Kapitel 4 Engel
Der Rückstoss der Waffe ließ in ein paar Schritte zurückstolpern. Er war leichtere Pistolen gewohnt. Er erwartete eigentlich einen Schmerzschrei zu hören doch das einzige was er sah war Derian der ganz ruhig die Beine überschlagen immer noch auf dem Bürostuhl saß. Nur das er jetzt eine Kugel von einer Hand in die andere Wandern ließ.
,, Auch Kugeln kommen ihnen nur schnell vor.“ Meinte er als er Harpers verduztes Gesicht sah. ,, Er hat mir den Trick bis heute nicht verraten.“ , meinte Amy. ,, Aber Eindrucksvoll ist es.“
Ohne Vorwarnung sprang Derian auf und lief aus dem Raum. Das letzte was sie von ihm hörte war wie er ,, Die anderen können ihnen den Rest erklären.“ Über die Schulter rief.
,, Macht er das öfter ?“ , fragte Elias nachdem der Mann so schnell verschwunden war.
,, Ständig. Aber das stört hier keinen. Offiziell ist er nicht mal Teil der Schattenwache. Keine Ahnung warum Carren das zulasst.“
,, Carren ? Und ich nehme mal an die Schattenwache das seit ihr ?“
,, Erfast. Und Carren ist der Leiter der ganzen Einrichtung hier. Wir bekommen ihn allerdings kaum zu Gesicht. Nun ja sie werden ihn sicher noch kennen lernen.“ , Pers Stimme nach zu urteilen war Carren wohl ein eher unangenehmer Zeitgenosse. Harper beschloss das er es besser nicht Eilig hatte den Mann kennen zu lernen.
,, Wir wär’s wenn sie mir mal ein bisschen was über Derian erzählen. Der ist echt ein wenig... merkwürdig oder ?“ , fragte Elias nach. Wobei Merkwürdig fast schon untertrieben war.
,, Dann kommen sie mal mit.“ , meinte Amy und so folge er ihr und Per wieder die Treppe hinab in den Hauptteil der Einrichtung. Harper war immer noch von der schieren Größe des ganzen Beeindruckt. Wer hatte das alles finanziert ? Vermutlich eine der Fragen auf die man hier keine Antwort bekam. Der Gang durch die Reihen aus Büros , Servern und Leitungen endete in einem durch eine Glasscheibe vom restlichen großen komplex abgetrennten Raum der sich etwa gegenüber der Tür befand durch die sie vorher zu den Zellen gelangt waren.
Im Raum selbst lagen Fotos und auch Aktenordner entweder verstreut auf zwei großen Tischen oder geordnet in mehreren großen Regalen . Durch eine weitere Glastür die aber wenn man den Inhalt des Raums betrachtete wohl aus Panzerglas bestand hingen Waffen und verschiedene Ausrüstungsgegenstände von Kugelsicheren Westen bis hin zu technischen Geräten.
Per suchte einen schweren Ordner aus einem der Regale und legte ihn aufgeschlagen auf einen der Tische nachdem er die dort verstreuten Fotos beiseitegeräumt hatte.
,, Sehen sie selbst.“ , meinte er und trat beiseite damit Harper sich die Bilder die in dem Ordner neben einigen , allerdings geschwärzten, Schriftstücken eingeheftet waren.
Das erste bild zeigte eine verschneite Hütte , davor saßen einige Soldaten herum rauchten oder schienen sich zu unterhalten. Im Hintergrund wehte irgendwo eine rote Flagge mit Hammer und Sichel .
Und ganz am Rande der Versammlung stand eine Gestalt in einem unverwechselbaren bunten Jackett und schien auf irgendetwas in der Ferne zu starren.
Harper wusste nicht genau was er mit dem bild anfangen sollte. ,, Schön er war also im kalten Krieg in der Sowjetunion und ?“ , fragte er.
,, Achten sie mal auf das Datum.“ , meinte Amy nur. In der untersten Ecke der Fotografie war mit zittriger Hand ein Datum geschrieben worden. 14.03.1939.
,, Aber...“ ,,Glauben sie mir das Datum stimmt.“ Unterbrach ihn Per . ,, er war weit vor dem kalten Krieg in der Sowjetunion. Und das ist nicht das einzige Bild das wir haben.“
Auf den nächsten Seiten befanden sich ähnlich alte oder sogar noch ältere Fotos. ,,1930 Frankreich. 1923 USA. 1912 Afrika.“ Zählte Per die Daten mit.
Als die Fotos aufhörten tauchten einige Kopien von Gemälden auf. Der Kleidungsstil änderte sich zwar doch die Farben blieben. Daran war unschwer zu erkennen um wen es sich jeweils handelte. ,, Wie alt ist dieser Mann ?“ , fragte Harper. Es war ganz eindeutig auf jedem der Bilder Derian.
Per nahm den Ordner in die Hand und blätterte die Seiten eine Weile durch. Weitere Fotos und Zeichnungen. Dann als er gefunden hatte was er suchte legte er den Ordner wieder auf den Tisch.
Es handelte sich um die Fotografie einer Wand die mit Hieroglyphen übersäht war. Aber darauf achtete Harper nur kurz. In der Mitte der Wand befand sich die Darstellung einer einzigen Person. Und wieder war der Kleidungsstil ziemlich unverwechselbar wenn auch an die entsprechende Epoche angepasst.
,, Nun zumindest erklärt das warum er sich etwas seltsam verhält.“ , brach Per nach einer Weile das Schweigen.
,, Das ist zumindest eine Theorie. Eine derart lange Lebensspanne kann die Psyche nicht einfach unbeschadet überstehen.“ , ergänzte Amy
,, Wieso Theorie ? Ihr könntet ich doch einfach fragen oder?“ , entgegnete Harper dessen blick immer noch auf dem Foto hing.
