Krimis & Thriller
Silver Rose: Das Gesetz der Killer (3) - Auftrag 8-10

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"Silver Rose: Das Gesetz der Killer (3) - Auftrag 8-10"
Veröffentlicht am 02. November 2011, 124 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Über den Autor:

Tjaaa.. eigentlich ich bin mehr eine Einzelgängerin und eine komlette Tagträumerin dazu xD Aber ab und an bin ich auch gerne unter Leuten, wobei es mir etwas an Gesprächsstoff fehlt, es sei denn es geht ums Schreiben und meine Geschichten. Da kann ich tagelang drüber reden :P Allerdings möchte ich hier auch mal zu meinen Geschichten anmerken, dass sie wirklich lange Stories sind, die sich über einen längeren Zeitraum erst richtig entwickeln und ...
Silver Rose: Das Gesetz der Killer (3) - Auftrag 8-10

Silver Rose: Das Gesetz der Killer (3) - Auftrag 8-10

Beschreibung

Eine sechzehnjährige Auftragsmörderin namens Kate wechselt auf die Arrison Academy, eine Akademie für Killer. Dort lernt sie nicht nur den scheinbar gewissenlosen Auftragsmörder Train Phöenix kennen, sondern stößt mit der Zeit auf ein Geheimnis, das sie dazu bringt dieses eine Mal für den britischen Geheimdienst MI6 zu arbeiten und die Arrison Academy zu übernehmen. Enthält: Auftrag 8: Weihnachtstanz mit einem Killer Auftrag 9: Ein Killer beim Drahtseilakt Auftrag 10: Verwirrung unter Killern

Auftrag 8: Weihnachtstanz mit einem Killer

„Mach schon“, sagte einer der Männer ungeduldig.

Train sah ihn kurz an. Dann strich der frische Ostwind um seine Ohren er blickte wieder nach vorne. Fast direkt vor ihm lag eine Lagerhalle am Yachthafen. Sie war das Ziel dieser Nacht. Die Leute dort drin sollten angeblich gemeingefährliche Menschen sein, die dort einen üblen Plan ausheckten, doch Train wusste es besser. Die Leute dort hatten nichts verbrochen. Sie waren den Leuten von der Scythe Society lediglich ein Dorn im Auge und sollten deswegen eliminiert werden. Und zwar wirklich ausnahmslos vernichtet.

„Worauf wartest du denn noch?“, fragte der Mann und gab Train einen Stoß gegen die Schulter.

Daraufhin warf Train ihm jedoch einen Blick zu, der eindeutig war: Fass mich noch ein Mal an und du bist tot. Die Worte lagen in seinem Blick und der Mann erkannte, was ihm blühte, wenn er jetzt nicht nachgab. Mürrisch blickte er wieder zur Seite und kam bei dem leichten Schaukeln des Motorbootes beinahe aus dem Gleichgewicht. Er fluchte.

Daraufhin richtete Train seinen Blick wieder auf die Lagerhalle. Von hier aus hatten sie den idealen Blick auf den Yachthafen. Die Aussicht war wirklich schön. Nur leider würde sie gleich weit weniger schön sein.

Der Mann hinter Train schien allmählich seine Geduld zu verlieren und lief nervös auf und ab, auch wenn er bei den langsam immer stärker werdenden Schwankungen häufig aus dem Takt kam.

Train seufzte leise und hob seine rechte Hand. Kurz prägte er sich das Bild des Hafens ein, dann schnippte er.

Die Lagerhalle ging augenblicklich lichterloh in Flammen auf und Schreie drangen bis an sein Ohr. Funken stoben in die Höhe und schwarzer Rauch stieg in den dunklen Nachthimmel. Alles brannte. Und nichts würde übrig bleiben, wenn das Feuer sich gelegt hatte. Dies war das Schicksal derer, die sein Ziel waren.

 

Inzwischen war es Mitte Dezember und ich konnte mal wieder staunen. Die Akademie zog Weihnachten wirklich groß auf. Die Häuser und selbst das Schulgebäude waren reichlich geschmückt und es wurden fast täglich Busfahrten organisiert, mit denen man in die Stadt fahren konnte, um Geschenke und noch allerlei anderes einzukaufen. Wäre ich nicht jemand, der seit langem sämtliche Feiertage und Feste ignorierte, hätte ich mich sicher auch dafür begeistern können.

Allerdings ging mir der Spaß nach einer Weile auf die Nerven und ich hoffte, dass das schnell vorbei ging. Immerhin konnte ich nach Weihnachten auch endlich wieder mit meinem Training beginnen, das mir nach der langen Zeit des Aussetzens wirklich fehlte. Zudem verschoben sich meine Rachepläne so auch immer weiter und ich hatte zwischenzeitlich mal wieder Lust etwas auseinanderzunehmen und anschließend noch zu zertrümmern, doch wie immer verkniff ich mir solch einen unnötigen Ausbruch.

Stattdessen schonte ich mich so gut es ging, damit ich möglichst bald wieder anfangen konnte. Jedoch war ich so ziemlich die Einzige, die Weihnachten am liebsten ignorieren wollte. Der Rest meiner Bekannten war im wahrsten Sinne der Worte Feuer und Flamme.

„Hey, wollen wir nicht Weihnachten alle zusammen feiern?“, fragte Anja fröhlich. Sie war bereits richtig in Weihnachtsstimmung, ebenso wie Lisa und Mareike.

„Klar, wir könnten eine richtige Party schmeißen!“, schlug Lisa sofort vor, „Wir laden alle ein und jeder bringt noch was zu essen oder eine CD mit. Da kommt bestimmt einiges zusammen.“

„Genau, am besten aber feiern wir dann unten im Speiseraum und nicht in einem der Zimmer“, warf Mareike ein, „Sonst platzt noch das Zimmer von einem und außerdem täte mir derjenige dann leid, wenn er den ganzen Partykram bei sich im Zimmer liegen hätte.“

„Stimmt, guter Einwand“, sagte Lisa rasch.

„Wir sollten aber noch mal mit den anderen Reden und horchen, was sie so nach der großen Hauptfeier geplant haben“, bemerkte Anja und blickte auf ihre Notizen, die sie auf einem kleinen Zettel auf dem runden Tisch vor sich gekritzelt hatte, „Nicht dass sich unsere Pläne da noch überkreuzen.“

Ich hörte wie immer stillschweigend bei ihren Planungen von irgendwelchen Sachen zu und gab nur meinen Kommentar ab, wenn ich gefragt wurde.

„Was sagst du eigentlich dazu, Kate?“, fragte Mareike prompt.

„Tja.. ehrlich gesagt habe ich Weihnachten die letzten Jahre über geschwänzt“, gab ich zu und lehnte mich zurück, „Macht es wie ihr wollt, nur rechnet nicht unbedingt mit mir...“

„WAS?!“ Wie sie mich anstarrten, herrlich. Hätte ich eine Kamera dabei gehabt, hätte ich glatt ein Foto von diesen vollkommen verwunderten Gesichtern geschossen. Nur leider besaß ich noch nicht mal so etwas wie ein Fotoapparat.

Ich hob nur eine Augenbraue. „Wieso starrt ihr mich jetzt an wie die Hühner wenn´s donnert?“

„Du hast kein Weihnachten gefeiert? Und das mehrere Jahre lang?“, fragte Anja.

„Nein.“

„Wieso denn das?“, fragte Lisa schon beinahe schockiert. Man steigerten die drei sich da rein. Die taten ja gerade so als wäre das der Weltuntergang.

„Weil es für mich nichts zu feiern gab“, antwortete ich schulterzuckend.

„Und was ist mit deiner Familie? Haben die nie gefeiert?“, fragte Lisa weiter und sah mich an als wäre ich etwas außerirdisches mit ganz vielen Tentakeln und schleimigem Körper.

Das war jedoch ein Stich in die Wunde, bei der ich ganz schnell bissig werden konnte. „Früher schon.“ Im Nachhinein bereute ich diese ehrliche Antwort.

„Was heißt früher?“, fragte Mareike stirnrunzelnd, „Macht ihr das heute nicht mehr?“

„Nein.“

„Aber warum denn nicht?“, fragte nun Anja und sah mich verwirrt an, „Das ist doch so ein schönes Fest. Und es macht doch Spaß anderen Geschenke zu machen. Warum habt ihr damit aufgehört?“

Ich knurrte, auch wenn ich das eigentlich gar nicht beabsichtigt hatte. Mussten sie unbedingt noch weiter in dieser Wunde rumstochern? Das machte mich langsam sauer. „Das geht euch nichts an.“

Meine unfreundliche Antwort schien die drei zu verwirren. Dann machten sie sich jedoch ihre eigenen Gedanken und das ganze ging noch weiter.

„Gibt es Probleme bei euch in der Familie?“, fragte Mareike mitfühlend, „Tut uns echt leid, das haben wir nicht gewusst.“

„Willst du darüber reden?“, fragte Anja hilfsbereit, „Es hilft, wenn man über seine Probleme...“

„Ich brauche darüber nicht zu reden“, sagte ich und erhob mich von meinem Stuhl. Ohne auf die leicht bestürzten Bitten zu hören verließ ich das Zimmer und ging nach draußen. Ein eisiger Wind pfiff mir um die Ohren und ich wickelte mir den dunklen Schal um den Hals, während ich mich auf den Weg zu Haus 4 machte. Der Weg war auch nicht allzu weit, sodass ich es auch in meiner Bluse und dem Blazer schaffen würde, ohne dabei zu erfrieren. Heute waren immerhin nur noch knapp ein oder zwei Grad über Null, das war schon frostig und einige hatten sich bereits die ersten Erkältungen eingefangen.

Mich interessierte das allerdings wie immer herzlich wenig und ich wanderte über den Weg. Ich sah meinen Füßen zu, wie sie sich immer wieder vor den jeweils anderen setzten und mich so voran brachten.

Ich wollte nicht über das reden, wegen dem ich erst zur Auftragsmörderin wurde. Die Erinnerung hatte ich in der hintersten Ecke meines Kopfes verbarrikadiert und dort war sie auch eigentlich recht sicher untergebracht, es sei denn natürlich Leute wie Anja und die anderen beiden, die es noch nicht mal böse meinten, bohrten so unnachgiebig nach. Dann kam ich schon mal ins Wanken, doch bisher hatte ich noch nie in der Öffentlichkeit Tränen vergossen. Jedenfalls nicht mehr seit ich sieben Jahre alt war.

Wenn ich mal so etwas wie Weihnachtsstimmung gehabt hatte, war sie nun verflogen. Das Thema Familie löschte bei mir sofort jegliche gute Laune aus, dagegen konnte ich gar nichts machen. Doch ich hatte gelernt damit zu leben und es einfach zu ignorieren so gut es eben ging. Damit hatte ich mich bisher über Wasser gehalten und damit würde es auch weiterhin funktionieren.

 

Die Sache zwischen Anja, Lisa, Mareike und mir blieb zwar unausgesprochen – die drei wagten es anscheinend gar nicht mehr das Thema aufzubringen – aber trotzdem schafften sie es irgendwie mich dazu zu überreden, sie auf ihrem Weihnachtsbummel zu begleiten.

„Weshalb hab ich mich nochmal breitschlagen lassen?“, fragte ich resigniert. Mein Spiegelbild sah alles andere als begeistert aus. Die rote Weihnachtsmütze auf meinem Kopf hing etwas schief und der Farbton biss sich ganz gewaltig mit meinen kupferfarbenen Haaren. Dazu kam noch der knallrote Mantel, den ich bisher immer nur auf Fotos vom lieben Mr Nikolaus gesehen hatte. Ich kam mir dämlich vor. Ganz ehrlich, das war bescheuert.

„Das sieht super aus!“, sagte Anja jedoch begeistert. Sie, Mareike und Lisa hatten sich ebenfalls solche Mäntel angezogen und wollten mit mir zusammen ein Foto machen lassen. Das war das Angebot eines großen Kaufhauses. Auch wenn ich dieses Kaufhaus dafür am liebsten verfluchen wollte.

„Ja, besser als ich gedacht habe“, fügte Lisa spitz hinzu.

Ich warf ihr einen vielsagenden Blick zu. „Und welchem Zweck dienen diese Kostüme eines Mannes, der gar nicht existiert?“

„Oh man, sei kein Spielverderber“, sagte Mareike, während sie mich zusammen mit Anja und Lisa zu der netten Frau mit dem Fotoapparat zog.

„Ich find das affig!“

„Bitte lächeln“, sagte die Frau, die selber ebenfalls so ein bescheuertes Kostüm trug und nun die Kamera auf uns richtete.

Anja, Lisa und Mareike strahlten in die Richtung der Frau und ich zog nur ein resigniertes Gesicht. Bei dieser hirnrissigen Kostümierung war mir nun wirklich nicht nach grinsen zu mute, was hoffentlich verständlich ist.

Dann machte es auch schon Klick und das Foto war geschossen. Zwei Stunden später konnten wir es abholen und in der Zeit schleppten die drei mich quer durch die Stadt, deren Namen ich mir immer noch nicht merken konnte, egal wie oft ich ihn hörte. Und ich glaube, so viele verschiedene Klamotten und Schuhe hatte ich noch nie an einem Tag – wahrscheinlich noch nicht mal in einer Woche – an gehabt. Ich gebe zu, so eine Schoppingtour war für mich bald anstrengender als eine Mission.

„Das war doch mal erfolgreich“, stellte Lisa grinsend fest.

„Ja, es gibt doch nichts über eine Tour durch die Stadt“, sagte Mareike und streckte sich.

„Wir haben schöne Sachen gefunden, ich würde auch sagen, dass es sich gelohnt hat“, sagte Anja lächelnd, „Oder was meinst du, Kate?“

Ich warf ihr einen genervten Blick zu, wobei ich mich noch beherrschte, und ihr Lächeln wurde ein klein wenig schief. Als sie dann aber wieder nach vorne blickte, blieb sie auf einmal stehen und eine meiner Augenbrauen wanderte nach oben.

„Train...“ Sie deutete mit dem Finger in die Richtung, in die sie blickte.

Daraufhin sah ich mich um und meine zweite Augenbraue wanderte nach oben und gesellte sich zu der Ersten. Dass ich Train hier in der Stadt sah, wunderte mich schon genug, zumal er normale Klamotten und nicht seine Uniform oder die Sachen für Missionen trug. Aber der Anblick eines Jungen in Trains Alter, der eben genanntem einen Arm über die Schulter gelegt hatte und fröhlich scherzte, während Train eher etwas resigniert aus der Wäsche guckte, war doch eine ziemliche Überraschung. Ja, es verblüffte mich zutiefst.

„Wer ist das denn?“, fragten Mareike und Lisa stirnrunzelnd, „Der Junge ist auf jeden Fall nicht auf der Akademie.“

„Finden wir es heraus“, sagte ich kurz entschlossen und rief dann etwas lauter: „Hey! Train!“

Train sah überrascht auf und auch der Junge neben ihm blickte in unsere Richtung. Seine Haare waren hellbraun und so durcheinander, dass sie einem Vogelnest glatt Konkurrenz machten.

„Was macht ihr denn hier?“, fragte Train, als wir näher gekommen waren.

„Gleiche Frage zurück“, erwiderte ich, „Und wer ist der Klammeraffe da neben dir?“

„Klammeraffe?“ Der Junge wirkte empört. „Also hör mal, Train und ich sind beste Freunde! Und wer bist du überhaupt?“

„Der Trottel nennt seinen Namen immer zuerst“, bemerkte ich gelassen.

„Du hast doch zuerst gefragt!“

„Meine Frage war an Train gerichtet“, warf ich ein.

Dieser seufzte in dem Moment herzhaft. „Joey, wenn du schon so wild mit den Armen rumfuchteln musst, könntest du mich dabei bitte loslassen?“

„Hey, sie hat mich gerade beleidigt“, erwiderte dieser Joey schon fast entrüstet. Er kam mir vor wie ein Entlaufener aus dem Theater, dem ein rosa Kaninchen schon mal guten Tag gesagt hatte. Echt bekloppt und ziemlich leicht aufzuregen.

„Sie hat dir lediglich eine passende Bezeichnung gegeben“, korrigierte Train und schob Joeys Arm von seiner Schulter.

„Train! Fall mir doch nicht in den Rücken“, sagte der Junge aufgebracht, „Und woher kennst du das Mädchen mit der hässlichen Mütze überhaupt?“

Ich verkniff mir meinen Kommentar. Die Mütze, die ich mir aufgesetzt hatte, sah wirklich bescheuert aus, das musste ich wohl zugeben. Allerdings hielt sie warm und das fand ich, bei Mützen zumindest, wichtiger als das Aussehen. Und so hässlich sah sie nun auch wieder nicht aus, mit ihren blau-weißen Zickzack-Streifen.

