Biografien & Erinnerungen
Bruno

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"Bruno"
Veröffentlicht am 18. März 2008, 4 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

16. Oktober 1952 erblickte ich das Licht der Welt in sehr bescheidenen Verhältnissen. Als Nesthäkchen wurde ich von meinen zwei Schwestern, zwei Brüdern und meinen liebevollen Eltern umsorgt. In meinen Erinnerungen ist die alte Hütte noch sehr präsent. Um das elterliche Bett vor Regen und Schnee zu schützen spannte mein Vater eine Plane an die Decke. Meine Schulzeit war alles andere als glücklich. Ungerechtigkeiten konnte und kann ich nur ...
Bruno

Bruno

Einleitung

Mit einem Mädchen habe ich ihn jedenfalls noch nie gesehen.? Untermauert der Stammkunde die unausgesprochenen Mutmaßungen.

Wie jeden Morgen sitze ich frisch geduscht, perfekt angezogen, heiter und unbekümmert auf dem Beifahrersitz im Auto meines Nachbarn. Unsere Fahrgemeinschaft hat sich gut eingependelt und wir sind schon fast Freunde geworden während unserem gemeinsamen Arbeitsweg.

Heute jammert er über die vergangene unruhige Nacht. Sein Sonnenschein, die 4-jährige Julia plagten kleine stechende und Blut saugende Geister und er war in der letzten Nacht mit der Fliegenklatsche mehrmals auf Mückenjagd!

„Du siehst auch sehr mitgenommen aus!“ Heuchelte ich.

„ Ja nur zu, hast auch schon ausgeschlafener ausgesehen,“ erwiderte er spöttisch.

„Autsch, stimmt war gestern Abend in der Stammkneipe unterwegs und außerdem ist heute mein letzter Arbeitstag, du weißt ich fahre Morgen nach Lugano für drei lange Tage!“

Er fuhr den Wagen wie immer an den Straßenrand und sagte:„Wir sind schon da, das ging aber schnell heute Morgen, lass es dir gut gehen und bringe mir eine große Backung Amaretti mit aus dem Tessin.“

Ich stieg aus und beugte mich ins innere des Wagens, um noch einmal sein neidisches Gesicht zu sehen, mich von ihm zu verabschieden und ein grinsendes „Bestellung angenommen, Auftrag wird ausgeführt!“ zu entgegnen.

„Schließe diese verdammte Tür und hau endlich ab!“ War seine nicht ernst gemeinte Antwort.

Vergnügt sah ich ihm nach, während ich meine Jacke ordnete und den Verschluss von meiner Handtasche kontrollierte.

Was soll das? Das ist aber gefährlich, sinnierte ich als ich den Gullydeckel in unmittelbarer Nähe neben einem Senkloch liegen sah.

Ein - zwei Schritte, ich stehe vor diesem geöffneten Loch. Meine zuvor fröhliche Stimmung ist mit einem Schlag weg. Ich spüre einen Kloß im Hals mein Mund ist ganz trocken, kann kaum mehr Atmen.

Ungeheuerlich: Ein bekleideter Körper in unnatürlicher, gekrümmter Haltung kauert in diesem Schacht. Ist das ein Toter? Ein Mann? Ich sehe einen Gurt durch den Hosenbund gezogen, ein hellblaues Hemd und eine Lederjacke, beides hoch gerutscht und dadurch ist das weiße nackte Rückenkreuz ein bisschen frei gegeben.

Ich will verstehen, nein erfassen kann ich das Gesehene nicht. Ich versuche zu denken, einzuordnen, abzuwägen und zu begreifen und frage mich: Was muss ich jetzt tun? Alles Mögliche geht mir durch den Kopf aber nichts Verständliches. Gedankenfetzen jagen durcheinander was ist nur hier geschehen? Ich schaue mich hilflos um, nichts ist da, keine Menschenseele nur ein es kleines Moped steht einsam und verlassen bei der nahen Mauer. Geschockt und unbewusst will ich Klarheit schaffen? Es hilft nichts, ich muss es jetzt tun. Ich knie mich nieder und berühre zögernd den kleinen nackten Teil vom Torso. Meine Befürchtung wird zur Gewissheit, dieser menschliche Körper ist bewegungslos und kalt. Wurde er in dieses Senkloch gequetscht? Schluss jetzt, du musst dieses Rätsel nicht lösen du rufst jetzt die Polizei hörte ich mich beim rückwärts taumeln sagen und endlich war ich für ein bewusstes Handeln bereit!

