Romane & Erzählungen
Shakespeare hat nicht immer Recht - Teil 3 - Eine Posse in 5 Akten

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"Shakespeare hat nicht immer Recht - Teil 3 - Eine Posse in 5 Akten"
Veröffentlicht am 05. November 2011, 26 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Bin Mitte 40, habe in Bonn Theologie studiert, arbeite aber jetzt was ganz anderes :-) Verheiratet ohne Kinder, habe aber trotzdem weniger Zeit zum Schreiben, als ich möchte. Trotzdem habe ich es geschafft, ein ganzes Buch zu schreiben, DIN A4 doppelseitig bedruckt immerhin 240 Seiten. Und jetzt habe ich den Schritt gewagt und es als reines E-Book auf Amazon veröffentlicht ( ...
Shakespeare hat nicht immer Recht - Teil 3 - Eine Posse in 5 Akten

Shakespeare hat nicht immer Recht - Teil 3 - Eine Posse in 5 Akten

Beschreibung

Verdammt beliebt ist Dr. Chris Petersen bei den Frauen, was er auch weidlich ausnutzt. Nur die streitsüchtige Dr. Kate Fielder nervt ihn total. Aber die sieht eh zu gut aus, um etwas auf dem Kasten zu haben! Oder?

3. Akt

„Ähem“, kam es jetzt von John, „es ist schon spät, vielleicht sollten wir alle zusammen in die Cafeteria gehen?“ Der Vorschlag wurde allgemein angenommen und wir verließen den Raum, zuletzt Kate und ich. Sie blieb kurz stehen und sah mich an.

 

„Keine Sorge, das mit dem Italiener steht noch.“ Aufrichtig antwortete ich:

„Das will ich doch hoffen! Es gibt dann doch ein Menge, das ich dich fragen wollen würde..“ Ich verstummte ob meiner seltsamen Konstruktion und sie lachte.

„Das Ãœbliche, nehme ich an, wo ich herkomme, warum ich im Waisenhaus war... Es war übrigens das Heim, das mir diesen Namen neu gab. Die Leiterin war sehr angetan von Shakespeare.“

„Eigentlich eher über deine Arbeit-“, begann ich, doch sie legte den Finger an die Lippen.

„Jetzt eh noch nicht, hast du vergessen? Ich muss mir den Artikel doch erst noch runter laden und auswendig lernen...“ Damit war sie aus dem Labor verschwunden und ließ mich geschockt zurück. Sie hatte also die ganze Zeit geahnt oder gewusst, dass und wie sehr ich ihr misstraute. Dann fiel es mir bei diesem burschikosen Abgang wie Schuppen von den Augen: Shakespeare! Käthchen! The taming of the Screw, Kiss me Kate... Hatte das Stück vielleicht Pate gestanden?

 

Hastig lief auch ich nun hinter den Dreien her. Da ich ein Stück entfernt war, konnte ich gut sehen, wie oft sich entgegen kommende Männer nach Kate umsahen und dann ganz bestimmte Blicke miteinander tauschten. Plötzlich tat sie mir leid und ich war ein wenig wütend auf meine Geschlechtsgenossen. War das denn wirklich alles, was uns interessierte? Auch wenn in diesem Körper ein noch so brillanter Geist wohnte, wir dachten nur an das Eine... Aber gleichzeitig fragte ich mich, warum sie sich dann nicht anders kleidete. Sahen unsere Studentinnen deswegen wie Blaustrümpfe aus?

 

In der Cafeteria war es jetzt, nachdem ich es bewusst wahrnahm, nicht viel anders. Meine neue Kollegin allerdings ignorierte alles Geraune und die Blicke und setzte sich mit meinen alten Kollegen zusammen; ich gesellte mich mit meinem Tablett zu ihnen. Eh wir es uns versahen, waren wir in eine heftige Fachsimpelei verwickelt, etwas, das bei uns Dreien nicht neu war, nun aber durch Kate eine neue Dimension (!) betrat.

