Humor & Satire
Die schlechteste Geschichte der Welt

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"Die schlechteste Geschichte der Welt"
Veröffentlicht am 24. Juli 2011, 52 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

Ich rasiere mich nur jeden zweiten Tag.
Die schlechteste Geschichte der Welt

Die schlechteste Geschichte der Welt

Beschreibung

Ich verspreche nicht weniger als die schlechteste und wahrscheinlich auch verrückteste Geschichte der Welt.

1. Kapitel

Eines Abends saß ich auf meinem Bett und beschloss vor lauter Langeweile nun verrückt zu werden. Da sah ich direkt vor mir plötzlich ein kleines dunkelblaues Wesen mit riesigen gelben Glubschaugen, das zu mir sagte: „Ich bin ein Krüziwuzi.“ Und mich gleich anschließend hoffnungsvoll fragte: „Kannst du stricken?“ Darauf antwortete ich empört: „Ich bin vielfacher Weltmeister in allen Disziplinen des Strickens. Ich habe schon meine eigenen Babysocken selbst gestrickt.“ Daraufhin wurde das blaue, aus dem Mund nach Zitronengras riechende Wesen vor lauter Freude so richtig high und bat mich stark torkelnd und schwankend, ob ich ihm nicht einen Kamelhaarpullover aus neun Jahre in französischem Cognac eingelegtem Katzenbauchhaaren machen könnte. Na diesem durchgeknallten Typen habe ich zurechtgewiesen! Von einem vielfachen Weltmeister so etwas simples zu verlangen ist eine Beleidigung! Nachdem ich ihn diesbezüglich also abgewimmelt hatte, fragte mich der kleine Blaue, ob ich nicht ersatzweise wenigstens seine vom Untergang bedrohte Welt retten wolle. Da dachte ich mir, „Das kann ja nicht so schwer sein, das sollte sich vor dem Abendessen noch ausgehen.“ und sagte zu. Der/die/das Krüziwuzi – den richtigen Artikel habe ich bis heute nicht herausgefunden – stellte sich dann mit grimmiger Mine als John vor und erklärte mir nach heißem Gummi riechend, dass es bei ihm zu Hause ein frevelhaftes Sakrileg sei, eine Bitte anzunehmen, dass er mir im Falle unseres Erfolges allerdings großzügig verzeihen würde, mich andernfalls aber umbringen müsse. Ich versicherte ihm, dass das für mich vollkommen in Ordnung sei und nachdem ich noch schnell meinen Doppelexperimentierkasten „Chemie 4. Klasse Hauptschule/Rettung fantastischer Paralleluniversen“ eingepackt hatte, betraten wir die hallenden Hallen meines Kleiderschranks und begaben uns durch den Manhattanknoten meiner Bart-Simpson-Krawatte auf die Reise.

2. Kapitel

Nach einem kurzen Zwischenstopp von 15 Jahren in einer fernen Zukunft, in der die Menschen von Kleinkindern regiert auf den eisigen Gletschern des Sonnenkerns leben und sich von schleimigem Biomoos ernähren, das sie des Nachts vom trockenen Meeresgrund nagen… Ich sehe schon, ich schweife zu weit ab. Auf jeden Fall landeten John und ich schließlich auf einem Acker mit genetisch veränderten Rüben, die Sauerstoff in Kohlendioxid umwandeln und nach Hundekot schmecken, dafür aber über 100 Jahre lang gelagert werden können. Um uns herum standen in Abständen von etwa zehn Metern hünenhafte, mit eitrigen Warzen übersäte und stinkende Feldarbeiter, die sich faul und träge auf ihre jungsteinzeitlichen Haken stützten. Und diese ganze Szenerie erstreckte sich nach allen Himmelsrichtungen bis zum Horizont. John war zu Tränen gerührt, seine Heimat wieder zu sehen. „Ja, das ist Stricke de Bauer. Ist es nicht wunderschön?“, fragte er. Genau in diesem Moment löste sich ein faustgroßer Klumpen giftgrünen Rotzes von einer Feldarbeiternase, platschte auf den Boden und verströmte einen schwefeligen Geruch. „Ja, es ist wirklich wunderbar.“, antwortete ich.

 

Glücklicherweise drängte John mich mit frischem Pfefferminzatem zum Aufbruch, da wir uns auf die Suche nach einem der fast allwissenden Schnurstracks-Gerade-Muß-Bäume begeben sollten. Nach 149 Tagen verpflegungslosem Fußmarsch, vorbei an schätzungsweise sieben Millionen apathischen Landarbeitern, erreichten wir den vorletzten Schnurstracks-Gerade-Muß-Baum-Wald. In dieser Zeit erfuhr ich auch, dass die Sonne in Stricke de Bauer jeden Abend vom Himmel blutet und am Morgen von den lyrisch begabten Maulwürfen, die hoch über den Wolken wohnen, mit den Blutresten der hiesigen Zahnarztpraxen wieder aufgemalt wird, was aber eigentlich nichts zur Sache tut. Auf jeden Fall befragte ich dort eines dieser unentwegt hysterisch schreienden Gewächse nach dem Mittel zur Errettung Stricke de Bauers (obwohl ich immer noch keine Ahnung hatte, was diesen Typen hier eigentlich fehlen sollte). Und dies tat ich genau so, wie John es mir angeordnet hatte:

 

„O du in 37,98% aller Fälle allwissender Schnurstracks-Gerade-Muß-Baum, der du in deinem dreimonatigen Leben so viel mehr gesehen hast als ich armseliger, unwissender Plattwurm der ich bin, ich rufe dich an! Beantworte mir die Frage, wie viel Eins plus Eins ist und alles andere, was ich noch nicht weiß, denn mein Gehirn hat die Konsistenz eines an fortgeschrittener Leberzerrhose leidenden Suppenhuhns!“

 

Aus dem Kichern dieser blöden Staude und dem mich ebenfalls auslachenden Krüziwuzi John schloss ich, dass dies wohl doch nicht die offizielle Anrede an einen Schnurstracks-Gerade-Muß-Baum war. Gegen Bezahlung verriet uns der stark nuschelnde Baum dann aber doch, dass der Schlüssel zur Rettung Stricke de Bauers in der eine 2,74 Millionen Kilometer entfernten „zerborstenen Korkenzieher-Eichenburg“ versteckt wäre. Mit welchem Transportmittel wir diese für einen Fußmarsch etwas zu lange Strecke zurücklegen könnten, verriet uns der kichernde Baum aber nicht mehr, da er zu blühen begann und Schnurstracks-Gerade-Muß-Bäume dann immer mit ihren Wurzeln aus der Erde steigen und wie Raketen auf einen der drei pyramidenförmigen Monde von Stricke de Bauer fliegen. Sobald dort dann ihre stofflosen Früchte reif sind, schütteln sie diese von dort aus dann mit ihrem Kichern – und das ist auch der Sinn des Ganzen – über das ganze Land hernieder. Das sind dann in Stricke de Bauer die Sternschnuppen, was aber eigentlich schon wieder nichts zur Sache tut. Auf jeden Fall meinte John, dass es noch 135.764 andere Schnurstracks-Gerade-Muß-Bäume auf der Welt gäbe und dass wir auf den einen eingebildeten Holzkopf nicht angewiesen seien. So lallte uns ein anderer, schwer betrunken auf dem Boden liegender Baum zu, dass wir doch ein „Karottimuss-Düsimuss“ verwenden sollten. Da Krüziwuzis praktischerweise, sobald sie ein neues Wort gehört haben, automatisch alle Details zu dem bezeichneten Objekt kennen, erklärte mir John – aus dem Mund starken Fischduft verströmend – kurz, was das den überhaupt sei:

 

„Das Karottimuss-Düsimuss ist ein ganz, ganz seltenes Wesen – es gibt höchstens noch 185 Millionen davon. Es sieht aus wie ein roter Panda, nur um den Faktor 3,1967 vergrößert. Außerdem hat es einen zehn Meter langen Schwanz aus Polyesterfasern, mit dem es seine orangen Exkremente in kleinen Kügelchen in der Landschaft verteilt. Aus diesen Kotbällchen wachsen dann die Karotten, von denen es sich wiederum ausschließlich ernährt. Aber das Beste an allem ist, dass es unglaublich schnell ist und dich überallhin fliegt wo du willst, du musst dir nur mit dem linken Fuß auf die rechte Pobacke treten und dabei wie eine asthmatische Katze pfauchen, dann kommt das am weitesten von dir entfernte Karottimuss-Düsimuss aus einem inneren Zwang heraus zu dir. Und falls zwei gleich weit weg sind, werfen sie eine Münze.“ Und so brachte uns unser Karottimuss-Düsimuss innerhalb von acht Sekunden zur zerborstenen Korkenzieher-Eichenburg (es dauerte so lang, weil es kürzlich krank war).