Train sah mich einen Augenblick lang an, ehe er antwortete. „Sie ist meine Partnerin.“

„WAS?!“ Joey schienen fast die Augen auszufallen. „Die soll deine Braut werden?“

Trains Antwort bestand in einem kräftigen Faustschlag direkt auf den Schädel, das hatte er sich von mir abgeguckt. „Sie ist bei den Missionen meine Partnerin, du alter Schwachkopf!“

„Man, deine Faust ist hart, weißt du das eigentlich?“, fragte Joey und rieb sich den Schädel, wobei sein Blick dabei auf die Übrigen drei fiel, „Und wer sind diese Mauerblümchen? Auch deine Partnerinnen?“

„Wir sind keine Mauerblümchen!“, erwiderten Lisa und Mareike giftig.

Anja begnügte sich mit einem verärgerten Blick.

„Sie sind Freundinnen von Kate“, antwortete Train resigniert, „Sie sind zwei Ränge unter mir.“

„Ich bin nur einen Rang unter dir“, bemerkte Anja beleidigt.

Train verdrehte die Augen.

„Was treibt euch beide nun hier her?“, fragte ich, um den Gesprächsfaden mal wieder aufzunehmen.

„Frag den da, der hat mich hier herbestellt“, sagte Train und deutete auf Joey.

„Hab ich mir schon gedacht.“ Ich verzog eine leicht schiefe Grimasse, als mein Blick auf Anja, Lisa und Mareike fiel, die es sich zu dritt zur Aufgabe gemacht hatten die beiden Jungen düster anzustarren. „Na? Was stellt ihr in Gedanken gerade mit den beiden an? Vierteilen? Über´m Feuer grillen? Oder in Säure tauchen?“

„Was hast DU eigentlich für Gedanken?“, fragte Train mit einer hochgezogenen Augenbraue.

„Hmmm, gute Frage“, gab ich zu.

„Ich bin für´s Vierteilen“, sagte Anja nur. Das war das erste Mal, dass ich sie sauer sah. Eine Premiere, am liebsten hätte ich ein Foto davon gemacht. Vielleicht sollte ich mir doch mal eine Kamera anschaffen.

„Ist ja langweilig“, bemerkte Mareike, „Am Spieß über´s offene Feuer hängen find ich viel besser.“ Ich persönlich hätte Mareike solch finstere Gedanken gar nicht zugetraut, wie man sich in einem Menschen irren konnte. Schon erstaunlich.

„Ihr seid doch beide altmodisch“, meldete Lisa sich zu Wort und zog ein teuflisches Grinsen, „Ich bevorzuge ein ordentliches Säurebad, da bleiben hinterher wenigstens keine lästigen Überreste zurück.“ Zu ihr passten die Gedanken sogar ganz gut, ihr hatte ich so was auch, zumindest in Gedanken, zugetraut.

„Ihr macht mir Angst“, stellte Joey mit einem schrägen Gesichtsausdruck fest.

„Was erwartest du von Auftragsmördern?“, fragte Train nüchtern und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, „Auch wenn es heute das erste Mal ist, dass ich bei den drein solche Ansätze sehe.“

„Da bist du nicht der Einzige“, bemerkte ich und legte den Kopf schief, „Ich erlebe das heute auch zum ersten Mal.“

„Solltest du sie nicht besser kennen als ich?“

„Tu ich ja auch, aber trotzdem habe ich diese Seite von ihnen bisher noch nicht zu sehen bekommen“, erwiderte ich.

Joey sah zwischen uns beiden hin und her und wirkte ein wenig verwirrt.

„Ach ja.“ Mein Blick wanderte zu Joey. „Wie kommt es, dass du über unsere Arbeit bescheid zu wissen scheinst?“

Nun grinste Joey plötzlich. „Tja, ich bin ebenfalls in diesem Geschäft tätig. Und ich bin einer der Besten.“

„Das ist Ansichtssache“, bemerkte Train.

„Hey, ich komm ab morgen ebenfalls auf die Akademie und bekomme Rang 4!“, entgegnete Joey, „Da darf ich ja wohl behaupten, dass ich einer der besten bin. Dann können wir auch wieder ein Team bilden, genau wie in der Grundschule.“

Ich registrierte nur nebenbei, dass sich die beiden scheinbar schon seit Kindesbein kannten. Joey hatte Rang 4, also denselben Rang wie Train und ich. Zudem wollte er auch mit Train ein Team bilden.

Ich wusste nicht warum, aber das ärgerte mich. Hätte ich zurzeit nicht meine Zwangspause halten müssen, hätte ich am liebsten noch mal darauf hingewiesen, dass ich bereits Trains Partnerin war. Aber das erschien mir albern, schließlich waren die beiden anscheinend schon von klein auf an Freunde, da wäre es ziemlich unfair sich dazwischen zu stellen. Außerdem war ich eine Einzelgängerin, es sollte mich also nicht kümmern, wenn Train und Joey ein Team bildeten. Im Gegenteil, dann hatte ich wieder meine Ruhe. Es war doch eigentlich nur von Vorteil. Dennoch trübten diese Gedanken meine Stimmung irgendwie, auch wenn ich das äußerlich natürlich nicht zeigte.

„Immer langsam“, sagte Train lediglich, „Erstmal musst du dich überhaupt als stabil erweisen, bevor du von einem Team sprechen kannst.“

„Mach dir darum keine Sorgen“, wehrte Joey grinsend ab, „Das mach ich mit Links.“

„Schon vergessen, dass du Rechtshänder bist?“, fragte Train trocken, „Mit Links kannst du doch nicht mal einen Löffel richtig halten.“

„Hey!“

„Außerdem ist Kate Trains Teampartnerin“, warf Anja nun ein, „Wenn denn geht sie das doch wohl auch etwas an!“

„Also mir ist es egal“, sagte ich jedoch, „Ich hab auch kein Problem damit, wenn ich nach meiner Pause allein auf Missionen gehe. Ist wahrscheinlich eh viel entspannter.“ Den ganz schwachen, ironischen Unterton meiner Stimme sollte eigentlich keiner mitbekommen haben. Zumindest hoffte ich das.

Train sah mich fast zwei Sekunden lang einfach nur an, dann grinste er schief. „Willst du dir unbedingt Walkers Gequake anhören, sollten wir das Team auflösen wollen? Also ich kann gut darauf verzichten.“

Auch wenn ich es nur äußerst ungerne zugab, war ich erstaunt. Irgendwie sprachen wir beide quer. Es war schon komisch, aber wir verstanden uns trotzdem. Und irgendwie musste ich darüber glatt lächeln. „Stimmt, daran hatte ich nicht gedacht. Der scheint ja irgendeinen Narren an Team Eleven gefressen zu haben.“

„Eben, ich hab darauf auch keine Lust“, sagte Train und sein Grinsen wurde wieder gerade. Seine bernsteinfarbenen Augen glänzten.

Anja, Mareike und Lisa sahen wie üblich von einem zum anderen und hörten nur gespannt dem Gespräch zu, das für sie eigentlich immer sehr interessant war.

Joey wirkte überrascht. „Hä? Soll das heißen, du...?“

„Ich denke, du solltest erstmal Fuß in der Akademie fassen“, sagte Train lächelnd, „Glaub mir, das ist schwieriger als man denkt.“

„Das kannst du laut sagen“, bemerkte ich und schüttelte den Kopf. Es war echt seltsam, wie schnell meine Stimmung wechseln konnte. Darüber musste ich schon wieder lächeln.

 

Am nächsten Morgen trafen Train und ich uns auf dem Flur und machten uns auf den Weg zum Unterrichtsgebäude. Dass ich ein wenig erstaunt darüber war, dass Train heute nicht einfach spurlos verschwand und ich ihn wieder für eine ganze Weile nicht sah, ließ ich mir nicht anmerken.

Ich war mir ziemlich sicher, dass es irgendetwas mit diesen seltsamen Missionen zu tun hatte, die er immer nur im Alleingang erledigte. Zwar konnte ich mir nicht sicher sein, aber ich vermutete stark, dass es sich dabei um etwas handelte, dass sich von unseren normalen Missionen unterschied. Sonst hätte er es mir gesagt. Und irgendwann würde ich herausfinden, was genau er betrieb.

„Wo hast du eigentlich diesen leicht erregbaren Clown aufgetrieben?“, fragte ich, als wir gerade aus dem Haus traten.

„Man könnte eher sagen, er hat mich aufgetrieben“, bemerkte Train und gähnte, „Er hat mich vorgestern aus heiterem Himmel angerufen. Woher er von meiner Arbeit weiß, kann ich dir nicht sagen, aber auf jeden Fall hat er mir erzählt, dass er ebenfalls hier auf die Akademie kommen würde.. Ich glaube, so überrascht hat mich noch keiner außer dir.“

Ich runzelte die Stirn. „Wann hab ich dich denn so überrascht?“

Train schmunzelte. „Da musst du schon selber drauf kommen.“

„Aha.“ Ich versuchte darauf zu kommen, was er meinte, doch mir wollte nichts einfallen. „Weißt du, wie er überhaupt dazu gekommen ist ebenfalls ein Killer wie wir zu werden?“

„Nein.“ Train schüttelte den Kopf.

„Morgen ihr zwei!“ Anja stand etwas weiter hinten und winkte.

„Guten Morgen“, sagte ich, „Na du hast dich ja dick eingemurmelt.“

„Mir ist nun mal ziemlich schnell kalt“, erwiderte Anja und zog den Schal enger.

Ich musste lächeln.

„HEY!“

Wir drehten uns um und prompt erblickten wir Joey, der von Haus 4 aus angelaufen kam und direkt auf Train zuhielt. Er trug, wie ich es geahnt hatte, die dunkelblaue Uniform und darüber noch eine Jacke, wie wir alle im Übrigen, da es bei vielleicht zwei Grad über Null reichlich kühl war.

„Wow, wer ist denn die Süße?“ Joey sah mich erstaunt an und ich zog die Augenbrauen hoch. Hatte ich was verpasst?

„Sie ist...“, setzte Train an.

In dem Moment aber stürzte sich Joey schon mit ausgebreiteten Armen nach vorne und schien mir um den Hals fallen zu wollen. Noch besser war sogar, dass er dabei auch noch die Lippen spitzte. Ich kann nur sagen, dass das noch keiner bei mir versucht hatte und dass es mich ganz schön überraschte. Allerdings hatte ich auch nicht vor das zuzulassen. Dabei war es von Vorteil, dass ich ziemlich gelenkig war und mein Bein einfach soweit hochreißen konnte, dass Joey meinen Fuß direkt ins Gesicht bekam.

„Was sollte das denn werden?!“, fragte ich und mein linkes Auge zuckte, „Du hast sie doch nicht mehr alle!“

Anja blieb ebenfalls der Mund offen stehen. Sie schien bald noch überraschter zu sein als ich.

„A-A-A...“ Joey schien die schmerzhafte Bekanntschaft mit meinem Schuh noch nicht ganz verkraftet zu haben.

„Schwachkopf, das ist Kate“, sagte Train stirnrunzelnd.

„W-Was?“ Joey stolperte zwei Schritte zurück und sah mich ungläubig an. „Das Entlein mit der hässlichen Mütze von gestern?“

„Ja.. die mit der hässlichen Mütze“, wiederholte ich resigniert und stemmte eine Hand in die Hüfte, „Brauchst du eine Brille oder bist du einfach nur dämlich?“

„Letzteres“, antwortete Train für seinen Freund.

 Joey hatte sich inzwischen anscheinend wieder gefangen und traute sich wieder näher an mich heran. Er legte mir einfach einen Arm um die Schultern und grinste. „Na was soll´s? Wer hätte gedacht, dass sie so eine Schönheit ist...?“

Meine Faust hatte zielgenau seine Nase getroffen, während mein linkes Auge schon wieder zuckte. „Nimm deine Pfoten von mir.“

„Und so stark...“ Joey kippte hinten über und blieb auf dem Boden liegen.

Train beugte sich mit gerunzelter Stirn über ihn. „Das hätte ich dir gleich sagen können.“

„Wir sollten langsam mal weiter“, bemerkte Anja, die Joey mit hochgezogenen Augenbrauen ansah und anscheinend gerade rätselte, was sie nun von diesem Kerlchen halten sollte. Und ehrlich gesagt wusste ich es auch nicht ganz.

„Gehen wir“, sagte Train daraufhin und wandte sich von Joey ab, „Der kommt schon hinterher, wenn es ihm da unten zu blöd wird.“

„Du bist echt kaltherzig!“, rief Joey uns hinterher, als wir uns auf den Weg machten.

Ich sah nur über meine Schulter und zog die Stirn kraus. Aus diesem Jungen wurde ich nicht schlau. Seine Persönlichkeit wechselte ziemlich schnell und ich konnte nur schwer vorhersagen, was er als nächstes tat. Einerseits war das witzig, mal was anderes als das, was wir hier schon hatten, doch andererseits machte mich das auch ein wenig misstrauisch.

 

Weihnachten rückte unaufhaltsam näher und die Vorbereitungen für die große Feier waren in vollem Gang. Nach dem Unterricht am Morgen wurde die große Halle festlich geschmückt und irgendwie wurde sogar ein riesiger Tannenbaum mitten in dem Saal aufgestellt. Nun wusste ich auch, warum das Schulgebäude von außen so groß aussah, wir aber nur in einem eher kleinen Teil davon Unterricht hatten. Der Rest gehörte zu der großen Halle, die mich zunehmend an einen Ballsaal erinnerte. Auf diesem Weg erfuhr ich auch, wie an dieser Akademie Weihnachten gefeiert wurde: Am Heilig morgen fiel der Unterricht aus und alle konnten schön ausschlafen oder noch etwas Eigenes organisieren. Erst gegen frühen Abend würden sich die Schüler alle im Saal einfinden und ab dort gab es ein buntes Programm. Ein paar Vorführungen, Buffet und natürlich Musik, zu der man auch gut tanzen konnte. Außerdem würden alle Schüler Kostüme tragen, Mädchen und Jungen der verschiedenen Ränge bekamen leicht unterschiedliche Outfits und abgesehen davon war es an diesem Tag aber egal, welchen Rang man hatte. Alle konnten sich am gleichen, vielfältigen Buffet bedienen, obwohl es sonst eigentlich überall je nach Rang einige Unterschiede gab. An Heilig Abend waren alle gleich.

Allerdings waren solche großen Aufläufe absolut nichts für mich.

Inzwischen war es fünf Uhr Nachmittags und die meisten machten sich auf den Weg zum Schulgebäude. Begleitet wurden sie von weißen Flocken, die leise vom Himmel segelten und bereits ihren Tanz anstimmten. Ich saß jedoch gemütlich in meinem Zimmer und betrachtete das Kostüm, das auf einem Bügel hing. Für die Mädchen war es ein schönes, weißes Kleid, das bis kurz unter die Knie reichte und von vielen schwarzen Eiskristallen als Verzierungen gemustert wurde. Dazu kamen noch schicke Schuhe und ein weißer Haarreif. Ich mochte die Sachen jedoch nicht besonders. Für mich war Weihnachten im Allgemeinen nichts. Ich würde einfach abwarten, bis dieser Tag vorbei war. Wie jedes Jahr.

Als ich jedoch die weißen Flocken draußen so betrachtete, wie sie vom Himmel rieselten und alles wie von Puderzucker bedeckt aussehen ließen, entschied ich mich dafür zumindest mal einen Blick nach draußen zu werfen.

So erhob ich mich von meinem Stuhl und trat auf den Balkon. Es war knackig kalt und mein Atem stieg in kleinen Dampfwolken nach oben. Ich sah zu wie auch die Bewohner von Haus 4 sich auf den Weg machten und die Jungen, die die schwarzen Sachen mit den weißen Eiskristallen als Verzierungen trugen, fröhlich miteinander redeten. Die Akademie hatte die Kleider wirklich aufeinander abgestimmt. Ich fragte mich mal wieder, wieso hier so ein Aufwand betrieben wurde. Was hatte die Akademie davon diese ganzen Kinder hier zu Auftragsmördern zu erziehen? Worin lag der Zweck?

„Gehst du nicht zur Feier?“

Ich drehte mich um und blickte hoch aufs Dach. Train saß am Rand und sah mich leicht verwundert an. Er trug seine normale Schuluniform.

„Die Frage gebe ich zurück“, sagte ich und zog eine Augenbraue hoch, „Übrigens bist du etwas eingeschneit, liegst du schon lange da oben?“

„Eine Weile auf jeden Fall.“

„Dass du dabei nicht einfrierst...“

„Unter dem Schnee ist es recht warm“, stellte Train fest und wollte wieder ein Stück höher rücken, doch dabei rutschte er plötzlich ab und purzelte vom Dach. Er landete genau vor meinen Füßen.

„Das hast du davon“, bemerkte ich nur, musste zugleich aber irgendwie lächeln.

„Mist, das Eis hatte ich nicht bedacht...“, murmelte Train und schüttelte den Kopf, dass der Schnee aus seinen Haaren rieselte.

