Kurzgeschichte
Die Fejor

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"Die Fejor"
Veröffentlicht am 08. April 2012, 30 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Die Fejor

Die Fejor

Beschreibung

Diese Kurzgeschichte befasst sich mit Victor, der seine Geschichte in wenigen Worten zu erzählen versucht. Doch er hat nicht viel Zeit dafür. Warum? Das wird man erfahren...

Kapitel 1

Meister, ihr habt mich rufen lassen?“, ich kniete nieder und sah ehrfürchtig zu Boden. Ich spürte die Blicke der Wachen, der Bediensteten und des Meisters selbst auf mir ruhen. „Victor, steh auf“, befahlt mein Meister und ich tat, was er von mir wollte.

Da stand er, wie eh und je: stark, mächtig und gebieterisch. Wer würde es wagen ihm zu widersprechen? Ich für meinen Teil hatte nie einen Grund dazu gesehen. Seine Entscheidungen waren immer Weise gewesen. Wie hätte ich wissen könnten, dass dieser Moment alles ändern könnte?

Ich habe einen Auftrag für dich. Du bist einer meiner besten Männer, ich gehe davon aus, dass du ihn gut ausführen wirst“, begann der Meister und schwieg. Er wollte eine Bestätigung. „Ich werde tun, was auch immer ihr von mir verlangt, Meister“, erklärte ich bereitwillig ohne den Auftrag zu kennen und nickte bekräftigend.

Nun, unser Klan genießt in dieser Stadt großes Ansehen und wir haben alle Neider niedergeschlagen. Doch in unserer Nachbarstadt herrscht noch immer die Fejor und alle Kämpfe führten nie zu einem Ergebnis. Es gab Verluste in ihren Reihen, doch nicht genug um sie zu vernichten“, schilderte er und ich hing förmlich an seinen Lippen.

Ich werde das nicht weiter dulden. Sie sind mir zu nah und zu mächtig. Wir werden diese Stadt einnehmen. Doch nicht mit einem Kampf, anders“, fuhr er fort und schwieg wieder einen kurzen Moment.

Was ist euer Plan, Meister?“, fragte ich ungeduldig. Ich war gespannt was für einen Plan er hatte. Neben den großen Kämpfen und Schlachten hatte er auch immer Hinterhalte und Pläne geschmiedet, die so manchen mächtigen Mann zu Fall gebracht hatten. Ich war gespannt.

Ich möchte, dass du zu den Fejor gehst und dich dort einschleicht. Ich weiß, dass du ein guter Spion bist, Victor. Du sollst zu der Frau des Klanführers gehen und sie töten. Dann nimmst du das Kind und bringst es zu mir. Das wird das Druckmittel sein. Wenn sie es lebend wollen, dann müssen sie sich ergeben“, der Meister lächelte siegessicher und wartete auf meine Reaktion.

Bei jedem anderen Plan hätte ich sofort zugestimmt und getan, was er von mir wollte. Doch nun stockte ich und sah ihn nur schweigend an. Eine wehrlose Frau töten? Das Kind entführen? Das sollte ehrenhaft sein? Doch was war in einem Kampf zwischen zwei Rivalen schon ehrenhaft?

Doch ich hatte selber eine Frau und zwei Kinder. Ich konnte mir gut vorstellen, was es bedeuten würde sie zu verlieren. Zweifellos das würde auch den Klanführer der Fejor zum Fall bringen, doch der Preis erschien mir zu hoch. Ich hatte nur Männer getötet in ehrenhaften Kämpfen, niemals aus dem Hinterhalt. Wie also sollte ich das tun?

Victor, du wirst das für mich tun, nicht wahr?“, fragte der Meister und er verengte die Augen. Lauernd sah er mich an. Wenn ich jetzt nicht zustimmte, dann musste ich mich nicht um das Leben einer fremden Frau und deren Kind sorgen, sondern um meines.