 

Da sie neu war, war sie natürlich noch nicht Teil unseres Beziehungsgeflechts und unsere Diskussion gewann dadurch an Neutralität. Sie hörte sich Argumente ruhig an, fragte gelegentlich nach, gab zu, wenn sie etwas für einsichtig hielt. Manchmal aber kämpfte sie mit Messern und Klauen um eine These. Wir fuhren alle zusammen, als Kate plötzlich ans Telefon gerufen wurde. „Ah endlich“, sagte sie und eilte ins Büro. Diesen Moment nutzte Ryan, ein Kollege aus dem Bereich englische Literatur mit viel zu eng zusammen stehenden Augen, um sich an uns ran zu wanzen. Bzw. über uns an Kate ran zu kommen.

 

„Mensch, die ist ja Zucker, eure neue Kollegin. Könnt ihr nicht mal ein gutes Wort für mich bei ihr einlegen?“

„Verzieh dich Ryan“, ranzte ich ihn ungewollt aggressiv an. „Bleib lieber bei deinen Jane Austen-Püppchen, okay!“

„Okay okay“, grummelte er verschreckt und zog sich zurück, während Steve und John mich erstaunt ansahen. Aufgebracht zuckte ich mit den Schultern.

„Na ist doch wahr! Schließlich waren wir gerade in einer fachlichen Diskussion und wir sind hier nicht mehr auf der Highschool!“ Da kehrte sie auch schon zurück, durchquerte den Raum, der sich nun schon, da es bereits spät war, fast gänzlich geleert hatte, und strahlte über das ganze Gesicht.

 

Gelöst hockte sich sich im Reitersitz auf einen der Stühle. „Es ist alles geklärt“, keuchte sie leicht atemlos vom Laufen, „sie beanspruchen keines der Ergebnisse für sich. Ich bin frei!“ Dabei streckte sie die Arme weit aus, wobei sich das Top bedrohlich über ihrer Oberweite spannte. Ich bemerkte, dass doch noch ein paar Kerle übrig geblieben waren, die diesen Anblick nun sichtlich genossen. „Jetzt werde ich noch ein wenig an meinem Vortrag feilen...“

 

„Wunderbar“, sagte ich und erhob mich. „Ich meine, dass du frei bist. Wenn du magst, begleite ich dich dann jetzt in unser Zimmer, der Campus ist im Dunklen bisweilen tückisch.“ Sie zog eine Augenbraue hoch, ob als Reaktion auf die Ansage 'unser' Zimmer oder auf meine Ritterlichkeit, konnte ich nicht sagen.

 

„Gut, gerne. John, Steve, wir sehen uns ja dann morgen...“ Die Zwei verabschiedeten sich von ihr, Steve überflüssigerweise mit einem Handkuss, dann folgte Kate mir nach draußen. Schweigend, aber in einem bisher unbekannten Waffenstillstand, überquerten wir das Gelände. Kurz vor der Tür stoppte ich.

 

„Brauchst du Ruhe zum Schreiben? Soll ich mich noch eine Weile verziehen?“ Da sprach wirklich nur der Wissenschaftler aus mir. Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

„Um ehrlich zu sein, am besten kann ich lernen, wenn ich nicht alleine bin, ist wohl ein Relikt aus meiner Kindheit. Aber wenn noch jemand auf dich wartet …. ich meine, wenn du noch was vorhast...“ Oh, da war wohl ein gewisser Ruf zu ihr durch gedrungen! Verärgert schüttelte ich den Kopf. Was bildete sie sich ein? Was ich privat tat, ging sie doch gar nichts an!