„Du ähnelst gerade einem Schneemann.“

„Soll ja schon mal vorkommen.“

Eine Weile lang herrschte Schweigen, in der wir beide uns auf das Balkongeländer setzten und den anderen dabei zusahen, wie sie ihres Weges zogen.

„Warum gehst du nicht auch hin?“, fragte Train schließlich aber, „Solche Feiern sind doch was für euch Mädchen.“

„Nicht für mich, ich hasse solche Massenaufläufe“, erwiderte ich, „Und warum gehst du nicht hin?“

Train blickte hoch in den Himmel und fing eine der Schneeflocken auf. Sie schmolz augenblicklich, als sie ihn berührte. „Für mich gibt es nichts zu feiern.“

Ich sah ihn nachdenklich an. Train umgab ein großes Geheimnis, das spürte ich ganz deutlich. Und dass dieses Geheimnis wahrscheinlich in eine tiefe Dunkelheit führte, war mir auch klar. Ich sah es ihm an. Wann immer er davon redete, bekam seine Stimme einen seltsamen, melancholischen Unterton. Er war nur schwach, doch ich hörte ihn trotzdem deutlich heraus. Es gab etwas, dass er keinem von uns verraten wollte.

„Sag mal...“ Train blickte zur Seite und sein Pony verdeckte seine Augen. „Würdest du mir eigentlich auch vertrauen, wenn ich dir sagen würde, dass ich eine komplette Stadt.. ein ganzes Land in wenigen Minuten auslöschen könnte? Ganz ohne Bomben oder andere Waffen.“

Ich sah ihn leicht überrascht an. Und während mein Verstand diese Andeutung auswertete, antwortete mein Herz mit einem leichten Lächeln: „Auch wenn ich es nur ungern zugebe, vertraue ich dir wie keinem anderen. Das solltest du wissen. Selbst wenn du das können würdest, würde ich dir vertrauen.“

„Wieso?“ Train sah mich noch immer nicht an.

„Weil wir Partner.. weil wir Freunde sind.“ Es klang ein bisschen wie eine Frage, denn ich war mir nicht ganz sicher, wie er das eigentlich sah. Ich allerdings wollte glauben, dass wir mehr als nur Bekannte waren. Denn er war für mich mittlerweile mehr als ein einfacher Teampartner, mit dem ich nur gelegentlich zusammen arbeitete. Er war einer der wenigen, die ich wirklich als meine Freunde bezeichnen wollte.

Train wirkte verblüfft und sah mich einige Sekunden lang ungläubig an. Dann breitete sich jedoch ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen aus. „Wieso frage ich eigentlich?“

„Weil du dumm bist?“, riet ich.

Train begann zu kichern und ich musste ebenfalls grinsen.

„Wollen wir uns das Treiben mal ansehen?“, fragte er schmunzelnd, „So weit ich weiß kann hier keiner wirklich tanzen, das sieht bestimmt komisch aus, wenn sie da rum hampeln.“

Die Vorstellung war amüsant und verlockend zugleich. „Ein kleiner Blick kann nicht schaden“, sagte ich, „Schnellen oder langsamen Weg?“

Train grinste spitz und wir ließen uns beide vom Balkon fallen. Drei Stockwerke tiefer landeten wir sicher wie die Katzen auf unseren Füßen und machten uns auf den Weg zum Schulgebäude. Draußen war mittlerweile keiner mehr, alle waren bei der Feier und vergnügten sich. Selbst die Lehrer waren voll versammelt.

Alles war herrlich geschmückt. Weihnachtsgirlanden hingen an den Wänden, Strohsterne und Tannenbaumkugeln und allerlei anderes hing von der Decke herab, überall waren bunte Lichterketten und der ganze Saal war von den vielen Kronleuchtern in ein warmes Licht getaucht. Die ganzen Tische mit dem Buffet standen an der einen Wand und aus unsichtbaren Lautsprechern klang schöne Weihnachtsmusik.

„Hier ist ordentlich was los“, stellte ich fest, als Train und ich in der großen Doppeltür zum Saal standen und das Treiben beobachteten.

„So würde ich das auch sehen.. sieh mal, da sind deine drei Freundinnen“, sagte Train und deutete etwas weiter nach rechts auf drei Tanzpaare.

Ich rieb mir die Augen, bevor ich glaubte, was ich  da sah. Und das sah echt komisch aus, ich schmunzelte. Anja versuchte gerade etwas ungelenk mit Cedric, einem meiner Trainingspartner, zu tanzen; Lisa hatte sich anscheinend für Leon entschieden, wobei die beiden sich mehr gegenseitig auf die Füße traten als alles andere; und Mareike war anscheinend von Kelvin aufgefordert worden, der sich gar nicht mal so dumm anstellte und sie vergleichsweise gut führte. Elric stand am Rand und beobachtete die fröhliche Gemeinschaft zusammen mit Joey, der sich zu ihm gesellt hatte.

„Komisch.. Irgendwie scheinen Idioten sich immer zu Idioten hingezogenen zu fühlen“, bemerkte ich stirnrunzelnd.

„Da ist durchaus was dran“, stellte Train fest und verschränkte die Arme vor der Brust.

Alle hier trugen diese von der Akademie gestellten Klamotten, Train und ich mussten hier ziemlich auffallen, da wir beide nur unsere normale Schuluniform trugen. Aber was war schon dabei, wir wollten ja auch nicht lange bleiben.

In dem Moment fiel Joeys Blick jedoch auf uns und er winkte sofort: „Hey! Train!“

„Mist.“

„Jetzt wurden wir doch glatt entdeckt“, seufzte Train und sah mich nur mit einer hochgezogenen Augenbraue an, „Sollen wir uns unter die Leute mischen?“

Mir war schon aufgefallen, dass auch Anja und die anderen uns nun entdeckt hatten, also fiel das heimliche Verschwinden sowieso weg. „Von mir aus, zurück können wir eh nicht mehr, jetzt wo sie uns entdeckt haben.“

Train lächelte schief und wir bahnten uns einen Weg an den anderen Tänzern, die alle samt auch recht ungeschickt waren, vorbei zu Joey und Elric.

„Ihr seid ja auch hier“, sagte Letzterer erstaunt.

„Aber warum tragt ihr eure Uniformen?“, fragte Joey enttäuscht. Er selbst trug auch den schwarzen Anzug, den die Akademie gestellt hatte.

„Weil ich mir den Schwachsinn mit diesem Kleid nicht antue“, sagte ich mürrisch. Ich trug keine Kleider, schon seit Jahren nicht mehr und ich verstand nicht, was die Leute alle an ihnen fanden. Sie waren unpraktisch, umständlich und hielten nur auf. Ich konnte diese Fummel nicht leiden.

„Weil ich keine Lust habe wie ein gemusterter Pinguin auszusehen“, antwortete Train.

„Hier seid ihr!“ Anja stolperte auf mich zu und wäre um ein Haar wirklich auf dem Parkettboden gelandet, aber ich konnte sie gerade noch auffangen.

„Deswegen trag ich keine Schuhe mit Absätzen“, kommentierte ich Anjas beinahe-Sturz und half ihr dabei sich wieder gerade hinzustellen, wobei sie aus irgendeinem Grund etwas rot im Gesicht war.

„Ihr seid ganz schön spät“, stellte Lisa fest, „Und dann auch noch in dem Aufzug, ihr habt echt Nerven.“

Ich warf ihr einen genervten Blick zu. „Deine Kommentare sind wie immer sehr schmeichelnd, vielen Dank.“

„Bitte gern geschehen“, erwiderte Lisa mit einem süffisanten Grinsen. Ihr schien es Spaß zu machen mich aufzuregen, das war mir schon früher aufgefallen.

„Hey ihr zwei, fangt nicht an euch zu prügeln“, bemerkte Cedric, „Bei euch Mädchen sieht das immer so unschön aus.“

„Keine Angst, das ist üblich“, bemerkte Mareike.

„Dass es bei euch Mädchen immer so brutal aussieht?“ Leon hatte eine Augenbraue hochgezogen.

„Dass Lisa und ich uns gerne mal ein bisschen nerven“, sagte ich nur.

„Hey Train, wollen wir tanzen?“, fragte Joey auf einmal.

Trains Gesichtsausdruck geriet ein wenig aus den Fugen. „Nein danke, ich tanze nicht mit Jungen.“

„Ich kann mir auch ein Kleid anziehen“, warf Joey ein.

„Du hast echt ´nen Knall“, bemerkte ich kopfschüttelnd.

„Tanz doch mit Kate, Train“, schlug Mr Walker vor, der plötzlich hinter unserer Gruppe aufgetaucht war. Er trug ein so schräges Outfit, dass ich es noch nicht mal beschreiben konnte. Einzig die Farben konnte ich als weiß und dunkles Lila erkennen, aber was jetzt was war, konnte ich nicht erkennen, tut mir leid Leute.

„Was wollen Sie denn hier?“, fragte Train sofort resigniert.

„Aber Train, das hier ist eine Feier für alle“, sagte Walker und hob schmunzelnd den Zeigefinger, „Auch wir Lehrer dürfen uns dabei mal ein bisschen vergnügen.“

„Sind sie überhaupt ein Lehrer?“ Ich hatte die Frage so leise gemurmelt, dass er sie eigentlich nicht verstanden haben sollte.

„Amüsiert euch, amüsiert euch“, sagte Mr Walker und sah uns wie immer mit einem strahlenden Lächeln an, „Das Tanzen wird euch einander näher bringen und...“

„Hier stecken Sie also.“ Mr Folker schob sich an zwei älteren Schülern vorbei und erwischte Walker am Kragen, „Nochmal schleichen Sie sich nicht so einfach weg und belästigen die Schüler.“ Damit zog er den wenig begeisterten Walker hinter sich her und verschwand wieder zwischen den anderen.

„Was war das?“, fragte Anja und zog die Augenbrauen hoch.

„Ein nerviger Lehrer“, antworteten Train und ich gleichzeitig und sahen uns dann leicht überrascht an.

„Aber das will ich sehen“, sagte Lisa, „Wie ihr beide zusammen tanzt, das wird der Witz des Jahrhunderts werden. Das will ich sehen!“

Ich warf ihr wieder einen gereizten Blick zu, doch sie ignorierte ihn gekonnt.

„Das würde mich ja auch mal interessieren“, bekräftigte Mareike.

„Das wäre bestimmt lustig“, stellten auch Leon, Cedric und Elric fest, die wohl alle gerne mal sehen wollten, wie Train und ich uns blamierten.

Anja sprach es zwar nicht aus, doch ich sah ihr an, dass sie das auch zu gerne sehen würde.

„Ihr seid doch alle...“ Ich konnte es kaum glauben. Was hatte dieser blöde Walker da angerichtet? Verflucht, ich hatte keine Lust auf diesen Unsinn!

Train wirkte ebenfalls alles andere als erfreut.

„Ich kann verstehen, wenn du nicht mit ihr tanzen willst“, sagte Joey und klopfte seinem Freund auf die Schulter, „Sie hat bestimmt noch nie etwas vom Walzer gehört oder gar gesehen. Deswegen werde ich mit dir...“

Train entging geschickt der Umklammerung von Joey und war dann schon neben mir. Seine Hand fand meine so schnell und unbeschwert, dass mir ein leiser Verdacht kam und ich mich von ihm mitziehen ließ. „Nein danke, da ziehe ich eine Blamage meiner kompletten Ruinierung vor.“

Ich war ein wenig überrascht, doch letztlich zuckte ich nur mit den Schultern und ließ mich von Train auf die Tanzfläche führen. „Kannst du tanzen?“

„Mal sehen“, sagte Train nur, „Du?“

„Mehr oder weniger.“

Wir sahen uns gegenseitig mit einer hochgezogenen Augenbraue an, dann wurde eine Musik zum Wiener Walzer angespielt und wir gingen in die Tanzhaltung: Er hielt meine rechte Hand mit seiner Linken fest und seine andere Hand ruhte auf meinem Schulterblatt, während ich meine zweite Hand auf seinen Oberarm legte. Zum Glück nur war er nicht viel größer als ich, sonst hätte das ein bisschen dämlich ausgesehen. Ich erkannte allerdings auch sofort, dass er sehr wohl Ahnung hatte. Allein schon die Art wie er vor dem Start der Musik wartete verriet, dass er heute nicht zum ersten Mal tanzte. Er wusste ganz genau, was er zu tun hatte. So ein Glück, da konnten wir er Truppe, die uns vom Rand aus gespannt beobachtete, einen schönen Strich durch die Rechnung machen.

Dann setzte die Musik auch schon ein und gleich mit dem ersten Takt begannen auch wir zu tanzen. Während die anderen in eierförmigen Kreisen umeinander her tänzelten und scheinbar noch nie etwas von „im Takt bleiben“ gehört hatten, tanzten Train und ich elegant an ihnen vorbei.

Dabei konnte ich mal wieder darüber staunen, was Train alles konnte. Er war nicht nur der beste Auftragsmörder, den ich je gesehen hatte, sondern er war auch noch ein hervorragender Tänzer. Ich brauchte nicht mehr zu tun als die Schritte zu setzen, das Lenken übernahm er ganz selbstverständlich und nicht ein einziges Mal liefen wir der Gefahr unter mit einem anderen Paar zusammenzustoßen, obwohl wir uns ziemlich flott um uns selbst drehten und keine Pause einlegten. Einigen anderen wäre bei dem Tempo wohl übel geworden und als ich kurz zu Anja und den anderen blickte, schien denen schon vom Zusehen schwindlig zu werden. Ich musste grinsen und auch Train schien sich über ihre Gesichtsausdrücke zu amüsieren.

„Das haben sie wohl nicht erwartet“, sagte er und hatte wieder dieses selbstgefällige Grinsen im Gesicht, das nur er so beherrschte.

„Angeber“, sagte ich lediglich, obwohl ich ebenfalls grinsen musste und mich nicht minder darüber freute, dass wir besser waren als die anderen es zu träumen gewagt hatten.

„Ich muss dir wohl nicht sagen, dass du auch gerade ziemlich vergnügt aussiehst.“

„Ich habe auch nichts anderes behauptet.“

„Aber du bist besser, als ich gedacht habe“, stellte er fest, „Wo hast du das gelernt?“

„Tja, als ich ausgebildet wurde, gehörte unter anderem auch Tanzen zum Training dazu, also kam ich nicht umhin es zu lernen“, sagte ich. An die Zeit erinnerte ich mich noch gut, das war an einigen Stellen reichlich komisch gewesen. „Und du?“

„So ähnlich“, sagte Train und musterte mich, während wir an den anderen regelrecht vorbei flogen und sie uns nur mit großen Augen hinterher sahen, „Ich hätte dich ja zu gerne in diesem Fummel gesehen.“

„Träum weiter“, sagte ich nur und musste zugleich aber irgendwie lachen, genau wie auch Train.

Zum Glück waren wir in dem Moment am Ende der Musik angelangt und wir retteten uns an den Rand, wo wir erstmal eine Weile lang kicherten, bis die anderen uns gefunden hatten.

„Ihr könnt ja tanzen!“ In dieser Feststellung von Lisa lag so viel Enttäuschung, dass Train und ich beide noch lauter lachen mussten. Train fasste sich mit einer Hand an die Stirn und ich presste mir eine Hand vor den Mund, doch es half alles nichts, wir mussten immer noch lachen. Schon als wir uns nur ansahen, mussten wir wieder anfangen zu lachen und die anderen sahen uns nur stirnrunzelnd an. Besonders Joey wirkte verwirrt und sah Train ungläubig an, der sich vor Lachen bald krümmte.

„Oh man.. jetzt reicht es aber“, keuchte ich schließlich und schüttelte den Kopf. So laut und lange hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr gelacht, es war richtig erfrischend.

„Find ich auch“, sagte Train und grinste mich an.

Ich grinste zurück. Im Moment hatte ich irgendwie eine so gute Laune, dass es mir schwer fiel nicht zu grinsen. Es war echt komisch für mich, normalerweise hatte ich eher Probleme damit überhaupt ein Lächeln auf die Lippen zu bekommen, doch jetzt war es genau anders herum. Ironisch nicht?

„Und jetzt tanzt Train mit mir!“, mischte sich Joey wieder mit rein und wollte Train mal wieder einen Arm um die Schultern legen, doch wie schon gehabt fiel es diesem nicht schwer dem zu entgehen.

„Nein danke, einmal Wiener Walzer reicht mir für heute“, sagte Train nur.

„Gemein!“, rief Joey.

„Aber woher könnt ihr beide so gut tanzen?“, fragte Anja, die es elegant schaffte Joeys Gequake zu übergehen.

„So gut wieder jeder gute Auftragsmörder, der sich auch mal persönlich um seine Zielpersonen kümmert, hat irgendwann in seinem Leben mal Tanzen oder etwas dergleichen gelernt“, antwortete ich mit einem schiefen lächeln, „Auch wenn es da natürlich solche und solche gibt.“

„Davon hab ich ja noch nie etwas gehört“, bemerkte Lisa, die anscheinend immer noch beleidigt war, weil Train und ich uns nun wirklich nicht so blamiert hatten, wie sie es sich wohl gewünscht hatte.