Doch ich konnte nicht anders, ich war dumm genug nicht einfach zuzustimmen. Dumm genug meinem Meister zu widersprechen. „Meister, ich weiß nicht, ob“, begann ich, doch er unterbrach mich sofort.

Ich dulde keine Widersprüche. Es ist ganz einfach: Wenn du es nicht tust, dann werde ich deine Frau töten und deine Kinder ebenso“, schrie er schon beinahe und ich zuckte zusammen. „Ich werde es tun, so wie ihr es mir befehlt, denn was bin ich ohne euch, verzeiht mir, Meister“, sagte ich schnell und kleinlaut und senkte den Blick.

Gut so, geh nun und enttäusche mich ja nicht“, sagte er und setzte sich auf seinen Thron. Ich ahnte es schon, ich hatte verloren. Auch wenn ich diesen Auftrag ausführen würde und alles so verlief, wie er es von mir wollte, so wusste er nun, dass ich ein einziges mal widersprochen hatte und das würde er wohl nie vergessen.

 

Kapitel 2

Sag, was ist los? Du hast den ganzen Abend nicht mit mir oder den Kindern gesprochen. Gegessen hast du auch fast nichts“, fragte Isna in meine Gedanken hinein. Ich stand da und starrte auf den Schrank, in dem meine Waffen ruhten. Wie lange ich schon da stand wusste ich nicht, aber es kam mir wie eine Ewigkeit und doch wie nur ein kurzer Moment vor. Es dauerte noch einen weiteren Moment, bis ich mich umdrehte und sie ansah.

Verzeih mir, Liebste. Ich bin in Gedanken. Der Meister hat mir einen neuen Auftrag erteilt und ich denke darüber nach, wie ich ihn ausführen soll“, erklärte ich meiner Frau. In Wirklichkeit dachte ich nicht an das wie, sondern ob oder warum. Wie sollten diese Waffen in dem Schrank eine unschuldige Frau töten? Konnte ich das Leben meiner Frau so aufs Spiel setzten, wenn ich es nicht tat?

Aber irgendetwas ist doch anders. Wenn du sonst Aufträge erhältst, dann bist du nicht so“, begehrte sie auf und sah mich eindringlich an. Wie nur sollte ich ihr davon erzählen? Ich konnte es nicht. Ich kannte sie. Sie würde von mir verlangen, dass ich es nicht tat und die Sache nur noch verschlimmern.

Dann endlich fasste ich einen Entschluss. Ich würde es tun, ich musste es tun. Ich durfte meinen Meister nicht enttäuschen, niemals. Aber ich musste Isna und die Kinder schützen. „Du musst mir jetzt gut zuhören“, begann ich und ergriff sie eindringlich an den Oberarmen. „Du musst die Kinder nehmen und in die Berge gehen. Du musst dich dort verstecken, bis ich komme und dich hole. Ich bin ehrlich, ich habe Angst um euch, denn mein Auftrag ist gefährlich. Nicht für mich, sondern für euch“, ich sah ihr tief in die Augen und nickte ernst.

Gefährlich? Für uns? Warum? Was musst du tun?“, fragte sie und wirkte irritiert und ängstlich. „Ich kann“, ich musste schlucken und fing nochmal an „Ich kann dir das nicht sagen, ich darf nicht darüber sprechen. Du musst tun, was ich dir sage“, ich umarmte sie kurz und gab ihr einen Kuss. Sie durfte nicht hier sein. Der Meister war unberechenbar.

Aber“, begann sie, doch ich unterbrach sie „Bitte vertrau mir und tu es einfach“, ich schob sie aus dem Zimmer „Geh jetzt, na los“, dann schloss ich die Tür und lehnte mich mit dem Rücken dagegen. Lange hörte ich zu, wie sie mit den Kindern sprach, Sachen packte und schließlich ging. Ich war froh, dass sie mir vertraute.