 

Schon wieder wütend änderte ich den Plan. „Aber wenn du meinst, dann gehe ich mich halt noch etwas amüsieren“, bellte ich, drehte mich um und stapfte davon, ließ sie einfach stehen. Sicher nach Hause gebracht hatte ich sie ja nun. Ich verzog mich in ein kleines Diner am Rand des Campus, hockte mich dort in eine Ecke und versuchte, mich auf die Nachtausgabe der Zeitung zu konzentrieren. Nach zwei Stunden reichte es mir und ich ging zurück. Von weitem sah ich noch Licht aus dem Fenster scheinen, das aber plötzlich erlosch. Schade, ich hätte ihr gerne einen Bären aufgebunden. So aber suchte ich mir im Dunkeln meinen Weg ins Bett und fiel rasch in unruhige Träume.

 

Diesmal wachte ich als Erster auf. Durch ein Fach der provisorischen Trennwand konnte ich das Phänomen, das seit ein paar Tagen gegen meinen Willen mein Denken beherrschte, beim Schlafen beobachten. Ihr Gesicht war gelöst, sie sah irgendwie zufrieden aus. Dann schlug sie die Augen aus, unwillkürlich trafen sich unsere Blicke. Prompt sah sie gar nicht mehr glücklich aus. Das gab mir einen Stich.

 

„Guten Morgen!“, sagte ich deshalb ungewohnt freundlich.

„n'Morgen“, kam es von ihr noch recht verschlafen und sie streckte sich. In Gedanken musste ich den Männern aus der Cafeteria gestern Abbitte leisten, denn auch mir fiel es schwer, hier weg zu gucken. Irgendwie musste ich weiter quatschen.

„Heute ist der große Tag, hm?“

„Ja, sieht so aus... Tut mir leid, wenn ich dich gestern aus dem Zimmer vertrieben habe.“

„Hast du eigentlich gar nicht. Ich war nur sauer, weil....“ Ich verstummte, wusste gar nicht, was mich da ritt. Aber egal, das musste jetzt raus.

„Ich weiß nicht, was du über mich gehört hast, aber ich bin sicher nicht DER Campus-Casanova.“

„Hm.“

„Ich meine, ja, ich lebe nicht im Zölibat, aber es stimmt einfach nicht, dass ich jeden Abend Eine flach lege!“ Sie kicherte.

„Flachlegen! Ein herrliches Wort!“ Da hatte sie Recht. „Da bin ich ja beruhigt. Ich dachte, das wäre der Grund, warum du so sauer darüber bist, dass ich hier bin, also hier in deinem Zimmer.“

„Naja, so ganz normal ist das ja auch nicht.“

„Aber du hast dich schon ziemlich angestellt!“ Widerstreben musste ich das zugeben.

„Jaa, du hast aber auch eine Art, Einen auf die Palme zu bringen...“

„Du meinst, weil ich nicht so brav kusche, wie die meisten Weibchen, die du kennst?“

 

Ich ging nicht direkt auf diese Spitze ein, nutzte sie aber statt dessen für meine nächste Frage. „Nicht böse sein, aber wenn du nicht so gut auf diese Weibchen zu sprechen bist, warum ziehst du dich dann an wie eines?“ Sie schwieg und ich fürchtete schon, das nächste Kriegsbeil ausgegraben zu haben. Endlich kam eine Antwort von ihr.

 

„Warum sollte ich denn nicht?“

„Häh?“

„Warum sollte ich unbedingt mit Macht verbergen, dass ich mit Leib und Seele gerne eine Frau bin? Dass ich mich weiblich fühle, auch wenn mein Verstand besser funktioniert als der von vielen führenden Männern in der Welt? Etwa nur deswegen, weil eben diese Männer damit so ganz und gar nicht zurecht kommen?“ Sie holte tief Luft. Den Vortrag hielt sie offenbar nicht zum ersten Mal, aber ihr Ton blieb relativ ruhig. „Nur weil Titten entweder für doof oder für 'leicht zu haben' stehen, soll ich sie unter weiten Pullis verbergen? Weil eventuell irgendein Kerl in der Nähe seine Gier nicht unter Kontrolle hat, muss ICH dafür sorgen, dass er gar nicht erst in Versuchung kommt? Darf eine Frau nicht klug sein UND hübsch daher kommen?“

 

Kein Zweifel, sie hatte ja Recht. In meiner geistigen Umnachtung hatte ich engstirnig wie ein Macho gedacht.

