Kurzgeschichte
Alles für die Katz ....

Alles für die Katz ...

Es war wieder einmal so weit. Wir planten unseren vierten Auftritt.

Der Reinhard, der Franz, der Michel und ich.  Seit unserem vorletzten Auftritt sind wir nicht nur ein gutes Team, sondern sogar Freunde.

Reinhard ist der Kopf des Ganzen, er initiierte unsere Multimedia-Show. Er ist ein begnadeter Maler, ich eine leicht verrückte Hobby-Poetin, Franz wiederum ein begnadeter Musiker, der seiner Harfe himmlische Töne entlockt. Und schließlich Michel, ein hervorragender Fotograf, der die technischen Ausführungen übernimmt.

Ich lese ein  bis drei  Gedichte, dazupassend werden Reinhards Bilder groß an die Wand projektiert. Zu Beginn, am Ende und zwischen meinem Vortrag spielt Franz auf seiner Harfe.

Also ein wirklich schönes Programm, das bis jetzt immer sehr gut aufgenommen wurde. Dass ich dabei jedes Mal hundert Tode gestorben bin, ist Nebensache.

Wir traten schon dreimal an verschiedenen Lokalitäten auf, aber immer im Sommer.

Diesmal waren wir im Schloss Gloggnitz eingeladen, uns in der Michaelskapelle zu präsentieren. Wunderschön!! Da gibt es gar nichts zu sagen, die Kapelle, das ganze Schloss hat eine vornehme, gediegene Ausstrahlung und wir freuten uns, in einem so schönen Ambiente auftreten zu dürfen.

Und nun war es so weit. Aber es war nicht Sommer, es war November und bitterkalt.

Ich rief Reinhard an: „Werden wir im Mantel dort sitzen?“

„Nein! Es gibt einen Heizkörper, ich werde einheizen. Also, schön soll es schon aussehen, eine dickere, wärmere Jacke oder Weste vielleicht?“

Na schön.

Nun hatte ich meinen Kasten bereits gründlich durchstöbert. Nichts! Die Pullover waren zu sportlich, das Kostüm war mir zu eng geworden, genauso die zwei schwarzen Hosen. Seufz...

Aber ich hatte ja noch ein paar Tage Zeit.

Vielleicht kehren die schönen Tage wieder, denn bis vor kurzem hatte uns ein milder, sonniger Herbst verwöhnt, aber nun war es bitterkalt geworden.

Es wurde nicht wärmer ... und ich machte mich im letzten Moment auf zum Shoppen, um im Jargon meiner Enkelin zu sprechen.

Einen ganzen Nachmittag war ich unterwegs. Rein in die Klamotten. Raus aus den Klamotten. Es war zum Verzweifeln. Endlich fand ich in einem Geschäft eine hübsche Weste. Schwarz, lang .. bis über den Po ..  , und ab der Taille in apartem Lochmuster.

Oben mit nur drei Knöpfen zu schließen. Dazu nahm ich  dann noch einen neutralen weißen Pulli, nur für alle Fälle, denn richtig toll fand ich ihn nicht.  

In einem anderen Geschäft suchte ich nach einer schwarzen Hose. Mein Gott, diese Unzahl an Hosen, die da an den Stangen baumelten .. da müsste doch eine für mich dabei sein. Um mir das lange Suchen zu ersparen, bat ich eine Verkäuferin um Hilfe. „Ich suche eine Hose, in schwarz und etwas eleganter, keine Jean.“

Die Dame schritt schnurstracks zu einem Kleider - bzw. Hosenständer.

„Und eine etwas wärmere, bitte.“, fügte ich noch hinzu.

„Das habe ich befürchtet.“, seufzte sie. Ich schaute sie erstaunt an, das kann bei dieser Auswahl  doch nicht so schwierig sein.

Dann fischte sie zwei Exemplare heraus und bat mich, sie zu probieren.

Etwas zu kurz. Bis wann ich sie bräuchte? Bis morgen. Okay, bis morgen geht ´s nicht. Pech gehabt. Die zweite wieder war um die Schenkel viel zu weit.

