Kurzgeschichte
Ein Tag im Leben

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"Ein Tag im Leben"
Veröffentlicht am 18. Mai 2012, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich bin ein Honigkuchenpferd, Honigkuchendachs, Honigkuchen, oder einfach nur Ich. http://www.rdedition.com/ http://honigkuchendachs.wordpress.com/
Ein Tag im Leben

Ein Tag im Leben

Da steht sie, so ganz verlegen, verlagert ihr Gewicht mal aufs rechte Bein, mal aufs linke. Sie streicht ein und dieselbe Haarsträhne tausende Male hinter ihr Ohr. Der Widerspenstigen Zähmung. Sie kocht immer viel zu viel Kaffee. Sie trinkt immer viel zu viel Bier. Irgendwann fällt der Vorhang und die Komödie verwandelt sich in eine Tragödie. Und umgekehrt. Keiner würde vermuten, dass  dieser zarte Mädchenkörper so ein teuflische, hässlicher, lauter Lachen produzieren kann. Tut er aber! Ein Lacher, der meterweit, wenn nicht sogar kilometerweit hörbar ist. Ein unverkennbarer Lacher. Ist sie in einem Lokal und lacht, weiß sofort jeder, der sie kennt, bescheid. Sie ist also auch hier. Und hat Spaß. Denn dieser tödliche, ohrenbetäubende Lacher dringt nur an die Öffentlichkeit, wenn es auch wirklich um etwas wirklich unglaublich Lustiges geht. Sie kriegt immer totale Gänsehaut, wenn sie etwas Schönes macht. Und dann muss sie niesen. Sie steht immer bloß in der Gegend herum, wartet auf nichts und starrt. Sie starrt mit eisigen Augen, aber niemand weiß, wohin. Es ist dieser Blick, an der Grenze zwischen hasserfüllt und verzweifelt. Die Leute, diese wundersamen Leute, jeder seine eigene Geschichte, seine eigenen verdrehten Gedanken, ein Chaos in uns allen, diese Leute jedenfalls rasen an ihr vorbei, wie klitzekleine Käferkinder. Sie berühren einander an der Schulter, so sanft, dass es beinahe schmerzt. Sie fühlt sich eingeklemmt, zwischen all diesen Köpfen und Gedanken und Körpern und Gefühlen. Was sind denn diese Leute außer einer Ansammlung von Empfindungen? Es ist die Leidenschaft, die uns vereint. Es ist die Erkenntnis, nichts zu sein und dadurch alles. Wir müssen stehen bleiben, dem Mädchen helfen, weiterzukommen. Sie darf nicht bloß felsenfest in der Masse hängen bleiben. Aber wir gehen an ihr vorbei, wir bemerken sie doch gar nicht. Wir fürchten ihren Blick, der sich in unsere Seele frisst. Wir fürchten ihr Lachen, das unsere Ohren schmerzen lässt. Wir fürchten ihre Musik, weil sie so schön und fein ist, dass sie das Herz aus Glas schmelzen lässt. Bis es auf den Boden plumpst und du dir an den Scherben deine Füße aufschlitzen wirst. Es tut weh, sich auf etwas Derartiges einzulassen. Aber man kann immer darauf hoffen, den Schmerz eines Tages gut zu finden. Und vielleicht auch gar nicht mehr ohne ihn sein zu wollen. Ohne ihn und somit ohne ihr. Stehst ganz schön dumm da, so alleine. Abhängigkeiten, Süchte, Sehnsüchte. Die Leidenschaft hält uns zusammen und der Zusammenhalt bringt uns um. Entweder du lässt dich darauf an oder erstick du doch an deiner Fragerei, die weder dir noch uns allen etwas bringt.

Sie steht noch immer dort, aber das eisige Starren ist verschwunden. Sie lächelt, fasst sich ein Herz und macht einen Schritt nach vorne. Die Leute kommen ihr entgegen und rempeln sie an, mit ihren Schultern, steigen auf ihre Füße, rammen ihr Riesenhandtaschen in den Magen. Aber sie lächelt und stolpert vorwärts. Denn dort hinten, am Horizont, da wartet er schon stundenlang auf sie. Er weiß es nur noch nicht.