3. Kapitel

Auf dieser Reise sah ich auch zum ersten Mal einen „Singrücken-Kammbartgeier“, den wir als zahlenden Untermieter auf unserem Karottimuss-Düsimuss mitnahmen. Diese mittelgrößte aller Adlerarten Stricke de Bauers hat als frisch geschlüpftes Küken eine Flügelspannweite von 22 Metern – erwachsen dann etwas weniger. Zusätzlich haben sie noch 24 muskulöse Arme mit rot lackierten Fingernägeln. Die brauchen sie, um ihre Beute – alles Lebendige über 40 Kilo, besonders Menschen – während des Fluges fachgerecht aufzuschlitzen, zu häuten, zu zerlegen und zu braten. Ihnen gefallende Menschen sammeln sie allerdings als Statussymbol in ihren hohlen Zähnen. Manchmal begnügen sie sich wegen Menschenmangels aber auch mit „Fauleierschweinen“. Diese in Stricke de Bauer beliebteste aller Schweinerasse schmeckt mit 177 Jahren – kurz vor ihrem Tod – nach fauligen Eiern und mit jedem Jahr, das sie jünger sind, um das doppelte schlechter. Die jungen Ferkel sind sehr gefragt. Aber es könnte sein, dass das irgendwie schon wieder nichts zur Sache tut. Auf jeden Fall hatte ich – wer immer „Ich“ nun auch sein mag – immer noch keine Ahnung, vor was Stricke de Bauer denn eigentlich zu retten sei, aber der Schlüssel dazu – was auch immer der nun wieder sein mochte – befand sich in dieser lückenlos mit Werbeplakaten beklebten Burg. Ich war allerdings am Boden zerstört, deprimiert und verzweifelt, als ich feststellen musste, dass die zerborstene Korkenzieher-Eichenburg nur von 15 tödlichen Verteidigungsringen umgeben war, deren Unüberwindbarkeit sich nach innen hin jeweils verdoppelte – ich hatte mir mehr erhofft. Als sich meine Stimmung nach einer Schachtel Antidepressiva etwas aufgehellt hatte, besah ich mir die erste Abwehrlinie. Sie bestand aus einem fünf Kilometer breiten und zehn Kilometer tiefen Graben, gefüllt mit hochkonzentrierter Salzsäure, in der immer wieder alles in die Tiefe reißende Strudel entstanden. Aber das war nur halb so arg, denn die tausenden dreizehnköpfigen, schachspielenden Seeungeheuer, die sich ununterbrochen gegenseitig auffraßen, verdrängten mit ihrem Volumen die meiste Säure. Direkt am anderen Ende des Grabens erhob sich eine 200 Meter hohe, überhängende Mauer, die mit glitschigen Algen bewachsen war und von der jeder Eindringling durch einen der hunderten Singrücken-Kammbartgeier, die den Luftraum überwachten, in die Tiefe und den sicheren Tod gestoßen wurde. Danach musste man auf der Mauer nur noch die Frage eines überlebensgroßen, mit langen Reißzähnen und spitzen Klauen bewährten Teddybären nach der noch unentdeckten Weltformel richtig beantworten, wenn man nicht in winzige Stückchen zerfetzt in seinem Käsefondue enden wollte. So, das war dann schon der erste und leichteste von 15 Verteidigungsringen, das sollte ja zu schaffen sein, dachte ich mir.

4. Kapitel

Als John und ich dann alle Verteidigungslinien mithilfe meines Experimentierkastens Chemie 4. Klasse Hauptschule… überwunden hatten, standen wir vor dem unlösbaren Problem, dass die Eingangstür zwar unverschlossen war, aber stark klemmte und… Na ja, diese Stelle der Geschichte ist nicht ganz so ruhmreich. Natürlich stellt sich jetzt die Frage, ob und wie wir dann doch noch hineingekommen sind. Tja, dass wüsste ich auch gern. Aber da wir kurze Zeit später drinnen waren, muss es uns ja gelungen sein. Leider hatte die zerborstene Korkenzieher-Eichenburg aber 44.444 Zimmer (das weiß ich so genau, weil wir jedes einzelne absuchen mussten). Zuerst stiegen wir auf den höchsten Turm, da dies uns der angemessene Ort zur Aufbewahrung des Schlüssels zur Rettung Stricke de Bauers schien. Dort war aber leider nur ein Hochpreispenthaus das von neureichen Humboldtpinguinen bewohnt wurde. Fündig wurden wir dann im zweiten Untergeschoß, in einer kleinen neonbeleuchteten Abstellkammer. Dort, gleich neben dem übervollen Aschenbecher, steckte mitten in einem unzerstörbarem Glasblock ein USB-Stick, auf dem die Textdatei mit dem Schlüssel zur Rettung von… na ja, ihr wisst schon was, versteckt war. Dann entstand aber so eine unangenehme Stille. Nach einer Woche sagte John schließlich mit beizendem Bieratem: „Also bei uns im Land der Krüziwuzis ist der Himmel schweinchenrosa und voll mit hellblauen Totenkopfwölkchen. Und der Regen fällt vom Boden in den Himmel hinauf.“

 

Nach einer weiteren einwöchigen Pause antwortete ich: „Äh… Das ist ja wirklich faszinierend, aber wie hilft uns das weiter?“ Es half uns deshalb weiter, weil es irgendwie damit zu tun hatte, dass Krüziwuzis durch Glas gehen können. Allerdings bereitet es ihnen unvorstellbare Schmerzen. Daher unterstützte ich John, indem ich ihn kräftig packte und ins Glas steckte, wo er – verzweifelt und ekstatisch kreischend – den USB-Stick nahm und ihn aus dem Block heraus direkt vor meine Füße warf. Sein schmerzverzerrtes Gesicht begann mir allerdings irgendwie Freude zu bereiten und so zog ich ihn immer und immer wieder rein und raus. Rein und raus, immer wieder, rein und raus, immer schneller, rein und raus, bis er sich nicht mehr rührte. Ach, wie war ich glücklich, als er mir wider Erwarten ein Zeichen des Lebens in Form einer gewaltigen Ohrfeige schenkte! Leider wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass man von Krüziwuzi-Ohrfeigen an den betroffenen Stellen hässliche Schokoladen-Abszesse bekommt und diese nur verheilen, wenn sie drei Wochen lang von schizophrenen Schokomaden ausgelutscht werden. Und diese nach Faulleichen riechenden Maden akzeptieren nur Kreditkarten… Aber das tut genau genommen eigentlich schon wieder einmal nichts zur Sache.

