Biografien & Erinnerungen
Sie vertrauen mir

Es hat lange gedauert, aber jetzt habe ich es geschafft. Meine Eltern sind überzeugt von meinem Verantwortungsbewusstsein und lassen mich, während sie das Wochenende über auf einer Hochzeit auf irgendeinem alten Bauernhof in Cornwall sind, allein in unserer Wohnung in Hamburg. Als ich dann am – zum Glück schulfreien! – Freitagmorgen in der Küche sitze, in der meine Mutter hektisch hin und her rennt und mir letzte Anweisungen gibt – „Geh‘ ja nicht mitten in der Nacht auf die REEPERBAHN!“, als ob ich das mit meinen 15 Jahren machen würde. –, kommt mein Vater mit einem alten, tragbaren Radio herein. Das alte Ding gibt jedoch größtenteils nur noch knackende Geräusche von sich. „Krrk… krrk… WULFF… krrk…“, rauscht es. Erst als mein Vater die Antenne ein wenig zur Seite biegt, dringen ganze Sätze aus dem Lautsprecher: „Auf Island ist ein VULKANAUSBRUCH zu erwarten.“ Okay, das war’s dann auch schon wieder. „Siehst du“, kommentiert meine Mutter die Nachricht, „stell‘ dir vor, wir würden auf Island leben. Oder noch schlimmer, der Vulkan würde hier in der Nähe stehen!“ Mama, wir sind hier in Hamburg!!! Vergiss solche Gefahren wie Vulkanausbrüche. Ich denke daran, mit meinem Kaugummi eine riesige KAUGUMMIBLASE zu machen, aber das würde meine Mutter ziemlich wütend machen und dann würden meine Eltern mich vielleicht doch nicht allein zu Hause lassen.

Als sie endlich weg sind, ist es bereits Mittag – im Fernsehen läuft die 12 Uhr-Sendung MITTAGSGLOCKE – und ich beschließe, dass es Zeit für einen Wochenendplan ist. Ich gehe aus dem Wohnzimmer und zurück in die Küche, um mir einen Zettel und einen Stift zu holen. Wieder zurück auf dem Sofa schreibe ich auf, was ich alles machen könnte: Am Hamburg-MARATHON mitlaufen oder zumindest zuschauen? Nein, ich bin weder Sport-Ass noch Sport-Fan. Und da erinnere ich mich an etwas, das auch in der Zeitschrift gestanden hat, in der ich das mit dem Marathon gelesen habe: Die SONNENFINSTERNIS heute Abend. Aber sich so ein seltenes Ereignis allein anzusehen, macht keinen Spaß. Ich habe eine Idee: Tim, ein Junge an meiner Schule in den ich total verknallt bin. Ich rufe ihn an. Ein Date mit ihm würde das Wochenende perfekt machen. Eigentlich habe ich es mir immer anders vorgestellt – wir fahren in einer PFERDEKUTSCHE eine von Eichen gesäumte Allee entlang, er saugt sich für mich ein LIEBESGEDICHT aus den Fingern und in meine Kopf klingt es, als ob die ENGEL extra für uns Geige spielen. Aber hey, wir könnten auch in der Stadt einen BUBBLE-TEA trinken gehen und uns heute Abend die Sonnenfinsternis anschauen. Ihr glaubt nicht, dass das klappt? Wir werden’s ja sehen…