Kurzgeschichte
Mir ist nach Rosengarten

Einleitung

Musik: Franz Schubert, Rosamunde Zwischenaktmusik http://www.youtube.com/watch?v=J-PkpqcOHCY Bild: http://www.kriyayoga.com/wallpapers/desktop_hintergrund_bilder/rosen/die_schoensten_rosen/die_schoensten_rosen-dsc01772-a4.jpg

Müde schliesse ich meine Augen und lasse den Gedanken freien Raum. Bin irgendwo an einem Ort, den es so nicht gibt. – Hier fühle ich mich wohl!

Gemächlich setzen meine Füsse auf Kieselseteinen auf. Liebliches Knirschen begleitet mich auf Schritt und Tritt. Rosenduft liegt in der Luft – noch kann ich sie nicht sehen. Ich stehe mitten in einem Buchsbaum-Labyrinth und höre munteres Plätschern, es scheint ganz nahe zu sein. „Da muss ich hin!“
Erwartungsvoll schreite ich weiter und schon nach der nächsten Hecke offenbart sich mir die volle Pracht. Aus einem Kreis von gut zehn Metern

Durchmesser, umrahmt von dunkelroten Rosen, spiegelt mir Wasser goldenes Licht entgegen. Im Zentrum erhebt sich majestätisch ein Fontänenstrahl. Er schiesst nach oben, verliert an Geschwindigkeit, überschlägt sich und zerfällt in unzählige funkelnde Kristallperlen, die fröhlich zurück in den Brunnen hüpfen. Versteckte Nischen laden zum Verweilen ein.
„Hier lasse ich mich gerne nieder!“
Bezaubernd weich spielt die Wassermelodie. Mein Atem berauscht sich an dem betörend süssen Rosenduft. Die Zeit steht still – nichts und niemand bringt mich aus der Ruhe.
Kleiner Finger legt sich auf den kleinen

Finger, Ringfinger berührt den Ringfinger, Mittelfinger trifft auf den Mittelfinger, Zeigefinger begrüsst den Zeigefinger, Daumen umarmt den Daumen. Mit purer Absicht drehe ich meine Hand ganz leicht. Sofort nützten die Finger den Raum und gleiten lustvoll ineinander, drücken sich, lieben sich. Die Daumen tanzen zusammen Ballett.
„Huch – jetzt nur ja nicht die Augen öffnen – ich weiss, dass Du es bist!“
Hauchdünn gleitet Dein Zeigefinger über meinen Handrücken und fährt zwischen den Knöchelchen sanfte Achterbahnen. Dann schreibe ich Dir feine Liebesbotschaften in Deine Hand, hinaus bis in die äussersten Fingerspitzen.

Wieder und wieder vergnügen wir uns im Senden und Empfangen reiner Zärtlichkeiten.
Blinzelnd öffne ich meine Lider – ich will Dich sehen!
Aus den Wasserperlen lachst Du mir zu. „Komm zu mir!“ höre ich Deine Elfenstimme.
Traumwandelnd fallen mir die Kleider vom Leib – ich tauch in den Liebesbrunnen ein. Du ziehst mich zu Dir. Engumschlungen drehen wir uns und tanzen um den Fontänenstrahl. Kristallperlenküsse prasseln auf unsere nackte Haut…

Völlig durchnässt, bemerke ich, dass es

in Strömen regnet.
„Vielleicht sollte ich doch besser nach Hause gehen, bevor ich mir noch eine Erkältung hole!“

Der süsse Rosenduft in meiner Nase aber ist geblieben, und auch die Gewissheit, dass ich jederzeit wieder zu diesem Ort, den es so nicht gibt, zurückkommen darf.