Romane & Erzählungen
Erinnerungen - 1. Fassung

 

 

 

 

 

 

 

 

Zur Erinnerung an meine Urgroßmutter Erna Probst

(geboren: 21.07.1908)

Dieses Buch ist anhand ihrer Aufzeichnungen geschrieben worden

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich bin eine geborene Ussatis. Mein Vater war Rudolf Ussatis, meine Mutter Natalie Ussatis, geborene Winkler und ich selbst heiße Erna.

Meine Großeltern von Vaters Seite sind Hermann Ussatis und Wilhelmine Ussatis, geborene Till. Meine Großeltern von mütterlicher Seite sind Samuel Winkler und Amalie Winkler, geborene Wegener.

Mein Großvater ist in Eichen geboren, das liegt in Ostpreußen. Er stammte von einem Bauernhof und war von Beruf Lehrer. Um das Jahr 1868 ist er mit Frau und Tochter nach Russland ausgewandert. Dort betrieb er dann eine Landwirtschaft und hatte sechs Kinder. Mein Vater war der zweitälteste Sohn und hat Messerschmied als Handwerk gelernt. Neben dem Schmiedehandwerk betrieb er nach seiner Hochzeit mit meiner Mutter, Natalie Winkler noch Landwirtschaft.

Zuerst wohnten mein Vater und meine Mutter in Tabufka, zogen aber bald nach Carlowka, wo ich am 21.07.1908 geboren wurde.

In Carlowka hatten meine Eltern einen Bauernhof mit Kühen, Pferden, Schweinen, Enten, Hühnern und Gänsen. Schon mit sechs Jahren musste ich die Gänse hüten und auf meine beiden jüngeren Schwestern Renate und Meta aufpassen. Ich hatte auch noch vier Brüder, die älter waren als ich. Mein ältester Bruder war in der Lehre, da er Müller werden wollte. Mein zweitältester Bruder, Berthold, half meinem Vater und meiner Mutter bei der Landwirtschaft. Der jüngste meiner Brüder, Albert, musste immer die Kühe hüten. Diese wurden jeden Tag nach dem Melken in den Wald getrieben. Er musste aufpassen, dass sie nicht in Nachbars Korn liefen. Dennoch passierte dies ein Mal. Das gab vielleicht Ärger! Am Abend kam unser Nachbar, ein älterer Herr und schimpfte, unsere Kühe hätten seine ganze Ernte zerstört. Albert hat großen Ärger bekommen, denn unser Nachbar meinte, wir müssten ihm die Ernte ersetzen. So haben wir fast unsere ganze Ernte abgeben müssen und im Winter furchtbaren Hunger gelitten. Seitdem passte Albert immer besonders gut auf und es passierte auch nie wieder etwas.

Eines Tages erkältete sich Albert. Er hatte Diphterie. Damals war diese Krankheit noch nicht bekannt und daher fuhr Vater auch nicht zum Arzt mit ihm. Von Tag zu Tag ging es ihm schlechter, Mutter meinte es wird schon wieder, doch nach drei Tagen war Albert tot. Wir haben alle sehr getrauert und ihn im Wald unter seinem Lieblingsbaum begraben. Für mich war es ein Schock. Albert war mit der Bruder, den ich am liebsten hatte. Er machte immer lustige Sprüche und sang vor sich hin. Außerdem war er immer gut gelaunt und behandelte mich nicht wie ein Baby. Doch nun war er nicht mehr da und ich wusste erst nicht wie ich mit diesem Verlust umgehen sollte. Ich war ja erst sechs. Doch irgendwann ließ die Trauer nach, ganz von allein. Vergessen habe ich ihn jedoch bis heute nicht, ich glaube, so etwas geht auch gar nicht…

Einen Tag nach Alberst Tod bekamen Renate und ich außerdem den „schlechten Husten“. Vater spannte sofort die Pferde ein und fuhr mit uns zum Arzt. Dieser gab uns eine Spritze und so wurden wir glücklicher Weise schnell wieder gesund.