Kurzgeschichte
Der Teufelspakt - Die etwas andere Biografie

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"Der Teufelspakt - Die etwas andere Biografie"
Veröffentlicht am 28. Mai 2012, 18 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Der Teufelspakt - Die etwas andere Biografie

Der Teufelspakt - Die etwas andere Biografie

Beschreibung

... angelehnt an eine Person des öffentlichen Lebens, aber keineswegs nur abgeschrieben ;-)

Epilog

Der Bestatter, der für die Beisetzung meiner Mutter verantwortlich war, hatte nachtfarbene Augen und fragte mich, ob ich daran glaube, dass auch meine Seele einmal den Weg in den Himmel finden wird.

Einmal bin ich vor dem Grabmal meines verstorbenen Mannes einem Friedhofswärter mit tiefschwarzen Augen und einem diabolischen Lächeln begegnet, der mir verschwörerisch zunickte und, als ich ihm nachblicken wollte, plötzlich nicht mehr zu sehen war.

Ich kann oft nicht einschlafen, und wenn ich dann alleine in der Dunkelheit liege, wage ich kaum, meine Augen zu schließen. Denn wenn ich es tue, sehe ich sie vor mir, als seien sie wirklich da, diese dunklen, Furcht erregenden Augen. Obwohl ich nicht einmal weiß, wovor ich mich noch fürchte – habe ich nicht alles, was mir lieb und teuer war, bereits verloren? – packt mich dann die Angst, und nur der Wodka, der treueste und einfachste unter meinen Freunden, kann mir dann zur seligen Nachtruhe verhelfen.

Prolog

So wie ich heute hier sitze und meine Geschichte aufschreibe, kann ich auf ein langes Leben mit vielen Höhen und Tiefen zurückblicken. Viele Dinge, von denen ich nicht einmal zu träumen gewagt hatte, sind mir geschenkt worden, und ich musste Schmerz ertragen, den ich meinem ärgsten Feind nicht wünschen würde. Doch eine Frage, die ich nicht beantworten kann, und vor deren Antwort es mir graut, überschattet schlussendlich alles: Habe ich meine Seele gerettet, oder habe ich sie schon vor sehr langer Zeit verloren?

Wie es dazu kam, dass ich mir diese Frage stellen und beim Nachgrübeln darüber alle maßgeblichen Ereignisse meines Lebens in einem neuen Licht betrachten muss, werde ich nun berichten. Denn möglicherweise habe ich vor vielen, vielen Jahren aus Eitelkeit und Trotz einen nicht wieder gutzumachenden Fehler begangen …

Hauptteil

Ich habe, wie meine Mutter sagen würde, wenn sie denn noch leben würde, und wie sie zu Lebzeiten unzählige Male gesagt hat, nun einmal meinen eigenen Kopf. In diesem Kopf, nach dem es gehen muss, war schon seit meiner frühesten Kindheit, und ist es noch immer, an allererster Stelle die Musik. Deswegen verkündete ich auch schon mit fünf Jahren den Wunsch, nein, den Plan, Tänzerin zu werden. Meine Mutter lächelte milde und meldete mich, wohl um mir zu zeigen, dass das nicht so einfach und lustig sei, wie ich mir das vorstellte, in einer Ballettschule an.

Ich sehe mir gerne das Foto an, das an meinem ersten Tag dort gemacht wurde. Einfach entzückend habe ich damals ausgesehen in meinem rosaroten Balletttrikot, mit meinem langen blonden Haar und dem strahlenden Lächeln, weil meinem Wunsch genüge getan worden war.

Ich will nicht behaupten, dass das, was darauf folgte, immer einfach gewesen sei, doch ich verfügte über die wichtigsten Dinge: Talent und einen starken Willen. Im zarten Alter von 13 Jahren gelang mir der erste große Sprung; ich wurde an der Akademie für Bildende Künste in Wien aufgenommen.

Dort gab es, im Gegensatz zu meinen früheren Ausbildungsstätten, nur noch Menschen wie mich, denen man den starken Willen in den Augen und das Talent in den anstrengenden und fordernden Unterrichtsstunden ansehen konnte.

