Kurzgeschichte
Im Wald der Gefühle

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"Im Wald der Gefühle"
Veröffentlicht am 10. Dezember 2011, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Frage nicht nach meinem Namen, denn er bestimmt nicht, wer ich bin. Frage nicht nach meinem Alter, denn es sagt nichts über meine Stärke aus. Weder die geistige, noch die körperliche. Frage nicht nach meinem Aussehen, denn das Aussehen kann sich verändern. Hast du jedoch Fragen außerhalb der Ausnahmen, so stelle sie weise. Denn das Recht der Beantwortung liegt am Ende bei mir.
Im Wald der Gefühle

Im Wald der Gefühle

Beschreibung

Dies war mein (nun leicht überarbeiteter) Beitrag zu dem PoetrySlam. Auch wenn ich den Sieg nicht einfahren konnte, bin ich nicht von der Strecke abgekommen. ^^ Die ursprüngliche Variante wurde von PhanThomas vertont. Noch einmal danke dafür. =)

In einer alten Hütte nicht weit von einem kleinen Wald entfernt, lebte ein alter Mann. Immer kurz vor Winter bekam er von seinem Enkel Besuch. Jedes Mal erzählte der alte Mann ihm eine Geschichte und hier fing eine dieser Geschichten an:

„Opa, von was wirst du mir heute erzählen? Von Drachen, die Zuckerwatte spucken, oder vielleicht von besoffenen Kobolden, die dann Brücken abknutschen?“ sagte der Enkel in einem belächelnden Tonfall.

„Nun halt mal deinen Rand, du Bürschchen. Ich weiß, dass du meine Geschichten für Humbug hältst. Deshalb werde ich dir diesmal von einem Ort erzählen, den wir alle einmal in unserem Leben besuchen und manche ihn auch nie wieder verlassen. Du wirst da auch noch hinkommen, da kannst du Lebertran drauf nehmen, mein Kleiner.“

Der Enkel war nicht gewohnt so ernste Worte von seinem Opa zu hören und so war seine Aufmerksamkeit auf das Äußerste gespannt. Der alte Mann merkte dies und fing zu erzählen an.

„Auf dieser Welt gibt es einen geheimnisumwobenen Wald, der auf keiner Karte zu finden ist, und doch geht jeder von uns im Leben einen Weg, der uns hinein führt. Ich war vor vielen Jahren auch auf diesen Weg gelangt und kaum, dass ich wusste wie mir geschah, sah ich mich von Bäumen umgeben. Doch diese Bäume wirkten eigenartig. Sie schienen mir so vertraut, als könnte ich jeden einzelnen beim Namen nennen, als hätte ich jeden von ihnen selbst eingepflanzt und großgezogen. Ich fühlte mich nicht unwohl, aber es verstörte mich, dass ich nicht benennen konnte, woher diese Nostalgie kam. Dann sah ich mir einen Baum, der ein wenig größer und dicker war, genauer an und entdeckte an seinen Wurzeln einen alten Hammer. Als ich als junger Spund in die Welt rauszog, habe ich mit ihm kleine Hausarbeiten für andere verrichtet und mir so Geld verdient. Später wurde ich dann Zimmermann. Der Hammer hatte mich all die Jahre über, bis es Zeit war mich von ihm zu trennen, begleitet.

Ich wusste nicht, wie er dahin gekommen war, doch ließ ich ihn da liegen. Es schien mir, als würde er genau zu diesem Baum gehören. Als wolle der Hammer selbst nicht von diesem Baum weg.

Zu viel Zeit wollte ich aber nicht verlieren und setzte meinen Irrweg durch diesen Forst fort. Ich muss jedoch eine falsche Richtung eingeschlagen haben, denn auf einmal wirkten die Bäume um mich herum bedrohlich. Sie hatten keine Blätter mehr und ließen ihre Äste, als würden sie versuchen nach mir zu greifen, nach unten ragen. Mir war so, als würden alle meine Ängste auf mich einwirken und mich in die Knie zwingen. Ich fühlte mich ganz klein und hilflos, sank zu Boden und war kurz geneigt die Augen fest zu schließen, damit dieser Schrecken ein Ende fand. Was mich davon abgehalten hatte, war ein Feuer, das nicht weit von den kahlen Bäumen loderte. Auf allen Vieren kroch ich anfangs hin. Doch mit jedem Zentimeter, den ich ihm näher kam, wuchs eine Energie in meinem Inneren, die mich zum Aufstehen veranlasste und die Fäuste ballen ließ. Kaum hatte ich den letzten dieser Bäume hinter mir gelassen, war ich schon in einem Flammeninferno. Die Flammen züngelten an mir hoch, die Hitze brannte in der Lunge, dass ich kaum noch Luft bekam und nur noch Stoßweiße atmete, aber ich fühlte keinen Schmerz. Es war eher so, dass ich innerlich völlig kalt war, alles wie in Zeitlupe ablief und mein Blick ein unbekanntes Ziel suchte, worauf ich diese Flammen richten konnte. Ich wusste, dass es da war und ich es nur finden müsste. Dieses eine Ziel, welches das zehnfache aller mir zugefügten Schmerzen ertragen und schlussendlich verschwinden würde.