Als sie schon eine Stunde aus dem Haus waren stand ich noch immer da. Dann brach es aus mir heraus. Die Angst um sie, die Verzweiflung. Die Wut auf den Meister selbst. Wie konnte er soetwas nur verlangen? Von mir? Seinem treustem Untergebenem. Niemals hatte ich an ihm gezweifelt doch nun wusste ich nicht mehr, was ich denken sollte. Ich schrie und schlug gegen die Tür, trat gegen das Bett und den Schrank. Ich verfiel in eine Ekstase der Verzweiflung.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich mich erst wieder im Griff. Ich durfte jetzt nicht verzweifeln. Das war ich zwar nicht dem Meister aber Isna schuldig.

Ich atmete ein und wieder aus. Dann ging ich zum Schrank und zog mein Schwert, den Dolch und die Wurfmesser heraus. Dann befestigte ich alles bis auf das Schwert versteckt unter meiner Kleidung und zog meinen dunklen Mantel über. Ich würde diese Frau töten und dieses verfluchte Kind entführen und betete zu Vidiel, dass er mir diese grausame Tat verzeihen und meine Familie schützen würde.

Ich war nie ein gläubiger Mensch gewesen und hatte das beten immer den anderen überlassen, doch wenn es einen Gott gab, dann brauchte ich ihn jetzt und ich hoffte darauf, dass er mich erhören würde, wenn ich zu ihm sprach.

 

Kapitel 3

Da war ich nun. Unbemerkt durch das Tor der Stadt, unbemerkt durch die Straßen und unbemerkt bis in den Hintergarten des Hauses der Fejor. Ich wollte hineinsehen und überprüfen, ob der Klanmeister anwesend war. Wenn er hier war, dann war seine Frau in seinem Haus ungeschützt und ich konnte zuschlagen.

Alle meine Sinne waren geschärft und ich war hochkonzentriert. So wie es bisher bei jedem Auftrag, bei jeder Spionage war. Wenn ich arbeitete, dann immer mit höchster Präzision. Nie hatte ich einen Fehler gemacht, nie wurde ich entdeckt. Ich stand schon lange genug in den Diensten des Meisters, um die Kniffe und Tricks zu kennen.

Und doch zögerte ich und blickte stumm auf das Gebäude. Irgendetwas hinderte mich und ich spürte, dass dieses Unterfangen schwer werden würde und das nur, weil ich meine Gefühle nicht in den Griff bekam. Wo, verdammt nochmal, war der kaltblütige Mörder in mir? Der, der tötete ohne darüber nachzudenken, ob der Mann vor ihm Familie hatte?

Leise seufzte ich in den hohen Kragen meines Mantels hinein und lief zum Haus. Die eine Wache, die dort stand bemerkte mich erst viel zu spät. Ich konnte sie ohne Probleme überwältigen und vorläufig außer Gefecht setzten. Ich zog eine kleine Phiole aus meinem Mantel und goss sie ihm über den Kragen. Der Geruch von Alkohol stieg herauf. So würde jeder glauben, dass er während seiner Arbeit einen zu viel getrunken hatte.

Achtlos ließ ich ihn liegen und ging zum nächsten Fenster. Es war verhängt und es war mir unmöglich etwas zu sehen. Ich ging weiter und kam schließlich beim letzten Fenster an, hinter dem sich eine Küche befand. Ich konnte nichts erkennen. Dann musste ich wohl hineingehen. Das würde schwieriger werden.

Doch warten, bis der Klanmeister herauskam oder ich einen Beweis hatte, dass er drinnen war, das dauerte mir zu lange. Ich wollte zurück, ich wollte Isna in Sicherheit wissen. Gerade wollte ich mich wegdrehen, als jemand in die Küche kam. Ich konnte nicht anders, als grinsen.

Der Klanmeister höchstpersönlich kam hinein und beschwerte sich lautstark über eine schlechte Suppe. So nun hatte ich meinen Beweis und konnte gehen. Das war fast zu einfach gewesen, doch ich sah es als Zeichen von Vidiel an und beschloss in Zukunft öfters zu beten. Der späte Abend war perfekt und weiterzugehen.