Ich war nicht mehr überall die Erste, das Lob war spärlich, und jedes Mal, wenn eine Andere die Hauptrolle tanzen durfte, brach für mich eine kleine Welt zusammen. Bei Wettbewerben kam ich nie über den zweiten Platz hinaus, so sehr ich mich auch bemühte. Es schien ganz so, als sollte meine Mutter doch noch recht behalten mit ihrer Sorge, ich würde nicht unter den wenigen Auserwählten sein, die in diesem Metier Fuß fassen und damit ihren Lebensunterhalt verdienen können.

Der Tag, an dem sich diese Befürchtungen und auch meine Sorgen und Ängste zerschlagen sollten, war mein 16. Geburtstag. Es war der August des Jahres 1955, Österreich hatte zwar den Krieg verloren, sollte aber bald darauf den Kampf um seine neue Identität gewinnen. Auch ich war wieder einmal besiegt worden, von meiner ärgsten Konkurrentin, und vor lauter Gram darüber weigerte ich mich an diesem Tag, zu trainieren und schloss mich in meinem Zimmer ein. Missmutig stellte ich fest, dass niemand kam, um mich aus meiner Einsamkeit zu befreien und begann ein zorniges Zwiegespräch mit Gott. „Warum tust du mir das an? Ich bin immer fleißig und bete jeden Tag. Du kennst meine Wünsche, warum werden sie mir nicht erfüllt? Gerade heute sollte ich Grund haben, mich zu freuen!“ So und so ähnlich erging ich mich im Selbstmitleid und steigerte mich so weit hinein, bis ich den Disput mit meinem stummen Widersacher mit einem „Du wirst schon noch sehen, es geht auch ohne dich, wahrscheinlich sogar viel besser!“, beendete.

Kaum hatte ich diesen Satz beendet, geschah etwas Seltsames.

Die Türe, die ich ganz bestimmt verschlossen hatte, wurde von außen geöffnet und ein junger Mann mit lockigem schwarzen Haar und nachtfarbenen Augen trat herein. Ich war so erstaunt, dass ich – was für mich wirklich untypisch ist – nicht wusste, was ich sagen sollte. Der schöne Fremde begann zu sprechen: „Du willst Erfolg? Du willst die Beste von allen sein, in allem, was du versuchst? Ich kann dir geben, was du dir so sehr wünschst.“

Ich saß ganz verdattert auf meinem Bett und wollte schließlich von ihm wissen, wer er sei und was er von mir wolle. „Jetzt will ich dich glücklich machen. Über das, was später geschieht, brauchst du dir nun keine Gedanken zu machen.“ „Können Sie mir eine Hauptrolle verschaffen?“ „Wenn es das ist, was du möchtest, ja.“ Zu meiner Verteidigung muss ich noch einmal darauf hinweisen, dass ich damals 16 war und mich von der ganzen Welt im Stich gelassen fühlte. Hauptsächlich deswegen also, weil ich der Überzeugung war, schlimmer könne es nicht mehr werden, nahm ich die Hand, die der Unbekannte mir entgegenstreckte, in meine und besiegelte damit unsere Abmachung. Die Augen des Mannes blitzten gefährlich auf, und ich sank auf mein Bett zurück. Als ich ein paar Stunden später aufwachte, wusste ich nicht, ob ich geträumt hatte. Die Türe fand ich jedenfalls verschlossen vor, was mich zu der Überzeugung gelangen ließ, nicht wirklich einen Pakt mit einem mir fremden Mann zu nicht klar definierten Bedingungen abgeschlossen zu haben.

Drei Tage später stürzte diejenige Tänzerin, die mir bereits wiederholt die Hauptrolle weggeschnappt hatte, und deren Zweitbesetzung ich auch diesmal war, über eine Treppe und brach sich das Bein. Damit hatte ich meine erste Hauptrolle in der Tasche. Sobald dieser Stein des Erfolges einmal ins Rollen gebracht worden war, schien er nicht mehr aufzuhalten zu sein.     Ein knappes Jahr später gewann ich den Staatspreis für Ballett.