Eine kleine Blume im Flammenmeer brachte mich zur Besinnung. Sie stand so allein und doch trotzend da, versprühte aber einen angenehmen Duft, der mich an meine Mutter erinnerte. Die Flammen um mich herum wurden kleiner bis ich einen fast verbrannten Pfad erkannte, dem ich schnell folgte.

Wie lange ich dem Pfad folgte, kann ich nicht mehr sagen, aber irgendwann erreichte in eine Kreuzung. Was mich verwunderte, war der Umstand, dass es zum ersten Mal eine Beschilderung gab. Ein Wegweiser stand in der Mitte und zeigte in drei Richtungen. Links ging es zur Verwirrung. Ein Blick in diese Richtung und es genügte mir mich verwirrt zu fühlen, denn ich sah am Horizont fliegende Schweine, wild durcheinander irrende Zahlenreihen und den Pfad, der sich zum Himmel hochdrehte. Da wollte ich sicher nicht hin.

Gerade aus lag die Vernunft. Ich hatte schon den ersten Schritt in diese Richtung gesetzt, als mir auffiel, wie ordentlich alles wirkte. Es war nicht langweilig, aber war es auch nicht spannend. Als wüsste man schon, was in einem Geburtstagsgeschenk verpackt ist, welches man von einem völlig Fremden bekommt.

So richtete ich meinen Blick auf die letzte Möglichkeit und bestieg den Weg Richtung Möglichkeiten.

Nach wenigen Schritten bereute ich meine Entscheidung, denn vor mir tat sich ein Labyrinth aus Abzweigungen auf. Manche waren mit Sonnenschein erhellt, während ich auf anderen durch Ströme von Regen wandeln musste. Jede Abzweigung hielt etwas Neues für mich bereit, mir wurde es nie langweilig, aber irgendwas fehlte mir immer wieder, egal wie schön die Umgebung erschien. Und wenn der Weg beschwerlich war, sehnte ich mich nach etwas, das ich nicht benennen konnte.

Mehrere Stunden vergingen auf diesen Wegen, als ich wieder eine Abzweigung nahm und auf einer Lichtung stand. Mich überkam ein Glücksgefühl, das ich zuvor nicht kannte. Die Sonne schien so farbenfroh auf das Gras, während ich darüber zu schweben schien. Es kitzelte meine Füße und die sanften Windböen strichen über meine Wange. Die vielen bunten Schmetterlinge auf der Lichtung versammelten sich auf meinem Bauch um dann paarweise eine Rose, Tulpe oder Lilie anzufliegen und über ihnen einen Tanz zu vollführen. Dieses Gefühl wollte ich nie wieder missen und so überlegte ich, ob ich nicht für immer auf dieser Lichtung bleiben sollte, doch noch während sich dieser Gedanke formte, zerbrach die Schönheit um mich herum und die Lichtung verwandelte sich in eine Symbiose aus allen bisher durchschrittenen Gebieten. Kahle Bäume ragten hoch, während Feuer in mehreren Ecken hochzüngelten. Der Weg, der vorher gerade verlief, spaltete sich in viele auf und das Gras schien seinen Nachbarn rauszureißen, ihn zu drehen und zu rauchen. Es war ein heilloses Durcheinander. Hinzu kam, dass mit der Veränderung die Sonne verschwand und Regen und Donner und ein eisiger Wind einsetzten. Nun fehlte mir wieder etwas und ich überlegte immer noch auf dieser Lichtung zu bleiben, doch aus Gründen, die ich selbst nicht verstand. Und das wäre ich auch, wenn nicht einige Irrlichter auf mich zugeschwebt wären und mir Wärme und Stärke vermittelt hätten. Dank ihnen nahm ich einen der verzweigten Wege und führte meine Suche nach einem Ausgang fort.“

„Opa, das war ja eine klasse Geschichte, aber wie bist du aus diesem Wald wieder rausgekommen? Erzähl doch weiter,“ drängte der Enkel ihn zum Fortgang.

