Kurzgeschichte
Ein einfaches Hi - Eine Kurzgeschichte über Adoleszenz

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"Ein einfaches Hi - Eine Kurzgeschichte über Adoleszenz"
Veröffentlicht am 15. November 2011, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich bin aus der Schweiz und besuche zurzeit ein pädagogisches Gymnasium. Als Abschlussarbeit möchte ich ein Buch schreiben, weswegen ich mich hier angemeldet habe :) Ich möchte sehn, was andere Talente so fabrizieren, um mich selbst weiterentwickeln zu können.
Ein einfaches Hi - Eine Kurzgeschichte über Adoleszenz

Ein einfaches Hi - Eine Kurzgeschichte über Adoleszenz

Beschreibung

Das Essenzielle an der Kommunikaiton ist unsere Sprache. Stell dir vor, du verlierst die Fähigkeit dich deinen Mitmenschen mitzuteilen

Vor etwa einem Monat begannen diese Black-outs. Nicht, dass sie vorerst jemandem aufgefallen wären. Vanessa übersah sie einfach, ignorierte die Tatsache, dass ihre eigene Muttersprache von der einen Sekunde zur anderen fremd und unzusammenhängend  klang. Wenn sie selbst allerdings die Sprache verlor, und das wortwörtlich, gelang es ihr kaum, zu ignorieren was für unwillkürliche Laute ihren Mund verliessen.

Als es das erste Mal passiert war, hielt es der Lehrer für eine Provokation auf seine Frage, weshalb sie ihn so schockiert anstarre. Ihre Mitschüler hatten gekichert auf Grund der Selben Annahme wie die des Lehrers.

Was konnte sie denn dafür, wenn der Lehrer mit einem Mal in unmissverständlicher Aliensprache redete, die nur Vanessa alleine hörte.

Dann geschah es ein weiteres Mal, kurze Zeit später. Anstelle von Worten verließen wieder seltsame Laute einer unmöglich existierenden Sprache den Mund ihres Lehrers.

Wie bitte?, wollte sie Fragen, doch sie brachte nichts weiteres heraus als ein tierhaftes Keuchen und Stöhnen.

Diese Black-outs häuften sich an, bis der Lehrer bemerkte, dass dahinter kaum bloße Rebellion stecken konnte. Er kontaktierte ihre Eltern, welche dieses Gespräch nur für eine weitere Krisensitzung im Thema ,Vanessa-ist-unaufmerksam-und-zeigt-kein-Interesse-am-Unterricht-blah-blah-blah’. So nannte es Vanessa jedenfalls früher, als sie immer mal wieder Elterngespräche und dies und das ertragen musste.

 

 

„Sie sollten mit ihrer Tochter einen Arzt aufsuchen“, rät Herr Koller und macht ein ernstes Gesicht. Meint der das ernst?!, denkt Vanessa und schaut ihn bloss entgeistert an.

Vanessas Mutter macht ein bekümmertes Gesicht: „Uns hat sie noch nie von so einem Vorfall erzählt!“ Ihr Vater nickt nur. Die eigene Tochter wird in der Unterhaltung übergangen.

„Wir mussten sie doch schon als sie klein war zu dieser Logopädie-Lehrerin schicken und jetzt wollen sie mir sagen, meine Tochter habe einen Sprachfehler entwickelt? In diesem Alter?“

Ihr Lehrer versucht die Eltern zu beschwichtigen und meint zu Vanessa:

„Warum sagst du nicht etwas dazu?“

 

 

Vanessa wollte es ihnen nicht erklären, sie kennt das Problem ja nicht einmal selbst. Und jetzt kamen diese Erwachsenen und sprachen vom ,Verlust des Sprachvermögens’ und ,Sprachfehler’?

Alle bösen Blicke und die Beschwerden, sie wolle nicht zu einem Arzt brachten nichts. So saß sie in der nächsten Woche mit ihrer Mutter in einem sterilen Untersuchungszimmer einer Neuroklinik während sie etliche Tests mit seltsamen Abkürzungen, wie CCT, CT und weiss der Henker was, über sich ergehen liess. Der Arzt sprach von Synapsen, Aphasie, Störungen im Brocazentrum des Hirns und weiterem Fachchinesisch, was Vanessa als einfache 15-Jährige nicht verstand.

Er stellte ihr auch Fragen, ob sie vor einiger Zeit einen Unfall hatte, auf den Kopf gefallen sei, Stress in der Schule habe, zu wenig Aufmerksamkeit bekäme oder sogar, als ihre Mutter nicht im Raum war, ob sie zu Hause geschlagen werde. Vanessa wusste nicht, was das mit der ganzen Situation zu tun haben soll.

Der Arzt beteuerte andauernd, dass er einen Fall wie diesen noch nie erlebt habe und Vanessa fragte sich, ob sie hier mehr war, als nur ein Versuchskaninchen.