Nachdem ich meine Ausbildung zur Tänzerin und Sängerin beendet hatte, folgten viele Auftritte in zumeist wichtigen Operettenrollen, doch den Höhepunkt meiner noch so jungen Karriere sollte die Tournee im Jahre 1964 bilden. Gemeinsam mit dem Ensemble bereiste ich die USA und Kanada, wir wurden Abend für Abend vom Publikum bejubelt und bekamen die tollsten Kritiken. Dass ich dabei eine Hauptrolle spielen, singen, tanzen durfte, erschien mir nur als selbstverständlich und meiner vielen Mühen gerechter Lohn.

 

In den darauffolgenden Jahren flogen mir die Herzen des Publikums nur so zu, egal wo ich hinkam, man liebte mich, ich aber liebte immer nur die Musik. Doch auch das sollte sich ändern. Ich verbrachte damals viel Zeit in Wien, und das Parkett der gesellschaftlichen Verpflichtungen rief nach mir.

Auf einer dieser zahllosen Veranstaltungen, irgendjemand wurde geehrt und ich sollte den Preis überreichen – dafür suchen sie sich ja immer die schönen jungen Frauen aus –, lernte ich ihn dann schließlich kennen; meinen zukünftigen Ehemann. Er hatte alles, was sich eine Frau nur wünschen konnte, und ausgerechnet ich wurde von ihm erwählt. 

Ich war keine ganz junge Braut mehr, doch auch er war schon ein gefestigter Mann – ein Politiker, einer von denen, bei deren Erscheinen die Gespräche verstummen und denen man ehrfürchtig lauscht, wenn sie sprechen – als 1978 die Hochzeitsglocken für uns läuteten. Ich war die glücklichste Frau der Welt – bis zu meinem 40. Geburtstag im darauffolgenden Jahr. 

Auch wenn ich mich, wie das bei den Frauen eben so ist, nicht darüber freute, älter zu werden, war eine große Feier zu meinem Ehrentag organisiert worden.

 Die aus über 100 Leuten bestehende Gesellschaft befand sich in einem noblen Restaurant und stieß mit Champagner auf mich an. Ich hatte schon zuhause beim Anziehen den einen oder anderen Schluck Wodka getrunken, weil ich angespannt war und mich, was von den Blicken in den Spiegel nur bestätigt wurde, alt und faltig fühlte. Als ich schließlich der, ihre eigene Wichtigkeit, die sie durch die Einladung zu dieser Feier bestätigt sahen,  feiernden, Menge entfliehen wollte und zur Toilette ging, begegnete mir bei der Türe des Speisesaales jemand.

Es war ein großgewachsener Mann mit schulterlangem braunem Haar und einem muskulösen Körperbau. Da es sich um eine geschlossene Gesellschaft handelte, ich ihn aber nicht zu kennen glaubte, fragte ich ihn, ob er eingeladen sei. „Ja, denn heute habe ich allen Grund zum Feiern“, antwortete er mir und fragte mich, ob ich ihn denn nicht erkennen würde. Dabei beugte er sich mit dem Oberkörper nach vorne, so dass sein Gesicht ganz nahe an meinem war. Schlagartig wurde mir bewusst, was mir an diesem Mann die ganze Zeit über so unheimlich bekannt vorgekommen war: Es waren seine tiefschwarzen Augen, in denen ein bedrohliches Funkeln lag. Was mir die ganzen Jahre über nicht bewusst gewesen war, weil ich es immer zu verdrängen vermocht hatte, konnte ich nun nicht mehr länger verleugnen: Für mein Glück musste ich bezahlen. Doch schon im selben Moment kam mir ein anderer Gedanke. Wenn der Zahltag einmal hatte warten können, warum sollte das dann kein zweites Mal möglich sein? „Ich bin noch nicht bereit. Was immer du willst, du musst es dir holen. Freiwillig gebe ich dir nichts“, raunte ich dem düsteren Besucher ins Ohr, machte kehrt und wollte gehen, doch er hatte mich am Handgelenk gepackt. Ich hörte ihn leise lachen.