 

„Sieh dich doch an“, fuhr sie fort, „du bist gut gebaut, siehst gut aus“, ich schluckte das verborgene Kompliment mit Wohlgefallen, „würdest du auf die Idee kommen, dich in weite Säcke zu hüllen, damit die Leute deine Intelligenz nicht in Zweifel ziehen?“ Die Vorstellung brachte mich zum Lachen.

 

„Hör auf, du hast ja Recht.“ Ich richtete mich auf und sah gezielt zu ihr rüber. „Ich möchte mich in aller Form für meinen Faux Pas entschuldigen!“

„Angenommen.“

„Und jetzt gehen wir duschen.“

„Was?“

„Ach komm, ich hab mich schon so daran gewöhnt... Außerdem können wir dann weiter quatschen.“ Was mich da ritt, wusste ich selber nicht, aber so wollte ihr Etwas in mir vielleicht beweisen, dass ich in ihr die gleichwertige Kollegin sah und gleichzeitig, dass ich eben nicht der abscheuliche Womanizer war, für den sie mich zu halten schien. Okay, ich hatte einen Schlag bei den Frauen. Aber sooo schlimm war ich nun auch wieder nicht!

 

„Na gut! Wer zuletzt dort ankommt, ist Isaac Newton!“, rief sie und rannte zur Tür. Kaum dass sie durch war, war ich auch schon hinter ihr und wir liefen gleichauf, ausgelassen wie kleine Kinder. Kurz vor dem Ziel versuchte sie mich abzudrängen, doch ich fing sie ab und warf sie mir kurzerhand über die Schulter.

 

Im Duschraum warf ich wieder einmal das kalte Wasser zuerst an, diesmal, um meine Gefangene darunter zu halten. Sie quiekte und strampelte pflichtgemäß, hielt aber plötzlich still, als ich gnadenhalber das Wasser wärmer drehte. Dann setzte ich sie ab und wir lachten, als wir unsere nassen Klamotten sahen und fühlten.

 

„Uäh“, machte Kate dann und schälte sich aus ihrem nassen Pyjama, während auch ich mich ganz ungezwungen von meiner Boxershorts trennte. Sie hielt nun das Gesicht in den Wasserstrahl, was mir die Gelegenheit gab, sie wirklich genau an zu sehen. Was für ein Körper! Gottseidank hatte ich meinen Blick wieder oben, als sie mich plötzlich wieder ansah und lachte.

 

„Und, gefällt dir was du siehst?“ In jeder anderen Situation hätte das ungemein verfänglich geklungen, hier komischerweise nicht. Vielleicht wegen ihres Vortrags vorhin. Deswegen nickte ich einfach schlicht.

 

„Ja Kate, du hast einfach eine fantastische Figur.“

„Danke. Du kannst dich übrigens auch sehen lassen.“ Okay, doch wieder Zeit für den Kaltwasserhahn! Ich drehte mich etwas weg und suchte ein unverfänglicheres Thema.

 

„Wie kann ein Mensch denn eigentlich so perfekt sein? Super intelligent, super hübsch, wo ist der Haken?“, neckte ich sie aus der Sicherheit des kräftigen Strahls, unter dem die leichte Erregung, die mich überkommen hatte, langsam abklang.

 

„Muss es denn da Einen geben? Aber du hast Recht“, sagte sie, während sie sich einseifte, was ich jetzt zum Glück wieder gefahrlos mit ansehen konnte, „und du hast es ja auch schon kennen gelernt. Ich bin aufbrausend und stur, lasse mich allzu leicht provozieren... Manchmal bin ich mit Anderen, nicht so, hm, begabten, zu ungeduldig, sage zu oft, was ich denke... Ach ja, und ich kann nicht kochen!“

„Verdammt! Das gibt ja dem Ganzen den Todesstoß!“, grinste ich, inzwischen wieder locker. „Also haben sie es euch im Waisenheim nicht beigebracht?!“ Zugegeben, das war ein Test, wie unverkrampft sie über dieses Thema reden konnte. Sie enttäuschte mich nicht.