 

Auf jeden Fall entdeckten wir, als wir nach unserer Pause beim Colaautomaten nach Hause gehen wollten, in der kanadagroßen Eingangshalle einen Drachen mit einer riesigen, herzförmigen Plüschquaste am Schwanzende. (Die Halle war kohlrabenschwarz und der Drache schneeflöckchenweiß, bis auf ein paar graue Schlieren, da er zu oft mit Buntwaschmittel gereinigt wurde.) Der Drache hatte tödliche Zähne aus rasiermesserscharfen schwarzen Diamanten und ernährte sich ausschließlich von Krüziwuzi- und Menschenfleisch. Er war hungrig. Daher hat er uns auch sofort in Stücke gerissen und gefressen. Aber nur in seiner Fantasie, denn das arme Tierchen hatte entsetzliches Zahnweh, da ihm ein halbverwester Ritter in einer Zahnlücke steckte. Da der Drache alle Sprachen, Dialekte und Mundarten der Erde, Stricke de Bauers und „Transguvanien del a Ersatzkönigreichs“ beherrschte, flehte er uns an, ihm zu helfen oder qualvoll zu sterben. Die Entscheidung war schwierig, aber wir nahmen schließlich Ersteres. Das sollten wir schon bald bitter bereuen. Ich will ja nicht vom verfaulten Zwiebelatem, den dicken Maden in der Ritterleiche, den von violettem Schimmel überzogenen Skeletten und den wirklich argen Sachen sprechen, aber es war wirklich nicht sehr appetitlich. Als wir den Ritter schließlich im Altmetall entsorgt hatten, stellte sich uns der Drache als Kate vor. (Die geschlechtsspezifische Anrede bis hierher zu ändern lohnt sich für so einen literarischen Schund nicht.) Da Kate sich langweilte und nach über 400 Jahren ohnehin vergessen hatte, warum sie überhaupt hier war, beschloss sie, uns zu begleiten. Bei dieser Gelegenheit soll nicht unerwähnt bleiben, dass ihr 20 Meter langer, buschiger Schwanz golden marmoriert war und jeder den Drang verspürte, ihn zu berühren und abzuschlecken. Die Färbung kam übrigens daher, dass sie mit ihrem Schweif andauernd ihr güldenes Ohrenschmalz wegwischte. Aber ich sehe, dass das eigentlich irgendwie schon wieder einmal nicht wirklich etwas zur Sache tut und ich etwas abschweife.

5. Kapitel

Auf jeden Fall beschlossen wir zu dritt, da das LSD-Wahnvorstellungsland, der größte Vergnügungspark von Stricke de Bauer, sowieso geschlossen hatte, den einzigen Computer des ganzen Landes aufzusuchen. Dieser hängte, zweckentfremdet als Christbaumschmuck, mitten im Wald des Wahnsinns auf der Insel der Hoffnungslosigkeit, die, umgeben vom ewig stürmischen, eiskalten, dickflüssigen und pechschwarzen Meer der Verzweiflung, auch Côte d´ Azur Stricke de Bauers genannt wird und dessen touristisches Zentrum ist. Dieses lauschige Plätzchen war zwar 1,333 Millionen Kilometer Luftlinie entfernt, aber da Kate eine tolle Abkürzung kannte – nur der halbe Weg! – und uns gleich hinflog, waren wir schon eine Woche vor unserem Abflug da. Allerdings musste sie noch kurz zu ihrer Sitzung der anonymen Weltstars nach Europa (der Jupitermond) und spuckte uns daher zusammen mit drei Kirschkernen und einem ranzigen Speckstein, der uns als Wegzehrung dienen sollte, vor die Schweißwurzeln einer stark übersteuerten HiFi-Tanne, aus deren Nadeln es nur noch raschelte und knisterte.

