Beschreibung
Meine erste Geschichte
Ich werde sterben. Diese Worte fressen sich während des ganzen Wegs zum Besprechungszimmer durch meinen Verstand. Ich werde sterben. Eigentlich sterbe ich ja schon seit zwei Jahren. Im Zimmer angekommen empfängt mich Doktor Steiner mit einem freundlichen Lächeln. Das Lachen erreicht seine Augen nicht. Er hat mich wohl zu lieb gewonnen und kann sich mit dem Gedanken nicht anfreunden, mich demnächst gehen lassen zu müssen. In den gut zwei Jahren in denen ich mit dem Doktor verbracht habe, waren die besten meines Lebens. Das scheint aber nicht auf Gegenseitigkeit zu beruhen. In den letzten Wochen, scheint er um Jahre gealtert. Dr. Steiner macht deutet mit einem Kopfnicken auf zwei Personen die ihm gegenüber sitzen. Das müssen die Eltern sein. Die beiden sehen Nett aus. Die Frau lächelt mich an. Ich lächle nicht zurück.
Nun da ich die beiden besser kennen gelernt habe und gesehen wie zuvorkommend sie mich behandelt haben, bin ich noch trauriger als vorher. Sie scheinen wirklich gute Personen zu sein. Das heisst der Doktor wird diesmal keine Ausrede mehr finden können. Er muss mich gehen lassen.
Bevor ich mit sechzehn in diese Einrichtung kam, bin ich schon in unzähligen Waisenhäusern und Besserungsanstalten untergebracht worden. Mein zweiter Selbstmordversuch in meinen noch so jungen Jahren hat mich zu einer perfekten Kandidatin für das Projekt Atman gemacht. Ausserdem sind zukünftige Kunden der Forschungsanstalt waren grösstenteils an Menschen in jungem Alter interessiert. Als mich damals Doktor Steiner besucht hatte und mit ein besseres Leben bei einer passenden Familie versprochen hat, hat er nichts verschwiegen. Er war immer ehrlich zu mir. Steiner ist einer der führenden Wissenschaftler in seinem Gebiet. Man könnte auch sagen, dass Steiner der einzige auf diesem Gebiet ist. Viele seiner Kollegen fehlt der Verstand ein solches Projekt zu realisieren. Den meisten jedoch, fehlt einfach die Skrupellosigkeit. Mit Achtzehn, nach zwei Jahren in der Institution, habe ich dann mein Todesurteil in Form eines bindenden Vertrags unterschrieben.
Mir hat es hier nie an etwas gefehlt. Natürlich konnte ich das Atman-Gebäude nie alleine verlassen, aber warum sollte ich auch wollen. Hier war ich der Mittelpunkt. Etwas das ich in meinem früheren Leben überall gesucht habe. Hier haben sich die Leute um mich gekümmert.
Nun ist der Tag gekommen. Ich werde ein Teil der Familie. Ihre Tochter ist mit neunzehn bei einem Autounfall gestorben. Es war eigenverschulden. Wieso muss ich eigentlich ihren Fehler ausbaden? Komisch das mir dieser Gedanke durch den Kopf geht. Normalerweise denke ich gar nicht so. Das sind also die letzten Gedanken, die letzten Gedanken die sich durch mein Gehirn bahnen. Meine letzten Gedanken. Aber werde ich später an diesem Tag wirklich tot sein? Mein Körper bleibt weiter bestehen. Bin ich mehr als meine Gedanken?
Steiner verabschiedet sich von mir. Ich sage ihm, dass er mich ja gleich wieder sehen wird. Er lächelt mich an. Diesmal lachen die Augen mit. Er scheint sich mit meinem Schicksal abgefunden zu haben. Das hat länger gegangen als bei mir, denke ich. Ich frage mich ob ich ob ich den Vertrag noch einmal unterschreiben würde. Wahrscheinlich würde ich es nochmal machen. Die letzten zwei Jahre waren die besten meines Lebens.
In wenigen Sekunden ist es soweit. Die Maschine fängt an zu Summen. So hört sich also der Tod an. Ich stelle mir vor wie schön es für die Mutter sein wird, ihre Tochter zum ersten Mal wieder in den Arm zu nehmen. Der Gedanke gibt mir Kraft. Das laute Summen der Maschine flösst mir keine Angst ein. Ich fühle mich frei.
Nichts.