopf. »Nein! Genau das Eure Exzellenz, bringt

euch jetzt in Schwierigkeiten.« Die Hand mit der Frigore den Herzog in die Kissen presste, rutschte langsam die Brust empor zum Hals und drückte zu. Er ließ dem Monarchen gerade genug Luft um nicht zu ersticken. Sprechen oder gar Schreien war jedoch nicht mehr möglich. »Barragh bot mir einhundert Goldkronen für Euren Tod, Herr. Ich habe die Münzen genommen. Ihr könnt Euch sicher denken, was das bedeutet.« Alderans Gesichtsausdruck wurde panisch. Verzweifelt wollte er um Hilfe rufen, brachte aber nur noch ein heiseres Krächzen zu Stande. In nackter Todesangst versuchte er sich aus dem eisernen Griff des Untoten zu befreien.

Umsonst! Der übernatürlichen Kraft des Vampirs hatte der Herzog nicht das Geringste entgegenzusetzen. Frigore beugte sich über sein Opfer und grub seine spitzen Zähne langsam in den weißen Hals des wehrlosen Mannes. Genussvoll nährte er sich an dem warmen Blut, bis die sprudelnde Quelle versiegte und Alderan d’Auvergne tot in den Kissen lag. 5. Flatternd öffneten sich Evelynas Lider. Die Sonne schien ihr direkt ins Gesicht, daher hob die Elfe schützend die Hand vor die Augen. Als sie sich einigermaßen

an die Helligkeit gewöhnt hatte, setzte sie sich langsam auf. Ein brennender Schmerz in der Seite erinnerte sie nachdrücklich, dabei möglichst behutsam vorzugehen. »Guten Morgen!«, erklang eine Stimme neben ihr. Es war die des Paladin Crane Barlowe. »Wie geht es dir, Elfe? Du hast sicher Hunger?« Evelyna schüttelte aus einem trotzigen Impuls heraus den Kopf. Als ihr Magen jedoch lautstark Protest dagegen erhob, ging sie zerknirscht zu einem Nicken über. Ihre knapp verfasste Antwort unterstrich den Unmut der in ihr brodelte. »Es geht mir gut, danke!« Barlowe reichte ihr etwas Brot, Käse und

einige Stücke Dörrfleisch über die sich die Elfe sofort hungrig hermachte. »Freut mich zu hören. Iss nur ordentlich. Du bist schwach und musst zu Kräften kommen.« Evelyna sah kauend an sich herunter. Ihre Verletzung war versorgt und professionell verbunden. Ihr Fieber war ebenfalls zurückgegangen. Ein Zeichen dafür, dass auch die Entzündung nachgelassen haben musste. Sie war zwar noch schwach, aber es ging ihr deutlich besser. »Wie lange war ich weg?« »Beinahe vier Tage.« »Was? So lange?« Crane nickte. »Zwischenzeitlich stand es

sehr schlecht um dich. Ich bin froh, dass du dich dennoch erholt hast.« »Froh?« Die Schwarzelfe lachte bitter. »Wenn ich mich recht erinnere, hast du vor mich der Kirche auszuliefern.« »Richtig! Daran hat sich auch nichts geändert! Aber ich halte mich an die Regeln meines Ordens. Ich bin nicht dein Richter, daher behandele ich dich so gut es mir eben möglich ist.« Seine Worte klangen aufrichtig, ließen aber auch eine gewisse Gleichgültigkeit erkennen. »Wie sich das für dich allerdings in der Realität gestaltet, liegt allein bei dir! Du kannst aufrecht neben mir gehen, aber auch gefesselt und geknebelt über dem Rücken meines

Pferdes hängen.« Deines Pferdes? Das ich nicht lache…, dachte die Elfe bei sich, schnitt dann aber ein anderes Thema an. »Was ist mit meinen Waffen?« Crane lachte, er schien ehrlich amüsiert. »Ich bin kein Idiot! Keine Waffen, keine Rüstung, keine Habe, kein Pferd! Des Nachts wirst du gefesselt. Tagsüber jedoch, kannst du dich frei bewegen. Ich werde dir nur die Hände binden, damit du nicht auf dumme Ideen kommst. Bleib dann noch in meiner Sichtweite und wir beide werden bestens miteinander auskommen.« »Ich könnte einfach fliehen! Wir Schwarzelfen rennen schneller als jeder

Mensch. Sehr viel schneller!« Evelynas Antwort war aus reinem Trotz und nicht aus der Vernunft heraus geboren. Sie war ihr durch die Lippen geschlüpft, bevor sich die Elfe bewusst wurde, was ihre unvorsichtig gewählten Worte alles anrichten konnten. Glücklicherweise schien Crane wenig beeindruckt. »Pferde wiederum sind sehr viel schneller als Elfen! Ein Versuch steht dir natürlich frei. Bedenke aber bitte, dass wir hauptsächlich durch offenes Gelände reisen werden! Scheitert dein Versuch, werde ich dich fesseln und du wirst den Rest der Reise, wie gesagt, quer über dem Rücken meines Pferdes hängend verbringen.« Der Paladin wählte

seine Worte ohne jeden Spott. »Außerdem bist du noch immer verletzt und trägst keinerlei Ausrüstung bei dir. Selbst wenn du entkommen und dich von deinen Handfesseln befreien könntest, würdest du keine zwei Tage überleben!« »Das käme auf den Versuch an, unterschätz mich besser nicht!« »Und du vergiss nicht, dass ich notfalls auch berechtigt bin, deine Leiche abzuliefern.« Missmutig verschlang die Elfe das letzte Stück Brot. Der Mensch konnte kämpfen, das hatte sie nur allzu deutlich in den Bergen miterleben dürfen. Vier kampferprobte Söldner hatte er besiegt und keinen Kratzer abbekommen. Wenn

sie doch nur ihr Messer hätte. Sie wäre bereit, es trotz seiner Fähigkeiten auf den Versuch ankommen lassen. Evelyna war sich sicher, dass sie den Mann besiegen könnte. Menschen waren stark, aber auch plump und langsam. Nachdenklich griff sie einen in der Nähe liegenden Trinkschlauch und nahm einen großen Schluck. Das Wasser war warm und schmeckte abgestanden. Barlowe bemerkte den wachsenden Unmut seiner Gefangenen, daher versuchte er dem Gespräch eine andere, weniger brisante Richtung zu geben. »Ich spreche ein paar Brocken Elfisch und ich weiß, dass alle eurer Art, selbst Schwarzelfen, nach Dingen aus der Natur

benannt werden, die am ehesten ihrem inneren Wesen entsprechen. Ich frage mich also, was Snaps bedeuten könnte? Ein seltsames Wort, ungewöhnlich.« »Blüte!«, war die karge Antwort. »Was? Wirklich? Ich dachte das elfische Wort für Blüte wäre Meliné?« »Ja, richtig!« Crane verdrehte die Augen. So sehr sich die Schwarzelfen auch mit ihren hellhäutigen Artgenossen balgten, von ihrem Wesen her, waren sie alle gleich. Arrogant, schnippisch, oberflächlich. »Wie soll ich das bitte verstehen?« »Es ist wie ich sagte! Snaps bedeutet Blüte. Allerdings eben nur bei einer ganz bestimmten Pflanze.« Wieder

verstummte die Elfe, nach dem sie den Satz beendet hatte. »Willst du mich ärgern, Weib? Nun erklär dich schon!« Evelyna zuckte mit den Schultern. »Snaps ist die Blüte einer gefährlichen Pflanze aus dem Grenzgebiet nahe der Verlorenen Lande. Sie ist recht selten, kommt gelegentlich aber auch im Gotland vor. Ihr Name bei uns Elfen lautet Tamiel-Succur, ihr Menschen nennt sie glaube ich Sukkubusträne.« »Hmm, warte. Ja, ich habe irgendwo schon einmal davon gehört. Ist es nicht eine dieser riesigen fleischfressenden Pflanzen? Sie soll einen ausgewachsenen Mann aus dem Nichts

heraus verschlingen können.« Der Paladin hob amüsiert die Brauen. »Bei den drei Göttern, wie kommst du zu einem derartigen Namen?« »Na, die Frage musste ja jetzt kommen!« Die Schwarzelfe schüttelte den Kopf und seufzte leise. »Die Antwort darauf geht dich nichts an! Du bist vielleicht nicht mein Henker, aber du bist es der mir den Strick um den Hals legt! Nicht unbedingt die Art von Vertrautem, mit dem man über derart persönliche Dinge spricht.« »Gut! Ich verstehe.« Crane wandte sich von der Elfe ab. »Ruh dich noch ein wenig aus, morgen früh bei Sonnenaufgang brechen wir

auf.« Evelyna war gerissen, schnell und noch wesentlich intelligenter als man ihr auf den ersten Blick ansah. Trotzdem gelang es ihr nicht, den Paladin auszutricksen. Einige Male war sie verdammt nah dran gewesen, aber letztlich blieb auch die Beste ihrer Ideen ohne Erfolg. Barlowe achtete peinlich genau darauf, alle erdenklichen Vorteile auf seiner Seite zu behalten. Er war wachsam, vorausschauend und stets vorsichtig genug, sich nicht in einen Hinterhalt locken zu lassen. Nach einigen Tagen entwickelte sich aus diesen unzähligen Befreiungs- und Fluchtversuchen eine

Art stillschweigendes Kräftemessen. Evelyna vollführte klug durchdachte Manöver, trickste ihren Gegenspieler geschickt aus und versuchte auf unzählige Weisen sich zu befreien oder ihre Waffen in die Hände zu bekommen. Barlowe hielt jedoch die ganze Zeit über so gekonnt dagegen, dass eine Flucht letztlich unmöglich blieb. Es blieb bei einem Remis. Irgendwann mussten beide sich still eingestehen, dass sie einen gewissen Respekt füreinander entwickelt hatten. Am Morgen des siebten Tages nach ihrem Aufbruch, erreichten die zwei die Stadtmauern der Tempelstadt Ambassador. Wie schon die gesamte Zeit

zuvor, saß der Paladin hoch zu Ross. Seine Gefangene lief mit gefesselten Händen neben ihm. Irgendwie erschien sie dem Gotteskrieger angespannter als sonst. Er sah zu ihr hinüber. Ihre Blicke huschten wild umher und im Gegensatz zu den vorherigen Tagen sprach sie kaum ein Wort. Crane wusste aus Erfahrung, dass die meisten Gefangenen an diesem Punkt noch einmal alles auf eine Karte setzten. Soweit würde er es jedoch nicht kommen lassen. »Denk nicht einmal daran zu fliehen, Elfe! Selbst wenn du mir entkommen solltest, du hast keine Chance! Die hier stationierten Templer warten nur darauf, dass etwas Derartiges geschieht. Sie

kennen die Gegend wie kaum einer anderer und sind hervorragende Krieger. Außerdem verstehen sie keinerlei Spaß!« Angewidert spie Evelyna zu Boden. »Kennst dich aus mit denen, was?« »In der Tat! Jeder Paladin war irgendwann einmal selbst ein Templer. Aus ihren Reihen werden wir erwählt. Nur die Besten, versteht sich. Also, sei vernünftig und bleib an meiner Seite. Es ist besser für dich!« Die Elfe schnaubte.

Fortsetzung...

»Du hast leicht reden, Mensch! Du sitzt da selbstgefällig auf deinem hohen Ross und bist gleich um einige hundert Goldkronen reicher.« Crane reagierte erstaunlich nachdenklich. Seine Antwort kam nur zögerlich. »Es ist nicht das Geld nach dem ich verlange.« »Ach ja? Du bist ein mieser Lügner!« Als keine Erwiderung auf ihre Beleidigung erfolgte, legte Evelyna nachdenklich die Stirn in Falten. Hatte sogar ein anständiger Kerl wie Crane seine kleinen, dunklen Geheimnisse? Wie überaus interessant. Leider war es

zu spät der Sache auf den Grund zu gehen. Sie erreichten den Trinitas-Großtempel früher als die Elfe gedacht hätte. Da sie am Haupttor nur kurz aufgehalten wurden, kamen die beiden schnell ins Innere der Stadt. Hier führte eine breite Straße schnurgerade auf das mit großen Säulen und einer nicht minder beeindruckenden Zugangstreppe ausgestattete Gotteshaus zu. Eines konnte selbst ein Elf nicht bestreiten, Ambassador war eine prachtvolle Stadt. Der gesamte Ort bestand aus weiß getünchten Lehmbauten und gut befestigten Straßen. Jedes Gebäude war prachtvoll gestaltet und hoch gebaut.