„Mein Junge, ich bin nie aus diesem Wald rausgekommen“ sagte der alte Mann mit einem herzhaften Lachen. „Was ich dir aber sagen kann, ist, dass ich noch oft diese wunderschöne Lichtung betreten habe und beim letzten Mal ist sie so schön geblieben, dass ich sie nie wieder verlassen hab.“

„Aber Opa, du sitzt doch hier vor mir, wie kannst du dann den Wald nie verlassen haben?“ fragte der Junge verwirrt.

„Das wirst du verstehen, wenn du älter geworden bist, mein Kleiner“ antwortete der alte Mann mit einem Lächeln und tätschelte seinem Enkel den Kopf. „Nun komm aber, deine Großmutter hat sicher das Essen schon fertig. Oh, und wenn sie dich fragt, welche Geschichte ich dir heute erzählt habe, sag ihr, dass es die Geschichte vom Wald der Gefühle war.“

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Über den Autor

Luzifer
Frage nicht nach meinem Namen,
denn er bestimmt nicht, wer ich bin.
Frage nicht nach meinem Alter,
denn es sagt nichts über meine Stärke aus.
Weder die geistige, noch die körperliche.
Frage nicht nach meinem Aussehen,
denn das Aussehen kann sich verändern.

Hast du jedoch Fragen außerhalb der Ausnahmen,
so stelle sie weise.
Denn das Recht der Beantwortung
liegt am Ende bei mir.

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Luzifer Re: Hallöchen :-D -
Zitat: (Original von Schlauchen am 05.02.2012 - 11:47 Uhr) Vielleicht kennst du mich ja noch, aber ich hatte dich abonniert und hab mich mal dran gemacht ein bisschen was auch wieder zu lesen, lieber Luzifer :-)
Die Story ist äußerst bildhaft, was ihr eine gewisse Plastizität verschafft, sehr, sehr schön.
Am besten fand ich jedoch die Tatsache, dass du dem Leser den Spielraum gewährst, seine eigenen Interpretationen zuzulassen.
Ich liebe sowas, wenn man seine eigenen Schlüsse ziehen darf.

Also, freu mich auf mehr von dir!
Liebe Grüße,
Caro

Klaro kenne ich dich noch.
Obwohl ich auch zugeben muss, dass ich nicht viele Werke von dir gelesen habe, was aber nichts mit Unwollen, sondern Zeitmangel zu tun hat. =)
Freut mich, dass du auch genau die Punkte angesprochen hast, die ich mit diesem Text erreichen wollte. Das gibt einem das Gefühl, dass man doch was richtig gemacht hat.

Mehr aus meiner Feder/Fingern wird aber wohl noch dauern. Zunächst will ich erst meine älteren Texte aussortieren und umarbeiten. Aber einige Ideen kommen wir für neue Texte schon.

Liebe Grüße
Luzifer
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Re: Hätte ich schon lange lesen sollen. - Steht da irgendwo ein Name der Blumen? Nein. Es gibt auch Blumen, die ihren Duft versprühen. Naja, eigentlich sind es ja wohl Pollen oder sowas, aber kommt auf das Gleiche hinaus. ^^

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Ich habe extra in der Beschreibung geschrieben, dass Thomas seine Stimme zu der "Urfassung" zur Verfügung gestellt hat. ;)

Also ehrlich... die Vorlieben des Enkels kannst du doch gar nicht kennen um sagen zu können, dass er die Geschichte nicht gut finden würde bzw. er seine Begeisterung nur heuchelt. Schließlich wird ja nur gesagt, dass die vorherigen Geschichten, wie er andeutet, doch sehr unglaubwürdig und womöglich kindisch waren. Da ist es schon im Rahmen des Glaubhaften, dass er eben dieses "zerstückelte" Werk mochte. Im Übrigen gibt es hier einen roten Faden. Es kann natürlich sein, dass er ein wenig blass rüber kommt, aber selbst das ist Absicht. ^^

Meine Aussage? Hmm, natürlich könnte ich sagen, dass es keine gibt oder das sie versteckt ist, aber sie ist im Grunde so klar, dass sie schon durchsichtig ist. =)

Zu deinem Einwand kann ich getrost sagen, dass der Auslass von mehr Details und Bildern gewollt ist. Es sollte alles immer noch ein wenig verzerrt und glasig bleiben. Der Leser sich einen Teil der Geschichte selbst erzählen.