 

Dort, im Wald des Wahnsinns, leben noch etliche andere interessante Bäume: Keulenbäume, die mit ihren Lakritzeknüppeln bewaffnet durch die Häuserschluchten des Waldes streifen und Jagd auf ungeborene Fauleierschweine machen, Raubkopiebäume, auf denen jede Art von Filmen, Musik und Software wächst und die sich hier vor der EU verstecken, Weltenbäume, auf denen kleine Planeten mit hoch entwickelten Zivilisationen gedeihen (Stricke de Bauer selbst wiederum gehört zu einem 37teiligen Murmelset) und noch viele andere, wesentlich exotischere Gewächse. Im Wald des Wahnsinns leben auch die Aussteigergruppe der Himmelstaucher, die gemeinsam versuchen der erdrückenden Konservativität, Kleingeistigkeit und Begrenztheit von Stricke de Bauer zu entgehen. Sie tragen, wenn sie gerade zufällig mal was anhaben, lange wallende Mäntel aus flüssigem Quecksilber, in denen golden leuchtende Silberfischchen schwimmen. Ihre Haare brennen wie eine Fackel mit ihrem eigenen Blut, damit ihnen immer schön warm ist und sie keine Taschenlampe brauchen. Da der in Zeit und Materie gegossene Abfall um sie herum – von den anderen „Welt“ genannt – für sie unerträglich ist, reißen sie sich die Augen aus und ersetzen sie durch blaue Leuchtdioden. So einen ökonomisch verwertbaren Mist wie Schuhe brauchen sie nicht, sie schweben, natürlich nur rein geistig und metaphorisch. Alles Physische ist ihnen zu beschränkt. Da aber alle Himmelstaucher in Depression und Verzweiflung verfallen, da sie noch immer so normal, kleinbürgerlich und langweilig sind, schnitzen sie mit seidenen Rasierklingen an sich selbst herum, bis sie schließlich ganz verschwunden sind. Dann wären sie endlich glücklich, wenn sie noch könnten.

 

In diesem Wald befinden sich auch die „flachen Lacken“. Das sind kristallklare Brackwasserpfützen, die so tief sind, dass man, wenn man zum Grund tauchen wollte, auf der anderen Seite von Stricke de Bauer wieder herauskommen würde. Allerdings funktioniert das in Wirklichkeit nicht, da Stricke de Bauer eine hohle Kugel ist und sich alles auf der Innenseite derselben abspielt. Der Himmel ist übrigens ein großes blaues Ding, bestehend aus Sondermüll, das in der Mitte der hohlen Kugel schwebt. Aber eigentlich tut das alles zusammen irgendwie schon wieder sowieso und überhaupt nicht wirklich etwas zur Sache. Egal. Auf jeden Fall schrie John mich, aus dem Rachen nach Haarspray riechend, nun an, wie ich es nur wagen werde können, Stricke de Bauer vor die rational denkenden Hunde gehen zu lassen, nur weil ich das schnarchende Dornröschen wegen ein paar giftgrünen, Ammoniak absondernden Pilzkulturen in ihrem Mund nicht abknutschen werde wollen. So laut, wie es Johns Würgegriff zuließ, rief ich: „Aber das stimmt doch gar nicht! Ich werde wegen der rotschwarzen Würmer, die sich in ihren braunen Zahnruinen winden, nicht wollen!“ Da sprach er: „Das ist natürlich etwas ganz anderes, dafür kann Stricke de Bauer zur Not schon untergehen.“ Nachdem wir dieses Problem also gelöst hatten, schwebten wir weiter und stießen nach einigen Tagen auf Dornröschen, womit wir nun wirklich überhaupt nicht gerechnet hatten. John meinte mit dem Geruch einer Biotonne während einer Hitzewelle, wir – exklusive ihm selbst – müssten sie erlösen oder ihr wenigsten eine Tasse Wasserkakao machen. Warum? Er hätte das Gefühl, es wäre gerade passend das zu tun. Das überzeugte mich. Nachdem wir unseren obigen Streit berücksichtigt hatten, piekste John das stinkende Dornröschen mit seinem rostigen Dolch wach. Das Dornröschen quiekte vergnügt. Das Dornröschen zerplatzte lautstark zu kleinen Fetzen. John war traurig. Sein Dolch hatte Blutspuren abbekommen. Blöderweise wurden aus den Fetzen lauter neue Dornröschens und John musste sie aus einem inneren Drang heraus alle aufstechen, weil sie so ein schönes Platzgeräusch machten. Als die Insel der Hoffnungslosigkeit bereits von fünf Millionen Märchenprinzessinnen bevölkert war, sah sogar ein aus dem Mund nach Schweineschmalz riechendes Krüziwuzi ein, dass wir uns etwas einfallen lassen mussten. Da uns aber wieder einmal nichts einfiel, ließen wir stattdessen das Problem ausfallen und robbten weiter.

