Kurzgeschichte
Rastplatz Aachen Nord

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"Rastplatz Aachen Nord"
Veröffentlicht am 15. Februar 2007, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Jetzt, wo die Arbeiten an meinem Buch endlich abgeschlossen sind, werde ich mich wieder mehr dieser Plattform widmen. Ich bin also wieder DA. Leipziger Wahlbürger, ursprünglich aus der Eifel. 50 Jahre. Gelegenheitsschreiber, als Ausgleich zu meiner Arbeit als Webdesigner. Wer gerne dichtet, in Verlegenheit ist ob eines Anlasses und arg nach Reimen sucht, dem versuche ich gerne zu helfen. Ich mache nun für heute Schluss, denn es kommt ...
Rastplatz Aachen Nord

Rastplatz Aachen Nord

Der Plan

Der Coup war minutiös geplant. Willi ging noch einmal alle Details mit seinen Kumpanen durch. Da war erstmal er selbst, seit knapp drei Jahren in Pension. Er hatte seinen Hintern beim Finanzamt breit gesessen. Rechts von ihm über die Skizzen gebeugt, stand Herrmann. Der konnte gar nicht mehr anders stehen. Hatte sein ganzes Berufsleben lang an Autos geschraubt. Rücken und Knie waren entsprechend kaputt und einer Frührente für würdig befunden worden. Zu seiner Linken, die stets kalte
Pfeife im Mundwinkel, saß Klaus auf dem Wohnzimmersessel. Er hatte seinen Elektroinstallationsbetrieb vor vier Jahren seinem Sohn vermacht. Alle drei waren verwitwet. Klaus hatte seine Frau erst letztes Jahr verloren.

Man konnte unschwer erkennen, wer hier die Regie führte. Wie ein General erklärte Willi seinen Adjutanten noch einmal die Vorgehensweise. Er nahm dabei tatsächlich eine Haltung ein, die einem Soldaten würdig gewesen wäre. 'Also Kinder, ich hoffe, wir sind soweit durch, oder hab' ich was vergessen?' Er schaute kurz in die Runde. Die beiden anderen verneinten, obwohl Herrmann immer noch die Aufzeichnungen und Pläne studierte. 'Was ist los Herrmann? Probleme?' meinte Klaus, ohne sich dabei von seiner Pfeife zu trennen. 'Na, nee.' erwiderte der. 'Ich weiß nur noch nicht so genau, wie ich den Klappmechanismus verstecke, so dass man ihn von oben nicht sehen kann.' Gemeint war eine Vorrichtung unter dem Reserverad im Kofferraum von Jan, Herrmanns Enkel. Ein Teil des Kofferraumbodens sollte per Funk zu öffnen und zu schließen sein. So war es geplant. 'Dir wird schon was einfallen. Hast ja zwei Tage Zeit dafür.' polterte Willi. 'Für die Zylinderkopfdichtung brauch' ich schon 'nen halben Tag. Aber wird schon gehen.' Nachdem er sein Statement abgegeben hatte, ließ er sich leise stöhnend rückwärts in seinen Sessel sinken.

Jan würde seinen Wagen morgen zur Garage bringen, damit Herrmann den Motor reparieren konnte. Für die Familie werkelte er immer noch an den Autos, Familie halt. Er tat das eigentlich gerne, obwohl die Knochen und Gelenke schon länger nicht mehr wollten. Nur sein Enkel war ihm seit längerem ein Dorn im Auge. Seiner Meinung nach war der nämlich ein Taugenichts. Er hatte zwei Mal eine Lehre abgebrochen und hing eigentlich nur rum. Und dann eines Tages hatte er mitbekommen, wie Jan mit jemandem telefonierte. Seit der Zeit bastelten die drei an ihrem Plan. Seit diesem Telefonat stand Jan unter ständiger heimlicher Beobachtung durch die Rentner-Gang.