Nicht wenige besaßen bis zu vier Stockwerke. Die Straßen waren peinlich sauber gehalten. Überall herrschte reges Treiben. Leider befanden sich auch sehr viele Soldaten in der Stadt. Ihre in weiß und gold gehaltenen Rüstungen erstrahlten in der Mittagssonne. Evelyna zählte nach kurzem Rundumblick mehr als zwanzig Mann in unmittelbarer Nähe. Also bestand auch hier keine Aussicht zur Flucht. Zumindest nicht in ihrer derzeitigen Verfassung. Diese dreimal verfluchte Verwundung brachte sie doch am Ende tatsächlich noch an den Galgen. Barlowe erreichte inzwischen den Fuß der Treppe. Bedächtig stieg er von

seinem Pferd und brachte sich irgendeinem soldatischen Ritual entsprechend in Positur. Seine Hände gegen die Hüften gepresst, begann er mit dunkler Baritonstimme zu rufen. »Ich, Sir Crane Arthur Barlowe, ehemaliger Ritter der göttlichen Trinität, bitte den diensthabenden Tempelvorsteher um einen Moment seiner Zeit.« Scheinbar hatte dieser nur darauf gewartet derart angesprochen zu werden, denn ohne besondere Verzögerung trat er zwischen den Säulen hervor. Es handelte sich um einen greisen Mann mit langem grauen Haar und einem gepflegten Bart in der gleichen Farbe. Trotz seines

sichtlich hohen Alters zeigte sein Körper noch Reste der Kraft die ihm an besseren Tagen zu Eigen gewesen sein musste. »Und ich, Großpriester Silas al Kilkenny gewähre diese Bitte! Was ist dein Begehr, Verstoßener?« Ehemaliger Ritter? Verstoßener? Was hat das zu bedeuten? Evelyna glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Was waren das denn plötzlich für Klänge? Neugierig hob sie den Kopf. Dieser verfluchte Scheißkerl! Crane zeigte äußerlich keine erkennbare Reaktion auf die Worte des Geistlichen. Mit unverändert fester Stimme

beantwortete er die Frage. »Ich führe die steckbrieflich gesuchte Schwarzelfe Evelyna Snaps, auch bekannt als Panthra oder Evil-Lynn der heiligen Gerichtsbarkeit von Ambassador zu. Sie wird in allen bekannten zivilisierten Reichen gesucht und gilt bereits in Mehreren als überführt und abgeurteilt. Die Liste ihrer unzähligen Straftaten ist ebenso lang, wie erschütternd. Mit der Bitte um Rehabilitation übergebe ich Euch damit eine der meistgesuchten Verbrecherinnen östlich der Nebelzinnen. Nehmt ihre Auslieferung als Zeichen meiner Demut.« Barlowe kniete nieder und senkte sein Haupt. »Ich verlange nichts von Euch,

Großpriester. Nichts weiter, als die Chance dem Orden erneut meinen Wert beweisen zu dürfen! Weist mir einen Weg, dem ich folgen kann!« Der angesprochene Tempelvorstand blickte unbewegt, aber mit düsterer Miene zu den beiden hinab. »Nicht wir haben darüber zu entscheiden! Die Götter selbst haben dich verstoßen, Crane Barlowe! Sie wandten sich aufgrund eines unverzeihlichen Frevels von dir ab und sie taten Recht damit. Sie sind es, die du um Vergebung anflehen solltest. Geh, Verstoßener! Verschwinde von hier! Du weißt, dass es dir verboten ist herzukommen! Ambassador heißt nur jene willkommen, auf die der Blick der

Götter mit Wohlwollen fällt. Wir wollen deine Gefangene nicht und wir wollen dich nicht! Auch kann ich dir keinen Weg weisen, denn dein Schicksal ist nicht länger mit dem Orden verknüpft! Geh in Schande und kehre nicht wieder hierher zurück.« »Sir Kilkenny, ich…« »Kein Wort mehr! Hinfort! Mögest du in den Augen der Drei irgendwann die Gnade finden, nach der es dir verlangt! Hier aber, wirst du sie sicher nicht erlangen!« Der Alte wandte sich ab und verschwand wieder im Inneren des riesigen Tempels. Barlowe stand am Fuß der hohen Steintreppe und blickte ihm fassungslos

hinterher. Evelyna konnte sich ein kleines triumphierendes Grinsen nicht verkneifen. Wie es schien, trat sie heute wohl doch noch nicht vor ihren Richter. 6. Das Unwetter war mit überraschender Wucht über das Land hereingebrochen. Grell leuchtende Blitze zuckten am Horizont und erhellten für wenige Augenblicke das Dunkel der Nacht. Ohrenbetäubende Donnerschläge folgten ihnen nach und übertönten dabei das Tosen des strömenden Regens mit Leichtigkeit. Das improvisierte Feldlager der Orks stand an einigen

Stellen schon halb unter Wasser und noch immer hatte der Sturm nicht an Kraft verloren. Viele der Wege zwischen den Mannschaftszelten waren vollkommen aufgeweicht und nahezu unpassierbar. Hoffnungslos überfüllte Pfützen erbrachen ihren lehmigen Inhalt, der sich sofort in kleinen Sturzbächen in die karge Landschaft verteilte. Der einzige Vorteil, den das Unwetter hervorbrachte, war das Fehlen des für solche Lager üblichen Gestanks. Die Wassermassen hatten den größten Teil des Unrats in den Zeltgassen einfach fortgespült. Da Frigore sowieso schon vollkommen durchnässt war, erfüllte ihn der letzte Umstand fast mit so etwas wie

Dankbarkeit. Orks waren nicht gerade für ihre Reinlichkeit und Körperhygiene bekannt. Im Gegenteil, sie fabrizierten Gerüche, für die sie selbst in der eigenen Sprache keine rechten Worte fanden. Der Vampir stand bereits vor dem vierten Zelt, das er in dieser Nacht aufsuchte. Er war diesem Ragnar dicht auf den Fersen. Allen Ergebnissen seiner bisherigen Nachforschungen zur Folge, hatte sich der Ork noch vor kurzem irgendwo in diesem Lager herumgetrieben. Die Quellen des Blutsaugers sprachen unabhängig voneinander von weniger als vierzehn Tagen. Irgendjemand hier, musste mehr

wissen. Frigore drückte die nasse Eingangsplane zur Seite und trat ein. Im Inneren des klammen Unterschlupfes befanden sich sechs bullige Orkkrieger. Verblüfft starrten sie den unverhofften Eindringling an. Sie hatten wegen des Regens nicht mit einem Besucher gerechnet, erst recht nicht mit einem derart bleichen Menschling. Einer der Grünhäute blies abfällig Luft durch seine breiten Nasenflügel. Wie selbstverständlich griff er nach seiner schweren Axt. »Keine Ahnung was dich zu dieser Dummheit bewogen hat, Menschlein. Aber es ist dein letzter Fehler, versprochen!« Die Worte waren in der Sprache der Orks

gehalten und fielen bei dem Rest der kleinen Gruppe auf offene Zustimmung. Nickend und brummend pflichteten die anderem ihrem Wortführer bei. Frigore hob gelassen die Hand. »Immer mit der Ruhe! Ich bin weder ein Mensch, noch bin ich hier um zu streiten. Ich bin ein Vampir aus dem Süden und ich Suche jemandem. Wenn ihr mir helft, werde ich mich erkenntlich zeigen und niemand von euch wird sterben müssen.« Die Sechs tauschten eingeschüchterte Blicke aus. Orks waren riesige muskelbepackte Kampfmaschinen, die sich vor fast nichts fürchten mussten. Wie das Wort fast aber bereits ausdrückt,

gab es einige wenige Ausnahmen. Ganz oben auf dieser kurzen Liste standen die Vampire. Vor langer Zeit einmal hatte eine riesige orkische Streitmacht versucht Barkovia, das Heimatland der untoten Blutsauger zu überrennen. Eine erschreckend kurze Zeit später kämpfte das komplette Orkenreich ums nackte Überleben. Seit dieser Zeit waren Vampire für jede Grünhaut der Inbegriff des absoluten Schreckens. So war es auch hier. Der Wortführer sah betreten zu Boden. »Verzeiht Herr, wir haben Euch verwechselt. Womit können wir Euch dienlich

sein?« Feiglinge! Frigore lächelte böse, war aber durchaus froh darüber, dass ihm keiner der Anwesenden Schwierigkeiten machen wollte. So demütig reagierten längst nicht alle Orks. Und sie waren einem Untoten auch nicht so unterlegen, wie sie annahmen. Sechs Grünhäute im plötzlichen Blutrausch war auch für einen Vampir ein ernstzunehmendes Problem. Aber das mussten die Krieger hier im Zelt ja nicht unbedingt wissen. »Ich suche einen Ork namens Ragnar. Sehr groß soll er sein, ein guter Hordenführer. Irgendjemand oder irgendetwas hat ihm vor Jahren einmal

die halbe Visage weggehackt. Er muss also ein verflucht hässlicher Bastard sein. Denkt nach Freunde, wenn mir einer von euch einen brauchbaren Tipp geben kann, würde ich es mir ganze zehn Silbertriaden kosten lassen.« Die Frage traf auf ratlos dreinblickende Gesichter. Jeder der Orks hätte die Belohnung nur allzu gerne eingestrichen, aber niemand wusste eine Antwort. Plötzlich erklang eine Stimme aus einer der hinteren Ecken des Zeltes. Es war ein sehr alter Krieger, der offensichtlich stark unter der Feuchtigkeit im Zelt zu leiden hatte. »Ragnar, ja! Ragnar Schädelspalte, nicht? Ich kenne den Mann! Wirklich

hässlich! Unerträgliches Großmaul! Trägt stets einen äußerst seltsamen Dolch bei sich. Die Klinge lang, dünn und so schwarz wie das Herz dieses Hurensohnes!« Es fiel Frigore schwer, sich seine Freude nicht anmerken zu lassen. Volltreffer! Endlich! »Ja genau! Das ist der Mann! Wo ist er?« »Ich habe ihn vor weniger als einer Woche etwas weiter im Westen gesehen. Er war auf der Suche nach kampferprobten Männern, die bereit wären ihm in die Brandmarschen zu folgen.« »Und? Ist er fündig geworden?« Der Alte stieß einen Laut aus, der wie

eine Mischung aus Kichern und einem Hustenanfall klang. »Natürlich nicht! Niemand, nicht einmal die besten Krieger und mutigsten Abenteurer wagen sich in die Verlorenen Lande. Ein Ausflug dorthin ist keine Frage der Tapferkeit! Niemand erntet Ruhm, wenn er mit heraushängenden Innereien an einen Baum gespießt wurde. Nein, Herr Vampir, er wurde nicht fündig!« Ein heftiges Kopfschütteln folgte. »Stattdessen wurde einer der Warlords auf ihn aufmerksam. Ehe Ragnar wusste wie ihm geschah, war er zwangsrekrutiert und auf dem Weg nach Wehranger.« »Wehranger? Diese Menschenstadt? Ich

war noch nie dort, aber sie soll angeblich uneinnehmbar sein? Wozu also…? Moment, ihr wollt sie doch nicht ernsthaft angreifen?« »Doch, Herr! Sie liegt etwa fünf bis sechs Tagesreisen von hier entfernt. Der Großteil unserer Streitmacht dürfte sie bald erreichen und dann gibt es kein zurück mehr. Ich fürchte, wenn es Ragnar nicht gelungen ist, sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen, dann ist er bald nicht mehr am Leben. Wehranger ist eine gewaltige Festung. Die einzige Grenzstadt, die noch nie durch ein Orkheer erobert werden konnte. Und bei Groll!«, er lachte meckernd. »Es ist nicht so, als ob wir es

nicht schon dutzende Male versucht hätten!« »Das ist doch verrückt! Warum sollte es dann jemand erneut wagen?« »Es heißt, es gäbe einen neuen Anführer! Ein geheimnisvoller General über den niemand wirklich etwas weiß. Vielleicht gelingt ihm, woran all die anderen Scheiterten? Wenn dem so ist, im Falle eines Sieges also, wäre der Ruhm unvergleichlich. Außerdem hätten die Menschen mindestens genauso viel Mühe sich die Festung wieder zurückzuholen. Wir Orks besäßen für alle Zeiten einen uneinnehmbaren Brückenkopf weit hinter den feindlichen Linien. Das würde den Verlauf der

Grenzen, was sag ich, des ganzen Krieges, nachhaltig verändern. Was für ein Triumph!« Ein bellender Hustenanfall ließ den Alten verstummen. »Verstehe!« Frigore warf ihm die versprochene Belohnung hin. Nicht das der greise Ork sie noch würde ausgeben können. Den rasselnden Geräuschen aus seiner Brust nach zu urteilen, stand er kurz vor einer schweren Lungenentzündung. Und die war unter den gegebenen Umständen auch für Grünhäute tödlich. »Ich danke dir, mein Alter!«, sagte der Vampir noch, dann begab er sich wieder nach draußen in den strömenden Regen. Zum ersten Mal seit das Unwetter

losgebrochen war, betrachtete er es mit einem gewissen Wohlwollen. Solange es derart regnete, konnte die tollwütige Meute nicht über Wehranger herfallen und sich abschlachten lassen. Niemals würden die Menschen diese Stadt aufgeben, die Folgen wären viel zu gravierend. Nein, dieser Angriff glich einem groß angelegten Suizidkommando. Frigore musste sich beeilen. Mit etwas Glück hielt das Unwetter weiter an und er erreicht das Kriegslager der grünhäutigen Streitkräfte noch vor dieser dummdreisten Attacke.