„Glaubst du, das geben die Knacker zu, wenn du sie darauf ansprichst?“, fragte ich und sah sie belustigt an, „Und wolltest du jetzt den ganzen Abend lang diese Flunsch ziehen?“

Lisa knurrte, während Mareike leise kicherte, wohl nicht zu Letzt auch wegen Lisa.

„Aber wo habt ihr so tanzen gelernt?“, fragte nun Elric.

„Das sah ja richtig professionell aus“, fügte sein Bruder Cedric noch hinzu.

„Geheimnis.“ Train und ich sahen uns an, da wir gerade wiedermal gleichzeitig geantwortet hatten. Dann fingen wir schon wieder an zu kichern und die anderen sahen uns mit hochgezogenen Augenbrauen dabei zu.

Später war die große Party dann auch soweit vorbei und da die Aufräumaktion erst morgen losgehen würde, machten sich alle auf den Weg zu ihren Häusern. Draußen herrschte ein ganz schönes Schneetreiben und der Wind blies uns um die Ohren. Ich kam mir vor wie in einer Schneeverwehung. Zudem war es natürlich eisig kalt und wir beeilten uns wieder ins Warme zu kommen, denn es sah nach einem schönen Schneesturm aus. Hallo? Fällt da niemandem etwas auf? Italien! Schneesturm! Das passte doch nun wirklich nicht zusammen, oder war ich die Einzige, die so dachte?

„Heiliger, das ist ja mal was“, murmelte ich und klopfte mir den Schnee von der Jacke. Wir waren keine vollen fünf Minuten da draußen gewesen, auch wenn wir bei dem schnellen Tempo mehrmals fast ausgerutscht wären, und trotzdem waren wir ganz schön eingeschneit. Frau Holle meinte es etwas sehr gut mit dem weißen Puder.

„Ganz schön stürmisch.“ Train schüttelte sich den Schnee aus dem Haar und sah dann zu Joey, dem es als Einzigen von uns gelungen war sich auf dem Weg hier her auf die Schnauze zu packen. Armer Kerl, von vorne sah er wirklich aus wie ein Schneemann.

Mareike, Lisa und Kelvin, der uns während der Feier die ganze Zeit nur still zugehört hatte, waren schon in Haus 2 verschwunden gewesen, bevor wir Haus 3 erreichten, wo Anja und die Brüder Cedric und Elric sich rasch verabschiedet hatten und ins Warme geflüchtet waren. So waren noch Joey, Leon, Train und ich übrig gewesen, die wir nun endlich auch im Trockenen waren.

„Das ist man ein Wetter“, sagte Leon nur und fuhr sich mit einer Hand durch sein vom Schnee feuchtes Haar, „Die letzten Winter hatten wir keinen Schnee und dieses Jahr gleich so viel auf einmal. Hat einer von euch mit Väterchen Frost gemeckert oder wie kommt es, dass wir solche Übermassen von Schnee haben?“

„Eine Laune der Natur, würde ich raten“, sagte ich nur.

Damit trennten wir uns und gingen zu unseren Zimmern. Mittlerweile war es schon halb elf und ich fand, dass es allmählich Schlafenszeit war. Nach diesem Tag, an dem ich so ziemlich jede Stimmung einmal gehabt hatte, war ich doch etwas müde. Ich trocknete nur kurz meine Haare ab und wollte dann gerade nach meinem babyblauen Pyjama greifen, als es plötzlich Plopp machte und das Licht aus war. Es war stockfinster. Nur der Wind rüttelte von draußen an den Fenstern, ansonsten herrschte Stille.

Auftrag 9: Ein Killer beim Drahtseilakt

„Äääähm.. wenn mich nicht alles täuscht, haben wir hier einen Stromausfall.“ Ich wusste nicht wieso, vielleicht weil diese Akademie sonst in allem so piekfein war, aber dieser Gedanke amüsierte mich. Weniger belustigend war allerdings der darauf folgende Gedanke, der nämlich einwarf, dass die Heizung bei einem Stromausfall auch nicht funktionierte. Schöne Scheiße. Ohne Heizung würde es hier wahrscheinlich bald genauso kalt sein wie draußen.

„Tse, ein Stromausfall, ich glaub´s echt nicht“, stöhnte ich und ging in die Richtung meines Schreibtisches. Ich fand ihn ohne Probleme und zählte dann oben am Regal die Bücher ab, bis ich das Richtige gefunden hatte und es herauszog. Nun konnte ich die Schubladen meines Schreibtisches öffnen und hatte auch schon bald gefunden, wonach ich gesucht hatte. Eine lange Kerze, einen Kerzenhalter mit geschwungenem Griff und dazu noch ein Streichholz. Gleich im ersten Anlauf bekam ich das Streichholz angezündet und hielt es an den Docht der roten Kerze. Schließlich hatte ich die Kerze angezündet und pustete das Streichholz aus. Nun sah ich mich um. Es sah tatsächlich aus wie ein kompletter Stromausfall. Kaum zu glauben.

„Und wie immer zur passenden Zeit.“ Ich schüttelte den Kopf, nahm die Kerze, die ich inzwischen schon auf den Halter gesetzt hatte, und verließ mein Zimmer. Im Flur war es ebenfalls stockdunkel und ohne die Kerze hätte ich nicht mal meine Hand vor Augen erkannt. Dann bemerkte ich in der Dunkelheit auf einmal eine Bewegung und ging automatisch in Verteidigungsposition.

„Immer langsam, ich bin´s“, sagte Train und trat in den Schein der Kerze. Er hatte ein schiefes Grinsen im Gesicht.

„Schleich dich nicht so an“, sagte ich nur und stellte mich wieder normal hin.

„Ich hab mich nicht angeschlichen“, beteuerte Train und hob beide Hände, „Ich stand schon da, als du aus dem Zimmer gekommen bist.“

„Wieso du dir nicht vorher ein Licht organisiert hast, frag ich gar nicht erst“, sagte ich und sah mich um, „Aber ich frage mich, wie es kommt, dass wir einen kompletten Stromausfall haben. Und das mitten an Heilig Abend.“

„Ja, das kommt hier nicht gerade häufig vor“, räumte Train ein. Er schien jedoch ganz schön gelassen zu sein, besonders beunruhigt wirkte er nicht.

Ich wollte gerade etwas sagen, als mir ein Stück den Flur runter auf einmal plötzlich drei frei schwebende Lichter auffielen, die in der Luft hingen. Also ich glaubte nun nicht an Gespenster, aber das kam mir spanisch vor. Allerdings merkte ich schon bald, dass mein Verstand doch nicht den Verstand verloren hatte. Oh, cooler Satz, wie mir auffiel. Ein Verstand, der den Verstand verliert. Gab es so was überhaupt?

„Uhhh.. ahhh.. booooo!“

Ich sah Leon resigniert an. „Na du möchte-gern-Gespenst, anscheinend ist dir auch das Licht ausgegangen.“

„Und du hast da was auf dem Kopf“, bemerkte Train und deutete auf den dreiarmigen Kerzenständer auf Leons Kopf. Wie er den ausbalancierte, war mir schleierhaft.

„Man ey, ob ich Kate wohl noch mal wie ein Mädchen schreien höre?“, fragte er leicht enttäuscht.

„Nicht in diesem Leben.“ Ich warf ihm einen resignierten Blick zu.

Train hatte nur eine Augenbraue hochgezogen.

In dem Moment machte es auf einmal Plopp und in der nächsten Sekunde ging das Licht im Flur wieder an. Einen Moment lang sahen wir uns leicht erstaunt um, dann pustete ich meine Kerze aus.

„Na also, anscheinend hat mein Schimpfen ja doch was gebracht.“

„Dann können wir ja schlafen gehen“, stellte Train fest und gähnte herzhaft, „Auch wenn ich heute scheinbar drinnen schlafen muss.“

„Stimmt, der Sturm da draußen würde dich glatt vom Dach pusten“, sagte ich nüchtern. Wieso hatte ich geahnt, dass Train durchaus auf dem Dach schlief?

Leon wirkte ein wenig verdattert, doch er sparte sich den Kommentar und watschelte von dannen. Dass der Kerzenständer dabei nicht von seinem Kopf rutschte, erstaunte mich ziemlich.

 

Nach unseren zwei Wochen Ferien, die wir bis Neujahr bekamen, konnte ich schon mal mit meinem Training wieder anfangen. Schließlich hatte ich jetzt seit eineinhalb Monaten nicht mehr gekämpft, da hatte ich einiges Nachzuholen. Entgegen meiner anfänglichen Besorgnis jedoch stellte sich mein Körper schnell wieder auf seine übliche Arbeit ein. Da ich dieses Training schon seit Jahren betrieb, schien mein Körper sich daran gewöhnt und auch nach einer längeren Pause kein Problem damit zu haben. Darüber war ich natürlich froh, denn das bedeutete, dass ich bald wieder auf Missionen konnte. Wie schön, keine Langeweile mehr.

„Schade, dass die Ferien schon wieder vorüber sind“, seufzte Anja, als wir auf dem Weg zum Schulgebäude waren. Es lag immer noch Schnee und ich schätzte, dass wir so um die minus fünf Grad hatten. Wenn man das nicht gewöhnt war, konnte man dabei schon ziemlich frieren. Brrr, ganz schön frisch.

„Wie man´s nimmt“, sagte ich nur und streckte mich.

„Musste das vorhin sein?“ Joey rieb sich immer noch die Stelle am Kopf, die ich mit einem kräftigen Schlag getroffen hatte, als er erst versucht hatte Train zu umarmen und danach das Gleiche bei mir versucht hatte. Das war die Konsequenz für etwas so Bescheuertes.

„Du hast doch selber Schuld“, sagte ich lediglich.

„Da muss ich ihr recht geben“, bemerkte Train. Er hätte seinem Freund wohl am liebsten auch eine übergebraten, doch ich war schneller gewesen.

Joey verzog kurz das Gesicht, dann fragte er: „Warst du in letzter Zeit eigentlich auf Missionen?“

Einen kurzen Moment lang wirkte Train etwas überrascht. „Nein, ich gönn mir auch mal Ferien“, sagte er dann und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, „Wenn Kate wieder fit ist, geht es auf die nächste Mission.“

Joey nickte nur.

Damit waren wir auch beim Schulgebäude angekommen und mischten uns unter die anderen. Von dem vielen Weihnachtsschmuck war nichts mehr zu sehen, es war bereits alles wieder beim Alten. Darüber war ich allerdings ganz froh, während Anja schon fast traurig zu sein schien. Sie liebte Weihnachten mit seinem vielen Schnee, dem Fest und den Geschenken. Tatsächlich hatte sie selbst mir etwas angedreht, eine schöne Kette mit einem kleinen Drachen als Anhänger. Ob das eine Anspielung auf meine Persönlichkeit war?

Als ich sie danach fragte, hatte sie nur geantwortet, dass sie das Symbol des Drachen am passendsten für mich fand. Na ja, da gab es sicherlich noch bessere Motive, aber ein Drache war zumindest besser als eine Eule oder ein Delfin, die die Anhänger der Ketten von Lisa und Mareike waren. Ich hatte zwar nichts gegen Eulen oder Delfine, aber da fand ich meinen Drachen schon besser.

Als wir in die Klasse kamen, waren die meisten unserer Klassenkameraden schon da und plauderten munter. Da Joey auch in unsere Klasse gekommen war, brauchte er sich auch nicht von seinem besten Freund zu trennen und saß gleich neben Train. Ich konnte mich während des Unterrichts immer nur darüber amüsieren, wie Train Joey gelegentlich einfach mitsamt seinem Stuhl umstieß, weil dieser ihn mit irgendwelchem Schwachsinn so zuquatschte, dass Train wohl die Nase voll hatte.

Einige Male hatte ich mir darüber nur schwer ein Lachen verkneifen können. Besonders Trains ziemlich entnervtes Gesicht, wenn er dann kurz zu mir blickte, hatte mir schon des Öfteren fast eine Verwarnung eingebracht, weil ich bei seinem resignierten und zugleich ganz schön genervten Blick eigentlich immer anfangen musste zu lachen. Und heute war Joey schon wieder dabei Train fleißig vollzuquatschen, mal sehen ob es heute wieder so endete wie mindestens dreimal die Woche.

„Ich frage mich, wo Mr Smith bleibt“, bemerkte Anja und sah zur Tür, „Ich meine, er kommt zwar manchmal fünf Minuten später, aber jetzt sind es schon fast zehn.“

„Tja, gute Frage, ich weiß es nicht“, antwortete ich nur. Wie immer saß ich vor dem Beginn des Unterrichts noch vor Anja auf dem Tisch und unterhielt mich mit ihr.

„Hat Train vielleicht eine Ahnung?“ Anja blickte nach oben zur hintersten Reihe rechts.

 Ich wandte meinen Blick ebenfalls, schüttelte dann aber den Kopf. „Glaub ich nicht, außerdem bietet Joey ihm wahrscheinlich so viel Stoff, dass er sich gerade unseren Lehrer her wünscht.“

Anja lächelte ebenfalls schief und sagte: „Irgendwie tut er mir leid. Joey ist echt ganz schön abgedreht und lässt ihn ja gar nicht mehr in Ruhe.“

„Hm.. Wenn Train ihn nicht mögen würde, hätte er ihn schon längst fortgejagt“, sagte ich und überschlug meine Beine, „Zwar ist Joey eine Nervensäge, aber ich glaube, für Train ist er trotzdem ein guter.. und reichlich aufgeweckter Freund.“

„Wahrscheinlich hast du Recht.“

In dem Moment wurde die Tür vorne geöffnet. Die Person, die den Raum betrat, trug ein schneeweißes, mittelalterliches Rüschenhemd, eine enge braune Hose und eine ebenfalls braune Weste. Seine Haare waren hellblond und leicht gelockt, die Augen hatten eine ungewöhnliche, purpurne Farbe und die eleganten, weißen Handschuhe machten das Bild eines aus dem Mittelalter entsprungenen, jungen Schönlings komplett.

„Hallihallo!“, sagte Mr Walker fröhlich und legte das Klassenbuch auf das Pult vorne vor der Tafel, „Da sich euer guter Klassenlehrer Mr Smith eine überaus hartnäckige Grippe eingefangen hat, werde ich bis auf weiteres seine Aufgaben übernehmen. Und für die, die mich noch nicht kennen, mein Name ist Walker. Ich bin sicher, wir werden eine schöne Zeit miteinander haben.“ Sein Lächeln war strahlend vor Fröhlichkeit.

Mir und auch Train in der obersten Reihe war vor lauter Sprachlosigkeit glatt der Mund offen stehen geblieben. Das konnte doch nicht wahr sein, oder? Das war doch hoffentlich nicht sein Ernst?

Allerdings waren Train und ich nicht die Einzigen, die den jungen Lehrer da vorne ungläubig anstarrten. Mehr als die Hälfte der Klasse sah nicht weniger überrascht aus. Scheinbar erinnerten sich einige noch an die gelegentlich etwas schrägen Besuche von Mr Walker, wenn er mal wieder irgendetwas suchte und dann immer Mr Folker auf die Nerven ging, bis diesem der Kragen platzte und er ihn eigenhändig aus der Klasse schmiss, was wortwörtlich zu nehmen war.

Und jetzt sollte Walker vorübergehend unser Klassenlehrer werden? Dieser schräge Vogel? Mein Gesicht war kurz davor endgültig aus den Fugen zu geraten, doch ich konnte es noch mit Mühe zusammenhalten. Nur mein linker Mundwinkel verzog sich in einem etwas uneleganten Winkel.

„Hm, ihr seht ja alle sehr begeistert aus“, stellte Mr Walker fest, doch es klang zu unser aller Erstaunen keineswegs ironisch und er grinste noch immer. Dieser Mann war uns allen unbegreiflich. „Ich sehe auch schon ein paar bekannte Gesichter.. ah Kate, wie schön dein ausnahmsweise mal außer Form geratenes Gesicht zu sehen.. und Train, habe ich etwas im Gesicht? Oder warum siehst du mich so an als wäre ich ein Außerirdischer?“ Er lächelte immer noch, ich konnte es nicht fassen.

Genauso wenig konnte der Rest dieser Klasse diesen Lehrer begreifen. Wir waren alle noch viel zu perplex, um etwas Vernünftiges zu erwidern. Der völlig irritierte und zum Teil sogar fassungslose Ausdruck auf den Gesichtern mancher wich erst, als Walker, zu unser aller Erstaunen, wie ein ganz normaler Lehrer mit dem Unterricht anfing. Das war aber auch das Einzige an ihm, das normal war.