Ich überquerte die Fahrbahn, stürzte mich im Geschäft ans Telefon.

Abgesperrte Strasse, Schaulustige, Kriminalpolizei, in Schutzanzügen gekleidete Spurensucher, Kanalarbeiter und ein Tanklastwagen mit Chauffeur sind auf dem kleinen Vorplatz beschäftigt. Es ist ordentlich was los in dieser sonst so stillen Strasse.

„Was ist passiert“ fragten anfangs unsere Kunden, aber bald wurden wir von ihnen über die neusten Erkenntnisse informiert.

„Das Moped an der Mauer gehört dem Bruno,“ erklärt ein Stammkunde.

„Bruno, wer ist Bruno müsste ich ihn kennen?“ überlegt ein Mitarbeiter aus unserem Team. Jemand sagt: „Der ist doch,“ er zögert, ein anderer Käufer hilft: „Habe ich auch schon gehört!

“ Was!“ Will eine ältere Dame jetzt wissen.

„Mit einem Mädchen habe ich ihn jedenfalls noch nie gesehen.“ Untermauert der Stammkunde die unausgesprochenen Mutmaßungen.

Arbeitsscheu, ungepflegt und überhaupt muss man sich nicht wundern, in diesem Milieu! Solche und ähnliche mehr oder weniger überzeugende Äußerungen kursierten den ganzen Vormittag.

In der Mittagspause lauschte ich gespannt dem Nachrichtensprecher vom Lokalradio: „Letzte Nacht ereignete sich ein tragischer Unfall: Einem Bäckerlehrling fiel sein Motorradschlüssel in ein Abwasserschacht, beim versuch an seinen Schlüssel zu gelangen, stürzte er kopfüber in den Schacht und konnte sich nicht mehr selbst befreien und erstickte!“

 

Erna Müller-Rytz

 

 