7. »Der ruhmreiche Paladin in seiner glänzenden Rüstung! Pah! Du Scheißkerl hast mich die ganze Zeit über angelogen!« Evelyna war außer sich vor Zorn und Enttäuschung. Zum wiederholten Mal schnitt sie dieses Thema nun an. Bisher jedoch, ohne auch nur ein einziges Wort der Erwiderung zu erhalten. Barlowe schwieg seit einer kleinen Ewigkeit stoisch vor sich hin. »Von wegen der Gerechtigkeit überführen! Du hast mich nur vor den Richter gezerrt, weil du selbst jede

Menge Dreck am Stecken hast. Du wolltest meinen Kopf opfern, um deinen eigenen aus der Schlinge zu ziehen! Ein toller Paladin bist du! Mistsack!« Barlowe ritt neben der gefesselten Elfe und sagte noch immer nichts. Mit vollkommen ausdrucksloser Miene saß er auf dem Rücken seines Pferdes und starrte stur nach vorne. Das hielt Evelyna jedoch nicht davon ab weiter vor sich hin zu schimpfen. »Und was ist jetzt? Deine Leute wollten mich nicht. Aus deinem Dienst als Paladin wurdest du entlassen und ich habe nichts getan, was dich in irgendeiner Weise persönlich betreffen würde. Du könntest mich genauso gut

auch endlich frei lassen, verdammt. Ich kann doch nicht bis ans Ende aller Tage gefesselt neben dir her rennen. Oh, und wo wir gerade darüber reden. Du reitest direkt auf die Glutsümpfe zu. Kein sehr gastfreundlicher Ort, wenn du mich fragst!« Sie verdrehte die Augen als sie feststellen musste, dass sie noch immer ignoriert wurde. So kam sie nicht weiter. Wesentlich versöhnlicher fuhr sie daher fort. »Im Ernst, Crane. Wir müssen umkehren!« Zum ersten Mal seit ihrem Besuch in Ambassador zügelte der Paladin sein Pferd und hielt an. Nachdenklich sah er zu der Schwarzelfe hinunter. »Du hast

Recht, Lynn! So geht es tatsächlich nicht weiter. Wir werden verfolgt, weißt du? Dich der Gerichtsbarkeit meines Ordens auszuliefern war die einzige Chance meinen angeschlagenen Ruf wieder herzustellen. Das es nicht geklappt hat, ist tragisch. Nicht nur, weil ich wohl niemals wieder ein Krieger im Namen der Drei sein werde, sondern auch deshalb, weil die Meinen nun gezwungen sind mich zu töten. Ein gefallener Paladin ist eine Beleidigung für die Götter und darf nicht existieren. Wenn ich es irgendwie schaffen will meine Unschuld zu beweisen, muss ich Abstand zu unseren Verfolgern

gewinnen.« »Dann lass mich gehen!« »Das werde ich, denn du hältst mich nur auf. Allerdings solltest du noch ein paar Dinge wissen, Evelyna. Die Templer die uns verfolgen sind auch auf der Suche nach dir. Immerhin bist du nicht nur eine gesuchter Verbrecherin, sondern auch ein ungewollter Mitwisser. Du hast Kenntnis von einem verstoßenen Gotteskrieger. Das ist nicht tragbar, denn Paladine müssen unter allen Umständen die unfehlbaren Helden bleiben, die jedermann in ihnen sieht!« Evelyna zuckte mit den Achseln. »Wenn es ist wie du sagst, warum haben sie uns nicht gleich in der Stadt

umgebracht?« »Aus dem gleichen Grund warum sie dich nicht direkt verhaftet haben. Weil es übermäßiges Aufsehen erregt und Fragen aufgeworfen hätte. Hier draußen aber, sieht niemand wie sie uns richten!«, antwortete Crane und sah sich um. Obwohl er wusste, dass er dort noch nichts entdecken würde, suchte er den Horizont nach verräterischen Zeichen ab. »Gut! Gib mir meine Sachen, löse meine Fesseln und lass mich gehen. Ich komme schon klar.« Die Schwarzelfe streckte Barlowe ihre gebundenen Hände entgegen. »Na los!« Der verstoßene Paladin sah zu seiner Gefangenen hinunter. Mitleid lag in

seinen Augen. »Als ich dich fand warst du schwer verwundet und obendrein gefesselt. Man hatte dir deine Sachen genommen und dir stand eine düstere Zukunft bevor.« »Ja, ja! Schlimme Zeiten! Ist alles richtig. Danke, danke, danke! So, und nun mach mich los.« »Du verstehst nicht! Man mag mich verstoßen haben, aber ich fühle mich noch immer an die Gesetze meines Ordens gebunden. Wenn ich dich also gehen lasse, dann nur unter den gleichen Voraussetzungen wie an dem Tag an dem wir uns kennen gelernt haben.« Evelyna glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. »Wie bitte? Was…? Was soll das

heißen?« »Das bedeutet, dass ich dich so zurücklassen werde, wie du jetzt bist.« Crane begann aus dem heiligen Buch, dem Codex-Trideus zu zitieren. »Viertes Buch, Dritter Satz des sittsamen Ehrenmannes: Wer einen Verbrecher wissentlich beherbergt, begünstigt oder unterstützt, egal in welcher Form, soll in den Augen der Götter keine Gnade finden!« Die gefesselte Schwarzelfe sah die Situation da wesentlich pragmatischer. »Lass dieses hochtrabende Gequatsche! Du blöder Arsch stiehlst mir meine Sachen und besitzt dann noch die Frechheit dich hinter deinen Göttern zu

verstecken! So sieht’s doch aus! Ich fasse es nicht, ein Paladin der eine hilflose Gefangene beraubt. Wie gottgefällig ist das denn bitte?« Evelyna war derart erbost, dass sie kaum noch klar sprechen konnte. »Elendes Schwein!« »Ich werde die Dinge selbstverständlich verkaufen und den Erlös an Bedürftige spenden. Sei froh, dass ich nicht auch deine Verletzungen in den ursprünglichen Zustand zurückversetze!« »Was? Du machst dich über mich lustig, richtig? Das… das kann nicht dein Ernst sein?« »Die Gesetze der Götter zwingen mich

dazu! Aber ich will kein Unmensch sein und dir einen Rat geben. Flieh in die Sümpfe! Nur so kannst du den Tempelrittern entkommen. Wenn du dort angelangt bist, halte dich südöstlich. In kaum mehr als vierzig Meilen Entfernung liegt eine kleine Siedlung Namens Torfing. Wenn du es bis dorthin schaffst, bist du gerettet!« Evelyna schüttelte den Kopf in kurzen ruckartigen Bewegungen, die Augen hielt sie dabei aus Wut geschlossen. »Mach das nicht, Crane! Ich bitte dich in deinem eigenen Interesse, mach das nicht!« »Tut mir leid, ich habe keine Wahl! Viel Glück!« Barlowe gab dem Pferd die

Sporen und galoppierte davon, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzudrehen. Es kostete die Schwarzelfe viel Zeit, sich von ihren Fesseln zu befreien. Kaum war es ihr endlich gelungen, da erkannte sie auch schon die lang befürchtete Staubwolke am Horizont. Die Tempelritter kamen also tatsächlich. Sogar in sehr großer Zahl wie es schien. Evelyna sah sich gehetzt um. Hier draußen in der Steppe war sie ein leichtes Ziel und selbst auf große Entfernung gut zu erkennen. So sehr sie diesen Mistkerl auch hasste, Crane hatte Recht mit dem was er sagte. Wenn sie überleben wollte, musste sie zusehen,

dass sie in den Sumpf kam. Es gab zwar kaum eine lebensfeindlichere Umgebung als diese, aber alles war besser, als einer Horde wahnsinniger Gottesfanatiker in die Hände zu fallen. Wenn sie die Entfernung richtig einschätzte, dann waren es noch gute zwei Meilen bis zu den ersten Ausläufern des Moores. Die Reiter hingegen waren noch knapp eine halbe Wegstunde entfernt. Wenn sie sich beeilte, war sie im Dickicht verschwunden bevor ihre Häscher sie entdecken konnten. Ohne weiter zu überlegen, rannte Evelyna los. Wie sie selbst mehrfach erwähnt hatte, Schwarzelfen waren schnell. Sie

erreichte den Rand des Sumpflandes lange bevor die Reiter in Reichweite waren. Ihre übereilte Flucht hatte aber nicht nur positive Effekte. Durch die übermäßige Belastung während des Sprintes riss leider auch die eben erst verheilte Wunde an ihrer Taille wieder auf. Die Elfe fluchte laut als sie das hervorquellende Blut entdeckte. Damit zahlte sie für ihre Flucht einen hohen und vor allem schmerzhaften Preis. »Menschen, pah! Elende, mit widerwärtig runden Ohren gestrafte Affenbrut! Stinkendes Mörderpack!«, schimpfte Evelyna zornig. Dann machte sie sich daran, die Glutsümpfe in

südöstlicher Richtung zu durchqueren. Was sonst blieb ihr übrig? Missmutig kickte sie ein loses Büschel Gras vor sich her. »Kaum mehr als vierzig Meilen bis zur nächsten Ortschaft, dass ich nicht lache! Ganz einfach! Ja klar. Aber nur, wenn man ein verkackter Vogel ist und fliegen kann.« Alle anderen Wesen mussten sich mühsam durch die lebensfeindlichste Umgebung kämpfen, die man sich überhaupt vorstellen konnte. Nicht zu vergessen, dass man die ganze Zeit über durch stinkendes Brackwasser watete und dabei unaufhörlich von gierigen Blutegeln und unzähligen Mückenschwärmen traktiert wurde. Zu

allem Überfluss wechselte urplötzlich die Witterung. Blitze zuckten vom Himmel herab. Donner hallten und strömende, nicht enden wollende Regengüsse nahmen der Elfe jegliche Sicht. Es brauchte nicht lange und sie hatte sich in dem Unwetter hoffungslos verlaufen. Als endlich der Abend hereinbrach, verkroch sich die gebeutelte Elfe unter einem halbwegs gesunden Baum. Sie war nass bis auf die Haut und fror entsetzlich. Nirgendwo gab es trockenes Holz, das sie hätte entzünden können. Aber was regte sie sich auf? Barlowe hatte ihr rein gar nichts gelassen. Keine Nahrung, keine Waffen.

»…nicht einmal ein verfluchtes Zündkästchen!«, schrie sich die Schwarzelfe einmal mehr ihren Zorn von der Seele. Die unzähligen herniederfallenden Tropfen erstickten ihre Worte jedoch schon nach wenigen Metern. Ungehört verhallten sie in der verlassenen Einöde. Missmutig lehnte sich Evelyna gegen den breiten Stamm des Baumes. Er schützte sie zwar nur geringfügig vor dem Regen, aber er hielt wenigstens den kalten Wind von ihr fern. Die Nacht verging, ohne dass sie auch nur eine Minute geschlafen hätte. Auch am folgenden Morgen hatte das

Unwetter nur wenig an Intensität verloren. Trotzdem hatte sich die Elfe wieder auf den Weg gemacht. Mit jeder weiteren Stunde die sie sich in den Sümpfen aufhielt, sanken ihre Überlebenschancen. Daran gab es leider keinen Zweifel. Zu groß war die Gefahr, dass sich eines der hier lebenden Raubtiere auf ihre Fährte setzte. Wenn das geschah, wurde es brenzlig. Evelyna musste hier weg. Dringend! Aber dazu musste sie sich erst einmal neu orientieren. Nur wenn sie einen schnellen Weg aus dieser morastigen Hölle heraus fand und ständig in Bewegung blieb, hatte sie eine Chance zu überleben.

Hinaus finden, tolle Idee! Nur wie? Noch immer war der Himmel von dicken Regenwolken verdeckt. Vielleicht konnte sie sich von einem erhöhten Punkt aus umsehen? Der Sumpf war flach, ein vollkommen ebenes Gelände ohne Hügel und andere nennenswerte Erhebungen. In ihm wuchsen zwar jede Menge Bäume, doch auch die halfen ihr nicht weiter. Es handelte sich bei ihnen meist um knorrige Graubirken, allesamt dünn gewachsen und kaum mehr als zwei bis drei Meter hoch. Zudem waren die meisten krank, verknöchert, abgestorben und so morsch, dass sie einem wagemutigen Kletterer kaum sicheren

Halt boten. Nein, wenn es auf diese Weise versuchte, würde sie sich bestenfalls den Hals brechen.

Fortsetzung...

Die Schwarzelfe behalf sich in ihrer Not mit einem anderen Trick, einem den sich ihre Leute in ihrem Exil im Norden hatten einfallen lassen. Nach ihrer Vertreibung in die dicht bewachsenen Rauchara Wälder war den Schwarzelfen recht schnell aufgefallen, dass die Bäume dieser Waldgegend stets auf ein und derselben Seite eine leicht gräuliche Verfärbung aufwiesen. Ein anscheinend natürlich entstandener Effekt, der durch dauerhaft abregnende Asche erzeugt wurde. Offensichtlich blies der Wind die dichten Rauchwolken der unzähligen Vulkane inmitten des

Nebelzinnengebirges so regelmäßig in diese Gegend, dass sich ein dauerhafter Aschefilm bildete, der im Laufe der Zeit mit den Pflanzen verwuchs und so einen deutlichen Hinweis auf die Himmelsrichtung entstehen ließ. Im Falle der Rauchara Wälder bedeutete dies, dass die Verfärbung ziemlich genau nach Südwesten zeigte. Sich auf diese Art und Weise zu behelfen war sicherlich nicht annähernd so elegant wie einen Kompass zur Hilfe zu nehmen oder die Orientierung über Sternenbilder und den Sonnenverlauf zu versuchen, aber es war eine nützliche Hilfe wenn das Wetter schlecht war und einem keine anderen Möglichkeiten

blieben. Evelyna wusste natürlich nicht, ob es sich in dieser Gegend ähnlich verhielt. Da sie aber sonst keine Chance sah auf den rechten Weg zurückzukommen, entschloss sie sich, die gleiche Regel einfach auch hier anzuwenden. Nur eben, dass sie die gräulichen Ascheverfärbungen ihrer Zwangsheimat durch verstärkten Moosbewuchs ersetzte. Trotz dieser neuen Strategie kam sie nach wie vor nur sehr langsam voran. Immer wieder stieß sie auf unpassierbare Wasserflächen unter denen der Boden derartig morastig war, dass ein unachtsamer Wanderer in wenigen Minuten komplett darin

versunken wäre. Irgendwann nach Mittag ließ der Regen dann endlich nach und das Wetter besserte sich zusehends. Die Wolkendecke riss zwar noch immer nicht auf aber es wurde sofort spürbar wärmer. Nebelschwaden stiegen aus der Erde empor und sorgten dafür, dass die Sichtverhältnisse sich sogar noch verschlechterten. Evelyna gestand sich resignierend ein, dass sich ihre Lage trotz des eigentlich positiven Wetterumschwunges kaum gebessert hatte. Noch ein Wort zu den Vulkanen und ihren Einfluss auf die sie umringenden Gebiete. Die Glutsümpfe, wie auch die