Kapitel 4

Sie lag da und schlief. Das Kind im Arm. Ich sah auf sie herab und schüttelte mehrfach verzweifelt den Kopf. Sie sah so hilflos aus, so zerbrechlich. Eine einfache Frau. Wie sollte ich sie töten? Einfach zuschlagen, einfach zuschlagen, dachte ich und meine Finger umspielten den Griff des Dolches immer und immer wieder.

Wer war ich schon die Anweisungen von oben anzuzweifeln? Wer war ich schon? Ich sollte keine eigenen Entscheidungen treffen. Wenn ich es jetzt nicht tat, dann würde ich es auf Ewig bereuen. Dann würde ich meine Frau und meine Kinder verlieren, das war viel schlimmer.

Ich zog den Dolch aus der Scheide und holte erneut tief Luft. Ich würde sie töten, das Kind nehmen und lautlos, wie ich gekommen war, wieder aus dem Fenster fliehen. Und dann würde ich zuhause sein und hoffentlich die Gunst des Meisters zurückerlangen.

Ich hob den Dolch und die Ereignisse überschlugen sich. Die Frau, als hätte sie es geahnt, erwachte in diesem Moment und schrie. Das Kind stimmte in das Geschrei ein und im Haus wurde es unruhig. Die Wachen, oder wer auch immer noch da gewesen war, rannten los. Sie kamen näher.

Dann stach ich zu, dreimal. Die Frau schrie nun qualvoll auf und schon einen Moment später sank sie zurück auf das Bett, das sich mäßig rot färbte. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte sie getötet, heimtückisch. Wie konnte ich es nur tun? Doch mir blieb keine Zeit für weitere Vorwürfe, ich musste jetzt funktionieren und nicht fühlen. So wie es Krieger tun.

Ich ergriff das wild zappelnde und schreiende Kind und sprang aus dem Fenster. Geübt rollte ich mich ab und stand schnell gerade auf der Straße. Dann rannte ich, so schnell ich es konnte. Ich setzte alles auf eine schnelle Flucht. Dann flog ein Pfeil an mir vorbei. Ich zuckte kurz zusammen und trieb mich nochmals an, um noch schneller zu rennen.

Ich wurde verfolgt, sie kamen näher. Ich würde es nicht schaffen. Doch! Ich musste, ich musste zurück. Ich musste diesen Auftrag erfüllen. Ich keuchte, rannte um zahlreiche Ecken und schlug Hacken. Dann entfernten sich die Schreie und ich wähnte mich in Sicherheit.

Dann, ein Schmerz. Es durchfuhr mich so plötzlich, dass ich nicht reagieren konnte und haltlos zu Boden fiel. Das Kind rutschte mir aus dem Arm und rollte zwei Meter weiter bis es laut schreiend liegen blieb.

Es war ein Pfeil, der in meinem Rücken steckte. Der zweite flog schon über mich hinweg. Ich musste weiter, weiter. Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte den Schmerz zu ignorieren. Ich wollte mich aufrichten, doch dann drückte mich ein Fuß zurück.

Mit verschwommenem Blick versuchte ich etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Ich sah jemanden das Kind hochnehmen. Verflucht! Ich musste aufstehen, ich musste das verdammte Kind bekommen. Ein zweiter Pfeil traf mich und ließ mir kurz schwarz vor Augen werden.

Als ich sie wieder aufschlug sah ich direkt in ein Männergesicht. „Sag deinem verdammten Meister, dass er es zu weit getrieben hat und, dass wir ihn dafür töten werden“, schrie er und ließ meinen Kragen los. Ich fiel zurück auf den kalten Boden und der Schmerz schien ins unermessliche zu steigen.

Dann war es vorbei. Sie waren weg, sie hatten das Kind und ich nur die zwei Pfeile im Rücken. Ich rappelte mich auf und brach umständlich die Pfeile ab. Ich sah mich um. In der Gasse waren keine Menschen und es war totenstill. Was sollte ich tun? Ich konnte nicht ohne das Kind zurückgehen aber das Kind holen war jetzt auch unmöglich.