Nach der ersten Pause hatte sich die Klasse dann endlich vollständig von dem Schock, als den man die Erkenntnis von diesem Morgen durchaus bezeichnen konnte, erholt. Die üblichen Rabauken, von denen wir reichlich zur Verfügung hatten, schmiedeten auch sogleich Pläne, wie sie unserem neuen Klassenlehrer das Leben schwer machen und ihn vor allem ärgern konnten. Ich war schon gespannt, wie Mister Walker damit klar kommen würde, immerhin kannte ich ihn bisher nur als ziemliches Weichei, das sofort anfing zu jammern, sobald irgendwer etwas nach ihm warf. Daher rechnete ich mit einer belustigenden dritten Stunde.

„So was, das war mal wirklich eine Überraschung“, stellte Joey fest, als wir draußen waren und von weitem eine Schneeballschlacht der Jüngeren beobachteten, „Ich kenne ihn zwar noch nicht lange, aber der Typ hat ein Rad ab. Wie hat er es nur geschafft Lehrer zu werden?“

Wenn ich mich nicht täuschte, dachte Joey gerade an sein erstes Gespräch mit Walker in der Klasse heute, als unser netter Lehrer ihn nach vorne gerufen hatte, um eine einfache Gleichung zu lösen. Wie ich aber schon gemerkt hatte, war Joey eine Niete in Mathe und dementsprechend begeistert gewesen, als Walker ihn aufgerufen hatte. Er hatte sich bestimmt zehn alle samt völlig absurde Ausreden ausgedacht, die er am Stück runtergerattert und damit bestimmt zwei Minuten totgeschlagen hatte. Danach hatten erstmal alle geschwiegen, doch Walkers Erwiderung war einfach der Hammer gewesen:

Lächelnd hatte er mit der Kreide an die Tafel gezeigt und gesagt: „In Ordnung, wenn dein rechter Fuß verstaucht ist; du dir drei Zehen gebrochen hast; dein linker Fuß in Zement eingeschweißt ist; du einen tintenfischgroßen, blauen Fleck am Knie hast; deine beiden Schultern ausgerenkt sind; in deinem Magen fünf Kugeln stecken, davon zwei aus einem Scharfschützengewehr und die übrigen drei aus einer Pistole; dir heute Morgen eine schwarze Katze an den Kopf geflogen ist; du von einer Lawine fast verschüttet worden wärst; fast den Hungertod erlitten hättest; ein Brett voller Nägel in deinem Rücken steckt und du dich wegen der Verletzungen und der ganzen Schocks an einem Morgen gar nicht rühren magst, kannst du die Gleichung auch gerne mündlich von deinem Platz aus lösen.“

Ich war beinahe fassungslos gewesen, wie problemlos Mr Walker Joeys unverständliches Gebrabbel von vollkommen unrealistischen und im Prinzip ganz unmöglichen Ausreden vollständig zusammengefasst wiedergegeben hatte. Doch dass Joey zwar bewirkt hatte, dass er am Platz bleiben konnte und nicht an die Tafel musste, er aber trotzdem die Gleichung lösen musste und so nicht das erreicht hatte, was er eigentlich wollte, hatte mich so sehr amüsiert, dass ich spontan einen Lachanfall bekommen hatte und um ein Haar fast vom Stuhl gekippt wäre.

Als Train dann auch noch vorgeschlagen hatte, dass Joey seinem Märchen vom „unbeweglichen Mann“ besser noch hinzufügen sollte, dass bei ihm außerdem noch einige Schrauben locker waren und er die Gleichung deshalb unmöglich lösen konnte, war ich endgültig vom Stuhl gekippt. Vor lauter Lachen hatte ich mich einfach nicht mehr halten können.

Bei den Gedanken daran musste ich schon wieder bis zu beiden Ohren hin grinsen und Joey warf mir prompt einen griesgrämigen Blick zu. Hey! Ich war nicht die Einzige gewesen, die nach diesem Kommentar eine Weile lang mit einem derben Lachanfall zu kämpfen hatte! Über die Hälfte der Klasse hatte ebenfalls angefangen zu gackern –  zu gackern, nicht zu lachen – als sie den Witz in Trains Kommentar endlich verstanden hatten.

Auch Anja grinste in dem Moment und sah schnell zur Seite, als Joeys bitterböser Blick sie erfasste.

Trains Mundwinkel begannen in dem Moment ebenfalls wieder zu zucken und er fing an hinter vorgehaltener Hand zu kichern.

„Nicht du auch noch!“, stöhnte Joey und hob beide Arme, nur um sie gleich wieder sinken zu lassen, „Wie lange wollt ihr noch darüber lachen?“, fragte er frustriert.

„Noch eine ganze Weile.“ Ich musste wegen meines eigenen Kommentars kichern. Das gab´s doch echt nicht, Ende! Ich wollte nicht mehr lachen. Aber irgendwie ging es nicht anders.

Joey sah mich finster an, doch damit konnte ich leben. Wer schon mal Trains finsteren Blick gespürt hatte, den kümmerte so ein Versuch von einem Anfänger nicht mal im Ansatz. Es tat mir schon fast leid, doch leider war ich gegen so etwas mittlerweile gänzlich immun.

„Aber es war wirklich überraschend, dass Walker jetzt plötzlich unser Klassenlehrer sein soll“, stellte Anja fest, als sie ihre Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte und nicht mehr grinste, „Er ist wirklich.. originell.“

„Joa, so kann man es auch ausdrücken“, spottete ich, „Oder weniger hoch gesagt, der hat nicht mehr alle Latten am Zaun.“

„Ja, das kann man so sehen“, sagte Train mit einem resignierten Unterton, „Der Kerl geht mir jetzt schon auf die Nerven, dabei hat er uns ja heute noch weitestgehend in Ruhe gelassen.“

„Stimmt, aber das ist auch gut für ihn“, bemerkte ich, „Ich hab meine Trainingsgewichte heute noch dabei, das wären zwei Kilo, die ihm da gegen den Kopf geflogen wären, hätte er ein falsches Wort gesagt.“

„Hm.. eine schöne Idee.“ Train grinste triumphierend, als hätte er gerade eben eine grandiose Idee bekommen.

In dem Moment sah ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung und trat gerade noch einen Schritt nach hinten. Was da gerade durch die Luft sauste und Joey sauber im Gesicht erwischte, war ein großer Schneeball. Joey kippte nach dem Treffer glatt hinten über und landete wie ein nasser Sack im Schnee. Anjas Gesichtsausdruck war reichlich überrascht und Train und ich sahen uns auch stirnrunzelnd an.

„Entschuldigung!“, rief einer der Jungen, die weiter hinten ihre Schneeballschlacht abhielten und von wo aus der Schneeball in Joeys Gesicht wohl stammte. Damit wandten sich die Jungen aber auch schon wieder ihrer eigenen Schlacht zu und hatten uns vergessen.

Dann hatte Train plötzlich einen Schneeball in der Hand, spielte kurz mit ihm und schleuderte ihn dann mit einer kurzen Bewegung direkt in meine Richtung. Genau auf meinen Kopf! Hey! Das war unfair! Nur haarscharf gelang es mir den Kopf in den Nacken zu legen und so dem Schicksal zu entkommen, das Joey bereits ereilt und k.o. geschlagen hatte.

„Na warte!“, sagte ich prompt, klaubte einigen Schnee zusammen und schleuderte die Kugel Train entgegen, der noch elegant zur Seite hüpfen konnte.

„Soll das hier jetzt ebenfalls eine Schneeballschlacht werden?“, fragte Anja leicht verwirrt, „Sind wir dafür nicht ein bisschen zu alt?“ Noch bevor sie aber Weiteres sagen konnte, traf sie ein Schneeball direkt an der Schulter.

„Mist, daneben“, murrte Joey, der scheinbar eigentlich mich treffen wollte, die ich kaum zwei Meter neben Anja stand. Da hatte er aber gewaltig daneben gezielt.

Nun war jedoch Anja diejenige, die einen Schneeball formte und ihn in Joeys Richtung warf. Mit einer Pistole traf sie gerne mal daneben, aber mit einem Ball aus gefrorenem Wasser konnte sie anscheinend wesentlich besser zielen, denn dies war nun die zweite Ladung Schnee, die Joey im Gesicht traf.

„Hey! Wieso immer auf mich?!“, fragte Joey daraufhin aufgebracht und Train und ich pressten uns beide eine Hand vor den Mund, um nicht laut zu lachen. Ausgerechnet Anja, die von uns allen wohl am schlechtesten zielen konnte, hatte ihn mitten im Gesicht getroffen. Das war einfach der Hammer. Als mich dann allerdings ebenfalls ein Schneeball am Kopf traf, der wie ich aus den Augenwinkeln gesehen hatte auch von Anja stammte, war es dann vorbei mit meinem Lachen.

Im Handumdrehen wurde aus dem kleinen Spiel eine ausgewachsene Schneeballschlacht. Gerade als sich auch noch Lisa und Mareike, Leon, Cedric, Elric und später noch ein paar mehr zu uns gesellten, wurde es ziemlich lustig. Kaum einer aus diesem Gefecht kam ohne ein wenig Schnee irgendwo am Körper wieder in den Unterricht. Auch Train und ich hatten unseren Teil abbekommen.

 Als wir gerade das Schulgebäude betreten wollten, gaben Trains und mein Pager auf einmal zeitgleich einen Signalton von sich.

„Code 033“, sagte ich.

„Ins Büro der Direktorin“, gab Train die Erklärung und wir sahen uns beide an.

„Äh.. Und was hat das jetzt zu bedeuten?“, fragte Anja unschlüssig.

Ich seufzte. „Dass wir wohl leider verpassen werden, was die anderen mit Mr Walker vorhaben.“

„Verflucht, ich hab die Zeit verpennt“, sagte Joey plötzlich und bewegte sich schon von uns weg, „Hey Anji oder wie du auch heißt, ich hab Magenschmerzen und kann deshalb nicht kommen, richte das diesem durchgeknallten Lehrer aus!“ Damit eilte er auch schon davon und wir sahen ihm nur stirnrunzelnd hinterher.

„Jetzt ist er seit einem Monat auf der Akademie und kann sich meinen Namen immer noch nicht merken“, stellte Anja empört fest und verschränkte die Arme vor der Brust, „Ich glaub´s nicht.“

„Nimm´s ihm nicht übel, er ist halt ein Trottel“, sagte Train und wandte sich ebenfalls zum Gehen.

„Wir müssen dann leider auch, bis später“, sagte ich noch über meine Schulter und lief dann mit Train über den Schnee. Super wie immer. Jetzt durften wir zum hintersten Wohngebäude rennen, nur weil die liebe Mrs Allison gerade in ihrem Büro war und nicht im Schulgebäude, wie alle anderen um diese Uhrzeit.

Gute zwei Stunden später standen Train und ich in unserer Arbeitskleidung vor einem großen Gebäude, das irgendeiner Firma gehörte. Welchem Zweck sie diente hatte ich in der ganzen Eile gar nicht verstanden, Mrs Allison hatte nur das Allernötigste erwähnt und uns dann gleich losgeschickt, da es angeblich sehr eilte und noch vor heute Abend erledigt sein musste. Oje, wäre ihr das mit der neuen Mission für Train und mich etwas früher eingefallen, hätten wir nicht so zu hetzen brauchen. Manchmal wollte ich zu gerne wissen, was diese Frau eigentlich trieb, wenn sie nicht gerade in ihrem Büro saß.

„Wen genau sollten wir nochmal umbringen?“ Train hatte die Stirn gerunzelt.

 Ich zog eine Augenbraue hoch. „Selbst du hast es mal nicht geschafft dir alles genau einzuprägen? Ich bin ja richtig erstaunt.“

„Mrs Allison hat uns ja auch gar keine Zeit gelassen irgendetwas Genaueres zu lesen“, warf Train zu seiner Verteidigung ein, „Ich weiß nur, wie er aussieht und dass er sich irgendwo in den oberen Stockwerken aufhalten sollte. Mehr hab ich bei dem Tempo nicht verstanden.“

„Immerhin das Wichtigste für unseren Job“, stellte ich trocken fest und ging auf das Gebäude zu, „Sein Name ist Victor Inarid.“

„Stimmt.“

Damit betraten wir einfach das Gebäude. Da wir laut den Informationen, die wir gerademal überfliegen konnten, in den unteren Geschossen keine Kameras zu befürchten hatten, brauchten wir noch keinen Gebrauch von unseren Waffen zu machen. Uns hielt auch keiner auf, als wir mit dem Fahrstuhl in den achten Stock fuhren. Die übrigen drei oberen Stockwerke waren allein im Besitz von Mr Inarid. Prompt zückte Train seinen Revolver und zwei Kameras wurden mit je einem Schuss zerschrottet. Immer noch die einfachste Möglichkeit sich dieser lästigen Dinger zu entledigen. Zwar würde man mich durch die schwarze Schirmmütze über meinen kupferfarbenen Haaren ohne den dunklen Mantel und das Cap wohl kaum erkennen, doch trotzdem war es vorteilhafter, wenn das Sicherheitspersonal nicht wusste, wo wir waren. Denn ich bezweifelte nicht, dass wir bereits entdeckt worden waren.

„Hm, wo steckt der gute Inarid wohl?“ Train sah sich gelassen um und spielte mit seinem schwarzen Revolver.

„Er wird sich uns wohl kaum freiwillig zeigen“, bemerkte ich, „Von daher sollten wir...“

„Guten Tag, meine verehrten Gäste in schwarz“, sagte plötzlich eine uns unbekannte Männerstimme über Lautsprecher, „Wenn ihr auf der Suche nach mir seid, solltet ihr euch in den elften Stock begeben und dort warten, ich werde in wenigen Minuten Zeit für euch haben.“

Train und ich sahen uns an.

„Der hat Mumm“, stellte ich leicht überrascht fest.

„Oder er ist lebensmüde“, schlug Train vor.

Da wir so oder so kaum einen besseren Plan hatten, machten wir uns zu Fuß auf den Weg in den elften Stock. Wenn uns der Hausherr schon höchst persönlich empfangen wollte, konnten wir seine Einladung ja schlecht ausschlagen. Auch wenn das natürlich bereits drei Meilen gegen den Wind nach einer Falle roch.

„Wenn mich nicht alles täuscht, müssen wir hier rein“, sagte Train. Seine dunklen Augenbrauen verschwanden unter seinem Pony.

Vor uns lag ein Gang mit mehreren Türen. An der letzten ganz am Ende des stand in großen Buchstaben geschrieben: Empfang der Gäste.

„Na da bin ich ja mal gespannt“, sagte ich und drückte die Türklinke herunter.

Vor uns erstreckte sich ein nobel eingerichteter Raum, mit modernen, auf Hochglanz polierten Möbeln und dem ganzen Schnickschnack, den sich die meisten reichen Leute halt aneigneten. Was ich hier sah, überraschte mich nicht allzu sehr. Abgesehen davon vielleicht, dass ich nicht erwartet hatte in einem Bürogebäude so einen großen, wohnlich eingerichteten Raum zu finden. In dem Moment fiel die Tür auch von alleine ins Schloss und Train und ich sahen uns resigniert an.

„Falle.“

„Du nimmst mir das Wort aus dem Mund“, seufzte ich und sah mich um, „Na? Wo versteckt sich unser netter Empfangsherr denn?“

In dem Moment war plötzlich ein Rauschen zu hören und aus Öffnungen, die weder Train noch mir zuvor aufgefallen waren, drang Rauch in den Raum. Dieser schien hermetisch abgeriegelt zu sein, wie mir in dem Moment auffiel, keines der vielen Fenster war geöffnet. Echt geil. Man wollte uns hier wohl vergasen. Auch eine schöne Möglichkeit jemanden umzubringen, ganz ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Gute Idee, das musste ich Mr Inarid wohl lassen.

Train und ich sahen uns um, während wir uns beide Stofftaschentücher auf die Münder pressten und zugleich die Luft anhielten. Dann fiel mir eine Wand auf, die nicht von Bildern verhangen war. Ich gab Train ein Zeichen und er verstand sofort. Kurzerhand erhob er seinen Revolver und schoss mehrmals auf eine Stelle, auch wenn jede Kugel ein Stück versetzt von der davor war. Währenddessen nahm ich Anlauf und sprang ab. Mit einem kräftigen Tritt brach ich durch die getönte Scheibe, die von weiter weg haargenau wie die Wand ausgesehen hatte. Allerdings hatte das nicht gereicht um mich zu täuschen.

Wahrscheinlich war sie normalerweise nicht so einfach zu durchbrechen, doch da sie durch Trains Schüsse an einer Stelle sowieso schon nicht mehr ganz stabil war, war es für mich nun kein Problem mehr gewesen sie mit genügend Schwung zu durchbrechen. Landen tat ich dann mit einem Haufen Scherben zusammen auf einem großen Tisch, der in dem Raum neben dem Empfangszimmer stand. Mehrere Männer sahen mich gut zwei Sekunden lang fassungslos an, dann betätigte einer von ihnen schnell einen Schalter und ein Geräusch verriet, dass die Lüftung angesprungen war. Das Gas, welches auch immer es gewesen war, wurde durch die unsichtbaren Öffnungen wieder abgesogen und so blieb uns der Tod durch Vergasung erspart. Eine angenehme Erleichterung.