Brandmarschen weiter im Westen, besitzen ihren Namen nicht ohne Grund. Beide Gebiete liegen in unmittelbarer Nähe zu einem sehr weitläufigen Gebirgszug den man auf dem gesamten Kontinent unter der Bezeichnung Nebelzinnen kennt. Dieses mit gigantischen Bergspitzen gesäumte Gebiet ist neben seiner imposanten Größe auch für seine auffällig starken Vulkanaktivitäten bekannt. Heiße Lavaströme durchziehen von hier aus die umliegenden Gegenden, erhitzen Flüsse, Seen und Marschen in unnatürlicher Weise und lassen so ganze Landstriche unbewohnbar werden. Wie feuer- und schwefelspeiende

Riesenschlangen winden sich dutzende glutrote Lavaströme durch das Land, bis sie irgendwann auf unerfindliche Weise wieder im Inneren der Erde zu verschwinden scheinen. Warum diese Feuerflüsse auf ihrem weiten Weg durch das Land nicht irgendwann erkalten ist ein Rätsel, das bis heute niemand ergründen konnte. Wissenschaftler und Fachleute aller intelligenten humanoiden Völker gehen jedoch davon aus, dass der Grund dafür mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Verfluchten Landen zu suchen ist. Mit fatalen Auswirkungen für die Natur. Im Falle der Glutsümpfe zum Beispiel, führen die nahen Lavaströme dazu, dass

der stark durchnässte Boden dauerhaft erwärmt wird, was nicht nur das Pflanzenwachstum extrem verstärkt, sondern auch dazu führt, dass das gesamte Areal stetig, besonders stark aber nach Regengüssen, mit unheimlichen Nebelschwaden überzogen wird. Zu allem Überfluss beschlich die Elfe irgendwann das ungute Gefühl, dass sie mit ihrer Art die Richtung zu bestimmen ziemlich daneben lag. Trotzdem hielt sie fürs Erste daran fest. Immerhin ging sie so in einer halbwegs gleichbleibenden Richtung und nicht versehentlich im Kreis herum. Ein schlechter Weg war

schließlich immer noch besser als gar keiner. So verging schließlich auch dieser Tag, ohne dass Evelyna irgendeinen nennenswerten Erfolg vorzuweisen hätte. Stundenlang hatte sie sich durch den morastigen Boden des Sumpfes gekämpft und sich immer tiefer in dem Gelände verstrickt. Mittlerweile hätte sie sogar einiges darum gegeben, alleine gegen eine Übermacht aus schwer bewaffneten Tempelrittern antreten zu dürfen. Alles war besser, als dieses widerwärtig feuchte Loch aus unheimlichen Nebelschwaden, modrig stinkenden Wasserlöchern und abgestorbenen Baumresten. Beängstigend

schnell näherte sich die Sonne dem Horizont. Evelyna hatte es längst aufgegeben den Sumpf verlassen zu wollen, alles wonach sie derzeit suchte, war ein einigermaßen trockenes Plätzchen an dem sie es sich für die Nacht gemütlich machen konnte. Wenn man an einem Ort wie diesem überhaupt von Dingen wie Gemütlichkeit reden konnte. Sie seufzte herzerweichend. Plötzlich vernahm die Schwarzelfe Stimmen. Sie verstand die Worte nicht, dafür war ihr Ursprung viel zu weit entfernt, aber sie konnte heraushören, dass es sich um eine größere Gruppe handeln musste. Der Art wie sie sprachen

nach zu urteilen, waren es Menschen. Sicher aber, war sich die Elfe da nicht. Egal! Wenn sich eine Gruppe Humanoider hierher verirrte, dann gab es irgendwo in der Nähe einen befestigten Weg. Vielleicht sogar eine kleinere Ortschaft? Evelynas Herz schlug einen Purzelbaum vor Freude. Selbst wenn es sich bei der Gruppe nur um gewalttätige Orks oder gemeine Raubmörder handeln sollte, alles war besser als mit Nichts in Händen durch diese fürchterliche Einöde zu irren. Evelyna würde mit jeder Gruppe fertig werden, egal ob Freund oder Feind. Und sie würde nach diesem Zusammentreffen auf jeden Fall besser dastehen, als jetzt.

Erfüllt von neuen Kräften und einem innerlich brennenden Feuer aus Hoffnung und Tatendrang machte sie sich auf, den Stimmen zu folgen. Bestimmt hatten die Leute etwas zu Essen dabei, eventuell sogar Waffen, Zündkästchen und ja, mit ganz viel Glück auch ein paar Flaschen Wein. Die Schwarzelfe musste lächeln, endlich hatte sie mal wieder etwas Glück. So schnell es die Umstände, ihre Erschöpfung und ihre erneut blutende Wunde es erlaubten, hetzte die Schwarzelfe den fernen Stimmen hinterher. Einige Male fürchtete sie, die Gruppe verloren zu haben, aber dann

konnte sie die Richtung aus der die Stimmen kamen, doch wieder bestimmen. Trotzdem schwanden ihre Chancen dahin. Der Nebel lichtete sich zwar, dafür ging jetzt die Sonne unter. Sie hatte bereits den Horizont erreicht und würde bald gänzlich dahinter verschwunden sein. Danach würde Evelyna den Anschluss an die fremden Wanderer höchstwahrscheinlich endgültig verlieren. Verbissen trieb sich die Elfe weiter, sie wollte die Gruppe unbedingt erreichen. Wenn sie wenigstens bis auf Rufweite herankommen konnte. Warum hörten Menschen auch nur so schlecht? Niemals würde sie es sich verzeihen können,

wenn sie hier versagte. Niemals…, in ihrem Fall entwickelte sich das Wort beängstigend schnell zu einer immer überschaubarer werdenden Zeitspanne. Wieso bewegen die sich nur so schnell? Bleibt doch bitte stehen! Es musste an ihrem durch die bisher erlittenen Strapazen geschwächten Körper liegen. Vielleicht auch einfach am Heimvorteil der vor ihr her wandernden Gruppe. Wer an Orten wie diesem lebte, musste sich anpassen wenn er überleben wollte. Man kannte sich aus und fand sich zurecht. Logisch, aber das Schlimmste was Evelyna in ihrer derzeitigen Situation passieren konnte. Die Sonne sank weiterhin gnadenlos

hinab und mit ihr verschwand langsam aber sicher auch die letzte Helligkeit des Tages. Schon jetzt war der noch immer leicht nebelverhangene Sumpf in ein unheimlich fahl wirkendes Zwielicht getaucht. »Weiter, nur weiter!« Evelyna zwang sich verbissen dazu, den Kontakt zu der Gruppe vor sich nicht zu verlieren. Fast schon wäre sie verzweifelt, da geschah der nächste unerwartete Glücksfall. Die Fremden hielten an. So schien es. Plötzlich entflammten mehrere Fackeln und Lichter. Ein gutes Dutzend konnte die Schwarzelfe ausmachen. Glücklicherweise schien es niemand von

den Leuten besonders eilig zu haben, denn ihre Rast dauerte weiter an. Lange genug, dass es der Elfe gelang, sich ihnen bis auf wenige hundert Meter zu nähern. Beinahe hatte sie ihr Ziel erreicht, sie musste doch schon in Rufweite sein, da brach die seltsame Prozession vor ihr plötzlich wieder auf. Nein, nein, nein! Evelyna weigerte sich so kurz vor dem Ziel noch zu verlieren. Während sie weiter durch den Sumpf stapfte, schrie sie aus Leibeskräften. »Halt! Hilfe! Hierher! Bitte wartet doch, ich flehe euch an!« Und tatsächlich, die Gruppe blieb stehen. Die Elfe lief weiter. Ihr fiel ein

Stein vom Herzen. Nah genug, sie haben mich gehört. Nur ein wenig noch! »Danke! Wirklich! Vielen Dank!« Sie war fast heran, als plötzlich der Boden unter ihr nachgab. Nicht schnell, sondern langsam und stetig. Erschrocken begriff die Schwarzelfe, dass sie in eines der Moorlöcher getreten war, die sie die gesamten Zeit vorher so penibel gemieden hatte. Glücklicherweise waren ja die anderen da. »Hallo! Ich habe kurz nicht aufgepasst und versinke im Sumpf. Könnt ihr mir helfen, bitte?«, noch lag keine Angst in Evelynas Stimme. Bisher reichte ihr das Wasser nur knapp bis über die Knie. Zeit

genug für eine Rettungsaktion. »Ich bin hier drüben!«, sie hielt die Arme hoch und winkte um besser gesehen zu werden. »Helft mir bitte! HALLO!!« Und tatsächlich. Erleichtert erkannte Evelyna, dass die Lichter der Fackeln sich in ihre Richtung bewegten. Zwar nur langsam, aber sie hielten auf sie zu. »Danke, dass ihr kommt! Wirklich, danke! Oh Mann!«, sie lächelte kopfschüttelnd. »Wäre ich hier alleine, säße ich jetzt echt in der Patsche, was?« Die Lichter näherten sich ihr weiter. Mittlerweile war es endgültig dunkel geworden. Trotzdem war gut zu erkennen, dass die Gruppe weiter auf sie

zu kam. Plötzlich geschah etwas Seltsames. Die vermeintlichen Retter durchquerten das dicht bewachsene Gestrüpp einer kleinen Insel, ohne auch nur im Mindesten behindert zu werden. Recht nah waren sie nun schon heran, daher war es gut zu erkennen. Dornenbüsche, Grasdickichte und Buschreihen schienen die Fremden in keinster Weise zu beeinträchtigen. Deshalb also bewegten sie sich so schnell. Aber wieso war ihnen Derartiges möglich? Auch als die fremden Wanderer das Hindernis passiert hatten, blieb die Situation seltsam obskur. Ohne in die Wasseroberfläche einzubrechen, glitt die

kleine Gruppe direkt auf sie zu. Sie kam immer näher und eben in dem Augenblick in dem aus konturlosen Schatten eigentlich echte Personen werden müssten, verschwanden sie plötzlich im Nichts. Ihre schemenhaften Umrisse lösten sich einfach auf und nur die Lichter ihrer vermeintlichen Fackeln blieben zurück. Evelyna verstand entsetzt mit was sie es zu tun hatte. Sie war einem arglistigen Betrug aufgesessen. Bei den tanzenden Lichtpunkten handelte es sich gar nicht um lebende Wesen mit Fackeln in den Händen, erst recht nicht um freundliche Retter. Es waren Irrlichter, die sie absichtlich hierher in die Falle gelockt

hatten. Die unverständlichen Stimmen aus der Ferne, die nur undeutlich zu erkennenden Körperumrisse, die lodernden Flammen. Alles nur Lug und Trug! Eine gekonnte Täuschung! Evelyna war einer gemeinen Falle aufgesessen und mit viel Hinterlist zu diesem tödlichen Ort getrieben worden. Kichernd umtanzten sie die etwa faustgroßen Lichtmännchen und ergötzten sich fröhlich hüpfend an ihrem Leid. Die Schwarzelfe kochte vor Wut und schlug einige Male nach den boshaften kleinen Wesen. Leider ohne Erfolg, denn die fiesen Irrwische hielten sich sorgsam aus ihrer Reichweite heraus. Mittlerweile kletterte der Morast

schon ihre Oberschenkel hoch. Sie versank unaufhörlich weiter. Wenn ihr nicht bald etwas einfiel, war es um sie geschehen. Evelyna zwang sich dazu, sich allein auf das vorliegende Problem zu konzentrieren und die gehässig kichernden Irrlichter so gut wie möglich zu ignorieren. Aber es waren nicht nur diese kleinen boshaften Wichte, die ihr das klare Denken erschwerten, auch die langsam aufkeimende Furcht leistete ihren Anteil. Die Schwarzelfe musste nicht lange suchen um zu erkennen, dass es in ihrer unmittelbaren Umgebung kaum hilfreiche Dinge gab, die ihr eine Rettung aus dieser verfahrenen Situation ermöglichen könnten. Das Loch in dem

sie steckte, befand sich mitten in einem flachen Moorsee. Hier gab es außer dreckigem Wasser und unzähligen Stechmücken nichts von nennenswerter Bedeutung. Einzig ein einzelner schmaler Baumstumpf ragte kränklich aus dem Nass hinaus. Er wäre möglicherweise eine Chance, dem sicheren Tod zu entgehen. Leider befand er sich in unerreichbarer Entfernung. Zwei, vielleicht drei Schritte von ihr entfernt. Evelyna spürte, wie die kalte Feuchtigkeit des Moorloches langsam ihre Scham erreichte. Es war ihr äußerst unangenehm, dass ausgerechnet dieser intime Teil des Körpers plötzlich betroffen war. Er markierte eine Grenze,

einen neuen Grad der Bedrohung. Ab jetzt nahm sie die Sache echt persönlich. War Evelyna bis zu diesem Moment noch beunruhigt gewesen, so stieg nun nackte Angst in ihr hoch. Wenn sie in diesem Tempo weiter versank, blieb ihr nicht mehr viel Zeit. Aus reiner Panik geborene Tränen füllten ihre Augen. Ihr Götter! Nein, nicht so! Mühsam, aber entschlossen, kämpfte sie die heiß in ihr hochkochende Furcht nieder und konzentrierte sich auf das Problem in dem sie steckte. Plötzlich hatte sie eine Idee. Sie bot nur eine geringe Aussicht auf Erfolg, aber es war wenigstens etwas, um das sie sich kümmern konnte. Mit einer ärgerlichen

Handbewegung wischte sie einige der immer kühner werdenden Irrwichte aus ihrem Gesichtsfeld, dann begann sie damit, sich auszuziehen. Zuerst der Gürtel, denn er berührte bereits die Wasseroberfläche. Anschließend nahm sie ihre Umhängetasche ab. Sie war leer – dem dreimal verfluchten Paladin sei dank – aber aus gutem Material. Danach zog Evelyna ihren schweren Ledermantel aus, nahm ihr Halstuch ab und trennte sich zu guter Letzt von ihrem Leinenhemd. Sofort begannen die Irrlichter sich kichernd ihrem bloßen Oberkörper zu nähern. Sie machten eindeutig obszöne Zeichen mit ihren kleinen leuchtenden Händchen und

ergötzten sich nun auch noch an der Blöße der halbnackten Elfe. Sie aber wäre wohl nie zu dem Titel Panthra gekommen, wenn sie sich von einem Haufen notgeiler Burschen –und seien sie noch so klein- hätte irritieren lassen. Sie bedachte die schwirrende Bande mit einem vernichtenden Blick der sie tatsächlich ein wenig vor ihr zurückweichen ließ. Na also! Geht doch, ihr verfluchten Bastarde! Das Wasser hatte beinahe ihren Bauchnabel erreicht. Es wurde Zeit, dass sie ihren Plan in die Tat umsetzte. Evelyna griff sich die einzelnen Kleidungsstücke und knotete sie so fest

zusammen wie es ihr nur möglich war. Ihren Gürtel und das Halstuch nutze sie, um dem improvisierten Strick mehr Stabilität zu geben. Der Gurt ihres Tragebeutels sollte als Fangschlaufe dienen, die Tasche selbst als Wurfgewicht. Als die Schwarzelfe mit ihrer Konstruktion fertig war, steckte sie schon bis über die Brust in dem morastigen Sumpfloch. Viel Zeit blieb nicht mehr. Evelyna nahm die Tasche, zielte auf den leicht schräg stehenden Baumstumpf und

warf. Daneben! Nackte Todesangst stieg ihr Rückenmark empor und explodierte heiß in ihrem Kopf. Wenn sie nicht bald Erfolg hatte, würde sie qualvoll ertrinken. Sterben, an diesem dreimal verfluchten Ort. Mit vor Angst und Kälte zitternden Händen zog sie die Tasche zu sich und warf erneut. Wieder daneben! Mittlerweile reichte ihr die Wasseroberfläche schon bis zum Hals. Viel Zeit blieb nun wirklich nicht mehr.