Als sie dann nach Hause fuhren war ihre Mutter völlig durch den Wind. „Eine Woche haben sie gesagt, bis sie uns die Ergebnisse mitteilen. Das geht bestimmt länger“

Vanessa schwieg, hörte wieder weg. Sie brauchte ihrer Mutter nicht zu zuhören. Sie wollte nicht.

„Hörst du mir überhaupt zu?“, sie war verzweifelt. „Weshalb hörst du mir nie zu, Vanessa. Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass du...“

Sie schwieg. Weshalb zuhören, wenn ihr niemand etwas zu sagen hat. Nicht ihre Mutter, ihr Vater oder ihre Clique, geschweige denn von Lehrern und Ärzten. Die tanzten eh nach ihrer Pfeife, also weshalb langweiligen Leuten beim jammern zuhören?

Eine Woche später schickte sie ihre Mutter zu einem Psychologen. Der sprach ruhiger und verständlicher mit Vanessa, ausserdem musste sie nur über sich sprechen, was ihr übrigens sehr gefiel, und nicht zuhören und verständnislos nicken, wie bei diesen Ärzten. Gebracht hat es ihr trotzdem nichts.

 

Dann, einen Monat später verschlechterte sich ihr Zustand. Sie brach die Schule ab und wurde beurlaubt, krank geschrieben oder so was.

Vanessa hörte auf zu sprechen, weil sie wusste, dass ihre Worte unverständlich klangen, sie sich nicht ausdrücken konnte, ohne dabei ihre Hände und ihr Gesicht zu benutzen.

Auch ihr Sprachverständnis verschlechterte sich. Sie verstand kaum noch, was man ihr zu sagen versuchte. Nicht, dass es sie früher gekümmert hätte, doch jetzt war sie verzweifelt und wusste nicht, wofür sie das verdient hätte.

Ihre Eltern wussten nicht mehr weiter und schickten sie weiter zu Ärzten, die alle nicht wussten, was mit ihr anzufangen war. Sie durchlief Tests, langwidrige Abläufe von Stillliegen, in Röhren geschoben werden um ein weiteres Symptom zu untersuchen, was dann doch alles umsonst war.

Die Verzweiflung der Ärzte und vor allem die der Eltern stieg, doch Vanessa hörte auf, über alles nachzudenken. Sie hatte genug, wollte nicht mehr dieses unverständliche, tierhafte Gebrabbel von sich und den andern hören und kapselte sich von allen und allem ab. Sie wollte sich selbst wie auch die andern nicht mehr sprechen hören und so verbrachten sie den Tag damit, im Park auf einer Bank zu sitzen um sich selbst zu bemitleiden.

 

So ging das eine ganze Weile lang, einige Monate waren schon verstrichen, seit sie die Sprache verloren hatte. Es war ein sonniger Freitag Nachmittag, Kinder vergnügten sich auf dem Spielplatz, Eltern sassen auf Parkbänken und behielten ein Auge auf ihre Sprösslinge. Alles in allem wäre es ein schöner Tag gewesen, friedlich und warm.

Doch Vanessa sass unverändert auf der immer gleichen Parkbank und vernahm die immergleiche Sprache, ob von schreienden Kindern oder rufenden Müttern.

Heute war allerdings etwas anders. Auf der Parkbank, etwa zehn Meter von Vanessa entfernt sass ein Junge, ein wenig älter als sie und besass den selben trübseligen Blick wie sie.

Vanessa starrte eine Weile in seine Richtung, ohne sich wirklich über ihn Gedanken zu machen, bis er sie neugierig ansah.

Schnell schaute sie in eine andere Richtung, ein wenig verlegen und blickte zu Boden. Bevor sie ein weiteres Mal zu ihm hinüberschielen konnte, war er aufgestanden und schlenderte in ihre Richtung, den Blick fortwährend auf sie gerichtet, aber nich starrend, sondern sanft mit tiefblauen Augen.

Nervosität überkam sie, wie damals, als sie das erste Mal mit Niko gesprochen hatte, doch ihre Aufregung dämpfte sich schlagartig. Wie sollte sie je wieder die Möglichkeit haben, einen Jungen anzusprechen, in ihrem jetzigen Zustand. Vanessa blickte zu Boden und ballte die Fäuste, als sich der Typ neben sie auf die Bank setzte. Sie spürte, dass er sie anlächelte. Er holt schon Luft, um etwas zu sagen, dachte sie in Panik und krallte ihre Fingernägel noch mehr in ihre Handflächen, bis es schmerzte. Mach schon! Fang an in dieser scheiss Alien-Sprache zu sprechen. Irgendwann merkst du selber, dass ich dich nicht versteh’! Dann gehst du weg und denkst mit was für einem Freak du da gerade versucht hast zu reden.

Doch nichts von all dem passierte. Er begrüsste sie kanpp in freundlichem Ton mit einem einfachen „Hi!“.

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shinigami
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