6. Kapitel

Was dann passiert ist weiß ich nicht mehr so genau, weil es zu anstrengend war um es mir gleichzeitig auch noch zu merken. Aber es hatte irgendetwas mit einem Poker spielenden Orang-Utan im weißen Smoking zu tun, bei dem die linke Iris wie ein Roulette und die rechte wie ein Dartboard aussah. Außerdem dealte er, wenn er nicht gerade kleine Plastikpfeile im Auge hatte, mit illegalem Obst und Gemüse wie z. B. Bioäpfeln. Kurz und gut: Ganz bestimmt ein vollkommen alltägliches Erlebnis. Ähnlich verhielt es sich mit dem letzten Computer von Stricke de Bauer. Dieser war, wenn man vom Systemadministrator der Hölle absah, vollkommen unbewacht. Allerdings konnte dieser Computermensch jeden Feind binnen Sekunden mit seinen Arbeitsprotokollen zu Tode langweilen. Und er hatte noch etliche zusätzliche Besprechungsprotokolle und Inventurlisten in seinen Schweißsocken auf Vorrat!

 

Es war eine harte Schlacht. Der gute John verlor einen großen Teil seiner Verrücktheit. Womöglich wird er nie mehr völlig abnormal werden. Aber schließlich hatten wir dann das Problem durch die Einführung einer neuen Zeitrechnung, in der der Admin noch ein kleines Baby war, gelöst. Als der Baby-Admin dann sein Bäuerchen gemacht hatte, gaben wir zuerst der alten Gurke einen kräftigen Tritt, da man die Rechentrottel in Stricke de Bauer so einschaltet, und konnten dann lesen: NO OPERATING SYSTEM FOUND. Daher begann ich, ein eigenes Betriebssystem zu programmieren. Aber gerade als ich die Speicherverwaltung, die dreidimensionale grafische Oberfläche, die Spracherkennung und die intuitive Verwaltung multimedialer Inhalte für den Benutzer optimieren wollte, kam mir Kate zuvor, indem sie uns von einem Paralleluniversum aus, in welchem sie auf die Insel mitgekommen war, eine Linuxdistribution zukommen ließ. Die Parallel-Kate, der Parallel-John und das Parallel-Ich hatten nämlich keinen PC aber dafür besagte Distribution auf ihrem Eiland und so konnte wenigstens eines der unendlich vielen Stricke de Bauers gerettet werden. Also machten wir zuerst einmal Mitternachtspause, wobei ich mein fast fertiges innovatives Betriebssystem als Serviette benutzte, und lasen dann, nachdem wir noch ein bisschen am Computer gespielt hatten, das strenggeheime Codewort LustigIstDasZigeunerleben aus. Dann standen wir da. Und schauten. Und warteten. Und wussten nicht, was wir jetzt weiter tun sollten. Das wiederholten wir, bis der Baby-Admin wieder erwachsen war und uns von seinem Computer weginventarisierte. Nicht mehr von der Technik abgelenkt, begannen wir endlich wieder zu sprechen.

 

Ich: „John, du musst Shannon noch vom Kindergarten abholen.“
John: „Wer ist Shannon?“
Ich: „Deine kleine Tochter.“
John: „Ich habe eine kleine Tochter die Shannon heißt?“
Ich: „Ja.“
John: „Warum weißt du das und ich nicht?“
Ich: „Ich weiß es nicht.“
John: „Gut, dann gehen wir.“

 

Da mir im Moment gerade nicht einfällt, wohin ich abschweifen könnte, stiegen wir eine Treppe zum Himmel empor, die in Stricke de Bauer wie Pilze spontan aus dem Boden schießen, und schwammen dann durch die Wolken aus schaumig geschlagener Milch, vorbei an matschigen Corn Flakes, direkt über das Land der Krüziwuzis. „So, jetzt springen wir runter!“, verkündete John mit Colaatem als wir keine Erdnüsse zum Knabbern mehr hatten. „Wie wir sicher landen, überlegen wir uns dann zehn Meter vor dem Boden.“, fügte er hinzu. Da uns dort allerdings nichts einfiel, zerschellten wir auf einem spitzen Felsen in blutige Einzelteile und waren, was für Stricke de Bauer sehr unüblich ist, tot. Glücklicherweise hatte Shannons Kindergarten gerade Bastelstunde und so klebten sie uns mit extra glutenreichem Grießbrei wieder zusammen. Heißes Wasser müssen wir seitdem wegen Auflösungsgefahr zwar meiden, ansonsten war es aber wirklich angenehm und in Stricke de Bauer ist es zu einem richtigen Volkssport geworden (Breispringen genannt).

 