Liebe Grüße
Luzifer
Vor langer Zeit - Antworten
hanni86 Hätte ich schon lange lesen sollen. - Also zuerst einmal versprühen Blumen doch keinen Duft! Mensch, die verströmen! :-)
Zweitens hast du mir mit deiner Stimme gerade einen gehörigen Schrecken eingejagt - das ist nämlich gar nicht deine!

Aber genug der rufzeichenendenden Sätze.
Die Geschichte ist schön, find ich. Hm. So ganz bin ich vom Enkel ehrlich gesagt nicht überzeugt, ich find diese Rahmenhandlung ein wenig künstlich, unnötig, so dass sie mir beim Lesen ein wenig den Zauber genommen hat. Als Aufhänger und Anknüpfungspunkt ist es aber natürlich ein hilfreiches Mittel und meine ist nur eine unter vielen Meinungen. Naja, wurstegal.
Was die Bilder betrifft, da stimm ich den anderen zu, die sind sehr eingängig. Ich hätte sie aber gerne ein bisschen, hm, ein bisschen mehr davon gehabt einfach. Andererseits hätte ihnen zu viel Detailreichtum wieder viel weggenommen, also kann es gut sein, dass es genau so wie es hier steht am besten ist.
Wie so oft bin ich bei deinem Text hin und her gerissen und ich scheitere daran auf den Punkt zu bringen was ich sagen will. Vermutlich weil es mir selber unklar ist und ich dem Text so ambivalent gegenüberstehe.
Dem Enkel trau ich nicht zu diese Geschichte so toll zu finden, dazu ist sie zu zerstückelt, plätschert ohne roten Faden dahin. Vielleicht irritiert mich das? Oder der alte Herr, der so sehr zu meinen scheint alles zu kennen?

Deine Antwort auf Gundas Kommentar mag ich. Und den Gedanken, den du in den Raum stellst, dass manche Menschen durch den Wald gehen und sich einreden es doch nicht zu tun, aber gar nicht anders können als es eben schon zu tun.
Oder auch nicht? Ach ich weiß es nicht.

Was zum Henker ist denn nun deine Aussage!? (Also doch wieder ein Rufzeichen.^^)

Hm. Wie beinahe immer lässt mich dein Text die Stirn runzeln und während das den entstehenden Falten zur Freude gereicht, hm, ach ich weiß auch nicht. Aber mögen tu ich sie. Japp.

Liebe Grüße,
Hanni
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Re: Tja ... -
Zitat: (Original von Gunda am 11.12.2011 - 15:14 Uhr) ... im Wald der Gefühle kann man sich rettungslos verirren. Aber es soll ja Leute geben, die diesen Wald ... so gut wie nie betreten, hm?

Gut erzählte Geschichte, Luzi. Sehr bildreich und mit viel Interpretationsraum.

Lieben Gruß
Gunda

Ich bin mir sicher, dass sie ihn betreten, aber sich selbst nicht eingestehen wollen, dass sie in diesen Wald gehen. Schließlich ist die Gefühlswelt so facettenreich, dass es für manche Nuancen nicht einmal einen Namen gibt. =)

Danke. Mir war es wichtig vor allem die Bilder zu verdeutlichen ohne jedoch zu viel am Interpretationsraum wegzunehmen.
Freut mich, dass es Anklang findet.

Lieben Gruß
Luzifer
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Tja ... - ... im Wald der Gefühle kann man sich rettungslos verirren. Aber es soll ja Leute geben, die diesen Wald ... so gut wie nie betreten, hm?

Gut erzählte Geschichte, Luzi. Sehr bildreich und mit viel Interpretationsraum.

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Re: Schön! -
Zitat: (Original von Principessa62 am 10.12.2011 - 21:32 Uhr) Hallo erstmal,

schöne Idee und die Geschichte ist sehr interessant!
Was der Großvater erzählt kann man auf viele Arten und Weisen interpretieren. Das Feuer zum Beispiel im Wald. Oder generell der Wald. Alles sehr poetisch wenn man es auf eine höheren Ebene betrachtet.
Und das Ende erst! Göttlich! *schwärm*
Kritik gibt es nicht, nur Lob!! Ich finde sie perfekt!!!

LG
Ronja

Schön, dass es dir gefällt. Aber auch ein Lob ist eine Form der Kritik. ;)
Werte Grüße,
Luzifer
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