„Damit machst du mir ein großes Geschenk. Ich bin mir sicher, wir werden noch viel Spaß miteinander haben…“, murmelte er, ließ mich los, und weg war er.

Ich will nicht behaupten, dass diese Drohung des, in meinen Augen zweifellos auf den Verlauf meines Lebens Einfluss nehmenden, Mannes mich kalt gelassen habe. Doch die Jahre gingen ins Land und nichts geschah – zumindest nichts Negatives. Ich war weiterhin erfolgreich, und das galt auch für meinen Mann. Ein paar Jahre nach unserer Hochzeit war er endlich, wofür er so hart gearbeitet hatte: der höchste Mann der Stadt. Wir waren bekannt, beliebt, aber wir polarisierten auch. Dass sich mein Mann mit seinem beispiellosen Engagement für Gerechtigkeit und offenen Umgang miteinander – sowohl im Inland als auch im Austausch mit anderen Ländern – und seiner Angewohnheit, seine Meinung, egal ob erwünscht oder nicht, kundzutun, nicht nur Freunde machte, war eine logische, aber nicht allzu unangenehme Tatsache, die unser zufriedenes Leben kaum beeinträchtigen konnte.

Zumindest nicht bis zu jenem verhängnisvollen Tag im Dezember des Jahres des Hahns in den neunziger Jahren. Von dem ebenso sinnlosen wie kranken Anschlag erholte sich mein Mann, körperlich und seelisch, nie wieder vollständig. Es war, ohne dabei unnötig dramatisieren zu wollen, für ihn und somit für mein, für unser Glück der Anfang vom Ende.

Ein paar Tage später, am Heiligabend, als ich die Klinik verließ und in das wartende Taxi stieg, lief mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Zuerst spürte ich den Blick, mit dem der Taxifahrer mich musterte, nur, dann sah ich ihn auch im Rückspiegel.

Als er mich nach dem Ziel fragte, sprach der Fahrer mit einem fremdländisch klingenden Akzent, und unter der Mütze, die er trug, lugten Strähnen seines fettigen blonden Haares hervor.

Doch was mir so großes Unbehagen bereitete, dass ich es vorzog, an der nächsten Ecke wieder auszusteigen und die U-Bahn zu nehmen, waren die Augen dieses Mannes. Es waren dieselben schwarzen Augen, die ich zuletzt am Tag meines 40.Geburtstages gesehen hatte, es war derselbe drohende Blick, mit dem der schöne Unbekannte mir damals versichert hatte, wir würden noch viel Spaß miteinander haben. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren wendete ich mich wieder an Gott, wendete mich an ihn und bat ihn um Verzeihung. Ich bat ihn darum, Gnade walten zu lassen und mir die Überheblichkeit meiner Jugend, ja die Überheblichkeit und Selbstverständlichkeit, mit der ich in all der Zeit den Ruhm und die Anerkennung genossen hatte, nachzusehen.

Mittlerweile ist mein Mann seit fast vier Jahren tot. Er musste lange leiden, und ich litt mit ihm. Auch meine Mutter, die lange krank war und an deren Pflege ich, auch während der Krankheit meines Mannes, beteiligt war, ist vor kurzem verstorben. Nicht einmal mein Glaube, zu dem ich – trotz der so ernüchternden und mir für eine Weile alle Lebensfreude raubenden Ereignisse  – endgültig zurückgefunden habe, kann mir das, was ich empfinde, wenn ich ihre Gräber besuche, erleichtern oder gar abnehmen.

Meine Karriere, die selbst in ihrer fortgeschrittenen Version noch mit den ihr gewidmeten Jahren, die vor mir zu liegen schienen, verführerisch funkelte, ist mittlerweile nicht mehr als solche zu bezeichnen; zu unwichtig sind mir Ruhm und Erfolg geworden, zu viel Energie haben mich andere Dinge gekostet.

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