,, Eben nicht. Er redet nicht darüber. Und ich würde mich auch nicht trauen ihn mit Fragen zu löchern. Sie haben selbst gesehen was er mit der Kugel gemacht hat. Ich will nicht rausfinden was er noch kann.“
Ein Klingeln ertönte aus Pers oberer Hemdtasche. Er holte ein Mobiltelefon hervor. ,, Sie mal an wenn man vom Teufel spricht. Es ist Derian.“ Er nahm den Anruf an und hörte eine Weile einfach nur zu. Dann legte er auf. ,, Das gibt’s nicht.“ , meinte er nur.
,,Was ist los ?“ , fragte Elias nach.
,, Engel“ , antwortete er nur , ,, Wir haben da draußen einen Racheengel herumlaufen.“
Derian stieg langsam die alten baufälligen Stufen des verlassenen Hauses hinauf. Er hatte etwas wahrgenommen und war dem nachgegangen. Etwas großes und mächtiges. Er war dem Gefühl gefolgt und hier gelandet . Und nun stand er vor einer mit Graffitis übersprühten Holztür. Das Gefühl der Bedrohung war hier stärker als je zuvor . Was immer ihn hergerufen hatte es befand sich auf der anderen Seite dieser Tür. Er konnte praktisch sehen wie die geistigen Ausläufer dessen was sich hier aufhielt durch das holz sickerten. Es war sich seiner Anwesenheit mehr als Bewusst. Es beobachtete ihn. Und was immer es war. Gutartig war es nicht. Mit gutartigen Gedankensplittern ließ sich leben. Man konnte sie Regeln unterwerfen aber dunkle Gefühle. Hass ,Angst, Wut. Das war etwas anderes. Er würde nicht herausfinden was es war indem er vor der Tür stehen blieb. Unter einem Tritt zersplitterte das morsche Holz und einige Splitter wirbelten durch das dahinterliegende Zimmer. Das Wesen das regungslos in der Mitte des Raums stand jedoch war davon nicht beeindruckt. Es machte sich nicht einmal die Mühe den Holzstücken auszuweichen. Es sah aus wie ein Mensch. Ein Mensch der einen bodenlangen schwarzen Mantel trug der durch eine Kapuze auch das Gesicht verbarg.
,, Ihr habt mich gerufen ?“ , rief Derian zu der immer noch regungslosen Gestalt herüber.
Keine Antwort.
,, Weshalb ?“ , wiederholte er.
Immer noch rührte sich das Wesen nicht.
,, Na schön.“ Er trat ein paar Schritte weiter in den Raum und begann sich darin ein wenig umzusehen. Das Kapuzenwesen hinter sich hielt er dabei so weit möglich im Blick.
Auf dem Boden vor ihm lagen verstreut einige Spiegelscherben. Als er eine davon aufhob merkte er das an einigen Blutspritzer klebten.
Das war nicht gut. Er folgte den Scherben und der bald darauf auftauchenden Blutspur bis in den Nachbarraum. Es handelte sich um das Bad und hier lag auch der Ursprung der Scherben. Der Spiegel war zertrümmert worden als irgendetwas mit großer Gewalt dagegen geschmettert worden war. Aber wenn die Scherben von hier stammten wieso lagen sie dann im....
Er rannte wieder aus dem Raum. Jetzt war ihm klar wieso das Wesen sich nicht bewegt hatte.
Er riss der Figur den Mantel herunter. Und wünschte im selben Moment er hätte es nicht getan. Er kannte den Mann. Oder das was davon übrig war. Carren war schon immer etwas zu Unvorsichtig gewesen und er hatte dafür bezahlt. Womöglich war er auf die selbe Art hier gelandet wie Derian ? Die Überlegung beunruhigte ihn. Fast noch mehr wie der Anblick des Toten. Irgendjemand hatte den Mann mit Stahlstäben so drapiert das er stehen blieb. Diese waren aber wohl nicht die Todesursache gewesen. Mehrere erstaunlich große Spiegelscherben hatten sich ihm in den Brustkorb gebohrt. Er war vermutlich sofort Tod gewesen als man ihm gegen den Spiegel geschleudert hatte.
Aber wenn das hier nun eine Falle gewesen war ? Er nahm die Präsenz immer noch wahr.
Aus den Augenwinkel bemerkte er eine Bewegung... und konnte grade noch so ausweichen als eine Klinge aus Feuer über seinen kopf hinwegfuhr. Eine Sekunde später und es wäre vorbei gewesen. Er sprang auf und sah grade noch wie etwas großes durch die offenstehende Tür im Treppenhaus verschwand.
Er sprang auf und rannte hinterher. Allerdings wunderte ihn die Fluchtrichtung des Angreifers. Er floh nach oben. Allerdings blieb ihm kaum Zeit sich darüber Gedanken zu machen während er die Stufen hoch hechtete. Oben am Ende der Treppe führte eine Tür , die jetzt schief in den Angeln hing , nach draußen auf ein Flachdach. Und dort stand etwas in der Sonne. Etwas das er erkannte. Etwas größer als ein normaler Mensch . Bewaffnet mit einem brennenden Schwert und Schwingenbewährt. Irgendwie irritierte ihn der Anblick. Solche Erscheinungen waren normalerweise Inkarnationen von Hoffnung nicht von Gewalt. Dem Wesen vor ihm allerdings war das wohl egal denn es griff ihn in die enge getrieben wieder an. Mit einem Satz wich er dem Schwert aus und versetzte der Erscheinung einen Schlag der sie über die schmale Brüstung des Dachs warf. Er rannte hinter her sah aber nur noch wie das Wesen ein Stück weiter zu boden segelte und davonlief. Das war alles andere als gut. Er brauchte Verstärkung.