 

„Oh, sie haben es versucht, aber bei mir ist da einfach nichts hängen geblieben. Ich hab lieber über meinen Bücher gebrütet.“ Inzwischen war sie fertig, drehte das Wasser ab und sah mich etwas ernster an.

„Ich kann gar nicht sagen, was für ein Glück ich hatte, ausgerechnet in diesem Heim auf zu wachsen. Es war nicht kirchlich oder staatlich, sondern privat und humanistisch. Man legte es nicht so zwingend darauf an, Klischees zu fordern, sondern mehr darauf, Talente zu fördern.“

„So ein Glück! Darf ich fragen, wie es überhaupt kam, dass du dort warst? Und anscheinend nicht adoptiert wurdest?“

„Ja, warum nicht? Ist ja schon ein paar Tage her.“ Doch an der Art, wie sie sich jetzt in ihr Handtuch einwickelte, irgendwie trostsuchend, meinte ich zu erkennen, dass es trotzdem nicht einfach für sie war. Sie fing meinen Blick auf und lächelte nun mich tröstend an. „Keine Sorge, ist wie eine Therapie für mich. Auch wenn es mich manchmal traurig macht.“

 

So erzählte sie, während wir wieder zurück in unser Zimmer gingen, folgendes: „Also die Kurzfassung ist, dass ich die ersten zwei Jahre mit meinen Eltern aufgewachsen bin. Dann gab es einen Unfall, einen Brand, bei dem sie ums Leben kamen. Leider gab es keine Verwandten, zu denen ich gekonnt hätte.“ Sie kannte die Frage, die sich meist daraus ergab, scheinbar schon: „Also, es gab Verwandte, aber die wollten kein kleines Kind bei sich aufnehmen.“ Das hatte sicher weh getan, doch der Hammer kam noch. „Und als ich eigentlich alt genug war, erschien ich ihnen zu dickköpfig und schlecht erzogen. Wie auch ein paar anderen Adoptionswilligen. Die wollten lieber die Klischeemädchen. Aber denk dir nichts, ich glaube, das wäre so oder so nicht gut gegangen.“

 

Trotz ihrer Abgeklärtheit spürte ich die Trauer hinter ihren Worten und musste an meine Kindheit denken. In dem kleinen, aber feinen weißen Häuschen, dem Apfelkuchen meiner Oma und den ausgelassenen Verwandtenbesuchen an den Sonntagen. Ich musste unbedingt mal wieder meine Mutter anrufen!

 

Wir waren im Zimmer angekommen und zogen uns an. Kate schüttelte sich wie ein nasser Pudel. „Jetzt aber genug davon, ich sollte mich nun besser auf meinen Vortrag konzentrieren.“

„Verträgst du ein Frühstück vorher? Ich meine, ein richtiges, keines aus der Kantine?“

Überrascht sah sie mich an. Heute trug sie ein Kostüm, das absolut nicht steif wirkte, dazu sehr hübsche Pumps.

„Hast du nicht eigentlich genug von mir? Jetzt auch noch frühstücken?“ Ich zuckte die Achseln.

„Na, jetzt kommen wir uns doch grade näher. Da können wir doch auch wie zwei Freunde miteinander frühstücken, oder nicht?“ Sie sah kurz weg, dann wieder zu mir her.

„Freunde, das klingt sehr nett! Dann mal los!“

 

So kam es, dass wir im Diner frühstückten und uns dabei weiter aus unseren Leben erzählten. Sie schien sehr angetan von den fast schon kitschigen Anekdoten aus meiner behüteten Kindheit, während sie manch lustige Geschichte aus dem Heimalltag zu erzählen wusste. Irgendwann sah ich auf die Uhr. „Oweh, du solltest dich beeilen!“ Für einen Moment verdunkelte sich ihr Gesicht.