Die Straßen im Land der Krüziwuzis sind mit – je nach Frequentierung der Strecke unterschiedlich stark zermatschten – Leichen gepflastert, damit sie nicht durch das perverse und ekelhafte Begraben in der Erde geschändet werden. Auch ansonsten ist das Land der Krüziwuzis das zivilisatorische und humanistische Zentrum des Universums. Wenn John nicht gerade woanders lebt, wohnt er in der Abbey Road, die, wie alle Straßen im Land der Krüziwuzis, senkrecht von unten nach oben verläuft. (Die leicht verbrannten Lebkuchenhäuser schweben durch bunte Büroklammernketten gesichert daneben.) Dort angekommen nahm er seine gesalzene Hühnermilch vom Herd, warf sie im Affekt zu Boden, schlug sich seinen Kopf blutig und schrie: „Verdammt, es lohnt sich gar nicht das beschissene Stricke de Bauer zu retten!“. Unmittelbar darauf war von seiner Tochter Shannon zu hören: „Stricke de Bauer! Stricke de Bauer!“ Immer wenn sie diesen Namen hörte, kreischte sie ihn mehrmals laut und schrill, ruderte wild mit ihren Armen durch die Luft und sprang elf Meter hoch auf und ab. Was John betrifft, der war in der Zwischenzeit einfach überreizt und musste gegen eine zweite Instanz von ihm selbst ausgetauscht werden; die alte konnten wir noch gewinnbringend an eine Hundefutterfabrik verkaufen. Um den neuen John ein bisschen besser kennen zu lernen, nahmen wir gemeinsam am „Wettbewerb zum Taufnahmen des Landes der Krüziwuzis“, kurz Exitus, teil und gewannen mit unserer innovativen und gewagten Idee Krüziwuziland. Ich weiß nicht, aber dieser Name ist irgendwie so traditionell und doch so modern, so bedeutungsvoll und doch so schwachsinnig, so… Auf jeden Fall wurden wir zur Belohnung mit echtem, mistkäfergerolltem Gnudung überschüttet, der im Krüziwuziland – ach, wir sind ja so genial – als die größte aller Kostbarkeiten gilt, noch wertvoller als Hautschuppen. Das liegt daran, dass Geld im Krüziwuziland keinen Wert hat, da dort die Geldscheißer leben. Sie fressen alte Batterien und scheiden frisches Geld aus. Und das kann ja nun wirklich niemand gebrauchen. Daher sind die Geldscheißer auch zum Abschuss mit Wasserstoffbomben freigegeben und werden schon sehr bald ausgerottet sein. Übrigens essen Krüziwuzis kopfüber von der Decke hängend. (Der Strick zum Aufhängen muss aus mindestens 511jähriger chinesischer Seide sein.) Ansonsten sind Krüziwuzis ziemlich pflegeleicht, was sehr wichtig ist, da sie ihre eigenen Haustiere sind, was ganz genau betrachtet aber eigentlich schon wieder irgendwie überhaupt nichts zur eigentlichen Sache tut, aber trotzdem zur Füllung nötig war, da Shannon kurz nachdenken musste, vor was wir Stricke de Bauer eigentlich retten sollten. Auf jeden Fall erfuhren wir schließlich, dass wir Karlsplatz-Karl, einen fetten Riesen der allwissend und allmächtig war, besiegen mussten. Er war der größte und seit Anbeginn der Zeit ungeschlagene Meister in Schach, Mathematik, Informatik, Programmierung, Malerei, Bildhauerei, Architektur, Boxen, Wrestling, Marathon, Sprint, Hoch- und Weitsprung, Fußball, Basketball, Baseball, Gewichtheben, Dichten, Singen, Tanzen, Traditioneller Chinesischer Medizin, Wahrsagen, Schwarzer Magie, Rhetorik, Goldfischzucht, Imkerei, Judo, Karate, Raiki, Schispringen, Eiskunstlauf, Regenwürmeressen und weiteren 657 anderen Dingen. Wie gesagt, ihn sollten wir besiegen. Das klang lösbar. Weil an diesem Tag aber gerade Mittwoch war, mussten wir zuvor aber auch noch seinen kleinen Spezi den Galoschenherbert mitsamt seinen barbarischen akademischen Horden vernichten und seine stinkenden rosa Shorts den wütenden und nicht mehr konsumwilligen Massen zur Beruhigung geben. Aber leider mussten John II. und Shannon mich allein losziehen lassen und stattdessen unser streng geheimes Codewort – LustigIstDasZigeunerleben – gegen zwei Kugeln Eis eintauschen, denn sonst wäre es womöglich verfallen und der kleine Präriehund, der 1829 auf einen Pottwal gepinkelt hat, wäre traurig geworden, und das will ja niemand.

7. Kapitel

So marschierte ich also alleine los. Hungrig und durstig. Ohne Schuhe oder Kleidung. Ohne Geld. Ohne den leisesten Dunst, wohin ich gehen und was ich machen musste. Und schlafwandelnd. Kurz und gut, ich habe keine Ahnung wie ich dort hingekommen bin, aber drei Monate später war ich im Reich des Galoschenherbert. Dieses erbärmliche Fleckchen Land ist etwa fünfmal so groß wie Asien und hat einen Einwohner, der in der zweitgrößten Stadt des Landes lebt. Er wird verwaltet und regiert von einem Beamtenapparat bestehend aus 85.136 Katzen, die für Galoschenherbert auch die Ausbildung seiner barbarischen akademischen Horden organisieren. Obwohl, akademisch sind die Horden erst seit ein paar Jahren, seit die ursprünglichen Aufnahmekriterien – umfassende Kenntnisse in Rülpsen, Furzen, Stinken, ordinär Fluchen und nicht mit Messer und Gabel essen können – um ein abgeschlossenes Studium in Jura, Medizin oder Philosophie erweitert wurden. Seit dieser Qualitätssteigerungsmaßnahme hat sich die Truppenstärke der Horden von 12.000.000 auf 11.999.999,5 reduziert – der Rest hat sein Doktorat nach Harvardmaßstäben nicht geschafft.