„Da hätten wir ja unseren Fisch“, sagte Train zufrieden und trat bis an das Fenster, dessen Scheibe nun nur noch als Scherbenhaufen im Raum dahinter verteilt war.

Auch ich hatte schon gesehen, dass einer der uniformierten Männer Victor Inarid war, der zurzeit ganz oben auf unserer Liste stand. Sein Gesicht war noch immer ein wenig blass und ich nahm an, dass es das erste Mal war, dass jemand dieser Falle entgangen war.

„Ihr seid es wieder...“

Mein Blick wandte sich ruckartig nach links, wo ich eine bereits bekannte Gestalt entdeckte. Diese kurzen, blonden Haare, den eleganten schwarzen Anzug und diese selbstbewusste Haltung würde ich nicht so schnell vergessen. Vor mir stand Iron, dem ich meine eineinhalb Monate lange Pause zu verdanken hatte. Der Mann, der mir meine erste wirklich ernste Schusswunde zugefügt hatte.

Im nächsten Moment war Train auf einmal neben mir und selbst ich war überrascht, wie schnell er plötzlich ebenfalls auf dem Tisch stand. Dass sich bestimmt zehn Maschinengewehre auf uns richteten, schien ihm dabei ziemlich egal zu sein. Sein finsterer Blick ruhte auf Mr Iron, der ein wenig erstaunt wirkte.

„Ich hätte nicht gedacht, euch beide so bald wiederzusehen“, stellte er dann lächelnd fest.

„Sie kennen die beiden da?“, fragte Mr Inarid schon fast schockiert.

„Sie sind mir bei meiner letzten Arbeitsstelle bereits einmal begegnet“, antwortete Iron und seine Stimme bekam einen etwas ernsteren Klang, „Besser gesagt habe ich wegen ihnen meinen Job dort aufgeben müssen.. Du scheinst dich ja wieder erholt zu haben, Kleine. Das ist schön.“

Letzteres war natürlich an mich gerichtet. Dass der Lauf meines Revolvers gerade nicht auf Mr Inarid sondern auf ihn zeigte, schien Iron keineswegs zu beeindrucken. Ich war ernst und hoch konzentriert. Nochmal würde ich mich nicht von diesem Mann überraschen lassen. Ein Mal reichte mir.

Iron lächelte unterdessen leicht. „Es würde mich ja wirklich mal interessieren, wo ihr beide herkommt und was ihr eigentlich seid. Unsere Wege scheinen sich ja öfter zu kreuzen.“

Irgendwie hatten alle Mr Inarid vollkommen vergessen, der sich in dem Moment zur Tür rausschleichen wollte. Ganz klammheimlich, damit es auch ja niemandem auffiel. Jedoch ruckte mein Arm zur anderen Seite und ein Schuss erklang. Inarid sank in die Knie und noch bevor er auf dem Boden aufschlug, hatte er den letzten Rest Leben ausgehaucht.

„Wir sind Auftragsmörder“, antwortete ich und richtete meinen Revolver wieder auf Iron, der uns ungläubig ansah, „Und wer uns schickt oder woher wir kommen, geht Sie einen feuchten Dreck an.“

Den anderen Wachmännern in den schwarzen Anzügen, die bisher nur alles ohne ein Wort mitverfolgt hatten, wurde es wohl entschieden zu brenzlig. Plötzlich und ohne einen Befehl von ihrem Chef, der mit hundertprozentiger Sicherheit Iron war, feuerten sie mit ihren Gewehren auf Train und mich.

Wir waren aber natürlich nicht auf den Kopf gefallen und traten den Rückzug an. Auch wenn wir uns beide, nicht nur ich sondern auch Train, nur zu gerne noch um Iron gekümmert hätten. Dennoch war uns klar, dass dies unklug gewesen wäre und zudem hatten wir unsere Mission ausgeführt. Daher konnten und mussten wir den Rückzug antreten.

Mit nur einem Satz waren wir wieder in dem Raum, in den man uns zuvor hatte vergasen wollen, und waren auf dem Weg zur Tür. Wenn sie verschlossen gewesen war, musste es ein ziemlich läppisches Schloss sein, denn mit nur einem Tritt hatte Train uns den Weg geebnet und wir liefen los. Hinter uns hallten Schritte im Gang und als wir gerade ins Treppenhaus biegen wollten, tauchten von dort aus noch mehr Männer auf, die eindeutig zum Sicherheitspersonal gehörten. Verflucht nochmal, das hier war wirklich eine gut durchdachte Falle gewesen. Ob Mr Iron damit gerechnet hatte? Eigentlich hatte er viel zu überrascht ausgesehen, als ich Inarid ohne mit der Wimper zu zucken erschossen hatte, als dass er direkt mit so etwas gerechnet hatte. Wenn ich es mir genauer überlegte, schien er überhaupt nicht mit uns gerechnet zu haben, er wirkte schließlich reichlich erstaunt, als ich auf dem Tisch gelandet war. Oder lag das vielleicht daran, dass er nicht damit gerechnet hatte, mich lebend wiederzusehen?

Die Männer aus dem Treppenhaus hatten natürlich auch noch die scheinbar sehr beliebten Maschinengewehre dabei und machten, wie nicht anders zu erwarten, fleißig Gebrauch von ihnen. Ein Himmel hurra! Von einer guten Situation in die Nächste, besser konnte es doch kaum sein.

Ich hatte keine Lust darauf mich auf dem Weg nach unten erst durch die ganzen Wachmänner zu kämpfen und flüchtete mich auf die Treppe nach oben aufs Dach. Ich sah noch, dass Train und ich dieses Mal wohl unterschiedliche Ideen hatten, denn er stürzte sich einfach ins Getümmel, doch bevor ich umdrehen konnte, waren schon die nächsten Wachmänner in schwarzen Anzügen auf der Treppe und ich lief nach oben. Dann eben dieses Mal getrennt. Train würde alleine klar kommen und ich konnte die Männer hinter mir hoffentlich abhängen, ohne dabei von einer der Kugeln getroffen zu werden.

Dann stürmte ich aus der Tür des Dachaufstiegs und knallte sie hinter mir wieder zu. Anschließend sah ich mich hektisch um. Das mit dem Abhängen hatte leider nicht so geklappt, wie ich mir das vorgestellt hatte. Zudem bemerkte ich jetzt auch noch, dass es vom Dach aus keinen Weg nach unten gab. Ich hatte eigentlich mit einer Feuerleiter gerechnet, die bei solchen Gebäuden häufig auch außen nach unten führte. Dummerweise schien man die bei diesem Haus vergessen zu haben. Dass ich natürlich hoch erfreut war, kann sich hoffentlich jeder denken.

Das Einzige, was mir ins Auge fiel, war ein etwas breiteres Kabel, das von hier aus bis zum Dach des Hauses gleich nebenan reichte und scheinbar auch irgendeinen Nutzen hatte.

In dem Moment hörte ich, wie die Wachmänner innen an der Tür rüttelten, deren Schloss ich noch schnell von außen betätigt hatte. Das sollte sie wenigstens kurzzeitig aufhalten.

„Oje, wie war das? Ich wollte keine waghalsigen Sachen mehr machen? Daraus wird wohl nichts.“ Ich stand am Rand des Dachs unmittelbar neben dem Kabel und blickte nach unten. Ja, es war schön weit oben, die Aussicht aus dem elften Stock ließ sich sehen. Dafür wäre ein Sturz aus dieser Höhe höchstwahrscheinlich tödlich. Das war doch mal nach meinem Geschmack. Ein falscher Schritt und ich war Matsch. Klang doch super. Oh mein lieber Galgenhumor, was täte ich ohne dich?

Ich verdrehte die Augen und setzte einen Fuß auf das etwas breitere Kabel. Es schien stabil zu sein und hing leicht durch, aber das würde gehen. Bis zum anderen Gebäude waren es mindestens zehn Meter. Theoretisch gesehen sollte es funktionieren, wenn ich nicht heute gerade Pech hatte.

Es donnerte, einer der Männer schien sich gegen die Tür des Dachaufstiegs geworfen zu haben, ohne großen Erfolg. Ich holte kurz tief Luft, immerhin war es schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal so etwas betrieben hatte, und setzte dann auch meinen zweiten Fuß auf das Kabel, fast direkt vor meinen anderen. Erst zitterte es bedenklich, doch dann hatte ich mein Gleichgewicht gefunden und konnte den nächsten Schritt setzen. Es waren jedoch nur kleine Schritte, da das Kabel sonst zu sehr ausschwang. Also würde es eine Weile dauern, bis ich drüben war, und so viel Zeit hatte ich nicht. Verdammt!

Als ich die ersten knapp fünf Meter hinter mir hatte, war unten einiger Radau zu hören und Train lief schnell wie der Blitz über die Straße, gefolgt von einigen in schwarz gekleideten Männern. Ich hielt ein wenig überrascht inne und zog nur eine Augenbraue hoch. Also hatte Train sich durch die Wachleute gekämpft. Auch wenn ich bei dem Tempo, mit dem er das irgendwie hinbekommen hatte, an einen wild gewordenen Rasenmäher denken musste. Seltsame Vorstellung, wie kam mein Hirn nur immer wieder auf so etwas?

Einer der Männer sah durch Zufall nach oben und entdeckte mich natürlich auch prompt, die ich mit ausgestreckten Armen über das Kabel balancierte und das Treiben beobachtete.

„Hey, da oben ist die andere!“, rief er seinen Kollegen zu, die augenblicklich auch nach oben starrten und erstmal ziemlich überrascht wirkten.

Train hatte den Ruf natürlich ebenfalls gehört und sah mich nur ungläubig an. Mit so etwas schien auch er nicht gerechnet zu haben, das leichte Entsetzen auf seinem Gesicht verriet ihn. Darüber konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Tja, ich hatte auch einige Überraschungen auf Lager.

Plötzlich schoss jedoch einer der Männer von unten auf mich und die Kugel verfehlte ihr Ziel nur knapp. Das sagte mir, dass es längst Zeit war meinen Weg fortzusetzen. Es wurden weitere Kugeln abgeschossen und einige kamen mir bedrohlich nahe, doch noch schien ich in der luftigen Höhe sicher zu sein. Dann bemerkte ich jedoch eine Kugel, die mich mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit mitten in der Brust treffen würde, selbst wenn ich jetzt einen Schritt vor oder zurück machte. Meinem Gehirn entsprang auf die Schnelle nur eine einzige, gewagte Idee.

Ich hörte schon Trains erschrockenen Ruf, als ich mich von dem Kabel abstieß und fast wie in Zeitlupe einen halb gestreckten Salto vollführte. Die Kugel flog unter mir hindurch und allen, die mich in dem Moment beobachteten, stockte der Atem.

Ich wusste jedoch genau, was ich tat. Es war eine Übung, die ich während meines Trainings über fünfzig Mal hintereinander fehlerlos hatte machen müssen. So war es für mich nicht sehr überraschend, als ich am Ende des Saltos problemlos wieder mit beiden Füßen auf dem Kabel landete und die Arme ausstreckte, damit ich die Balance einfacher halten konnte.

Train sah mich von unten nur ungläubig an. In der Zwischenzeit hatte er auch die fünf Männer außer Gefecht gesetzt, sodass ich meinen Weg ohne Probleme fortsetzen konnte.

Ich winkte kurz und sah dann zu, dass ich weiter kam. Leider jedoch - wieso sollte es auch ein Mal anders sein? - wurde in dem Moment die Tür aufs Dach mit einem Krachen aufgebrochen und die Wachmänner stürmten hinaus. Es dauerte auch nicht lange, da hatten sie mich entdeckt und waren natürlich im ersten Moment erstmal verdattert. Die Zeit nutzte ich um weitere drei Schritte zu tun, doch dann hörte ich, wie sie ihre Gewehre erhoben und mich anvisierten. Ein Blick über meine Schulter bestätigte meine Befürchtung.

Bevor die Männer schießen konnten, kam ein weiterer Mann aufs Dach. Mr Iron schien ebenfalls reichlich erstaunt von meinem Anblick auf dem Kabel mitten über der Straße zu sein. Einen Moment lang war er sprachlos.

„Sollen wir schießen?“, fragte einer der uniformierten Männer unsicher.

Iron wurde augenblicklich wieder ernst und trat an den Rand des Dachs. „Bleib stehen, Mädchen!“

„Ich stehe, falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist“, konterte ich, auch wenn ich mir der ungünstigen Lage durchaus bewusst war.

„Gut, dann komm wieder hier her“, befahl Mr Iron daraufhin.

Ich überlegte. „Nö.“

Kurz wirkte Iron ein wenig verdutzt, doch dann hob er seine Pistole und zielte auf mich. „Das war keine Bitte sondern ein Befehl. Ich möchte dich nicht ein weiteres Mal anschießen müssen, also hör bitte auf dich zu widersetzen.“

„Und wenn ich nicht will?“ Ich drehte mich auf dem Kabel um und sah Iron ernst an. Verflucht, ich brauchte dringend einen Plan, wie ich von hier weg kam. Doch ich stand mitten in der Mitte des Kabels und bis zur anderen Seite waren es bestimmt noch sechs Meter, die ich nie und nimmer heil überstand, wenn ich jetzt hektisch wurde. Doppeltes verflucht nochmal.

„Das würde ich dir nicht raten“, sagte Mr Iron und entsicherte seine Pistole, „Aber was treibt ein junges Mädchen wie dich überhaupt dazu zur Auftragsmörderin zu werden? Du könntest so viel anderes machen, warum ausgerechnet das hier?“

Ich gebe zu, diese Frage überraschte mich, auch wenn ich das selbstverständlich nicht zeigte. Nach kurzem Überlegen antwortete ich: „Rache.“

Irons Gesichtsausdruck in dem Moment vermochte ich nicht zu deuten. Dann schien er irgendetwas auf dem Gebäude hinter mir, zu dem ich eigentlich hin wollte, entdeckt zu haben. Kurz war sein Blick noch etwas irritiert, dann seufzte er und sicherte seine Pistole, bevor er den Arm sinken ließ.

Ich blickte daraufhin verwirrt nach hinten und entdeckte Train, der mit erhobenem Revolver auf dem Dach gegenüber stand und Mr Iron finster ansah. Besser gesagt war der Blick aus seinen bernsteinfarbenen Augen so vernichtend wie schon lange nicht mehr. Iron aber lächelte komischerweise leicht und gab seinen Männern ein Zeichen, woraufhin diese mit verwirrten Mienen wieder zum Dachaufstieg gingen.

„Wir sehen uns heute nicht zum letzten Mal, Kinder“, sagte Iron noch mit einem herausfordernden Lächeln und verließ dann ebenfalls das Dach.

Auftrag 10: Verwirrung unter Killern

Joey ging schnell durch die Straßen. Er hatte noch zwei Minuten um zum vereinbarten Treffpunkt zu kommen und es lag noch ein ganzer Block vor ihm. Die anderen Passanten flogen nur so an ihm vorbei, während er mit großen, schnellen Schritten Meter um Meter hinter sich brachte. Er musste sich beeilen, denn wenn er zu spät kam, gab es kräftigen Ärger. Einmal hatte er zu spüren bekommen, was passierte, wenn er nicht exakt zur verabredeten Zeit an einem Treffpunkt war, und das wollte er nie wieder erleben müssen.

Gerade noch rechtzeitig, den großen Sekundenzeiger seiner Armbanduhr trennten gerade mal fünf Takte von der Zwölf, kam er vor dem Theater an. Joey brauchte sich auch gar nicht lange umzusehen, ein Mann mit aschgrauen Haaren, obwohl er kaum älter als vierzig sein konnte, hatte die Zeitung, in der er gerade las, ein Stück sinken lassen und sah ihn an. Der Mann trug einen pechschwarzen Mantel und dazu eine schichte, ebenfalls schwarze Mütze. Alles war nicht weiter außergewöhnlich, dennoch spürte Joey, dass von diesem Mann eine Bedrohung ausging. Leider nur hatte er kaum eine andere Wahl und kam auf ihn zu.

„Wie schön, dass du es noch rechtzeitig geschafft hast“, begrüßte Mr VanDyke ihn freundlich, doch eine gewisse Kälte lag trotzdem in seiner Stimme.

Joey lehnte sich so lässig wie möglich neben ihm an die Wand, so als ob sie Bekannte wären, die noch auf jemanden warteten und sich dabei unterhielten. Dass er nervös war, versuchte er sich nicht anmerken zu lassen. Warum hatte keiner der anderen kommen können? Die hatten zwar eine genauso bedrohliche Ausstrahlung, doch vor denen brauchte er sich nicht ganz so zu fürchten wie vor VanDyke, dessen Blick aus den stechenden Augen ihn förmlich zu durchdringen schien.

„Welche Informationen hast du dieses Mal für mich?“, fragte VanDyke nun und tat so, als würde er weiterhin gedankenverloren in der Zeitung blättern.