„Kommst du denn nicht?“ Empört sah ich sie an.

„Wie könnte ich mir das entgehen lassen!! Aber ich mach hier noch die Rechnung klar, du allerdings solltest nicht zu spät kommen!“ Sie hüpfte aus der Bank, hauchte mir einen Dankeskuss auf die Wange und lief aus dem Diner. Nicht nur meine Blicke folgten ihr.

 

Der Vortragssaal, obgleich eh schon der größte im Campus, platzte schier aus allen Nähten. Abgesehen von der kompletten physikalischen Fakultät – und ich meine komplett! - waren außerdem fast alle Dozenten der übrigen, auch der sprachlichen, Fakultäten anwesend. Dazu kamen noch unzählige Studentinnen und Studenten.

 

Während ich mich durch die wartende Masse wühlte, bekam ich viele Gesprächsfetzen mit, die mich zum Teil sehr erzürnten. Auch wenn sie viel von dem wiedergaben, was ich selber noch vor zwei Tagen gedacht hatte, oder vielleicht gerade deswegen.

 

Die weiblichen Studenten waren überwiegend der Meinung, dass sie sich für eine Dozentin zu auffällig kleide, sogar die, welche selber in äußerst knappen Kleidchen da standen. Eine von ihnen war die Kleine, die mich vor kurzem noch wegen der Fachbegriffe ausgefragt hatte und mir nun ein hinreißendes Lächeln schenkte. Ich ging jedoch nicht darauf ein und fragte statt dessen, wieso sie Miss Fielder so einschränken wolle?

„Ach ich weiß auch nicht“, fiepte sie mit Augenaufschlag, „sie ist doch nicht mehr so jung, und als weibliche Dozentin...“ Sie kicherte und ich drehte mich angewidert weg.

 

Meine Geschlechtsgenossen waren um keinen Deut besser. Viele erwarteten im Übrigen, dass sie sich mit Sicherheit nachher fürchterlich blamieren würde. Inzwischen war ich mir so sicher wie das Amen in der Kirche, dass dies keineswegs der Fall sein würde, das traf es sich hervorragend, als mich plötzlich der Rektor an der Angel hatte.

 

„Dr. Petersen, Gottseidank! Ich kann Ihre Kollegen nicht finden-“, kein Wunder, sie winkten mir gerade von der Mitte des Hörsaals aus „-aber es wäre doch nett, wenn einer von Ihnen ein paar Worte zur Einleitung sagen würde. Ich weiß, das kommt etwas plötzlich, aber-“

„Nein, keine Sorge, das mache ich gerne.“ Was für eine Gelegenheit!

 

Schnurstracks marschierte ich auf das Pult zu, in dessen Nähe Kate geduldig saß und auf ihren Einsatz wartete. Meine nun folgende Rede aus dem Stegreif ging dann in die Analen der Uni ein, denn in ihr griff ich alles auf, was sich in den letzten Tagen hinter Kates Rücken so abgespielt hatte. Ich ließ auch mein eigenes Denken nicht aus und warb für meine neu gewonnene Ãœberzeugung, dass sich natürliches Verhalten, schicke Kleidung und messerscharfer Verstand nicht nur nicht gegenseitig ausschließen würden, sondern sich im Gegenteil in der Person der Rednerin vereinten, die ich nun ans Pult bat. „Dr. Kate Fielder!“

 

Mit einem leisen Lächeln kam sie nach vorne, dankte mir und wandte sich an den Hörsaal. „Sie müssen entschuldigen, eine solche Laudatio ist auch für mich neu! Ich bin aber dankbar, dass Dr. Petersen es so mutig und offen ausgesprochen hat, daher hier noch ein kleiner Appell an alle Studentinnen in üblicherweise mehr männlich geprägten Fächern: Lasst euch nicht verbiegen!“ Ein weiterer kleiner Applaus brandete auf, dann bewegte sie beschwichtigend die Hände. „Jetzt wollen wir aber zum Eigentlichen kommen...“

