
Wie jedes Wochenende verbrachten wir
auch diesen Samstag im Wald. Ohne Ziel herumspringend erblickten wir
einen Pfad, der uns aus der Dunkelheit der Bäume herausführte. Ich
lief vor auf die Lichtstrahlen zu, bis ich zu einer großen Wiese
gelangte. Der leichte Wind, sowie die Sonnenstrahlen fühlten sich
angenehm an, also kniete ich mich auf den Boden. Sachte streifte
meine Hand über das Gras, während meine Aufmerksamkeit auf einen
Schmetterling gerichtet war.
Dann erst merkte ich, dass meine
Freunde verschwunden waren. Mein Blick fiel auf ein altes Haus.
Neugierig lief ich darauf zu und erblickte eine alte Frau, die im
Rhythmus ihrer Nadeln ein altes Lied sang „ … am End sind se alle
tot.“ Als ihr Blick auf mich fiel, unterbrach sie ihr Stricken und
rief mir zu: „Was führt dich hierher mein Kind?“
„Meine Freunde und ich sind durch den
Wald spaziert, aber ich habe sie verloren.“ Die alte Frau schien es
nicht zu verstehen oder nicht darauf eingehen zu wollen und
erwiderte: „Geh lieber rein, es wird bald regnen. Die Treppe hinauf
im ersten Zimmer nimmt mein Mann seine Mahlzeit zu sich.“
In der Mitte der Treppe blieb ich
stehen. Ich sah einen alten Mann ruhig auf seinem Stuhl sitzen. Er
wirkte blass und krank, und das obwohl er mir den Rücken zugewandt
hatte. Seine dünnen Beine und die etwas zu groß wirkenden Klamotten
zeigten, dass er seine besten Jahre hinter sich hatte. Mit zittriger
Hand führte er den Löffel zum Mund. Unschlüssig, ob ich ihn
belästigen sollte, stieg ich die letzten Stufen hinauf. Vor der
offenen Tür blieb ich stehen. Erst aus diesem Blickwinkel sah ich
das Fenster, vor dem er saß und die letzten Sonnenstrahlen, die ihn
zufrieden wirken ließen, bevor eine Wolke die Sonne verdeckte. Die
ersten Regentropfen trommelten auf die Fensterbank. Durch den
Lichtwechsel sah es mehr und mehr so aus, als würde man dem Tod ins
Auge blicken.
Seine Hand zitterte so sehr, dass
einiges der Suppe von seinem Löffel auf sein Lätzchen tropfte. Ich
ging auf ihn zu, und als ich neben ihm stand, versuchte ich etwas zu
sagen. „Schmeckt's?“, war alles, was ich herausbrachte.
Langsam drehte er sich in meine
Richtung. Ich zuckte zusammen. Die Wangenknochen waren deutlich
hervorgetreten und viel Farbe konnte ich in seinem Gesicht nicht
finden. Allein die Backen und die Nase ließen neben seinem
verdreckten Mund noch ein bisschen rot erkennen. Dennoch lächelte
er. Mit schwerem Atem schien mir etwas sagen zu wollen. „ Dann...
ha haa …. le.... Auto.“ „Ein Auto?“, wunderte ich mich. Sich
räuspernd versuchte er mir klar zu machen, was er sagen wollte. Die
ersten beiden Sätze wurden noch von dem immer lauter werdenden
Regenprasseln übertönt, dann jedoch fing sich seine Stimme und ich
lauschte seinen Worten: „ … Ich kehrte also zurück nach Haus und
versuchte das Auto einzuparken. Ich wohne hier seit über 30 Jahren
und noch nie habe ich einen Fehler beim Einparken gemacht. Noch nie
einen Unfall gebaut. Es geht zu Ende mein Kind, es geht zu Ende!“
Wie taub blieb ich im Raum stehen, ohne eine Antwort geben zu können.
Das Donnern riss mich aus der Starre. Ich schrie: „Es tut mir
unendlich leid.“
Ich rannte die Treppen hinunter und
trotz der Dunkelheit fand ich den Weg nach draußen. Die Blitze
erhellten den Himmel in unregelmäßigen Abständen, während ich
durch den Regen und das Gewitter über die Wiese rannte. Völlig
überrascht stolperte ich über einen Baumstamm und fiel auf den
Boden. Die vom Regen aufgeweichte Erde und die nassen Grashalme
fingen mich auf, als wollten sie mich nicht gehen lassen. Vollkommen
unfähig aufzustehen, blieb ich am Boden und zog die Beine an meinen
Körper.
Ein Gespräch weckt mich auf. Ein Mann
sitzt auf dem Bett eines Mädchens in meinem Alter und spricht ihr
aufmunternde Worte zu. Das Mädchen lächelt. Es vertraut ihrem
Vater. Ich schenke seinen Worten keinen Glauben. Ich glaube nichts
mehr. Sirenen ertönen vom Fenster in die Kälte des Krankenzimmers
und kündigen das nächste Unglück an. Hätte ich nur draußen
liegen bleiben können...