'Ich kann nur hoffen, dass er auch dieses Mal wieder an dem Rastplatz hält.' sagte Herrmann und fuhr sich durch sein dünn gewordenes Haar. 'Das haben wir jetzt schon viermal beobachtet. Wird er auch diesmal so machen.' beruhigte Willi ihn. Und er dürfte damit recht haben. Jan's Tour nach Holland und zurück lief immer gleich ab. Er würde in Düren, einer kleinen Kreisstadt am Fuße der Eifel auf die Autobahn Richtung Aachen fahren. Dort würde er die Grenze überqueren und erst in Roermond halt machen. Und hier traf er dann regelmäßig seinen Lieferanten. Das Geschäft würde abgewickelt werden, der Stoff unter dem Reserverad im Kofferraum verstaut werden, und er würde sich wieder auf den Heimweg machen. Hinter der Grenze war ein Autobahnparkplatz und bisher hatte Jan dort immer halt gemacht und das Toilettenhäuschen aufgesucht, schien dann doch ein etwas zarteres Nervenkostüm zu haben, der Frischling. Hier würde der Auftritt unserer drei Protagonisten kommen. Sie würden etwas abseits auf einem Feldweg warten und sobald das Auto verwaist wäre, per Funk die Klappe unter dem Reserverad öffnen und gleich wieder schließen. Jan würde seine Tour fortsetzen, doch einigermaßen 'erleichtert'. Der Rest wäre ein
Kinderspiel. Über den Zaun, die Tüten und Päckchen eingepackt und fertig. Das müsste Jan eine Lehre sein, dessen waren sich alle sicher. Den Stoff wollten sie dann anschließend als Fund der Polizei abgeben. Alles ganz einfach. Nun gut, es gab jetzt nichts mehr zu tun. Herrmann und Klaus mühten sich aus ihren Sesseln und Willi brachte beide noch bis an die Haustüre. 'Also, wir sehen uns Freitag.' meinte er noch und raus waren die zwei.

Die Ausführung

Freitag Morgen um 8 Uhr waren sie schon wieder zusammen. Sie wussten zwar, Jan würde nicht vor 10 Uhr seine Fahrt antreten, aber bei den Oldies schien sich eine gewisse Aufregung breit zu machen. Fast wie Lampenfieber. 'Klappt alles tadellos.' berichtete Herrmann den anderen von seiner Arbeit in der Garage. 'Was Du da gebaut hast, ist klasse.' meinte er noch, womit er auf Klaus Funkmechanismus anspielte. 'Haste was anderes erwartet?' griente der. 'Na, nee.' anwortete Herrmann, wobei er das nee ganz weit dehnte. Willi hatte sein Fahrzeug schon aus seiner Garage in die Einfahrt gestellt. Dieses Auto kannte Jan nicht und deshalb wollten sie seinen Wagen benutzen. 'Alles ist bereit. Uhrenvergleich.' Willi hatte das aus diversen Krimis im Fernsehen gelernt. Machte zwar hier nicht wirklich Sinn, aber das hinterfragte niemand. '8 Uhr 4' bestimmte Willi die allein gültige Zeit. Klaus justierte seine Armbanduhr noch etwas nach. Tja, jetzt konnten sie entweder warten, oder gleich losfahren. Diesen Gedanken schien Klaus gehabt zu haben, denn er meinte: 'Fahren wir los, sicher ist sicher. Ich werd' verrückt, wenn wir hier die Zeit absitzen.' Da war was dran und so waren sie sich schnell einig. Willi schnappte sich noch die Jutebeutel, worin die Schätze später verstaut werden sollten und schon saßen sie im Auto.

Auf der ca. 30 minütigen Fahrt sprachen sie wenig. Jeder hing seinen Gedanken nach. Einzig Willi, dem die Kunstpause unerträglich war, ließ von Zeit zu Zeit etwas Belangloses raus. Sie nahmen die Abfahrt vor dem Aachener Dreieck und bogen im nächsten Ort auf den Feldweg ein, der nach ca. 2 Kilometern direkt hinter dem Rastplatz vorbeiführte. Sie begegneten Gott-sei-Dank niemandem. Kein Spaziergänger, kein Bauer, niemand. Darauf hatten sie auch gehofft, denn ein Fahrzeug mit Dürener Kennzeichen wäre auf dem Feldweg schon ziemlich aufgefallen. Willi parkte hinter zwei dicht stehenden Bäumen, die einen guten Sichtschutz boten. Außerdem lag der Feldweg etwas tiefer als der Rastplatz. Alles war perfekt.