„Nichts anderes als bei den letzten Malen“, musste Joey zugeben und schluckte, „Train und Kate scheinen sich gut zu verstehen. Er geht mit ihr vertraulicher um als mit mir und die beiden scheinen sich keine großen Sorgen um die Aufträge der Akademie zu machen. Jedenfalls wirken sie nicht sehr besorgt, wenn es um Missionen geht.. und Train scheint sich nicht um seine anderen Aufträge zu kümmern.“

„Hm, zu schade“, seufzte VanDyke und blätterte eine Seite weiter. Die Worte passten ganz und gar nicht zu seiner langsam immer finsterer werdenden Stimme, die die Worte durch den Hass äußert bedrohlich klingen ließ. „Dieses Küken mischt sich zunehmend in meine Pläne ein. Ihr Einfluss auf Train ist ganz und gar nicht gut. Wenn das so weitergeht, waren die ganzen Jahre der harten Arbeit umsonst. Er wird schon immer menschlicher.. scheinbar muss ich ihm sein Spielzeug wegnehmen.“

Joey versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, doch er wurde zusehends nervöser. Diese Treffen waren jedes Mal wieder nervenaufreibend. Und dieses Mal war es ganz besonders haarsträubend. Eine echte Mutprobe für ihn. Doch er würde seiner Angst ganz sicher nicht nachgeben. Das harte Training in den letzten vier Jahren seines Lebens sollte nicht umsonst gewesen sein. Er wollte endlich wieder mit Train zusammen sein und bei ihm bleiben. Bei dem Einzigen, der ihn je so akzeptiert hatte, wie er war.

„Joey, ich habe einen netten Auftrag für dich“, sagte VanDyke plötzlich und riss ihn damit aus seinen Gedanken, „Du wirst Kate Randall töten. Wenn du diesen Auftrag erfolgreich ausführst, werden wir dich bei der Scythe Society aufnehmen und du kannst dann immer mit deinem besten Freund Train zusammen bleiben.“

Joey starrte den Leiter der SS-Spezialeinheit fassungslos an.

„Damit werden wir beide glücklich werden“, sagte VanDyke mit einem düsteren Lächeln, „Die nervende Störenfriedin wird aus dem Weg geräumt, sodass Train sich endlich wieder voll und ganz seiner Aufgabe bei der Scythe Society widmen kann und du wirst bei uns aufgenommen, sodass du bei ihm bleiben kannst. Es lohnt sich für uns beide. Ich rechne mit deinem Anruf, wenn du den Auftrag erledigt hast.“

Joey starrte ihm vollkommen entgeistert hinterher, als VanDyke die Zeitung zusammenfaltete und an ihm vorbei schritt. Dann war der Mann auch schon mehrere Meter weiter, doch Joey sah ihm immer noch ungläubig hinterher.

 

Ich streckte mich und seufzte. Endlich war die zweite Stunde rum, Mr Folker hatte uns mit der Geschichte eines bekannten Auftragsmörders volle zwei Stunden lang zu Tode gelangweilt. Ich konnte nicht mehr, jetzt brauchte ich erstmal frische Luft, hier drin war es viel zu stickig.

„Kommt ihr?“, fragte Anja lächelnd.

Ich nickte und stand auf.

Train erhob sich ebenfalls und sah dann Joey stirnrunzelnd an, der auf seinem Platz sitzen blieb und schon seit gestern so geistesabwesend wirkte. „Wolltest du da sitzen bleiben?“

Joey wirkte ziemlich überrascht. „Äh.. nein, ich komme schon“, stammelte er und stand auf. Er wirkte jedoch ziemlich durcheinander, als würde ihn irgendetwas sehr beschäftigen.

„Was ist denn mit dir los?“, fragte ich stirnrunzelnd, „Normalerweise hättest du Train doch die ganze Stunde über mit irgendwelchem Unsinn genervt. Wo ist dein Grinsen hin verschwunden?“

Der Blick, den Joey mir kurz zuwarf, verwirrte mich. Es war nur für einen sehr kurzen Augenblick, doch er wirkte schon fast erschrocken. Dann sah er schnell wieder wo anders hin und auf meiner Stirn bildeten sich Falten. Da war doch was faul. Das roch ich wie ein Wolf seine Beute witterte.

Das schien auch Train aufzufallen, denn er sagte: „Geht ihr beide schon mal nach draußen, wir kommen nach.“

„Na von mir aus.“ Ich zuckte mit den Schultern und schob Anja aus der Klasse.

Train sah seinen Freund nun ernst an. „Was ist los?“

„Nichts“, wich Joey aus und sah die Wand an. Wenn er den Auftrag ausführte, würde er mit Train zusammen sein können. Er würde mit seinem besten Freund zusammen Aufträge übernehmen und mit ihm arbeiten. Das war genau das, was er sich wünschte. Doch was würde Train sagen? Joey wusste, dass er niemals vor ihm verbergen können würde, was er getan hatte. Das hatte er noch nie gekonnt.

„Tse.“ Train packte Joeys Handgelenk und zog ihn mit sich mit. Zwei Minuten später standen sie auf dem Dach und Train stemmte die Hände in die Hüften. „Spuck endlich die Wahrheit aus. Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass etwas nicht stimmt.“

Joey schien nach einer Ausrede zu suchen, doch sein deprimierter Gesichtsausdruck verriet, dass er keine fand.

„Sagtest du nicht mal, dass wir Freunde sind und uns alles erzählen können?“, fragte Train und blickte in die Ferne. Der kleine Vogel mit dem goldgelben Gefieder kam angeflogen und setzte sich auf seine Schulter. Mit einem leichten Lächeln strich er Pieps über das kleine Köpfchen.

„Ihr müsst verschwinden.“

Train sah verwirrt zu Joey, der so leise gesprochen hatte, dass Train ihn kaum verstand.

Dieser biss sich auf die Unterlippe, doch dann sah er Train mit einem so ernsten Gesicht an, wie er es noch nie bei ihm gesehen hatte. „Ihr müsst auf der Stelle von hier weg. Kate ist in Gefahr und du wirst dagegen nichts tun können, außer sie in Sicherheit zu bringen.“

Verwirrt runzelte Train die Stirn. „Wovon redest du?“

„Ich kann es dir nicht erklären“, sagte Joey und rang mit den Händen, „Aber glaub mir, ihr müsst verschwinden.. Du.. und Kate...“ Er verzog das Gesicht. „Ich sehe doch, wie viel dir an ihr liegt. Wenn du sie nicht verlieren willst, dann hör gefälligst ein Mal auf mich und bring sie von hier weg. Am besten aus dem Land.. am besten auf einen anderen Kontinent.. irgendwo, wo sie euch nicht finden...“

Train hatte bereits erkannt, dass sein Freund keineswegs scherzte. Nie zuvor hatte Train ihn so ernst und verzweifelt zugleich gesehen. „Wer?“

Joey sah ihn irritiert an.

„Wer will Kate töten?“, fragte Train und nun wurde auch er ernst.

„Jemand, mit dem selbst du es nicht aufnehmen kannst.“

„Wer?“

„Ich kann es nicht sagen“, sagte Joey und sah ihn verzweifelt an, „Ich kann nicht!“

Train versuchte dahinter zu kommen, was Joey so in die Enge trieb, dass er sich nicht mal mehr traute ihm etwas zu sagen. Dabei sah er unten auf dem Rasen auch mich, die ich gerade den Kopf schüttelte und Anja, Lisa und Mareike etwas sagte, das er von hier oben natürlich nicht verstehen konnte. Dann blickte er wieder zu Joey und seufzte. Mit nur zwei Schritten stand er vor ihm, legte Joey einen Arm um die Schultern und zog ihn an sich. Er merkte natürlich, wie verwirrt Joey darüber war, doch Train klopfte ihm nur auf den Rücken.

„Kate wird nichts passieren“, sagte er ernst und seine bernsteinfarbenen Augen verdunkelten sich ein wenig, „Genauso wenig wie dir oder mir. Ich werde das auf jeden Fall verhindern.“

„Wenn du das könntest...“

„Ich kann“, unterbrach Train seinen Freund, „Und ich werde...“

In dem Moment war ein Piepen zu hören und Train ließ Joey ein wenig überrascht los. Er griff in die Tasche seiner Jacke und holte den Pager heraus. Es war Code 023.

„Ein Auftrag für euch“, stellte Joey tonlos fest.

Train warf ihm einen resignierten Blick zu. „Du unterschätzt mich. Wer auch immer Kate auf dem Gewissen hat, ich werde nicht gegen ihn verlieren.“ Damit verließ er das Dach und machte sich auf den Weg nach unten.

Joey blieb zurück und starrte nur unglücklich zu Kate, die sich auch gerade von Anja und den anderen beiden trennte und auf den Weg zum Lehrerzimmer machte. Nur zu gerne hätte Joey die Zeit zurückgedreht und verhindert, dass sie sich begegnen und Freunde wurden. Zu gerne hätte er Kates Platz eingenommen. Zugleich wusste er aber auch, dass er niemals das können würde, was sie konnte. Er wusste nicht, wie sie das machte, doch Kate war jemand, der Train zum Lachen bringen konnte. Train brauchte sie, ob Joey es nun wahrhaben wollte oder nicht. Es schmerzte ihn, doch ihm war klar, dass es unfair wäre sie deshalb zu verurteilen. Dennoch war er eifersüchtig auf Kate, die seinem besten Freund näher zu stehen schien als er es jemals gewesen war.

 

Über Funk wurde angekündigt, dass wir uns dem Flughafen von London langsam näherten. Ich stellte meinen Sitz in eine aufrechte Position und weckte meine etwas steifen Glieder wieder auf, bevor ich aus dem kleinen Fenster des Flugzeugs blickte und unter mir bereits Städte sehen konnte. Wir waren also über Großbritannien, die gut zwei Stunden Flug hatte ich glatt verschlafen.

„Na Dornröschen, auch mal wieder wach?“ Train hatte eine Augenbraue hochgezogen und sah mich belustigt an.

„Meine Güte, ich hab letzte Nacht nicht so viel geschlafen, okay? Scheinbar meinte mein Körper, dass sich der Flug gut zum Nachholen des versäumten Schlafs eignet“, erwiderte ich genervt.

Train kicherte kurz, dann sah er wieder nach vorne. „Die Direktorin hat neuerdings echt komische Anwandlungen.“

„Stimmt“, sagte ich und schob den Ärger über seinen Kommentar beiseite, „Bei der letzten Mission schon war sie so knapp dran und dieses Mal wieder. Zudem finde ich diesen Auftrag irgendwie komisch. Dinge zu stehlen ist ja noch eine Sache, aber als Bote zu fungieren.. das ist doch etwas merkwürdig.“

Train zuckte mit den Schultern. „Das bedeutet nur, dass es dieses Mal eine ganz harmlose und ungefährliche Mission ist. Wir fliegen nach London, holen bei diesem Mann den Koffer ab und sitzen noch heute Abend im Flugzeug zurück nach Italien. Ist doch mal ganz entspannend.“

„Dein Gemüt möchte ich manchmal haben“, sagte ich und schüttelte den Kopf.

Schließlich aber waren wir gelandet und da wir kein Gepäck außer unserem leichten Handgepäck dabei hatten, konnten wir den Flughafen auch schnell wieder verlassen und uns auf den Weg machen. Hier in London war Train mal derjenige, der eine Weile brauchte, um sich zu orientieren. Auch wenn ich schon eine Weile nicht mehr hier gewesen war, kannte ich diese Stadt immer noch wie meine Westentasche und brauchte nicht lange, um zu wissen, wo wir lang mussten.

„Ich find´s auch schön, dass wir mal nicht diese dämlichen Arbeitsklamotten tragen müssen“, stellte ich fest, als wir an einer Hauptstraße entlang gingen. Darüber war ich wirklich froh, denn ich konnte mal wieder etwas anderes tragen als die Sachen, die in der Akademie Pflicht waren. Darum trug ich auch eine schöne, blaue Jeans mit einem breiten Gürtel, ein schlichtes, weißes Top und darüber ein schulterfreies, oranges T-shirt. Auch wenn es hier in England recht frisch war, fror ich nicht. Und selbst wenn, in meiner Tasche war noch eine braune Jacke, die ich zu Not überziehen konnte.

„Ja, das ist mal was anderes“, stimmte Train zu. Auch er trug andere Klamotten als sonst, nämlich eine hellgraue Jeans, ein rotes Hemd und eine dunkle Jacke, die er offen gelassen hatte.

Ich warf einen Blick auf meine Uhr und verschränkte dann die Arme hinter dem Kopf. „Wir sind viel zu früh. Es ist gerade mal drei Uhr und um fünf ist das Treffen im Café The Créme.“

„Sollen wir noch wo anders hin gehen?“, fragte Train.

Ich blieb auf einmal ruckartig stehen und Train sah mich stirnrunzelnd an. Mein Blick war jedoch auf die Frau keine fünf Meter von uns entfernt gerichtet, die gerade mit einigen anderen Passanten darauf wartete, dass die Ampel grün wurde. Sie sah noch genauso aus, wie ich sie in Erinnerung hatte. Das lange, braune Haar ruhte auf ihren Schultern, den schönen beigen Mantel schien die sie immer noch am liebsten zu tragen und die funkelnden Ohrstecker, die mit winzigen, bunten Steinchen besetzt waren, waren auch noch dieselben wie damals.

In dem Moment wandte die Frau den Blick, ganz als hätte sie etwas gespürt, und sah in unsere Richtung. Sie wirkte beinahe genauso überrascht wie ich, doch dann breitete sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus. Die Ampel, die gerade auf grün sprang, schien sie vollkommen vergessen zu haben und kam mit federleichten Schritten auf mich zu.

„Wir haben uns schon eine Weile nicht mehr gesehen“, sagte Julie Brandon und der Blick aus ihren smaragdgrünen Augen war so klar wie früher schon, „Es freut mich, dich noch einmal wiederzusehen, Kate.“

Eine gute Sekunde lang konnte ich es immer noch nicht glauben, doch dann musste ich ebenfalls lächeln. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite.“

„Du siehst gut aus.. und ohne Verletzungen, wie es scheint.“ Julie hatte mich kurz eingehend gemustert. „Du scheinst ja große Fortschritte gemacht zu haben.“

„Es wäre eine Lüge, zu behaupten, dass es nicht so wäre“, sagte ich und mein Lächeln wurde ein wenig überheblich, „Ich bin nicht mehr ganz so übermütig wie früher, das spart eine ganze Menge blaue Flecken.“

Julie schmunzelte. „Das kann ich mir gut vorstellen, scheinbar sind meine Ratschläge ja letztlich doch zu dir durchgedrungen, das freut mich.“

„Ja, ich habe mittlerweile reichlich Erfahrung.“

„Ich weiß, über dich wurde eine Zeit lang viel geredet“, bemerkte Julie und dieses aufgeweckte Funkeln trat in ihre Augen, das immer dann zu sehen war, wenn sie mal wieder Interesse an etwas hatte, „In den letzten Monaten habe ich aber fast gar nichts mehr von dir gehört.. Liegt das zufällig auch an deiner Begleitung, die da gerade am Rätseln ist, was ich denn nun für eine komische Figur bin?“

Train hatte ich ganz vergessen. Als ich zu ihm sah, wirkte er tatsächlich ein wenig überfragt. Auch wenn er schwieg, stand ihm seine Frage deutlich auf die Stirn geschrieben und wurde noch von einigen grell blinken Rahmen umrandet: Wer war diese Frau? Dahinter standen drei Fragezeichen. Bei meiner wieder mal blühenden Fantasie hätte ich fast gegrinst.

„Julie, das ist Train, mein Partner“, sagte ich, „Und Train, das ist Julie, meine ehemalige Mentorin auf dem Weg zum Auftragsmörder. Von ihr habe ich das meiste meines Wissens.“

„Ähm.. er ist dein.. Partner?“ Julie zog die Stirn kraus. „Heißt das, ihr seid verlobt?“

Wäre ich nicht ein sehr standfester Mensch, wäre ich bei der bescheuerten Frage wohl glatt aus den Pantinen gekippt. „Nein! Er ist bei Missionen mein Partner, wir arbeiten als Team!“, korrigierte ich aufgebracht. Wieso dachte jeder, wenn er das Wort „Partner“ hörte, gleich an so eine Beziehung? Das war ja echt lächerlich.

„Achso“, sagte Julie und seufzte erleichtert, „Ich hab schon einen Schreck bekommen. Aber da ihr Partner seid, kann ich wohl davon ausgehen, dass er ebenfalls in unserer Branche tätig ist?“

„Und ich bin einer der Besten.“ Train klang resigniert.

Julie sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an.

„Leider ja“, seufzte ich und schüttelte den Kopf, „In einem ernsten Kampf würde ich, auch wenn ich es nur ungern zugebe, den Kürzeren ziehen.“

Es war eindeutig, dass Julie erstaunt war.