Ich wusste, was ich tun musste. Ich musste zurück. Aber nicht zum Meister, ich musste in die Berge gehen und mit Isna und den Kindern dieses Land verlassen. Ich musste fliehen. Ich konnte dem Meister so nicht mehr unter die Augen treten.

Kapitel 5

Victor? He, Victor, bleib doch stehen“, schrie mir Coran hinterher. Ich hätte wissen müssen, dass er mich finden würde, bevor ich nur ansatzweise in die Berge kam. Ich lief noch ein Stück, doch ich sah ein, dass er näher kam und ich, verletzt wie ich war, nicht entkommen konnte. Ich blieb stehen und seufzte schwer, was erneut zu großen Schmerzen in den Wunden führte. Ich biss die Zähne zusammen und drehte mich um.

Verdammt, endlich. Was tust du hier? Warum bist du verletzt?“, fragte er gleich und sah mich abschätzend an. Es war nicht so, dass er mein Feind war. Im Gegenteil, er war mir immer ein guter Gefährte in diesem Klan gewesen. Doch er war letztendlich so loyal zum Meister, wie ich es noch bis vor einigen Stunden war.

Ich konnte jetzt niemandem mehr vertrauen „Ich muss etwas erledigen, du darfst dich da nicht einmischen“, sagte ich und wusste schon, als ich es aussprach, dass er es mir erstens nicht glauben würde und zweitens wahrscheinlich längst von dem Plan wusste. Erneut seufzte ich.

Ich weiß, wo du hin willst, aber ich kann dir sagen, dass du deine Frau dort nicht finden wirst. Glaubst du wirklich, dass der Meister nicht vorsorgen würde?“, Coran schüttelte den Kopf und trat an mich heran. Ich erstarrte. Er hatte sie? Sie war verloren! Nein, nein das durfte nicht sein.

Coran machte sich direkt an den Pfeilen zu schaffen und zog sie ohne Vorwarnung heraus. Ich schrie auf und nach dem Zweiten sank ich zu Boden. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Jetzt musste ich mich dem Meister stellen und ihm mein Versagen erklären. Das konnte ich nicht. Wie sollte ich das tun?

Nun, wo ist das Kind?“, fragte Coran kalt und streckte mir seine Hand entgegen. Ich ergriff sie und zog mich hoch. Ich fühle keinen Schmerz in den Wunden, ich fühlte Schmerz im Herzen. Ich ahnte, dass Isna nicht mehr lange leben würde und ich sie und die Kinder wohl nie wieder sehen würde. Ich hatte in diesem Spiel verloren.

Ich hab es nicht, verdammt“, schrie ich aus Verzweiflung und Coran schüttelte den Kopf. „Das tut mir leid für Isna. Ich mochte sie, wirklich. Wenn du jetzt klug bist, dann kannst du vielleicht noch deine Kinder retten. Komm mit“, sagte er nun mehr ausdruckslos. Vielleicht empfand er soetwas wie Mitleid für mich, doch was sollte mir das jetzt noch bringen? Mit Mitleid konnte man sich nichts kaufen und Tote nicht wiederbeleben.

Und Isna war wirklich dem Tode geweiht, wenn es Coran schon sagte. Ich schwieg und folgte ihm. Folgte, wie ich es immer getan hatte.

Kapitel 6

Nun, was hast du mir zu berichten? Oder besser: Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“, der Meister sah erzürnt von seinem Thron zu mir herab. Coran stand hinter mir und hatte seine Arme verschränkt. Ich selbst konnte mich kaum auf den Beinen halten. Die Wunden zerrten an mir und stahlen mir noch das bisschen Kraft, das ich in meinem Körper zusammengekratzt hatte.