Nicht nur weil Evelyna kurz davor war zu ertrinken, sondern auch, weil es ihr immer schwerer fiel zu zielen. »Bitte, bitte, bitte…!« Erneut stiegen ihr bittere Tränen in die Augen und nahmen ihr fast die Sicht. Wenn sie jetzt nicht traf würde sie im Dreck versinken und jämmerlich verrecken. Das durfte einfach nicht geschehen! Ihr Götter, nein! Endlich klappte es, der dritte Wurf traf. Die Schlaufe der Umhängtasche legte sich sauber über den knapp aus dem Wasser herausragenden Stamm. Vorsichtig begann Evelyna an ihrer behelfsmäßigen Rettungsleine zu ziehen.

Sie hielt ihrem Gewicht stand und rutschte nicht ab. Auch der Baumstumpf schien ihr keinen Strich durch die Rechnung machen zu wollen. Es sah wirklich so aus, als könnte ihr Plan funktionieren. Nur die Irrlichter stießen nun erbost auf die Elfe hinab und zogen ihr wütend an Haaren und Ohren. Nicht das es noch eine Rolle spielte. Evelyna dachte überhaupt nicht daran, diese letzte Chance auf Rettung nur deshalb zu verspielen, weil sie sich von den hilflosen Gemeinheiten einiger zu kurz geratener Wichte irritieren ließ. Mit aller Kraft zog sie sich Stück für Stück aus dem gierig an ihr zerrenden Morast heraus. Es kostete sie

wahnsinnige Anstrengungen. Es schien fast, als weigere sich der Sumpf selbst, seine Beute wieder herzugeben. Letztlich aber gab er widerwillig nach. Der Körper der schlanken Elfe glitt langsam aber stetig wieder an die Oberfläche. Erst als sie etwa zur Hälfte hinaus gekommen war, riss der Trageriemen ihrer Umhängtasche. Sofort zog der Sumpf sein Opfer wieder hinab in die Tiefe. Eine erneute Panikwelle ließ große Mengen Adrenalin in die Adern der Gaunerin schießen. Mittlerweile lag sie mehr, als dass sie stand. Glücklicherweise war das Wasser selbst hier nicht sonderlich tief, daher drohte Evelyna in ihrer gegenwärtigen

Positur nicht zu ertrinken. Immerhin etwas! Gerettet war sie aber auch noch nicht. Da sie nun keinen Halt mehr hatte, an dem sie sich hätte herausziehen können, zog sie ihre zusammengeknoteten Kleider wieder zu sich her, griff beide Enden fest mit den Händen und schwang die Mitte ihrer selbstgebauten Rettungsleine über den Stumpf. Glücklicherweise hatte sie sich bereits soweit nach vorne und hinaus gearbeitet, dass sie dafür nahe genug heran war. Dieses Mal erreichte sie ihr Ziel bereits mit dem ersten Versuch. Erleichtert begann die Elfe wieder damit, sich aus ihrer Falle zu befreien. Und tatsächlich, nach einer weiteren

kleinen Ewigkeit voller Anstrengung und boshafter aber glücklicherweise fast wirkungsloser Irrlichtattacken kam Evelyna endlich frei. Vollkommen erschöpft kroch, schwamm und robbte sie sich liegend über den nachgiebigen Boden hinweg ans rettende Ufer. Endlich gaben auch die Irrwichte auf. Sie riefen der Elfe noch einige wahrlich boshafte Schimpfwörter zu und verschwanden dann, um sich ein anderes Opfer zu suchen. Auf einer kleinen Erhöhung die aus dem flachen See herausragte, begann Evelyna damit sich allen Widrigkeiten zum Trotz ein Feuer zu entfachen. Endlich zeigten die Götter mal etwas Gnade. Auf der

kleinen Insel gab es Holz und es war dank einiger sehr eng zusammenstehender Sträucher sogar größtenteils trocken. Anscheinend gehörte es zu dem abgeknickten Baum, dessen Stumpf ihr eben erst so geduldig aus dem Morast geholfen hatte. Wie es schien, war sie ihm damit schon zum zweiten Mal zu Dank verpflichtet. Nach Tradition der Schwarzelfen vergalt Evelyna ihm seine Hilfe mit einem stillen Gebet. Wenn ihr Glück jetzt noch ein klein wenig länger anhielt, reichte das Holz vielleicht sogar die ganze Nacht. Zeit genug auf jeden Fall, um ihre vollkommen durchnässten Kleider zu

trocknen. Jetzt fehlte nur noch etwas zu Essen. Ganz egal was! Der Schwarzelfe lief sofort das Wasser im Mund zusammen. Sie hatte schrecklichen Hunger. Aber eins nach dem anderen. Zuerst musste sie ein Feuer entfachen. Evelyna nahm ihr ledernes Halsband ab und befestigte es wie bei einem Bogen an einem biegsamen Weidenstock. Dann schlang sie es um einen weiteren geraden Ast dessen Spitze sie auf ein größeres Stück Rinde presste. Diese hatte sie sorgsam mit etlichen gut brennbaren Materialen wie trockenen Holzfasern und feinen Reisigspänen ausgelegt. Durch ein schnelles und vor allem gleichmäßiges hin- und

herbewegen dieser Konstruktion, erhitzte das weiche Holz und würde –so die Götter ein einsehen hatten- schon bald die bereitgelegten Späne entzünden. Leichter gesagt als getan. Mitternacht war bereits lange vorbei, als sich endlich ein wenig Glut bildete und den bereitgelegten Haufen entflammte. Danach ging alles ganz einfach und schnell. Wenige Minuten später brannte ein herrliches Lagerfeuer, spendete Licht und Wärme und hielt die unzähligen Mücken fern. Evelyna entknotete ihre Kleidung, säuberte sie, wrang sie aus und hing sie dann über einige nahe Büsche und Sträucher damit sie trocknen konnten. Anschließend warf

sie noch einige der dickeren Äste nach und kümmerte sich endlich um ihre schmerzende Wunde. Sorgfältig wusch sie die verletzte Stelle aus und Verband sie danach so sorgfältig wie sie nur konnte. Nichts wäre in ihrer jetzigen Situation schlimmer als eine neuerliche Entzündung oder gar eine Besiedlung durch schmarotzende Insekten. Evelyna erschauerte und verdrängte den Gedanken. Dann legte sie sich nahe der Flammen zur Ruhe. Relativ zufrieden mit sich und ihrer bisherigen Leistung blickte die Gaunerin auf dem Rücken liegend in den Himmel empor. Erfreut stellte sie fest, dass die Wolkendecke mittlerweile aufgerissen war und einen

Blick auf den nächtlichen Himmel freigab. Evelyna brauchte keine zehn Sekunden um anhand der Sternenbilder die Himmelsrichtungen zu bestimmen. Jetzt wusste sie sogar wieder wohin sie als nächstes zu gehen hatte. Ihre Situation besserte sich zusehends. Sie war kaum eingeschlafen, da ließ sie ein leises Geräusch aufschrecken. Irgendetwas näherte sich kaum hörbar ihrem Lager. Die zierliche Schwarzelfe befand sich inmitten der Glutsümpfe, einem Ort der vor blutrünstigen Bestien und abscheulichen Ungeheuern nur so wimmelte, trotzdem konnte die Elfe nur an eines denken. Essen!

Was immer da draußen auch herumschlich, Evelyna war sicher, dass sie ihren Hunger daran stillen konnte. Grummelnd stimmte ihr Magen zu. Kein Risiko war zu groß, wenn nur etwas Essbares dabei raus sprang. Besonders jetzt, wo sie gerade ein Feuer entzündet hatte. Vollkommen lautlos erhob sich die Schwarzelfe. Langsam und bedächtig. Ihre langgezogenen Spitzohren horchten auf weitere verräterische Geräusche. Wieder raschelte etwas. Es befand sich am Ostufer der kleinen Insel und schien nicht sehr groß zu sein. Gut so! Sie schlich weiter. Dank ihrer extrem

dunklen Erscheinung war die unbekleidete Schwarzelfe in der Nacht so gut wie unsichtbar. Darüber hinaus nutzte sie die Helligkeit des Lagerfeuers so geschickt zu ihrem Vorteil, dass ihre vermeintlichen Jäger bei jedem Blick in ihre Richtung durch das Licht der Flammen geblendet wurden. Vorsichtig schlich sie weiter. Dann erkannte sie, womit sie es zu tun hatte. Vier Sumpfratten hatten den flackernden Schein der Flammen erblickt und sich leichte Beute ausgerechnet. Die etwa hundgroßen Tiere hatten keine Angst vor Feuer, agierten immer in kleinen Gruppen und waren für ihre Klugheit so berühmt, wie für ihre messerscharfen

Vorderzähne. Es nutzte nichts. Evelyna war hungrig wie selten zuvor in ihrem Leben und die vier Leckerbissen da vor ihr, würden sogar gleich für mehrere Tage reichen. Dazu aber musste es der Elfe erst einmal gelingen sie zu töten. Leider gab es weder Steine noch ausreichend handliche Knüppel in ihrer Nähe. Absolut nichts, was eine brauchbare Waffe abgegeben hätte. Leider! Es blieb Evelyna nichts anderes übrig, als die vier Nager mit bloßen Händen zu erlegen. Nur wie? Einmal mehr stand sie vor einem schwerwiegenden Problem und einmal mehr kam Aufgeben für sie nicht in Frage. Sie wollte diese Ratten und sie

würde sie bekommen. So oder so! Die Entscheidung war gefallen. Ohne den für sie sonst so üblichen Kriegsschrei sprang die Elfe behände auf das vollkommen überraschte Nagerquartett zu und griff an. Dank der herausragenden Geschicklichkeit, die allen Elfen zu Eigen war, bekam sie bereits mit dem ersten Griff eine der Kreaturen zu fassen. Mit einer routiniert tödlichen Bewegung brach sie dem Tier das Genick und ließ es fallen. Sofort suchte sie nach der nächsten Ratte. Evelyna durfte keine Zeit verlieren. Das Überraschungsmoment hielt sicher nicht mehr lange an und wenn die Nager erst damit begannen sich ihrer Überlegenheit

zu erinnern, wurde es hier schnell gefährlich.

Fortsetzung...

Die Schwarzelfe sah sich gehetzt um. Schon flitzte eine der Sumpfratten, eine besonders fette, wütend auf sie zu. Die Elfe trat ihr mit dem nackten Fuß in die Seite und kickte sie im hohen Bogen ins Wasser zurück. Die verbliebenen zwei Riesennager griffen nun ebenfalls an. Sie verstanden sich hervorragend auf den Angriff in der Gruppe und bewegten sich von zwei unterschiedlichen Seiten auf ihr Opfer zu. Evelyna konnte nicht beide im Auge behalten, daher rettete sie sich mit einem Hechtsprung nach vorne aus der misslichen Lage. Geschickt rollte sie

sich ab und wirbelte herum. Wie erhofft hatte die Ausweichbewegung die beiden Ratten ein wenig aus dem Konzept gebracht. Sekunden, die die Schwarzelfe für sich zu nutzen wusste. Wieder sprang sie nach vorne, vollführte dieses Mal jedoch einen gezielten, eher knapp gesprungenen Salto vorwärts. Kurz vor der Landung streckte sie das rechte Bein aus, spannte die Muskeln an, zielte mit ihrer Ferse auf den Nacken eines der Tiere und traf genau! Die Wucht des Aufpralls war so gewaltig, dass sie dem Nagetier die Wirbelsäule zertrümmerte. Blieben die letzten beiden. Erneut ließ die zierliche Gaunerin ihren Blick kreisen. Sie entdeckte die zwei

überlebenden Vierbeiner sofort. Während die eine in wilder Panik davon preschte, schwamm die andere, die sich offensichtlich einigermaßen von Tritt und Flug erholt hatte, todesmutig auf Evelyna zu. Die Elfe hatte keine Lust sich noch eine Prellung an den Füßen einzufangen und ging dem schwimmenden Tier daher einfach entgegen. Als sie auf Armlänge heran war, griff sie mit einer schnellen Bewegung nach dem Hals des Tieres. Ohne Gnade drückte Evelyna den Körper unter Wasser. Ratten kommen bekanntlich sehr lange ohne Sauerstoff aus. Aber auch bei sehr lange, kommt mal ein Ende.