'Jetzt fährt er gleich los.' meinte Herrmann. 'Na hoffentlich. Ich hab' keine Lust, hier zu verrotten.' Klaus brauchte auch ein Ventil für seine Nervosität. Immerhin sollte er nachher über den Zaun hechten und die Aktion zu Ende bringen. Er war der Gelenkigste von den dreien. Nun saßen sie da und warteten doch die Zeit ab, nur nicht zu Hause. Sie beobachteten das Kommen und Gehen auf dem Parkplatz. Als ein Polizeifahrzeug einmal langsam über den Parkplatz rollte, fuhr ihnen der Schreck tüchtig in die Glieder. 'Hoffentlich haben die nix bemerkt.' meine Herrmann. Aber da war das Behördenfahrzeug auch schon wieder weg. Die Minuten zogen sich endlos lang. Kaum auszuhalten. Aber endlich wurde es Zeit, alle Vorgänge auf dem Rastplatz wieder genau zu verfolgen. Jan konnte bald kommen. 'Soll ich mich schonmal da hinten am Zaun verstecken?' sagte Klaus, der wieder Luft rauslassen musste. 'Kannste machen, aber lass dich nicht blicken.' beschwörte Willi ihn. 'Bin ich blöd, oder was?' Klaus setzte eine beleidigte Miene auf und schwang sich aus dem Auto. Über diesen Handel hätten sie Jans Ankunft beinahe verpasst. Der hellgrüne Ascona parkte gerade in der Nähe des Toilettenhäuschens. 'Mensch, da ist er ja schon.' Herrmanns Aufregung war nicht zu überhören. Schnell nestelte er seine Funk-Fernbedienung aus der Jacke und hielt seinen Daumen druckbereit über dem Auslöseknopf.

Klaus hatte seine Position gerade eingenommen. Er konnte jetzt nicht mehr sehen, was passierte. Deshalb schaute er auf die im Auto sitzen gebliebenen und wartete auf sein Zeichen. Diese konnten beobachten, das Jan gerade in der Toilette verschwand. 'Jetzt!' zischte Willi und Klaus' Daumen zuckte nieder. 'OK, und jetzt wieder zumachen!' Ein erneuter Druck auf den Knopf folgte. Niemand konnte sehen, ob's funktioniert hatte, da ein Hinterrad von Jans Auto die Sicht versperrte. Sie konnten jetzt nur auf seine Abfahrt warten. Aber sie mussten sich nicht lange gedulden. Der Lieferant hatte sein Geschäft erledigt und schwang sich wieder in sein Auto. Er hatte nichts bemerkt, soviel war sicher. Klaus bekam sein Zeichen und er lugte vorsichtig um den Baum herum, der sein Versteck gebildet hatte. Die Luft schien rein zu sein. Behende setzte er über den Zaun und die beiden anderen konnten nur beobachten, dass er sich nach etwas bückte. 'Hat ja suuuper geklappt.' meinte Herrmann erleichtert.

Klaus hatte die Päckchen sofort entdeckt, waren nicht zu übersehen. Musste eine größere Lieferung gewesen sein. Ohne nach rechts oder links zu schauen, ging er die letzten Schritte bis zu der Stelle, wo eben noch Jans Auto gestanden hatte. Er konnte Päckchen mit grün-braunem Inhalt und kleine Tütchen mit weißem Pulver ausmachen. Er bückte sich und packte alles in die mitgebrachten Jutebeutel. Seine Aufregung legte sich allmählich. 'Nochmal mach' ich sowas nicht.' dachte er noch, als er sich wieder aufrichtete. Er drehte sich um und schaute direkt in die Augen einer Person, die sich offensichtlich von hinten angeschlichen hatte. Vor Schreck bekam Klaus keinen Ton heraus, als der Fremde sagte:

'Zollamt Aachen, Ziegler mein Name. Haben sie zollpflichtige Waren anzumelden?'
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Chablis
Jetzt, wo die Arbeiten an meinem Buch endlich abgeschlossen sind, werde ich mich wieder mehr dieser Plattform widmen. Ich bin also wieder DA.
Leipziger Wahlbürger, ursprünglich aus der Eifel. 50 Jahre. Gelegenheitsschreiber, als Ausgleich zu meiner Arbeit als Webdesigner.
Wer gerne dichtet, in Verlegenheit ist ob eines Anlasses und arg nach Reimen sucht, dem versuche ich gerne zu helfen.

Ich mache nun für heute Schluss,
denn es kommt jetzt, was kommen muss.
Die Müdigkeit fährt in die Glieder
und auch das Denken ist schon wieder

gebremst und fährt im Schneckengang,
drum zieht es mich mit Macht, mit Drang
in Richtung Bett, so wohlig weich.
'Mein lieber Schatz, ich komme gleich.'

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MarianneK Rastplatz - So ein Pech aber auch, herrlich der Schluss.
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