 

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Honigkuchenpfe
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Undefiniert Re: Re: Sehr schön... - Adjektive sind wie eine Droge...wenn man mal in ihren genuß gekommen ist, dann kann man es nicht mehr lassen, über all welche einzustreuen. Das Ergebnis sind dann Sätze wie: "Leise strich der flüsternde Wind über den geheimnisvoll grün schlafenden Waldrand, nur beschienen von dem majestätischen Mond mit seinem silbergrauen Licht, das sich über den alten, herrschaftlichen Baumstümpfen ausbreitete..." Und irgendwann hat man den Bogen überspannt :-)
Ebenfalls schöne Grüße.

Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Sehr schön... - Sehr schön, das erinnert mich an Dornröschen und ich bin dann der Prinz usw. Kennt man ja!
Ich fands auch irgendwie lustig, weil es so anders ist, als das, was ich sonst mache. Und ich befürchte ja, dass ich "normale" Texte gar nicht schreiben kann, so mit Handlung und Anfang und Schluss. Aber wir haben früher im Kunst-Unterricht gelernt, dass Expressionisten immer Impressionistisch malen wollten und umgekehrt und dass man dabei immer besser wird in dem, worin man ohnehin schon gut ist. Also durch den Versuch, dass zu machen, was man eigentlich nicht kann. Äh, das ist jetzt nur halb so selbstverliebt gemeint, wie es klingt, es geht einfach generell um diese Tatsache und der Gedanke und dass ich das schön finde, diese Behauptung.
Adjektive sind toll, ich würde das nur unterstützen unzählige davon zu benutzen, wie soll man sonst seiner Empfindungen Ausdruck verleihen?!

Ich grüße dich aus meinem Sumpf der Langeweile und bedanke mich für die Blumen, die mich zumindest für eine Weile aus dem Sumpf herausschauen lassen.

Einen schönen Tag!!
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Ein Tag im Leben -
Zitat: (Original von GerLINDE am 18.05.2012 - 14:41 Uhr) Oh, oh, diese Sehnsucht, die man eigentlich nicht so recht möchte und dann doch wieder....."Es tut weh, sich auf etwas Derartiges einzulassen. Aber man kann immer darauf hoffen, den Schmerz eines Tages gut zu finden."

Oh, das finde ich zwar nicht, aber gut geschrieben und dargestellt. Daher 5 Sterne für das "Honigkuchenpferdchen"

Lieben Gruß
Gerlinde



Es tut zum Glück nicht immer weh und sobald man es dann gut findet, ja sowieso nicht mehr.
Freut mich sehr, Danke für die Worte!

Liebe Grüße
das pferdchen
Vor langer Zeit - Antworten
Undefiniert Sehr schön... - Du hast mich gerade aus einem Langeweile-Koma gerettet. Herzlichen Dank!
Unlaublich schön geschriebener Text. Hat etwas melancholisches und ist ein bisschen anders, als die, die ich sonst so von dir kenne. Aber ist echt wahnsinnig gut.
(Mein Deutschlehrer hat uns bei der Auswertung der letzten Klausur gesagt, wir sollen auf diese Übertreibungen verzichten, wie z. B. "unendlich viele wiederholungen" oder "unzählige Fragezeichen"...aber gerade will ich vor jedes positive Adjektiv noch ein....was-auch-immer-das-für-eine-Wortart-ist setzen....um meine Begeisterung zu bekräftigen.)
Jetzt versinke ich wieder in meinem Sumpf aus Arbeit und Antriebslosigkeit.
War schön dich gelesen zu haben,
habe die Ehre,
Undefiniert, die gerade Favorit Nr. 4 auf ihre Liste gesetzt hat :-)
Vor langer Zeit - Antworten
GerLINDE Ein Tag im Leben - Oh, oh, diese Sehnsucht, die man eigentlich nicht so recht möchte und dann doch wieder....."Es tut weh, sich auf etwas Derartiges einzulassen. Aber man kann immer darauf hoffen, den Schmerz eines Tages gut zu finden."

Oh, das finde ich zwar nicht, aber gut geschrieben und dargestellt. Daher 5 Sterne für das "Honigkuchenpferdchen"

Lieben Gruß
Gerlinde
Vor langer Zeit - Antworten
neuling35 Alle sollten zusammen halten.
So wie es auch hier beschrieben.
Schöne Worte.

lg neuling35
Vor langer Zeit - Antworten
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