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Hörbuch

Über den Autor

Coeur
16. Oktober 1952 erblickte ich das Licht der Welt in sehr bescheidenen Verhältnissen.
Als Nesthäkchen wurde ich von meinen zwei Schwestern, zwei Brüdern und meinen liebevollen Eltern umsorgt.
In meinen Erinnerungen ist die alte Hütte noch sehr präsent. Um das elterliche Bett vor Regen und Schnee zu schützen spannte mein Vater eine Plane an die Decke. Meine Schulzeit war alles andere als glücklich. Ungerechtigkeiten konnte und kann ich nur schwer ertragen und davon gab es in der Schule und außerhalb mannigfach.
Frauen brauchen keine Bildung, dieser Meinung war damals mein Vater obwohl meine Mutter einem 100% Job nachging.
1970 ziehe ich für einige Zeit zu meiner damals geschiedenen Schwester Irene und in diesem Jahr lernte ich meinen ersten Mann kennen.
1971 wurde unser gemeinsamer Sohn geboren.
Am 26. November 1974 erhängte sich meine Schwester Irene in ihrer Wohnung, am Schlafzimmerfenster. 13 Tage vor ihrem 29. Geburtstag! Mein verzweifelter Versuch eine Logik in den chaotischen Tod von Irene zu bringen, scheiterte. Entsetzen, Wut, Schuld, Enttäuschung und auch Angst der Verantwortung nicht gerecht zu werden.
Plötzlich war ich mit meinen 22 Lenzen die Ersatzmutter vom damals 10-jährigen Jungen, natürlich nicht ohne die Unterstützung meines ehemaligen Mannes, er war in all den schwierigen Zeiten mein fröhlicher und treuer Begleiter, auch wenn sich unsere Wege später getrennt hatten blieben wir jedoch Freunde. Abschied für immer musste ich am 18. Januar 1983 von Bruder Hans nehmen.
Im 33. Lebensjahr wählte er den Freitod. Ein Schnellzug erfasste ihn in Lenzburg.
Im gleichen Jahr starb auch mein Patenkind. Er war im zarten alter von 3 Jahren in ein Desinfektionsbad für Schafe gestürzt.
Der ohnehin schon angeschlagene Gesundheitszustand meines Vaters verschlechterte sich nach dem Todesfall von Hans zusehends, ja sogar schlagartig.
15. Juni 1984 war mein Vater gestorben. Wenigsten blieb ihm die nur ein gutes Jahr später schmerzliche Nachricht von meinem verunglückten Bruder Hugo, die ich meiner Mutter überbringen musste, erspart.
Am 5. Oktober 1985, im 39. Lebensjahr war er bei einem Tauchgang im Zugersee tödlich verunglückt.
Dieser Abschied war sehr, sehr, sehr schwer, dabei hat das Jahr 1985 glücklich angefangen.
Damals lebte ich allein mit meinem Sohn der ein fröhlicher, lieber und sorgloser Teenager war, ja, sicher in der Schule hätte er durchaus mehr leisten können...
Ich war glückliche Kioskleiterin. Durch gute Leistungen sowie Umsatzsteigerungen gewann ich immer wieder traumhafte und einzigartige Motivationsferien im Ausland unter anderem im Piemont, in Florida, Norwegen, Andalusien und vieles mehr. Den Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen war eine Herausforderung die ich gerne annahm. In meinem Team waren Frauen und Männer mit unterschiedlichsten Berufsausbildungen sowohl Hausfrauen, Lehrerinnen, Studenten und Verkäufer auch auf meinen 20jährigen Sohn durfte ich mich eine Zeitlang verlassen. Er war eine super tolle Unterstützung für unser Team. Zu den Kunden gehörte der Designer Luigi Colani oder der bekannte Jan Tinguely ebenso wie Obdachlose und natürlich meine neue große Liebe.
Am 17. Mai 1991 starteten wir mit einem gecharterten Düsenflugzeug im Berner Flughafen Belpmoos um über den Wolken unser Jawort zu besiegeln.
Am 17. Dezember 2003 wurde ich erneut daran erinnert, dass man diese Zeit nicht für immer hat! Mein geliebter Mann erlitt einen Herzinfarkt. Dieses Mal war es glücklicherweise nur eine Warnung. 2004 und 2005 wurde mein Mann erneut am Herzen operiert und konnte so einem erneuten akuten Herzversagen vorbeugen.
Während ich diese Zeilen schreibe genieße ich ein harmonisches und glückliches Leben!



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Coeur Re: Kompliment -
Zitat: (Original von Abendschoen am 25.12.2008 - 21:46 Uhr) Sprachlich sehr sorgfältig. Überzeugend die Figuren und der Ablauf. Und der Dialog zwischen der Erzählerin und dem Nachbarn hört sich für mich ausgesprochen schweizerisch an. - Arno Abendschön -


Danke für deinen durchdachten und aufmerksamen Kommentar und das wohltuende Lob. Es ist einfach nicht zu leugnen ich bin Schweizerin und manchmal kann mein Dialekt für das Schreiben ganz schön hinderlich sein.

LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Gast e
Vor ein paar Monaten - Antworten
Abendschoen Kompliment - Sprachlich sehr sorgfältig. Überzeugend die Figuren und der Ablauf. Und der Dialog zwischen der Erzählerin und dem Nachbarn hört sich für mich ausgesprochen schweizerisch an. - Arno Abendschön -
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: Re: Re: oh je... -
Zitat: (Original von evchen am 06.05.2008 - 20:56 Uhr)
Zitat: (Original von Coeur am 06.05.2008 - 10:29 Uhr)
Zitat: (Original von evchen am 03.05.2008 - 11:27 Uhr) ...der arme Kerl.
Wirklich gut Story liebe Erna.
Und ich muss es wieder los werden.
Du kannst wirklich super spannend schreiben und wenn dann so ein Schluss dabei raus kommt ist die Story gleich nochmal so gut.
vlg evi


im Moment fällt mir das Schreiben schwer und deshalb freue ich mich über dein Kompliment sehr.. ich fühle mich gebauchpinselt und danke herzlichst
LG, Erna


