Gedichte
Stumm

Stumm

Sie laufen stumm an mir vorbei

die Augen leer und schwer wie Blei

an jedem Morgen, gleiche Zeit

im steten Trott und nicht bereit

für einen Augenblick zu weilen

sich um zu schaun, nicht zu eilen

der Blick stur auf den Weg gerichtet

den freien Willen längst vernichtet

Wie eine graue, zähe Masse

durch jede noch so kleine Gasse.

Nein, nicht ein Paar nur, es sind viele,

als stünd ihr Leben auf dem Spiele

als gäb es nur den einen Akt,

pulsieren im Sekundentakt

Sie hetzen, drängeln, keifern spitz

und nehmen darum kaum Notiz

von dem was links und rechts zu sehen

sie laufen nur, sie kommen, gehen

So bleibt das alles mir allein

was sie nicht sehen ist wohl mein

die Welt für die ihr Auge blind

weil sie nur müde Krieger sind

Nur Schreibtischtäter, Arbeitssklaven

so träge wie ein Haufen Maden

die schwer sich durch den Morgen schleppen

bis eines Tages sie verrecken

Ich steh daneben, nicht zu nah

denn viel zu groß ist die Gefahr

hinein in diesen Strom zu sinken

mich zu verirren, zu ertrinken

Und während sie von dannen streben

vorbei an mir und an dem Leben

seh ich von meinem Standpunkt hier

den blauen Himmel über mir

Seh Wolken dort wie Kinder toben

und einen Vogel, sehr weit oben

mein Frühlingsgrün das grad erwacht

und aus dem Tag ein Wunder macht

Bald ist es still, die Straßen leer

verschwunden dann das graue Heer

nur ich, ich steh noch immer keck

seit Jahren schon, am selben Fleck

Hab tief die Wurzeln eingegraben

und fühl mich wohl hier, fast erhaben

denn mir bleibt Zeit all das zu sehn

an dem sie stumm vorüber gehn

Ihr Leben ist so schnell vollendet

und wenig nur davon verwendet

Ich wünscht sie wären, glaub es kaum,

im nächsten Leben auch ein Baum