Einleitung
Märchen über ein Tischglöckchen mit ungeheur`em Langmut.
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Es war einmal eine zierliche Tischglocke, die läutete immer wenn das Essen im Saal serviert wurde. Nun wäre das für eine Tischglocke nichts besonderes, denn dazu war sie schließlich ja da. Dieses Glöckchen aber musste man nicht anschuppsen oder gar selbst läuten; dieses von dem ich hier erzähle tat es von ganz von alleine.
Warum das, das wusste keiner ihrer Besitzer und daher rätselten sie anfangs jedes Mal auf`s neue was es mit dem Glöckchen auf sich hatte und wie es es vermochte stets dann zu läuten wenn serviert wurde. Seine Besitzer, ein altes Grafenpärchen konnten sich jedoch eine solche Kuriosität leisten ohne das es weiter bekannt wurde.
Der alte Graf sagte dazu immer mit ruhiger gesetzter Stimme:
„Lassen wir`s läuten, hat niemand zu interessieren was das Glöckchen macht“.
Ganz nebenbei wollte er aber auch einen Skandal vermeiden oder in die Zeitung kommen und so hatte er sich seinem Personal versichert und ihr Schweigen verlangt; schließlich war es doch etwas besonderes das nicht jeder auf Erden erlebte.
Ich selbst wusste nichts davon, wäre ich nicht zu meinem Onkel und meiner Tante - den Grafen zu Besuch gekommen und hätte es mit eigenen Augen gesehen und erlebt.
Das silberne Glöckchen hing frei wie eine Traube an einem gebogenen versilberten Ständer der sehr schwer aussah; wäre nicht eines Tages einer der Diener dagegen gestoßen, wie mir mein Onkel berichtete nachdem ich nach Jahren wieder zu ihm zu Besuch kam, wir wüssten um sein Geheimnis heute noch nicht.
Nun eben dieses war am 13.11.1956 passiert und Monate darauf lüftete sich erst das Geheimnis.
Warum und welches fragst du? Ich will es dir erzählen.
Das Glöckchen verstummte von diesem Tage ab, was alle die um sein Wunder wussten sehr bedauerten, und wurde erst wieder gehört als der alte Graf und die Gräfin längst nicht mehr daran glaubten und tief traurig darüber wurden. Eines Abends sprach es plötzlich mit ruhiger, fast singender und klingender Stimme, zu dem Grafen; dieser aß gerade mit seiner Gattin zu Abend und das Personal war nicht im Raum anwesend: „Du sollst mich polieren“.
„Jeden Tag hast du es vergessen, jeden Tag habe ich mindestens zweimal geläutet so schön ich konnte. Von dem Tag an dem ich von eurem Personal umgeworfen wurde merkte ich erst dass ihr nicht auf mich und mein Läuten hört oder besser es nicht versteht was ich euch sagen will - das war plötzlich eindeutig für mich und so verstummte ich. Jetzt aber wo ihr mich für jeden offensichtlich vermisst und um mein wohl`ges klingen trauert, will ich euch noch einmal in eurer Sprache, die ich in all den Jahren die ich schon hier bin erlernte, darum bitten mich zu polieren und ein letztes Mal für euch läuten. Nicht für mich, nur um euch zu zeigen das ich es noch kann“.
So gesagt - so getan. Das Glöckchen läutete noch ein einziges Mal dann verstummte es für immer. Es sei denn natürlich man stieß es selber an oder läutete es gewöhnlich.