Ich habe die Frau getötet und bin mit dem Kind geflohen, wie ihr es befahlt, doch ich war zu dumm und wurde getroffen. Ich habe das Kind verloren“, mir stockte der Atem und ich hustete Blut. „Bitte, Meister, verzeiht mir! Ich habe mein Bestes gegeben. Bitte bestraft mich nicht, ich habe euch immer treu gedient“, ich kniete nieder und senkte den Kopf.

Und, wo ist das Druckmittel? Was soll ich mit einer getöteten Frau? Jetzt werden die Fejor angreifen und sich rächen und mein Plan geht nicht auf“, der Meister stand erregt auf und schrie „Verdammt! Wie könnte ich dich nicht für dein jämmerliches Versagen bestrafen? Ich sollte dich töten! Wie konntest du nur versagen, Victor? Du warst immer der, der nie Fehler gemacht hat, der, der nie versagt hat. Wieso jetzt?“, er kam näher und blieb kurz vor mir stehen.

Ich wollte gerade etwas sagen, als er schon weitersprach. Ich erkannte, dass es alles nur rhetorische Fragen waren. „Ich sag dir was. Deine hübsche Frau ist tot, ich habe sie umbringen lassen in dem Moment, in dem du ohne das Kind hier hereinkamst“, er spuckte auf den Boden neben mir und drehte sich wieder um und ging zurück zum Thron.

Ich atmete krampfhaft ein und wieder aus. Ja, das war die Gewissheit. Das Ahnen war vorbei nun war es klar. Sie war tot. Der Meister log nicht. Nicht bei soetwas. Ich war unfähig etwas zu sagen und ich spürte, wie mir zum ersten Mal in meinem Leben heiße Tränen über die Wangen liefen.

Hah! Ich sollte deine Kinder ebenfalls umbringen. Warum sollte ich es nicht tun?“, der Meister ging unruhig hin und her und ich schüttelte nur stumm den Kopf, unfähig zu sprechen.

Nein. Ich will, dass du gehst und zwar sofort. Du holst mir dieses Kind und wenn du ohne es wiederkommst, dann sind deine tot. Hast du mich verstanden, Victor?“, der Meister schrie wieder. Ich konnte mir nicht erklären, wieso ich ihm so treu ergeben gewesen war. Wieso ich mich so in ihm und seinen Taten getäuscht hatte. Er war nicht gütig, nicht gut. Er verfolgte keine guten Ziele.

Das ist unmöglich!“, begehrte ich nun zum zweiten mal innerhalb weniger Stunden auf. Ich rappelte mich auf und starrte ihn an. Wahrscheinlich sah ich dabei weniger stark aus, als ich wollte. Schließlich war ich verletzt und völlig nass im Gesicht vor lauter Tränen.

Geh jetzt“, befahl der Meister ein letztes Mal und Coran zog mich weg von ihm. Ich wusste nicht, wie ich das anstellen wollte. Ich ging mehr mechanisch als gewollt die Straßen entlang, bis ich an den Stadtrand kam und die Straße zu den Fejor betrat. Ich musste mir den Weg freikämpfen oder irgendwie einen Hinterhalt verüben.

Oder ich musste, ... ich wusste es nicht. Ich wusste gar nichts mehr. Ich wollte, dass meine Kinder lebten, doch ich wusste, dass sie es nicht tun würden. Sie würden schon sehr bald zu Isna gehen. Erneut stiegen mir die Tränen in die Augen, als ich am Horizont einige Pferde sah. Dann noch mehr und Männer, viele Männer. Ich erstarrte. Das waren die Fejor! Sie hatten binnen kürzester Zeit zum Kampf gerüstet und waren nun auf dem Weg in die Schlacht.

Ich drehte auf dem Absatz um und rannte, soweit wie es mein Körper noch hergab, zurück in die Stadt. Ich musste den Klan warnen. Wenn sie nicht bald davon erfahren würden, dann würde es den ganzen Klan nicht mehr geben. Dann war auch keinem geholfen.

