Romane & Erzählungen
Getrocknete Rosen

Als die Rosen gänzlich getrocknet waren, sammelte sie diese auf und platzierte sie in einer ihrer geliebten Parfum-Verpackungen direkt neben dem Computer. Technik trifft auf Altbewährtes, die Liebe. Dort standen sie dann für mehrere Jahre und jedesmal, wenn ihr Blick darauf traf, erinnerte sie sich zurück. Als Liebe noch so erfrischend neu und schmerzvoll, wie eh und je, war. Beim Staubwischen konnte es dazu kommen, dass sie diesen Standort veränderte, aber vollkommen aus ihrer Sicht verschwanden sie nie. Genauso wie sein Bild, das unauffällig, wie fesselnd an der Wand hing. Als wäre die Zeit eingefroren und der Schmerz stets präsent. Jedes Jahr im Juli kam die Erinnerung zurück, stärker als zuvor. Die Erinnerung an jenen Tag, als ihr die eigenen Eltern die Nachricht überbringen mussten. Sie hatten es nicht einmal vollends ausgesprochen, da wusste sie schon bescheid. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, dass er sie verlassen würde. Der Schmerz bekämpft die Liebe, nicht einmal sie kann stärker sein. Der Kaffee war längst ausgekühlt, als sie sich zurück erinnerte. Wie es heißt „die Zeit heilt alle Wunden“, so dachte sie sich, müsse es sein. Es war vielmehr so, dass die Verletzungen in den Hintergrund rücken, aber wenn es soweit war, wieder präsent sein werden und schmerzen, wie am ersten Tag. Es ist nicht lächerlich, zu leiden, es ist nicht kindisch, zu weinen. All das musste sie mühsam lernen und hat es bis heute noch nicht geschafft, vollständig zu verinnerlichen. Wenn sie an seinem Grab sitzt, in der grellen Mittagshitze, die Rose aus ihrem Garten in der Hand, dann kann sie nicht weinen, dann muss sie einfach weinen. Schnell weg, schneller als ein Atemhauch, schneller als der Tod in dein Leben treten kann. Menschen sterben, so ist das nun mal und so wird das immer sein. Diese Erkenntnis macht es nicht einfacher, sie dient nur dazu, das Gefühl der Einsamkeit zu vertreiben. Du bist nicht alleine mit deinen Fragen, mit deinem Leid. Und so halfen ihr die Freunde jahrelang damit, Bandagen anzulegen, den Heilungsprozess zu fördern. Bis sie schließlich damit umgehen konnte, sich selbst von einem distanzierten Blickwinkel aus betrachten. Du bist du und du bist stark. Du bist du und du darfst schwach sein. Wenn es nicht Gefühle sind, was ist es dann, das uns Mensch sein lässt?