 

Ihr dann folgender Vortrag haute nicht nur mich aus den Socken, obwohl ich doch vom Fach war, sondern eigentlich alle Anwesenden. Sie schaffte es noch besser als Brian Greene, die Anfänge der Quantenphysik, deren Probleme im Aufeinandertreffen mit der Relativitätstheorie sowie die daraus resultierende Suche nach der einheitlichen Feldformel in so verständliche Form zu packen, dass sich wahrscheinlich auch Ryan nun für einen ausgebildeten Physiker hielt.

 

Dann aber holte sie den Hammer der Stringtheorie heraus, garniert mit den neuesten Erkenntnissen der Schleifenquantengravitation und machte damit geschickt klar, dass es eben doch Dinge gab, die nur wir Physiker verstehen konnten.

 

Nach dem Ende ihres Vortrags tobte der Saal, die Pulte brachen unter dem Geklopfe fast zusammen, wer keinen Sitzplatz hatte, applaudierte und johlte. Rektor Toeger ergriff noch einmal das Wort und ergänzte, wie froh er war, eine solche Koryphäe nun an seiner Uni zu wissen. Anschließend wurde Kate so mit Beschlag belegt, dass wir uns wohl erst wieder in unserem Zimmer treffen würden.

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Hörbuch

Über den Autor

QueenMaud
Bin Mitte 40, habe in Bonn Theologie studiert, arbeite aber jetzt was ganz anderes :-) Verheiratet ohne Kinder, habe aber trotzdem weniger Zeit zum Schreiben, als ich möchte.

Trotzdem habe ich es geschafft, ein ganzes Buch zu schreiben, DIN A4 doppelseitig bedruckt immerhin 240 Seiten. Und jetzt habe ich den Schritt gewagt und es als reines E-Book auf Amazon veröffentlicht ( http://www.amazon.de/Verrat-und-Vertrauen-ebook/dp/B007OH3DXI/ref=sr_1_1?s=digital-text&ie=UTF8&qid=1332863393&sr=1-1 ), vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen ... Eine Leseprobe von "Verrat und Vertrauen" findet ihr auch in meiner Bücherliste.

Ansonsten gebe ich zu, eher einen Hang zum Happy-Ending zu haben, aber auch nicht immer, wie die Leser meines "Klassentreffen" sicher bestätigen können :-)

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QueenMaud Re: Re: Re: -
Zitat: (Original von Honeymoon88 am 07.11.2011 - 19:18 Uhr)
Zitat: (Original von QueenMaud am 07.11.2011 - 17:08 Uhr)
Zitat: (Original von Honeymoon88 am 07.11.2011 - 16:12 Uhr) Ich find's Immer noch toll...
Und Schleich mich gleich mal zum nächsten Teil :)
Liebe Grüsse...


Freut mich! Ist ja auch diesmal einfacher als bei 78 Kapiteln ^-^


Und wenn diese Geschichte 80 Kapitel beinhalten würde, würd ich die mit Genuss verschlingen... Dein Schreibstil ist einfach super, weil man sich richtig gut reinversetzen kann und die Geschichte ein Stück weit miterlebt...
Also wieder einmal danke dafür :)))


*Rotwerd*
Vielen Dank!!
QueenMaud
Vor langer Zeit - Antworten
QueenMaud Re: -
Zitat: (Original von Honeymoon88 am 07.11.2011 - 16:12 Uhr) Ich find's Immer noch toll...
Und Schleich mich gleich mal zum nächsten Teil :)
Liebe Grüsse...


Freut mich! Ist ja auch diesmal einfacher als bei 78 Kapiteln ^-^
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