Kurzgeschichte
Die Nachtschwärmer - inspiriert von Edward Hopper

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"Die Nachtschwärmer - inspiriert von Edward Hopper"
Veröffentlicht am 12. August 2011, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.
Die Nachtschwärmer - inspiriert von Edward Hopper

Die Nachtschwärmer - inspiriert von Edward Hopper

Beschreibung

Hier ist meine Kurzgeschichte zu diesem popkulturellen äußerst wichtigen Bild von Hopper.

 

Die Autos dröhnten an meiner Apartmentwohnung vorbei. Ich nahm sie überdeutlich war, obwohl ich im 33. Stock wohnte. Musste wohl die Retourkutsche für die vielen Tequila, Martinis, Biere und was man sonst noch trinken kann bei der Betriebsfeier von Standart & Poors. Wieder war eine Bonitätsabstufung eines europäischen Staates gefeiert worden.

Und da ich damit rechnete nicht in den kommenden Minuten einzuschlafen tat ich das, was ich jedes Mal, in dieser Situation, tat. Ich legte der hübschen Blondine neben mir das Taxigeld auf die Kommode, zog mir Hut und Trenchcoat über und marschierte Zigarette rauchend durch die Straßen der niemals müden Metropole.

Und jetzt stand ich da, gelehnt an eine kalte Straßenlaterne und blickte zu meinem Lieblingskino, dem Phillies hinüber. Es war kein Kino im eigentlichen Sinne, sondern eine

 

halbseitig verglaste Bar und so saßen die Gäste wie auf dem Präsentierteller des Betrachters. Man zahlte nichts und konnte doch rund um die Uhr die Kundschaft begutachten.

Ich fange mal mit dem Kojakverschnitt von Kellner an, der auch der Barkeeper ist, denn er muss nicht hinter der Theke hervortreten um die Gäste zu bedienen. Der Mann hatte mal als Praktikant hier angefangen um irgendwann ins Big Business umzusteigen. Richtige Gastronomie, eigentlich war es mehr ein Ferienjob gewesen als ein richtiges Praktikum. Und jetzt? Der glatzköpfige Mahlzeiten und Getränkeschubser stand nun schon seit über einem Jahrzehnt hier. Unwahrscheinlich, dass ich ihn irgendwann mal in einem besseren Restaurant sehe, er kommt hier nie mehr heraus. Gescheiterte Existenz, die sich gerne anhört, wie die Gäste von ihrem Scheitern sprechen, damit ihm sein eigenes Scheitern

 

 

 

nicht mehr so schlimm vorkommt. Einbildung ist eben auch eine Bildung.

Weiter geht’s mit der Rothaarigen in ihrem dazu farblich abgestimmten Kleid, die an ihrem Drink herumfingert, als hätte sie einen Phallus in der Hand. Solche Frauen kenn ich genug, sie sind meist blond, die Rothaarige ist ein wahres Kuriosum. Sie sind meist hoffnungsvolle Mannequins, die auf ihren Durchbruch im Filmgeschäft warten. Wahrscheinlich wartete sie darauf, dass sie lostrotten konnte, hin zum nächsten Vorsprechen auf der Besetzungscouch mit einem fadenscheinigen Produzenten oder Regisseur. Vielleicht hatte sie mal auf einer Theaterhochschule studiert, oder gar eine Musicalausbildung gemacht, aber jetzt war sie das, was viele Frauen in der großen Maschinerie sind, nämlich reine Sexobjekte. Vielleicht war sie ja die neue Megan Fox, wer weiß das schon?

Der Kerl neben ihr war ein Rat Pack Mitglied für

 

Arme. Machte immer auf Sinatra und singt in kleinen Nachtclubs der Stadt. Hat wahrlich eine gute Stimme, ich habe ihn mal singen gehört, ebenfalls in einer Nacht wie dieser. Seine Hände lagen nahe der des vakanten Hollywoodstars. Vielleicht hatte sie ihn ja kennengelernt in einem solchen Club, war das ein Date? Wenn ja, dann hatte es keine Zukunft, wie vieles in dieser Stadt, wo ja so viel möglich war. Man vergaß allerdings dabei immer zu erwähnen in beide Richtungen.

Und dann noch die dritte Person, die mir den Rücken zuwandte. Er war ähnlich gekleidet wie Franky Boy und nippte wahrscheinlich gerade an einem billigen Drink. Solche Leute setzten sich immer separat, denn sie wollten die anderen weder belästigen noch von ihnen belästigt werden, außer vom Barkeeper, was in einer Bar unvermeidlich war. Leute wie er hingen jetzt ihren zerbrochenen Träumen nach. Er war sicherlich arbeitslos, hatte sich hier am

 

 

 

Big Apple aber großes versprochen. Wollte er eine Showkarriere anstreben? Nicht unbedingt, konnte auch im Investment- und Bankensektor gearbeitet haben, wie ich. Er blieb noch eine ganze Weile, da hätte ich Millionen drauf wetten können, denn solche Menschen spülen sich den Fusel nur so in die Birne, damit sie vergaßen.

Als ich mich am Theater der Grausamkeiten sattgesehen hatte und meine dritte Zigarette langsam den Geist aufgab ließ ich sie fallen, trat sie aus und ging wieder zurück zu meinem Apartment in der langsamen Dämmerung, die in die Häuserschluchten blinzelte, mit dem wohligen Gefühl der stillen Befriedigung, dass mich das gleiche traurige Schicksal dieser Leute bisher nicht eingeholt hatte.

 

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RogerWright
Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.

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RogerWright Danke für die Kommentare. Aber ich hätte schwören können, dass Kojak, doch mit "c" geschrieben würde. Danke für die Anmerkung - und dann noch schnell Einsatz in Manhattan!
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DoktorSeltsam Edward Hopper - gehört auch zu meinen Favoriten. Hübsche Idee, das Bild als Vorlage für eine Story zu nehmen. Gut geschrieben und die Atmosphäre schön rübergebracht. Kleine Anmerkung von einem, der alt genug ist, um ihn noch gesehen zu haben: Die Figur hieß Kojak, aber das nur am Rande.

Gerne gelesen.

Doktor Seltsam
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