Kapitel 7

Was?“, der Meister wurde rot vor Wut im Gesicht als ich ihm von den Angreifern erzählte. Er schlug mir mit vollster Kraft ins Gesicht. Erneut musste ich Blut husten und mir wurde kurz schwarz vor Augen.

Und warum bist du nicht weiter gegangen, um das Kind zu holen?“, fragte er ärgerlich, nachdem er einigen Wachen den Auftrag erteilt hatte die Truppen zu sammeln. Zumindest glaubte ich, dass er das sagte, als mir schwarz vor Augen wurde.

Ich musste euch warnen, damit ihr euch verteidigen könnt, Meister“, murmelte ich kraftlos und sah ihn an. Ich wusste, dass auch meine Kinder nun tot waren. Ich konnte es in seinen Augen sehen, in seinem Blick in seinem ganzen Sein. Ich hätte ihn in diesem Moment am Liebsten getötet.

Du bist ein Dummkopf, Victor. Ich habe Spione in der ganzen Stadt, ich hätte es früh genug erfahren. Nun hast du mit deiner dummen Tat deine Kinder getötet“, er verengte seine Augen und grübelte. Wahrscheinlich überlegte er, was er nun mit mir tu sollte. Doch nun war es mir egal. Ich hatte alles verloren. Mein ganzes Leben wurde in wenigen Stunde zerstört. Ich habe meine Frau, meine Kinder und auch meinen Glauben an den Klan verloren. Zuletzt auch meinen Glauben an den Meister.

In den Kerker mit ihm! Ich habe keine Zeit jetzt zu überlegen, was ich mit ihm tun soll“, sagte er und war verschwunden. Coran trat an mich heran. „Es tut mir leid, ich hätte nie geglaubt, dass er soetwas tut“, flüstert er und ergriff mich am Arm. Ich senkte den Blick und antworte nicht. Ich ging bereitwillig mit. Sollte er mit mir tun, was er wollte. Ich war verloren.

Epilog

Gestern. All das war gestern. Und nun sitze ich hier in meiner Zelle und warte, warte auf die Entscheidung meines Meisters. Mir bleibt nichts als diese Worte aufzuschreiben. Ich habe diese Papiere erhalten, um meinen Meister schriftlich um Verzeihung zu bitten, mich zu unterwerfen, doch ich will es gar nicht mehr. Er ist nicht mehr mein Meister und ich nicht sein Untergebener. Ich will nur noch diese Wort schreiben, meine kurze Geschichte erzählen. Vielleicht wird sie nie jemand lesen, vielleicht verbrennt sie der Meister höchstpersönlich, doch dann bin ich längst tot und seine Wut muss er woanders auslassen.

Vielleicht aber findet jemand dieses Schriftstück und hilft mir: Auf das ich nicht in Vergessenheit geraten möge. Ich weiß, dass es keine Heldengeschichte ist. Oh, hätte ich mehr Zeit!

Ich würde ein Buch schreiben, alles ausschmücken und eine daraus machen und mir ein gutes Ende überlegen. Coran würde mir vielleicht helfen, Isna wäre nicht tot und der Meister nur ein verdammt guter Schauspieler.

Doch ich habe keine mehr. Das hier sind die wirklich wahren Geschichten! Die, von denen keiner berichtet, weil die, die sie erlebten sie nicht mehr erzählen können. Wie auch, wenn sie tot sind und längst unter der Erde liegen?

Ich bin mir sicher, dass ich auch sterben werde. Wenn mich der Meister nicht umbringen würde und erbarmen zeigt, so würden es die Wunden tun. Mein Schicksal ist besiegelt.

Ich habe viel gelesen in den letzten Jahren. Immer las ich ein gutes Ende, immer gab es Hoffnung und Heilung. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Woher kamen nur immer die Wunderheilungen? Wie überleben die Helden solche Wunden? Ich kann mir das nicht erklären. Denn die Wahrheit ist, dass ich an diesen Wunden sterben werde. Ich weiß es, ich spüre es.