Mach dir nur keinen Stress, das kommt von alleine wieder ab und an haben wir Künstler nun mal solche Phasen. :-)

gebauchpinselt -> ist ein wirklich süßer außdruck. *g*
vlg evi


nein, nein, keinen Stress, das muss nicht sein....
Künstler hin oder her :-)
LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
evchen Re: Re: oh je... -
Zitat: (Original von Coeur am 06.05.2008 - 10:29 Uhr)
Zitat: (Original von evchen am 03.05.2008 - 11:27 Uhr) ...der arme Kerl.
Wirklich gut Story liebe Erna.
Und ich muss es wieder los werden.
Du kannst wirklich super spannend schreiben und wenn dann so ein Schluss dabei raus kommt ist die Story gleich nochmal so gut.
vlg evi


im Moment fällt mir das Schreiben schwer und deshalb freue ich mich über dein Kompliment sehr.. ich fühle mich gebauchpinselt und danke herzlichst
LG, Erna


Mach dir nur keinen Stress, das kommt von alleine wieder ab und an haben wir Künstler nun mal solche Phasen. :-)

gebauchpinselt -> ist ein wirklich süßer außdruck. *g*
vlg evi
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: oh je... -
Zitat: (Original von evchen am 03.05.2008 - 11:27 Uhr) ...der arme Kerl.
Wirklich gut Story liebe Erna.
Und ich muss es wieder los werden.
Du kannst wirklich super spannend schreiben und wenn dann so ein Schluss dabei raus kommt ist die Story gleich nochmal so gut.
vlg evi


im Moment fällt mir das Schreiben schwer und deshalb freue ich mich über dein Kompliment sehr.. ich fühle mich gebauchpinselt und danke herzlichst
LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
evchen oh je... - ...der arme Kerl.
Wirklich gut Story liebe Erna.
Und ich muss es wieder los werden.
Du kannst wirklich super spannend schreiben und wenn dann so ein Schluss dabei raus kommt ist die Story gleich nochmal so gut.
vlg evi
Vor langer Zeit - Antworten
NStellaObuz Re: Re: Wahre zeilen -
Zitat: (Original von Coeur am 06.04.2008 - 18:52 Uhr)
Zitat: (Original von nstella am 06.04.2008 - 16:37 Uhr) Meine hübsche Erna,
wahre zeilen gute beobachtung oder selber erlebt, gefällt mir sehr gut, du kannst es sehr gut schreiben mit kurzgeschichten, 5 sterne mit mir 6. Wie geht es dir ? Bald bin ich wieder jeden tag hier. Drück dich
vlg stella


Erst Mal Küsschen, Küsschen zur Begrüssung, schön von dir zu hören, hast mir schon gefehlt all die vergangenen Tage!
Danke für die Sterne und nun zu deiner Frage: es ist eine Biografie, Diesen Mann hatte ich tatsächlich in einem Schacht entdeckt, ich arbeitete damals genau gegenüber von diesem Gully, in einem Warenhaus.
Mir geht es sehr gut und hoffe, dass auch du wieder fröhlich bist...
LG, Erna


ohhhh küschen zurück,
weisst du was Interessant, wir schreiben doch, wir erleben immer besondere sachen, sind wir berufen oder weil wir es erleben und sehen wollen? Super geschrieben, ich bin Glücklich wenn ich schreibe, denn nur ihr könnt mich verstehen. vlg stella
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: Wahre zeilen -
Zitat: (Original von nstella am 06.04.2008 - 16:37 Uhr) Meine hübsche Erna,
wahre zeilen gute beobachtung oder selber erlebt, gefällt mir sehr gut, du kannst es sehr gut schreiben mit kurzgeschichten, 5 sterne mit mir 6. Wie geht es dir ? Bald bin ich wieder jeden tag hier. Drück dich
vlg stella


Erst Mal Küsschen, Küsschen zur Begrüssung, schön von dir zu hören, hast mir schon gefehlt all die vergangenen Tage!
Danke für die Sterne und nun zu deiner Frage: es ist eine Biografie, Diesen Mann hatte ich tatsächlich in einem Schacht entdeckt, ich arbeitete damals genau gegenüber von diesem Gully, in einem Warenhaus.
Mir geht es sehr gut und hoffe, dass auch du wieder fröhlich bist...
LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
NStellaObuz Wahre zeilen - Meine hübsche Erna,
wahre zeilen gute beobachtung oder selber erlebt, gefällt mir sehr gut, du kannst es sehr gut schreiben mit kurzgeschichten, 5 sterne mit mir 6. Wie geht es dir ? Bald bin ich wieder jeden tag hier. Drück dich
vlg stella
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