Erschöpft und äußerst zufrieden kehrte Evelyna zu ihrem Feuer zurück. Sie hatte unglaublichen Hunger, daher machte sie sich sofort daran, die drei großen Leckerbissen zu häuten und auszunehmen. Das war nicht leicht ohne Messer, aber dank der extrem scharfen Nagezähne ihrer Beute und einer gehörigen Portion Geduld gelang es ihr am Ende, drei köstlich duftende Braten über die Feuerstelle zu hängen. Glücklich vor sich hin summend betrachtete Evelyna das brutzelnde Fleisch über dem Feuer. Ihre Lage schien sich tatsächlich immer weiter zu bessern. Damit dies aber auch so blieb,

musste sie sich endlich bewaffnen. Gut gelaunt und von den vorhergegangenen Erfolgen ermutigt, machte sie sich daran, sich etwas Geeignetes zu basteln. Leider fehlte es ihr noch immer an den grundlegendsten Bestandteilen, daher gab Evelyna das Vorhaben schnell wieder auf. Die meisten Untiere in dieser Gegend würden sich sowieso nicht mit einem gebastelten Speer in der Hand beeindrucken lassen, also vertraute Evelyna darauf, dass es ihr auch weiterhin gelang die meisten Gefahren rechtzeitig zu entdecken und ihnen in einem weiten Bogen auszuweichen. Am nächsten Morgen machte sie sich

früh auf den Weg. Sie war satt, hatte die Taschen voller Nahrung, trockene Kleider am Leib und es sogar geschafft ein paar Stunden Ruhe zu finden. Wie gut man doch schlief, wenn man einen vollen Magen hatte. 8. Frigore gab es nicht gerne zu, aber er war zutiefst beeindruckt. Orks mochten sich ja für gewöhnlich in halsbrecherische Selbstmordkommandos stürzen, aber bei dieser Offensive hatten sie scheinbar erstmalig ihren Verstand gebraucht und alles richtig gemacht. Das Feldlager durch das er ritt, war gewaltig.

Offensichtlich waren die Grünhäute fest entschlossen Wehranger, die als uneinnehmbar geltende Festung der Menschen, in den nächsten Tagen zu erstürmen. Und bei aller gebotener Kritik, es schien tatsächlich, als könnte es ihnen dieses Mal gelingen. Gut zehntausend blutdurstige Orks warteten unruhig auf ihren Einsatz, während die Menschen hinter den festen Mauern mit jedem weiteren Tag, mehr an Kraft und Zuversicht verloren. Es musste ein beängstigender Anblick sein, die Zahl des Feindes derartig schnell anwachsen zu sehen und dabei genau zu wissen, dass man selbst nichts weiter tun konnte, als untätig auf den

Tag des großen Angriffs zu warten. Hier war sie also, die große Armee. Die direkte Konfrontation, nach der sich Herzog Alderan de’ Auvergne so lange gesehnt hatte. Gut, dass er bereits verstorben war, denn beim Anblick dieser gigantischen Streitmacht hätte ihn vor Entsetzen wahrscheinlich der Schlag getroffen. Gern geschehen, Euer Durchlaucht! Ein finsteres Grinsen umspielte die farblosen Lippen des Vampirs, dann rief er sich selbst zur Ordnung. Viel zu viel stand auf dem Spiel. Nicht abschweifen! Konzentriere dich auf deine Aufgabe! Das Schlimmste was ihm jetzt passieren

konnte, war zwischen die Fronten zu geraten. Trotzdem würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als sich auf direktem Weg an die Generalität* zu wenden. (*Was auch immer das in einem Orklager bedeuten mochte.) Es schmeckte Frigore ganz und gar nicht, derartig viel Aufmerksamkeit auf seine Person zu lenken, aber für eine andere Vorgehensweise war dieses Heerlager einfach zu groß. Außerdem brauchte er jemanden, der sich auskannte und genug Macht besaß, schnelle Entscheidungen zu treffen. Der Vampir durchquerte die orkischen Zeltreihen und hielt auf das Zentrum des Lagers zu. Dort irgendwo mussten sich

die Kriegsfürsten und Heerführer aufhalten. Der Vampir war neugierig, auf wen er wohl treffen würde. Als er sein Ziel erreicht hatte und erkannte wer tatsächlich das Kommando innehatte, verschlug es ihm die Sprache. Mit vielem hätte er gerechnet, aber sicher nicht damit. Allerdings…, jetzt wo er genauer darüber nachdachte, machte es durchaus Sinn. Mit einem aufgesetzten Lächeln, das an falscher Freundlichkeit und geheuchelter Überraschung kaum zu übertreffen war, schritt Frigore auf die Heerführerin zu. Bevor er zu Sprechen begann, verbeugte er sich galant und hielt dabei den rechten Arm nach Sitte seines Landes

weit zur Seite ausgestreckt. »Großfürstin Tanina del Sanguine, Gebieterin über Barkovia und aller dortigen Vampire! Meine Herrin! Ich bin aufrichtig überrascht, Euch hier anzutreffen. « Die Angesprochene blickte widerwillig von einem mit etlichen strategischen Karten bedeckten Tisch empor. Als sie jedoch gewahr wurde, um wen es sich bei ihrem Besucher handelte, hob sie überrascht die Brauen. »In der Tat? Nun, dies alles hier…« Sie vollführte eine ausladende Bewegung mit der Hand. »…ist meine Armee. Ich an Eurer Stelle wäre eher überrascht mich nicht hier anzutreffen.«

Ein Blick in sein Gesicht ließ sie erkennen und gehässig schmunzeln. »Ihr wusstet es tatsächlich nicht, oder? Oh mein lieber Salazar, Ihr enttäuscht mich!« Frigore nickte kurz und erhob sich wieder. »Verzeiht, Fürstin! Umso größer jedoch, ist die Freude die mich nun bei Eurem Anblick erfüllt!« »Wenigstens seid Ihr in dieser Beziehung ganz der Alte geblieben! Und doch! Es gab Zeiten, da geschah nichts auf dieser Welt über das Ihr nicht bestens informiert gewesen seid.« Der verschlagene Blick der Großfürstin strafte ihre koketten Worte Lügen. »Aber

sagt, welch Unbill hat Euch derart unvorbereitet in mein Lager verschlagen?« »Ich bin auf der Suche nach einem Ork.« Frigore dachte gar nicht daran, die mächtige Untote in seine Pläne einzuweihen. Er entschloss sich zu einer spontanen Lüge. »Ragnar Schädelspalte mit Namen. Er hat mich bestohlen.« »Tatsächlich!?« Fürstin Tanina lächelte böse. Zwei spitze Fangzähne blitzten auf. »Und was ist es, dass Ihr Euch von diesem Ork habt wegnehmen lassen?« »Einen Dolch aus einem äußerst seltenen schwarzen Metall. Scharf, wie ich es bei keiner andere Klinge je gesehen hätte und vollkommen

unzerbrechlich. Ich hänge sehr an diesem äußerst wertvollen Stück und jage den Dieb bereits seit geraumer Zeit.« Schnell setzte Frigore ein gekonntes und perfekt getimtes Lächeln hinterher. »Was auch der Grund sein dürfte, warum mir Eure bezaubernde Gegenwart so lange verborgen geblieben ist. Doch welch Narr war ich! Wer sonst außer Euch wäre fähig und mutig genug, eine Befestigung wie Wehranger niederringen zu wollen?« »Wer sonst außer mir, Ihr sagt es! Nun aber zurück zu Euch. Wenn dieser Dolch so einzigartig und kostbar ist, wie konnte es einem einfachen Orkkrieger dann gelingen, ihn euch zu

rauben?« Eine gute Frage zu der dem untoten Meuchelmörder keine glaubwürdige Begründung einfallen wollte. Er beschloss möglichst oberflächlich zu bleiben und sich so weitere Zeit zum Nachdenken zu erkaufen. »Es geschah während meines Tagschlafes. Dieser Ragnar muss… rein zufällig in meine Ruhestatt gestolpert sein.« Die Vampirfürstin lachte amüsiert und nickte. »In der Tat! Fern von daheim, ist es wahrlich nicht immer leicht ein angemessenes Versteck vor der Sonne zu finden, nicht wahr? Besonders langwierige Reisen können in dieser Beziehung schnell recht beschwerlich

werden.« Frigore war froh, dass seine vorgeschobene Begründung so bereitwillig angenommen wurde. Offensichtlich ging seine kleine List auf. Er wurde unvorsichtig. »Ihr sagt es Mylady! Habe ich die Erlaubnis in Eurem Lager nach dem Übeltäter zu fahnden? Und wenn ich so verwegen sein darf, etwas Unterstützung durch Eure Offiziere wäre mir ebenfalls sehr willkommen.« »Vielleicht! Erst hätte ich jedoch noch ein paar Fragen, wenn es recht ist.« Tanina del Sanguine war längst nicht so leicht hinters Licht zu führen, wie Frigore sich erhoffte. Und sie verfolgte

bereits ihre eigenen Pläne. »Wohin wolltet Ihr, als Ihr so dreist bestohlen wurdet? Was treibt einen angesehenen Assassinen wie Euch in diese Einöde? Man möchte meinen, Ihr hättet dringlichere Angelegenheiten die Eurer Aufmerksamkeit bedürfen?« »Das ist schnell erklärt Mylady! Es ging natürlich um Gold. Ich wurde angeheuert den adeligen Menschenherzog Alderan de Auvergne zu ermorden.« »Ich hoffe, Ihr habt Euch im voraus bezahlen lassen?« Die Vampirfürstin lachte vergnügt auf. »Denn der ist bereits tot. Seit ein paar Tagen schon, um genau zu sein.«

Frigore erkannte das er sich einen Schritt zu weit gewagt hatte. Die Vampirfürstin hatte ihn an der Angel. Und sie genoss es sichtlich, sie langsam und genussvoll einzuholen. »Damit währt ihr doch wieder frei verfügbar, oder nicht? Ich könnte einen weiteren guten Offizier in meinen Reihen gebrauchen…« Verflucht! Er hatte es befürchtet. Tanina machte immer Nägel mit Köpfen. Trotzdem wollte sich Frigore nicht so ohne Weiteres geschlagen geben. »Verzeiht Herrin! Aber ich habe noch andere sehr dringende Geschäfte, um die ich mich

kümmern muss. Die Suche nach dem Dolch hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Beinahe schon zuviel. Ich…« »Genug von dieser Scharade, Frigore! Ich weiß dass Ihr es wart, der den Herzog ermordet hat. Soll ich Euch auch noch Ort und Zeit nennen? Ihr werdet noch merken, dass es ein Fehler ist mich leichtfertig zu unterschätzen. Ich habe meine Augen und Ohren überall. Auch diese seltsame Geschichte um den Dolch kaufe ich Euch nicht ab.« Lady Tanina funkelte ihren Gegenüber verärgert an und schlug mit der Hand auf den Tisch. Dann war urplötzlich ihr freundliches Lächeln zurück. Das Tempo in dem sich ihre Gefühle wandelten, war

schwindelerregend. »Aber sei es drum! Ich will Euch nicht weiter damit behelligen, wenn Ihr mir in den nächsten Nächten ein wenig zur Seite steht. Kämpft in der Schlacht für mich und ich gebe Euch alles wonach ihr verlangt. Informationen, Gold, Ausrüstung, Männer…« Frigore seufzte niedergeschlagen. »Habe ich eine Wahl, Herrin?« »Natürlich habt Ihr die. Wenn Euch mein Unterfangen zu riskant erscheint, geht unbehelligt Eurer Wege. Allerdings müsste ich Euch in diesem Fall jegliche Unterstützung versagen.« Ein süffisantes Lächeln umspielte die Lippen der

Vampirin. »Selbstverständlich Mylady!« Frigore versuchte sich halbherzig an einem zustimmenden Lächeln, es gelang ihm nicht sonderlich. »Darf ich Euch vor meiner Antwort nun meinerseits ein paar Fragen stellen?« »Natürlich! Was wollt Ihr wissen?« »Warum seid Ihr Euch so sicher, dass Ihr bei dem Angriff auf Wehranger siegreich sein werdet?« Tanina lächelte selbstzufrieden. »Weil ich alles perfekt vorbereitet habe. Ist Euch nicht aufgefallen, dass unzählige kleine Orkhorden in den letzten Monaten über die Dörfer, Straßen und Handelswege des südlichen Grenzlands

hergefallen sind? Denkt Ihr ernsthaft, diese dämlichen grünen Ochsen wären von alleine auf eine derartige Idee gekommen?« Die Fürstin lachte hell auf und wedelte verneinend mit den Fingern ihrer rechten Hand. »Gehört alles zu meinem Plan. Die Angriffe dienten allein der Zerschlagung aller Nachschubwege die zur Versorgung der Festung Wehranger von größerer Bedeutung sind. Anfangs hatte ich etwas Sorge, dass die Generäle der Menschen meinen Plan frühzeitig durchschauen und ihre Präsenz in Wehranger verstärken könnten. Aber das taten sie nicht.« Frigore war beeindruckt. Er schürzte die