Ich hockte in meiner Kabine und wartete. Die Verkäuferin würde sicher was Passendes für mich finden. Dann kam sie, in der Hand eine Jean. „Ich hab´ nur noch diese Hose da, eine schwarze Jean. Die ist etwas wärmer und sieht auch gut aus...“

Ich schlüpfte hinein ... ich fühlte mich wohl. Die Hose passte perfekt. Dass es eine Jean war, störte mich nun nicht mehr im Geringsten.

Hose und Jacke gerettet! Nun fehlte aber  noch ein anständiger Pullover. Etwas Flotteres.

Eine Bluse? Nein. Zu kalt. Ich wollte einen eleganten Pullover. Gar nicht so einfach, denn die meisten hatten einen sportlichen Touch. Zumindest die, die mir gefallen hätten. Die Verkäuferin machte mich schließlich auf einen Boucle-Pullover aufmerksam, ob mir so etwas gefallen würde. Ich hatte ihn schon gesehen, aber nicht in Erwägung gezogen. Wie er dort hing, kam er mir etwas altmodisch vor. Aber ich probierte ihn trotzdem .... und siehe ...  er war super. In altrosa, schlicht und elegant mit einem raffiniertem Kragen.

Ich freute mich riesig. Noch ein farblich passendes Tüchlein dazu und an meinem Auftritt war nichts mehr auszusetzen... was die Kleidung  betraf, denn beim Friseur war ich schon am Vormittag gewesen.

Einmal noch schlafen, dann war der große Tag da.

Da mein Haus auf seiner Strecke liegt, holte mich Franz ab. Wir plauderten und besprachen den kommenden Abend. „Das wird heut´ eine Gefrierfleisch-Party,“ meinte er und ich bekam bei dem Gedanken daran eine Gänsehaut.  

Gloggnitz. Das Schloss. Die Kapelle. Wir waren angekommen, die anderen auch.

Reinhard trug einen schönen Rock, wie ein Uniformrock oder besonders aparter Trachtenrock. Franz fragte: „Müssen wir unsere Jacken ausziehen?“ worauf Michael meinte: „Ich hab´ auch schon überlegt, ob ich meinen Mantel auszieh´.“

Mir war jetzt schon kalt .. und dem Heizkörper auch! Denn von behaglicher Wärme war keine Spur. So beschlossen wir ein- bzw. dreistimmig, uns nicht auszuziehen.

„Ist besser,“ bekräftigte Franz diesen Entschluss, „ als eine Stunde frieren und dann krank sein. Da gibt uns keiner was dafür.“

Als alle Besucher ihre Plätze eingenommen hatten, wurde das Licht ausgeschaltet. Nur bei der Harfe und auf meinem Tisch befand sich eine kleine Leselampe. Die auf die Leinwand projektierten Bilder hatten eine starke Leuchtkraft, im Zuschauerraum aber war es finster. Normalerweise schaue ich beim Lesen zwischendurch immer ins Publikum, doch diesmal sah ich nichts. Ich glaube, durch diese Dunkelheit fühlte ich mich beschützt und sicherer .... es war das erste Mal, dass ich innerlich nicht vor Aufregung bebte.

Während der Lesepausen, wenn Franz seiner Harfe himmlische Musik entlockte, schweiften meine Gedanken ab. „ Alles für die Katz!! Jetzt hab´ ich mir so schöne Sachen gekauft .... und wir sitzen im Mantel da!! Und im Finstern! Das darf doch nicht wahr sein!!“

Auch beim anschließenden Buffet in einem Saal des Schlosses standen alle, Gäste und Akteure, in ihren Jacken und Mänteln plaudernd beisammen. Dabei hatte ich mich so heraus geputzt, war unterhalb der wärmenden Hülle so fein gemacht .....  na ja .. es gibt Schlimmeres.

Die Veranstaltung war, alles in allem, wieder ein voller Erfolg.

Als ich nach Hause kam, fragte meine Tochter: „Wie war ´s?“

„Schön! Gut gelaufen. Aber mein Herumrennen und meinen Einkauf hätt´ ich mir ersparen können, war alles für die Katz, weil wir alle unsere Winterjacken anbehielten.“

„ Na ja, dann müssen wir eben einen anderen Anlass für deine neue Kleidung finden.“

Wir umarmten einander und brachen in schallendes Gelächter aus.