„Wie läuft es denn so bei dir?“, fragte ich.

„Hm? Ganz gut, das Geschäft brummt“, antwortete Julie lächelnd und sah dann Train an, „Und du bist also ihr Partner.. Du musst wirklich gut sein, wenn sie dich akzeptiert und nicht versucht, dich loszuwerden.“

Ich grinste schief. „Es war am Anfang genau andersherum. Wir waren uns nicht gerade grün, als beschlossen wurde, dass wir ein Team bilden sollen. Besser gesagt wollte er mich am liebsten umbringen.“

„Hmpf.“ Train sah zur Seite. „Das wäre vielleicht besser für dich gewesen.“ Letzteres hatte er so leise gemurmelt, dass keiner ihn gehört hatte.

„So so, du hast also versucht meine Schülerin umzubringen“, stellte Julie fest und stemmte eine Hand in die Hüfte, „Sei froh, dass ich zu der Zeit nicht da war. Sonst hättest du ernste Probleme bekommen.“

„Oje.. Julie, du musst dich jetzt nicht mit ihm anlegen“, seufzte ich, „Ich hab´s überlebt und damit ist es gut.“

Sie sah mich kurz nachdenklich an, dann lächelte sie wieder. „Ich würde gerne noch länger mit dir reden, aber leider habe ich einen Termin. Bist du noch eine Weile hier?“

„Wir fliegen noch heute Abend wieder zurück“, antwortete Train, bevor ich es tun konnte.

Kurz hob Julie eine Augenbraue, Trains finsterer Blick schien sie förmlich zu durchbohren, dann schüttelte sie den Kopf. „Schade, aber na ja. Es freut mich, dass es dir gut geht und.. dass du mit der Zeit scheinbar mehr gewonnen hast als nur Erfahrungen.“ Hiermit wandte sich die Frau zum Gehen und lief flotten Schritts zur Ampel, die gerade wieder auf grün gesprungen war.

„Was sollte das denn?“, fragte ich Train stirnrunzelnd. Zugleich wunderte ich mich ein bisschen über Julies letzten Anhang, doch es hatte ihr schon immer Spaß gemacht mich zu verwirren, daher schenkte ich dem keine Beachtung. Stattdessen überlegte ich, was Trains abweisendes Verhalten gegenüber Julie zu bedeuten hatte.

„Nichts“, antwortete Train nur und schien über etwas nachzudenken.

„Julie ist vollkommen in Ordnung“, bemerkte ich und ging weiter, „Sie war wie eine zweite Mutter für mich, daher kannst du mir ruhig glauben.“

Train sah leicht überrascht auf und folgte mir. Eine Weile lang herrschte Schweigen zwischen uns, dann sagte er nachdenklich: „Es gab da schon immer einige Sachen, die ich bei dir nicht verstanden habe.. Irgendetwas ist passiert, bevor du in die Akademie gekommen bist. Nicht wahr? Du bist nicht zum Spaß zur Auftragsmörderin geworden. Du bist.. einfach keine reine Mörderin.“

Ich sah ihn ein wenig misstrauisch an. „Möglich.“

Kurz sah Train mich noch überlegend an, dann seufzte er und lächelte leicht. „Ich frag schon gar nicht mehr. Es geht mich ja auch nichts an.. Der Mann da vorne sieht dich schon die ganze Zeit über komisch an.“

Ich hob eine Augenbraue und blickte in die Richtung, in die Train auch gerade sah. Ein Mann mittleren Alters kam auf uns zu. Seine Haare waren matt schwarz und kurz, sein Körper durchtrainiert und fit. Seine Kleidung war normal, wie die von jemandem, der auf einem kurzen Spaziergang unterwegs war. Nur der selbstsichere Gesichtsausdruck passte nicht so ganz ins Bild.

„Hey, Silver Rose“, sagte der Mann grinsend, „Hab dich schon eine Weile nicht mehr gesehen, bist du nun im Ausland tätig? Und wer ist der Milchbubie da neben dir?“

„Der Milchbubie hat scharfe Zähne, du solltest lieber aufpassen“, bemerkte ich leicht resigniert. Nun erkannte ich den Mann. Seinen Namen hatte ich vergessen, so oft war ich ihm noch nicht begegnet, doch er war ebenfalls ein Auftragsmörder. Einer jener, die ich locker besiegen konnte, wenn ich nur wollte. „Sonst kannst du dir die Radieschen von unten angucken.“

Der Mann starrte Train entgeistert an, der plötzlich hinter ihm stand und seinen Revolver an dessen Hals hielt. Gut zwei Sekunden lang jagte er dem überraschten Mann mit seinem düsteren Blick tatsächlich Angst ein, dann ließ er den Revolver sinken und trat lässig wieder neben mich.

„Wow, du hast dir wohl einen Bodyguard gesucht“, stellte der Mann mit einem dämlichen Grinsen fest, als er sich von dem Schreck erholt hatte.

„Falsch geraten“, sagte ich lediglich und ging an ihm vorbei, „Und wir haben es eilig, also entschuldige uns.“

Train folgte mir ohne ein Wort und wir ließen den Mann einfach stehen, der uns nur verwirrt hinterher sah.

„Silver Rose?“ Train hatte die Stirn in Falten gezogen und schien darüber zu grübeln, warum der Herr mich so genannt hatte.

„Ein Deckname“, gab ich seufzend die Erklärung, „Den haben sie mir gegeben, als ich noch hier gearbeitet habe.“

„Aha“, sagte Train und wirkte sogar ein wenig erstaunt, „Und warum ausgerechnet Silver Rose?“

„Das lag an meiner Kleidung.“

„Was hattest du denn an?“

„Hiermit ist die Fragerunde beendet“, sagte ich schlicht und bog um eine Ecke.

„Komm schon“, sagte Train und beeilte sich hinter mir zu bleiben, „Du hüllst dich wirklich gerne in Geheimnisse, nicht?“

„Jap, kann man so sagen.“ Und da war ich nicht die Einzige.

„Oje.. da hab ich wohl verloren“, seufzte Train.

Mittlerweile waren wir beim The Cremé angekommen. Es war ein nettes, kleines Café in einer normalen Gegend, nicht weiter auffällig oder außergewöhnlich. Da wir eh nichts Besseres zu tun hatten, gingen wir schon mal rein und suchten uns einen schönen Platz am Fenster. Gerade da es angefangen hatte zu regnen, waren wir froh, dass wir ins Trockene kamen und einen dampfenden Milchkaffee bestellen konnten.

„Woher kennst du dich eigentlich so gut aus?“, fragte Train beiläufig, als wir draußen die Leute beobachteten, die ihres Weges eilten oder mit ihren Schirmen wie laufende Pilze aussahen.

Ich überlegte, ob ich antworten sollte. „Na was soll´s“, murmelte ich und fuhr dann etwas lauter fort, „Das hier ist meine Heimat.“

Train sah mich leicht überrascht an. „Du stammst von hier? Aus London?“

„Ist das so unglaublich?“, fragte ich mit einer hochgezogenen Augenbraue.

„Nein, natürlich nicht“, sagte Train und schmunzelte.

„Und was hat dich nun derart überrascht aus der Wäsche blicken lassen?“

„Nichts, nichts.“

„Ich kauf dir das zwar nicht ab, aber egal“, bemerkte ich nur.

In dem Moment läutete das kleine Glöckchen an der Tür und ein weiterer Gast betrat das Café. Seine dunkle Jacke war ziemlich nass, er schien keinen Schirm dabei gehabt zu haben. Dafür aber einen schwarzen Koffer. Er setzte sich genau an den Tisch neben Train und mir und sah in die Karte mit den Angeboten.

„Was möchten Sie bestellen?“, fragte die Bedienung, eine hübsche junge Frau, der die Männer wohl gern schöne Augen machten.

„Einen starken Kaffee“, antwortete der Mann nur kurz angebunden.

„Sonst noch was?“

„Nein.“

Damit verließ die Bedienung auch schon den Tisch und ging in die Küche. Es herrschte Schweigen, denn bis auf Train, meiner Wenigkeit und dem Mann waren nur eine Frau und ein weiterer Mann in dem Café. Anscheinend hatte zurzeit niemand Lust hier her zu kommen.

„Team?“ Es kam von dem Mann neben Train und mir, wir wurden sofort ernst.

„Eleven“, antwortete Train.

„Hier ist die Lieferung“, sagte der Mann und schob den eisernen Koffer mit den Fuß zu mir und Train, „Seid vorsichtig damit.“

„Natürlich“, sagte ich.

Daraufhin stand der Mann wieder auf und verließ das Café, noch bevor die Bedienung ihm seinen Kaffee bringen konnte.

„Okay.. das war früher als erwartet“, stellte ich nur leicht erstaunt fest und legte den Koffer neben mich auf die gepolsterte Sitzbank.

„Wahrscheinlich wurden wir beobachtet“, sagte Train nur und sah nach draußen.

Der Regen tropfte gegen die Scheibe des großen Fensters und noch gut zwei Stunden verbrachten wir damit unseren Milchkaffee zu trinken, dann machten wir uns langsam wieder auf den Weg zum Flughafen. Bis auf das Treffen auf Julie war heute nichts weiter Erwähnenswertes passiert, es war schon fast langweilig. Dabei war es doch eigentlich gut, wenn mal nichts Haarsträubendes passierte.

Wegen des Regens hatte ich mir meine Jacke übergezogen, auch wenn diese keine Kapuze hatte und meine Haare deshalb schon nach wenigen Minuten vollkommen durchnässt waren. Tja, das Wetter in London war nicht unbedingt das Beste, aber das hatte ich meines Erachtens früher schon erwähnt. Wir hatten inzwischen einen etwas abgelegeneren Weg an einigen freien Feldern vorbei eingeschlagen, da wir noch genug Zeit zu vertrödeln hatten. Train folgte mir einfach ohne zu fragen, auch seine Haare waren pitschnass vom Regen, was ihn nicht sonderlich zu stören schien. Er hatte den eisernen Koffer in der Hand und sah sich interessiert um.

Währenddessen kamen wir auch an einem großen, alten Elektrizitätswerk vorbei. Soweit ich wusste, war es schon seit zwei bis drei Jahren nicht mehr in Betrieb oder wurde nur selten noch mal gebraucht. Mit den dunklen Wolken am Himmel und dem alles verschleiernden Regen sah das alte Gelände recht unheimlich aus, zumindest wenn man sich vor so etwas fürchtete.

Als wir gerade neben einem großen Gebäude waren, erklang ein kräftiger Donner und ein Blitz zuckte über den Himmel. Im selben Moment blieben Train und ich erschrocken stehen und starrten das Elektrizitätswerk entsetzt an.

Exakt in der Sekunde, in das Hallen des Donners zu hören gewesen war, hatte es plötzlich eine Explosion gegeben und meterhohe Flammen fraßen sich in das Gebäude. Ich konnte sogar sehen, wie Entladungen an den Leitern hin und her sprangen. Daher konnte ich davon ausgehen, dass aus irgendeinem Grund eine riesige Spannung auf dem gesamten Werk lag. Warum auch immer das so war, das E-Werk schien bereits an Altersschwäche zu leiden oder der Strom war so groß, dass es zu einer Explosion gekommen war. Rauch stieg in den Himmel und noch einmal blitzte es.

Kaum zwei Sekunden später gab es auf einmal eine weitere Explosion, diesmal direkt am Rand des Feldweges, wo auch Train und ich unterwegs waren. Keine vollen zehn Meter entfernt war der meterhohe Zaun völlig zerstört und Rauch geisterte über den Weg und die nahe liegenden Felder.

„Oh mein Gott...“ Viel mehr brachte ich nicht heraus.

Train, der im ersten Moment ebenfalls erschrocken gewesen war, war nun todernst und blickte zu dem Elektrizitätswerk. Jedoch wurde sein und auch mein Blick fast sofort wieder auf den Weg gelenkt.

Plötzlich sprang aus dem Rauch heraus ein Mädchen und landete leichtfüßig auf den Weg. Es war vielleicht zwei Jahre älter als ich und hatte lange, schwarze Haare. Hose und Jacke waren beide ebenfalls schwarz und die Bluse darunter war leuchtendgelb. Ich starrte es nur verdattert an. Dann wanderte mein Blick kurz zu Train und augenblicklich bildeten sich auf meiner Stirn mal wieder tiefe Falten. Train wirkte zwar ungläubig wie ich, doch zugleich auch aus irgendeinem Grund zutiefst erschrocken.

Das Mädchen schien uns unterdessen entdeckt zu haben und – ganz anders als ich es erwartet hatte – winkte lächelnd. Es lächelte! Gerade erst hatte es durch den Zaun  das völlig zerstörte und den Entladungen nach zu urteilen noch immer vollkommen überlastete Werk verlassen und jetzt winkte es uns mit einem freundlichen Lächeln zu. Lag das an mir oder war das normalerweise nicht eigentlich unmöglich? Wie um alles in der Welt konnte das Mädchen nach dieser Explosion, wo es scheinbar auch noch mitten drin gewesen war, einfach lächeln? Mein Verstand tat sich reichlich schwer damit das zu akzeptieren.

„Passt gut darauf auf“, sagte das Mädchen auf einmal und deutete auf ihre Hand, während es Train mit glänzenden Augen ansah. Dann sah es kurz zu mir, lächelte und verschwand dann wieder im Rauch, der zum Teil über den umliegenden Feldern hing.

Ich glaube, ich habe in den letzten Wochen kein einziges Mal so verwirrt ausgesehen wie in diesem Moment. Als ich meinen Blick von der Stelle abwenden konnte, bei der das Mädchen verschwunden war, sah ich erneut zu Train. Er wirkte beinahe fassungslos und hatte die Hände zu Fäusten geballt.

Ein leichter Wind fegte über die freien Wiesen und trieb uns Regen ins Gesicht. Der Rauch stieg weiterhin in die Höhe und das Feuer fraß sich erbarmungslos durch das gesamte Gebäude, in dem wohl mal die Steuerung des Werks gewesen sein musste. Nun dürfte davon nicht mehr viel übrig sein. Und mein sechster Sinn sagte mir, dass dieses Mädchen etwas damit zu tun hatte. Ich wusste nicht wie, doch ich war mir innerhalb von Sekunden beinahe sicher, dass es die Explosion irgendwie verursacht hatte. Nur warum? Und warum wurde ich das Gefühl nicht los, dass Train und dieses Mädchen sich kannten? Warum?

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Über den Autor

SilverRose
Tjaaa.. eigentlich ich bin mehr eine Einzelgängerin und eine komlette Tagträumerin dazu xD
Aber ab und an bin ich auch gerne unter Leuten, wobei es mir etwas an Gesprächsstoff fehlt, es sei denn es geht ums Schreiben und meine Geschichten. Da kann ich tagelang drüber reden :P
Allerdings möchte ich hier auch mal zu meinen Geschichten anmerken, dass sie wirklich lange Stories sind, die sich über einen längeren Zeitraum erst richtig entwickeln und daher auch gut und gerne zwischen zwanzig bis vierzig Kapitel mit unterschiedlichen Längen varieren. Sie sind nichts für Leute, die nur gerne kurze Happen lesen, sondern mehr für die, die auch im normalen Buchladen gerne mal zu einem drei - bis vierhundert-Seiten-Wältzer greifen. Sorry, aber kurz schreiben ist nicht gerade meine Stärke. Wenn ich das versuche, werden sie am Ende nur umso länger xD
(Auch wenn ich ja mittlerweile auch wenigstens ein paar Kurzgeschichten zum Reinschnuppern in meinen Schreibstil habe :P)
Und (der Ordnung halber) die erste Interviewfrage hier oben: Welche Geschichten hast du bisher schon verfasst?
Hm, das sind mittlerweile so einige...meine abgeschlossenen sind der Reihenfolge nach:
Meine abgeschlossenen Manuskripte sind der Reihenfolge nach:
1.1) Das Geheimnis der Federn: Die Wächterinnen der Federn;
1.2) Das Geheimnis der Federn: Der Kampf gegen die Finsternis;
2) Kyra: Die Wahl zwischen Licht und Finsternis;
3) Scarlett und das Geheimnis von Avalon;
4.1) Kampf der Geister: Vertrag;
4.1) Kampf der Geister: Geschwister der Dunkelheit;
5) Das verlorene Buch;
6) Silver Rose: Das Gesetz der Killer;
7) Der Schlüssel zum Tor der Feuergeister;
8) Reinblut & Halbblut;
9) Die Wächterin von Reilong;
10) Die letzte Zauberin;
11.1) Juwelenritter: Das vergessene Jahr des Blutes;
11.2) Juwelenritter: Die sieben Höllenfürsten;

Meine noch laufenden Geschichten (auch wenn ich nicht weiß, ob und wann ich es schaffe sie zu beenden) sind:
11.3) Juwelenritter: Dämonenherz (aktiv)
12) Bund mit dem Tod (neu - auf Standby)

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