Unterlippe und nickte leicht. »Weil keiner ernsthaft annahm, dass sich hinter dem wilden Gebaren der Orks ein größeres Ziel verbergen könnte. Ein guter Plan!« »Nicht wahr?« Der Blick der untoten Fürstin nahm triumphierende Züge an. »Die Menschheit traut den Orks einfach nichts zu! Ein Fehler, für den sie nun teuer bezahlen werden. Morgen Abend nach Sonnenuntergang, sobald wir beide erwacht sind, schlagen wir zu.« »Wieso schon morgen? Wenn es stimmt was ihr sagt, warum haltet ihr die Belagerung nicht weiter aufrecht? Die Zeit steht doch auf Eurer Seite,

Mylady!« »Nein, tut sie nicht! Man kann Orks nicht so lange untätig vor einer Menschenstadt ausharren lassen. Wenn sie Krieg und Beute wittern, verhalten sie sich wie mordlüsterne Haie in einem Teich voll blutgetränktem Wasser. Schon jetzt sind sie, trotz meiner Macht, kaum noch zu bändigen.« »Aber warum dann die Mühe mit all den abgeschnittenen Versorgungswegen, wenn Ihr den Vorteil gar nicht nutzen könnt?« »Nicht nutzen?« Fürstin Tanina lachte amüsiert auf. »Nicht nutzen? Frigore, Ihr unterschätzt meine Fähigkeiten. Wehranger ist schon seid einer halben

Ewigkeit nicht mehr richtig beliefert worden. Die Festung kann sich nicht selbst versorgen und ist vom Handel abhängig. Dreiviertel der dort lebenden Bürger sind Soldaten oder Solche die sich ihr Geld mit der direkten Betreuung des Militärs verdienen. Bauern, oder Viehzüchter gibt es dort so gut wie gar nicht! Meine Spione berichten von haltlosen Zuständen. Der Hunger beherrscht das Straßenbild, auch ohne dass ich dafür meine Armeen in Stellung bringen musste. Die Frucht ist reif und kann gepflückt werden, daran besteht kein Zweifel!« Ein weiteres Nicken entrang sich dem untoten Auftragsmörder. »Ihr habt

wirklich an alles gedacht, Mylady!« »Natürlich habe ich das! Und noch ein Vielfaches mehr! Wehranger ist schwach wie nie zuvor. Ein unbeschreibliches Chaos herrscht in den Gassen! Besonders, seid die Menschen dort auch noch ohne ihren Herzog auskommen müssen.« Verschwörerisch näherte sich die Großfürstin ihrem untoten Untertan und sprach leiser weiter. Eine inszenierte Handlung die, obwohl unnötig und von Frigore direkt durchschaut, eine gewisse verschwörerische Zweisamkeit vorgaukeln sollte. »Meine Pläne gehen weiter, als Ihr Euch vorstellen könnt. Diese lächerliche

Festung kümmert mich im Grunde genommen eine Dreck! Was ich anstrebe, ist der Ruhm den es für diesen Sieg zu erlangen gibt. Orks sind sehr einfach strukturiert und sie fürchten nichts mehr, als uns Vampire. Wenn mir gelingt, was allen anderen vorher versagt geblieben ist…« »Wollt ihr damit sagen…?« Frigore blickte erschrocken auf. Er kannte den unstillbaren Machthunger seiner Fürstin. Aber das ging sogar für sie zu weit. »Ihr wollt euch zur Herrin über das Orkreich erheben? Das ist verrückt! Orks lassen sich nicht beherrschen! Nie zuvor ist jemandem Derartiges gelungen!« »Ich bin nicht irgendwer, vergiss das

nicht! Seit nun mehr fast drei Jahrhunderten bin ich die unangefochtene Herrscherin über das Vampirreich. Glaub mir, ich weiß wie man mit einem Volk wie den Orks umspringen muss. Sobald sie mich zu ihrer Königin ernannt haben, und glaub mir mein Freund, dass werden sie, gibt es für die Grünhäute kein Zurück mehr.« Die schöne Fürstin lächelte siegesgewiss. »Es könnte tatsächlich funktionieren!« »Könnte? Es wird, Frigore! Es wird! Aber dafür brauche ich einen grandiosen Sieg! Und wenn ich mir den sichern will, benötige ich unbedingt mehr Krieger Euren Formates!« Er konnte es drehen und wenden wie er

wollte, Tanina hatte ihn da wo sie ihn haben wollte. Frigore überlegte kurz ob der Schatz ein solches Risiko wert war, kam dann aber zu dem Schluss, dass die Vampirherrin eine Absage seinerseits niemals akzeptieren würde. Es galt also gute Miene zum Bösen Spiel zu machen und irgendwie zu versuchen, möglichst unbeschadet aus diesem wahnwitzige Unternehmen herauszukommen. Frigore kniete nieder und beugte sein Haupt. »Ich bin Euer treuer Diener, meine Fürstin!« »Ich weiß!« Sie hatte nie daran gezweifelt. »Wie schön, dann kann es ja endlich losgehen. Steh auf, komm her und lass dir meinen Plan erklären…«

9. Es konnte nicht mehr weit sein. Wenn sich Evelyna nicht irrte, hatte sie beinahe die östliche Grenze der Glutsümpfe erreicht. Höchstens noch ein halber Tagesmarsch, vielleicht etwas mehr, und sie war raus aus diesem stinkenden Drecksloch. Müde lehnte sich die Schwarzelfe gegen einen morschen Baumstumpf und verzehrte hungrig die letzten Reste des gebratenen Rattenfleisches. Als sie fertig gegessen hatte, machte sie sich einmal mehr daran, ihren Körper nach Blutegeln abzusuchen. Sie kam auf sieben Stück. Das ging ja noch. In den letzten Tagen

waren es auch schon viel mehr gewesen, selten weniger. Es glich einem Wunder, dass diese widerlichen kleinen Biester sie nicht längst komplett ausgesaugt hatten. Ganz besonders, weil sie bei ihrer gierigen Mahlzeit von tausenden hungrigen Mücken unterstützt wurden. Zu guter Letzt wollte sich die Elfe noch um ihren Verband kümmern. Er war verdreckt und musste dringend gesäubert werden. Vorsichtig wickelte Evelyna die schmalen Stoffbahnen von ihrem Körper. Vielleicht sollte sie die Wunde ebenfalls mit etwas Wasser ausspülen? Nichts wäre im Moment schlimmer, als wenn sich die Stelle ein weiteres Mal entzünden würde… Vollkommen

unvermittelt machte Evelyna die schrecklichste Entdeckung ihres ganzen Lebens. Sie konnte einiges einstecken und war bestimmt nicht zimperlich, aber das was ihr da ohne jede Vorwarnung ins Auge sprang, war mehr als sie ertragen konnte. Maden! Alles war voller fetter Maden, die sich genüsslich durch das rohe Fleisch ihrer offenen Wunde fraßen. Als die Elfe sah, wie sich die widerlich grauweißen Körper zufrieden in ihrem Körper tummelten, bekam sie einen hysterischen Anfall. Vor Abscheu

kreischend riss sie sich in wilden unkoordinierten Bewegungen die letzten Reste Verband vom Leib. Dann zupfte sie, außer sich vor Abscheu und Ekel ein fett gefressenes Tier nach dem anderen aus der Wunde. Immer wieder musste sie dabei pausieren, um einen bitter aufsteigenden Würgereiz niederzukämpfen. Tränen der Verzweiflung und des Abscheus rannen ihr die Wangen herunter ohne das Evelyna es überhaupt bemerkte. Der Schock saß tief! Noch lange Zeit nachdem sie die letzte Made entfernt hatte, zitterten ihre Hände vor blankem Entsetzen. Immer wieder entfuhr ihr ein leises Wimmern. Nur sehr schwer gelang

es der Elfe sich wieder zu beruhigen. Das Erlebnis war derart einschneidend, dass sie sich auch Jahre später noch bei dem Gedanken daran schütteln sollte. Evelyna schwor bittere Rache. Wenn sie ihm auch alles andere verzeihen konnte, dafür würde der Paladin büßen! Plötzlich erklang ein seltsames Rascheln! Es klang anders als die üblichen Geräusche die sie sonst umgaben. Größer! Schneller! Zielstrebiger! Die scharfen Sinne der Elfe waren sofort alarmiert. Sie schloss die Augen, um sich besser auf ihr scharfes Gehör konzentrieren zu können. Jede Panik war vergessen, pures Adrenalin sorgte dafür, dass ihr Zittern

endete und ihr Atem sich beruhigte. Evelyna war vollkommen still, kein Muskel regte sich. Ja, da war etwas! Ihre empfindlichen Spitzohren bestätigten den Verdacht. Irgendetwas näherte sich. Die Schwarzelfe versuchte sich auch weiterhin so ruhig und unauffällig zu verhalten, wie es ihr nur möglich war. Ohne geeignete Bewaffnung war sie den meisten Untieren dieser Gegend noch immer weit unterlegen und jetzt wo sie fast aus dem Sumpf entkommen war, sank auch ihr Wagemut. Bloß keinen Kampf und weitere Verletzungen riskieren! Bisher war es ihr doch auch gelungen jeder Gefahr rechtzeitig aus dem Weg zu

gehen. Evelyna beschloss ruhig zu bleiben und abzuwarten. Die Geräusche näherten sich ihr trotzdem weiter. Zielstrebig! Etwas verdammt Großes bewegte sich da durch das Wasser. Direkt auf sie zu, da war sich die Elfe sicher. Etwas, dass keine Beine hatte, trotzdem aber ein beeindruckendes Körpergewicht zu besitzen schien. Eine Riesenschlange! Also hatte es keinen Sinn sich weiter zu verstecken! Schlangen besaßen einen ausgezeichneten Geruchssinn und Evelyna war noch immer verletzt. Wahrscheinlich war es sogar der Geruch ihres eigenen Blutes gewesen, der das Untier angelockt hatte.

»Verdammt!« Die junge Schwarzelfe sprang gedankenschnell auf und spurtete los. Unbewaffnet wie sie noch immer war, hatte sie einem Feind wie diesem rein gar nichts entgegenzusetzen. Schlangen konnte man nicht durch Geschicklichkeit oder schnelle Bewegungen irritieren. Dazu waren sie selbst viel zu flink und gerissen. Sorgsam darauf bedacht, nicht noch einmal in ein bodenlos morastiges Moorloch zu treten, flüchtete Evelyna vor der tödlichen Gefahr. Schnell musste sie jedoch erkennen, dass ihr Verfolger sich nicht so ohne weiteres abhängen lassen würde. Ein gehetzter Blick über

die Schulter bestätigte die schlimmsten Befürchtungen. Evelyna wurde von einem gigantischen Drachenpython verfolgt. Der Abstand zwischen Jäger und Beute verkürzte sich zusehends. Schlangen waren an das Leben in den Sümpfen perfekt angepasst. Wie ein Pfeil schoss der längliche Körper des Reptils durch das flache Wasser. Die Schwarzelfe erkannte, dass sie nicht entkommen konnte und änderte ihre Taktik. Abrupt blieb sie stehen, wirbelte herum und riss die Hände in die Höhe. Warum sie das tat, war Evelyna selbst nicht ganz klar. Vielleicht lag es daran, dass sich die Elfe einfach nicht geschlagen geben konnte. Wenn ihr

Verfolger schneller war als sie, dann blieb eben nur, sich ihm zum Kampf zu stellen. Egal wie hoffungslos es auch immer sein mochte.

Fortsetzung...

»Warum passieren solche Dinge eigentlich immer mir? Hat das denn nie ein Ende?«, flüsterte sie leise. Dann aber schluckte sie das bitter in ihr hochkochende Selbstmitleid herunter und setzte ihren bedrohlichsten Blick auf. »Raaah!«, schrie sie aus vollstem Halse und wedelte dabei wie wild mit den Armen. Wie durch ein Wunder blieb die Schlange tatsächlich verdutzt stehen. Jetzt wo Evelyna die Zeit hatte sich ihren Verfolger in Ruhe zu betrachten, wurde ihr das volle Ausmaß ihres Problems bewusst. Die Schlange war gut

und gerne zwanzig Meter lang und besaß einen Körperdurchmesser, der den der Elfe um fast das Doppelte überstieg. »Bei allen Mächten!«, stieß Evelyna entsetzt hervor, als sich das riesige Untier aufrichtete und mit kalten Augen auf sein Opfer hinabblickte. Der Schädel der Schlange schwebte turmhoch über dem Kopf Evelynas, das Maul groß genug, um sie mit einem einzigen Bissen zu verschlingen. Hektisch blickte die Schwarzelfe umher. Verzweifelt suchte sie nach irgendetwas, das sie retten konnte. Ein Versteck, ein Erdloch, eine Waffe! Irgendetwas? Doch da war nichts!

Nirgendwo! Was blieb also? Kämpfen hatte keinen Sinn, eine Flucht war ebenso hoffnungslos und auch weitere Drohgebärden schienen irgendwie unangebracht. Nun, vielleicht nicht ganz. Trotzig schrie die Elfe dem riesigen Ungeheuer ins Gesicht. »Na dann komm mal her du Mistvieh! Versuch nur, mich zu verschlucken! Ich schwöre dir, ich werde noch auf dich einprügeln, wenn du schon auf meiner Hüfte herumkaust.« Der Drachenpython zeigte sich durch die gebrüllten Worte nur wenig beeindruckt. Er sah in der schwarzhäutigen Elfe nichts

mehr, als einen köstlichen Leckerbissen den er problemlos verspeisen konnte. Genüsslich ließ er seinen gewaltigen Schädel kreisen. Es wirkte fast, als wolle er noch ein wenig mit seinem Essen spielen. Dann urplötzlich schoss der Kopf des riesigen Monstrums pfeilgerade nach unten. Mit einem lauten Klatschen prallte er auf die Wasseroberfläche und blieb dort still liegen. Evelyna hatte sich vor Schreck zusammengekauert. Mit eingezogenem Kopf und schützend darüber verschränkten Armen, blinzelte sie vorsichtig hinter ihrem Bizeps hervor. Das riesige Reptil gab keinen Mucks mehr von sich.