Ich höre Schritte. Da kommt mein Vollstecker. Was er bringt? Ich weiß es nicht, den Tod wahrscheinlich. Diese Geschichte endet hier, denn meine Zeit ist vorbei.

 

Victor

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Lianna

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ElisabethBlack Ein sehr gelungener schreibstil, auch der inhalt ist wirklich spannned und gut umgestzt. Ich würde mich auf eine fortsetzung freuen
Bis irgendwann einaml, ElisabethBlack
Vor langer Zeit - Antworten
FindYourselF Re: Re: Gefällt mir was ich lese -
Zitat: (Original von Lianna am 09.04.2012 - 14:34 Uhr)
Zitat: (Original von xXFlameXx am 09.04.2012 - 14:21 Uhr) kurze und gute Geschichte. Dein Schreibstil ist gut und liest sich sehr gut.

Nur was mit aufgefallen ist ( Und das lese ich jetzt schon zum zweiten mal) , dass viele Klan schreiben, aber müsste es nicht eigentlich Clan heißen?
In Großbritannien ist es defintiv so und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es woanders anders geschrieben wird? Wenn ich falsch liege korrigier mich bitte ;)

LG Jule


Stimmt da hast du Recht, dass das eigentlich Clan heißt, aber laut Wörterbuch ist Klan eine alternative Schreibweise, die mir persönlich besser gefällt, weil sie einfach "deutscher" klingt ;)
Danke für deine gute Bewertung,
Lia =)


Vllt ist das im deutsche so .. kann man aber auch mal sehen wie unterschiedlich die Meinungen sind, den ich finde persönlich Clan besser ;)

LG Jule
Vor langer Zeit - Antworten
Lianna Re: Gefällt mir was ich lese -
Zitat: (Original von xXFlameXx am 09.04.2012 - 14:21 Uhr) kurze und gute Geschichte. Dein Schreibstil ist gut und liest sich sehr gut.

Nur was mit aufgefallen ist ( Und das lese ich jetzt schon zum zweiten mal) , dass viele Klan schreiben, aber müsste es nicht eigentlich Clan heißen?
In Großbritannien ist es defintiv so und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es woanders anders geschrieben wird? Wenn ich falsch liege korrigier mich bitte ;)

LG Jule


Stimmt da hast du Recht, dass das eigentlich Clan heißt, aber laut Wörterbuch ist Klan eine alternative Schreibweise, die mir persönlich besser gefällt, weil sie einfach "deutscher" klingt ;)
Danke für deine gute Bewertung,
Lia =)
Vor langer Zeit - Antworten
FindYourselF Gefällt mir was ich lese - kurze und gute Geschichte. Dein Schreibstil ist gut und liest sich sehr gut.

Nur was mit aufgefallen ist ( Und das lese ich jetzt schon zum zweiten mal) , dass viele Klan schreiben, aber müsste es nicht eigentlich Clan heißen?
In Großbritannien ist es defintiv so und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es woanders anders geschrieben wird? Wenn ich falsch liege korrigier mich bitte ;)

LG Jule
Vor langer Zeit - Antworten
JanosNibor eigentlich... - ...lese ich normalerweise immer erst bis zum ende, bevor ich eine Bewertung ab gebe, oder einen Kommentar: Jetzt hab ich Kapitel 2 hinter mich gebracht und find es bis hier her schon echt klasse! Es liest sich flott und die Story scheint in die Richtung zu gehen, die ich generell schon mal unwiederstehlich finde: Vampiere! Übrigens, bevor ich weiter lese, ein Buchtipp für dich: "Die Saat" von Guillermo Del Toro - erster Teil eines sauspannenden Vampir-Dreiteilers. Habs auch in meinem Profil verlinkt unter Lieblingsbücher, kann ich dir echt nur empfehlen, wenn du für das thema auch so empfänglich bist wie ich, was der Fall zu sein scheint

LG Janso
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