»Was zur…?«, murmelte sie und erhob sich zögernd. Jetzt erst erkannte sie, dass ein Pfeil im Schädel der Schlange steckte. Irgendjemand hatte sie gerettet. Elfen, der Bauweise des Schaftes nach zu urteilen. Ein Meisterschuss! »Nahib saldar!«, erklang eine Stimme. Elfische Grußworte. Der Mann der sie ausgesprochen hatte, trat hinter einem verknöcherten Baum hervor. In seinen Händen hielt er einen langen Bogen. Seine Haut war so schwarz wie seine Haare. Die Augen leuchteten in einem pupillenlosen Weiß. »Nahib cuamin y faron dir!«, entgegnete

ihm Evelyna und lächelte glücklich. »Halar nihid!« »Du musst mir nicht danken, Schwester!« Der Jäger lächelte schüchtern, ging auf sie zu und nahm seine Artgenossin in den Arm. Als er sich wieder von ihr löste hob er überrascht die Brauen. »Warte, du… ich kenne dich!« »Möglicherweise…«, erwiderte sie. »Evelyna Snaps! Dein Name ist Evelyna Snaps! Bei Mora! Du bist die Panthra, richtig?« »Ja stimmt, die bin ich!« »Ich habe viel von dir gehört. Es ist mir eine große Ehre dich zu treffen. Doch sag, was verschlägt dich an einen trostlosen

Ort wie diesen?« Evelyna legte ihre Hand auf die Schulter ihres Retters. »Eine lange Geschichte voller Verrat, Lügen und Gewalt! Natürlich von einem Menschen geschrieben!« »Natürlich!« Der Jäger nickte und schien wenig überrascht. »Darf ich mich vorstellen? Mein Name lautet Beliar Loth.« »Es freut mich dich kennenzulernen, Beliar! Lass mich dir bitte noch einmal für deine Hilfe danken. Halar nihid, an faron dir! Ich verdanke dir mein Leben!« Der junge Jäger schien verlegen. »Ich war nur zur rechten Zeit am rechten Ort! Du musst mir nicht

danken.« »Oh doch, dass muss ich!« Evelyna lachte laut auf. »Ohne dich würde ich mir dieses Vieh bereits von Innen ansehen.« »Kein sehr angenehmer Gedanke, nicht wahr?« antwortete Beliar und sah zu der Riesenschlange hinüber. »Hilfst du mir sie auszunehmen? Danach bringe ich dich zu den anderen.« Zu den anderen? Noch mehr Schwarzelfen. Welch wunderbarer Gedanke. »Ich helfe dir gern. Wie viele von uns leben in diesen Sümpfen?« Der Jäger zuckte mit den Schultern, reichte Evelyna eines seiner scharfen Messer und machte sich an seine blutige

Arbeit. »Ich weiß nicht genau, dass ändert sich häufig und ich selbst habe nie nachgezählt!? Derzeit irgendwas um die fünfzig würde ich sagen?« »Und warum lebt ihr hier?« »Die meisten von uns sind aus dem menschlichen Militärdienst desertiert. Manche haben wir nach deinem Vorbild aus der Sklaverei befreit, andere flohen von selbst.« »Warum geht ihr nicht zurück nach Norden? In die Rauchara-Wälder. Es ist nicht das beste Leben dort, aber ihr wärt wenigstens wieder bei euren Familien.« »Später vielleicht! Noch immer werden viele von uns zu schrecklichen Diensten gezwungen. Wir bleiben hier, um ihnen

bei der Flucht zu helfen.« Evelyna nickte zustimmend und begann damit den toten Körper der Schlange zu häuten. »Ein hehres Ziel, Bruder!« »Im Vergleich zu dem, was du für unser Volk getan hast, ein eher kleiner Beitrag, Panthra!« »Ich habe nur getan, was nötig war! Manchmal holen einen die Ereignisse ein und verselbstständigen sich dann. Ich steckte bis zum Hals in dieser Sache bevor ich überhaupt richtig begriffen hatte, was vor sich ging.« Beliar sah ernst zu Evelyna hinüber. »So wie es bei uns war! Trotzdem halten wir stand und machen weiter. Nach deinem Vorbild. Genau das ist es nämlich, was

dich zu etwas Besonderem macht. Als du bemerkt hast was deine Taten alles ausgelöst haben, hättest du jeder Zeit aussteigen können. Aber das tatest du nicht.« Evelyna zuckte mit den Schultern. »Manchmal glaube ich, dass es besser gewesen wäre ich hätte mich einfach irgendwo verkrochen. Es hat mir nur Ärger und jede Menge Kummer eingebracht.« »Das tut mir leid, Schwester! Aber du hast unserem Volk die Würde bewahrt und dafür gesorgt, dass wir uns noch immer stolz erhobenen Hauptes Schwarzelfen nennen können.« »Und wieder einmal muss ich mich bei

dir bedanken. Dein Worte sind wesentlich schmeichelhafter, als ich es verdiene. Aber genug davon! Lass uns zusehen, dass wir hier fertig werden. Ich brenne darauf, die anderen zu treffen. Ich bin schon viel zu lange allein unterwegs und sehne mich nach ein paar freundlichen Gesichtern!« Bis zum Versteck der flüchtigen Schwarzelfen war es nicht sehr weit. Beliar führte seine neue Begleiterin so geschickt durch den Sumpf, dass sie kaum Umwege in Kauf nehmen mussten. Offensichtlich kannte der junge Jäger sich hier sehr gut aus. Das kleine Lager selbst setzte sich hauptsächlich aus

einigen kunstvoll verzierten Hütten zusammen, die zwar aus recht einfachen Materialien bestanden, jedoch mit viel Geschick und Hingabe gefertigt waren. Die Ansiedlung machte auch darüber hinaus einen überaus sauberen und liebevoll gepflegten Eindruck. Beschaulich war sie, trotzdem lag sie gut versteckt auf einer der wenigen größer bewaldeten Inselflächen. Schon in der ersten Sekunde durchlief Evelyna ein wohliger Schauer der Heimeligkeit. Seit ihrem letzten Besuch in den Rauchara-Wäldern waren nun schon einige Jahre vergangen und außerhalb dieses Gebiets traf man nur selten auf mehr als einen einzelnen

freien Vertreter der eigenen Art. Hier aber, tief in den Sümpfen, hatten die flüchtigen Elfen sich einen kleinen Flecken Heimat geschaffen, der streng nach den geliebten alten Traditionen gelebt wurde. Tränen der Rührung füllten die pupillenlos weißen Augen der Elfe, als sie mit gemessenem Schritt auf den Dorfplatz zuhielt. Es fehlte ein wenig an Kindern die einen an derartigen Orten eigentlich sofort umringten -natürlich, denn immerhin war dies hier ein Flüchtlingslager und kein herkömmliches Dorf- aber sonst war die Begrüßung der ansässigen Schwarzelfen herzlich und voller Ehrerbietung. Zu

Dutzenden strömten sie auf ihren berühmten Gast zu. Alle sprachen in heller Aufregung durcheinander. Auch hier schien sie jeder sofort zu erkennen. »Nahib saldar, Panthra!« »Willkommen in unserem Dorf!« »Karys Ohmar! Welch Ehre!« »Halar nihid für alles was du für uns getan hast!« Evelyna lächelte verlegen und versuchte nach Kräften den vielen Begeisterten irgendwie so gerecht zu werden, dass sie nicht unhöflich oder gar arrogant erschien. Einige Minuten vergingen so, bis endlich ein alter Mann das Wort ergriff. Anscheinend hatte der Greis eine recht hohe Stellung inne, denn die

anderen Schwarzelfen verstummten respektvoll. »Nahib saldar, mein Kind. Ich bin Patron Alwin Doraňyr, der Dorfvorsteher. Es ist uns eine Ehre, dich in unserer Mitte willkommen zu heißen. Komm, setz dich zu uns ans Feuer und berichte, warum du uns aufgesucht hast.« Evelyna legte zwei Finger an die Stirn und verbeugte sich in angemessener Weise. »Vielen Dank für die Gastfreundschaft, Patron. Aber ich muss glaube ich, direkt etwas richtig stellen. Ich bin nicht wegen des Dorfes hier, sondern weil ich gezwungen war vor meinen Häschern in die Sümpfe zu fliehen. Dass es Schwarzelfen gibt, die

sich an einem Ort wie diesem verbergen, wusste ich bis dato gar nicht. Tagelang irrte ich umher, ich hatte mich hoffnungslos verlaufen. Ich bin ewig umhergeirrt. Tagelang! Das ich einen der Euren traf, war reiner Zufall!« Der Vorsteher nickte betreten und führte seinen Gast zu einer größeren Feuerstelle in der Mitte des Hauptplatzes. Der Rest der Dorfbewohner folgte ihnen in angemessener Entfernung. »Es grenzt an ein Wunder, dass es dir gelungen ist so lange zu überleben. Selbst für jemanden wie dich! Unbewaffnet und allein übersteht auch ein Elf meist kaum mehr als ein paar

Stunden.« Evelyna lächelte schüchtern. »Ich hatte mehr Glück als Verstand und wenn mich Beliar nicht in letzter Sekunde gerettet hätte, säße ich jetzt nicht hier.« Der Erwähnte trat aus der Menge der Zuschauer hervor und schaltete sich in das Gespräch der beiden ein. »Du hättest sie sehen sollen, Alwin. Vollkommen unbewaffnet stellt sie sich diesem riesigen Drachenpython in den Weg und schreit ihn an.«, die Augen des Jägers blitzten vor Begeisterung. »Einfach so! Und wisst ihr was das Beste war? Der Python blieb tatsächlich stehen. Aufgebäumt hat er sich und mir so ein wunderbares Ziel geboten. Aber ich

schwöre euch, wäre ich an ihrer Stelle gewesen, ich wäre vor Angst tot umgefallen! Evelyna aber wirkte, als wolle sie sich als nächstes mit der Schlange prügeln!« »Ich bin stehen geblieben, weil mir die Luft ausging und nicht weil ich so mutig war. Und geschrieen habe ich nur so laut, weil ich keine Ahnung hatte, was ich sonst hätte tun sollen!« Evelyna lachte auf. »Glaub mir, auch ich hatte Angst wie noch nie zuvor in meinem Leben.« Der Vorsteher hob die Hand um sich die allgemeine Aufmerksamkeit zu sichern. Sofort wurde es ruhiger. »Keine falsche Bescheidenheit, Panthra! Wir wissen um

deine Fähigkeiten! Du allein hast unser Volk einst vor der drohenden Versklavung gerettet. Doch nun bitte, erzähl uns von den irrigen Wegen die dich schließlich zu uns geführt haben.« »Fyn! Setzt euch alle zu mir und hört, wie mich ein Paladin der Menschen erst aus der Gefangenschaft gerettet hat und anschließend verriet.« Die umstehenden Schwarzelfen taten wie ihnen geheißen. Als endlich Ruhe einkehrt war, begann Evelyna damit, ihre Geschichte zu erzählen…

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Über den Autor

Alcatras
Was soll man über sich selbst erzählen?
Ich schreibe sehr gerne und sehr viel. Meist Texte und Kurzgeschichten aus dem Horror, Fantasy oder Thriller-Bereich.

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Teutonicus Der Schreibstil ist wirklich sehr ansprechend!
Besonders im Bereich Fantasy bin ich sehr wählerisch was den Schreibstil angeht. Aber bei dir bekomme ich das Gefühl beim lesen, dass ich auch bei anderen Bücher gesucht und gefunden habe. ;)

Du hast einiges aus dem "ausgelutschten" Feld Elfen etc. herausgeholt.
Allerdings wäre es wirklich ein Knaller, wenn du dein Schreibstil mit einer eigenen, neuen fantastischen Welt verknüpfen würdest. ;)

Grüße
Vor langer Zeit - Antworten
Alcatras Vielen Dank für die netten Worte. :-)
Ich werde mir deine Anmerkungen zu Herzen nehmen. Derzeit arbeite ich an einer solchen Welt. Mal sehen, wie ich damit zurecht komme...
Grüße
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Die Geschichte gefällt mir sehr gut, toller Schreibstil! Freu mich schon auf mehr :-) Weiter so!
Vor langer Zeit - Antworten
Alcatras Re: -
Zitat: (Original von shirley am 17.07.2012 - 14:24 Uhr) Hab nur mal reingelesen. Zu wenig Zeit....doch was ich las, war ok. Naja- ORKS???? Nun gut, ich bin nicht besser. war eben alles schon mal da.
Fazit: Dein Stil ist ok, zur Geschichte kann ich nichts sagen, hab wie gesagt nur reingelesen.

Viel Erfolg noch
S.

Nun, ich mag Orks!^^
Vor langer Zeit - Antworten
shirley Hab nur mal reingelesen. Zu wenig Zeit....doch was ich las, war ok. Naja- ORKS???? Nun gut, ich bin nicht besser. war eben alles schon mal da.
Fazit: Dein Stil ist ok, zur Geschichte kann ich nichts sagen, hab wie gesagt nur reingelesen.

Viel Erfolg noch
S.
Vor langer Zeit - Antworten
NanaBella Man sind hier viele Gäste, die das Buch kommentieren ;)
Ich werde mal anfangen zu lesen ...
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Super! Sehr spannend und fesselnd geschrieben. Ein sehr guter Schreibstil. Gefällt mir ausgesprochen gut.

Weiter so!!!! Wir wollen mehr :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Durch die sehr gute detailllierte Schreibweise ist man als Leser mitten im Handlungsgeschehen.
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Sehr gut und spannend geschrieben
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Darfs noch ein wenig mehr sein? - Aber gerne!
Vor langer Zeit - Antworten
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