 

Auf jeden Fall befand sich die uneinnehmbare Festung des gemüsesüchtigen Galoschenherbert in der Rumpelkammer eines billigen Nachtclubs, da dort die Miete sehr gering ist (als Mieter erhält man für die schlechten hygienischen Zustände pro Monat das doppelte Bruttoinlandsprodukt der USA als symbolische Entschädigung). Nachdem ich den Türsteher des Nachtclubs mit einem Gummibärchen bestochen und die Festung des Galoschenherbert direkt neben der Zwittertoilette entdeckt hatte, blieb ich neben einem Universalautomaten stehen und beschloss, dessen Zeug so lange zu konsumieren, bis ich mir einen vernünftigen Plan aus dem Hirn gezogen hatte. Das dauerte aber länger als beabsichtigt (auch deshalb, weil es recht schwierig war, mir alleine meine Schädeldecke zu öffnen). Als schließlich alle Süßigkeiten, Getränke, Werke der Weltliteratur und Insektenlarven konsumiert waren, hatte ich meinen perfekten Plan. Dann wurde mir allerdings klar, dass er Mist war, da ich darin davon ausgegangen war, dass ich Superkräfte habe und diese wurden mir fünf Minuten zuvor nach einem verlorenen Rechtsstreit aberkannt. Nun wäre alles verloren gewesen, die Geschichte zu Ende und der Leser endlich erlöst, wenn ich auf dem Universalautomaten nicht die Aufschrift „Den Galoschenherbert besiegen und seine barbarischen akademischen Horden zerschlagen: 2,50 €“ entdeckt hätte. Ich hatte es mir zwar nicht ganz so einfach vorgestellt, aber da selbst die barbarischen akademischen Horden kein Rechtsmittel zur Anfechtung ihrer Zerschlagung fanden, funktionierte es. Nur der Galoschenherbert tat mir ein wenig leid. Vielleicht war er ja gar nicht so schlecht. Womöglich war er sogar ein ganz toller Kerl. Und ich hatte ihn auf dem Gewissen!

 

Auf jeden Fall kam dann Kate angeflogen, steckte mich in ihren Einkaufskorb und suchte mit mir den nächsten Eissalon auf (dieser war in Neapel). Dort angekommen verspürte ich den Drang, endlich wieder in direkter Rede zu sprechen: „Da die Rettung Stricke de Bauers schon so viele Jahre dauert und ich deshalb schon ein bisschen altersschwach bin, gehe ich leider unter der heißen neapolitanischen Sonne ein. Aber zum Glück hat man mich rechtzeitig geklont – also kein Problem.“ Als wir unsere Bananensplits durch die Nase inhaliert hatten, verbanden wir uns per Videokonferenz zu John und Shannon. Auch Karlsplatz-Karl war dabei. Da er ja allwissend war, mussten wir uns erst mit ihm absprechen, wie wir ihn am besten überraschen und besiegen konnten, was ja nicht so einfach war. Aber er gab uns einige gute Tipps. Kate starb zwar an Verrücktheitsmangel, aber die Ratschläge waren wirklich gut. Da wir also keinen fliegenden Untersatz mehr hatten, ließen John, Shannon und ich – wer immer das auch sein mag – uns lange Eckzähne wachsen, wurden zu Vampiren, verwandelten uns in Fledermäuse und flatterten davon. Nach einiger Zeit viel uns aber ein, dass Vampire das in Wirklichkeit gar nicht können und so stürzten wir ab. Ich weiß zwar nicht wie wir das schon wieder überlebt haben, aber ich bin darüber recht froh.

8. Kapitel

Auf jeden Fall kletterten wir danach aus einem Gulli im Kopf eines konservativen Graffitisprayers und waren in Carcassonne, der Hauptstadt des Reichs von Karlplatz-Karl. Carcasonne ist ein ländliches Straßendorf, dessen Einwohnerzahl sich stufenlos von „Null“ bis „Unendlich“ einstellen lässt, wobei die Bewohner selbst sich „Saubären“ nennen. Erbaut wurde es im letzten Fasching auf einem Knäckebrot-Floß, das auf einem jodelnden See aus erbrochenem Nutella schwimmt (abwechselnd Brust und Freistil). Um Arbeit, Brot und Wohlstand – kurz Elend – zu schaffen, ließ Karlsplatz-Karl einen künstlichen Himmel stricken, der in der aktuellen Version – 2.0.3.4,35.1/3 – schon genau wie der echte aussieht. Damit das nicht auffällt, wird darauf Werbung für teure Götzenbilder gemacht, mit deren Hilfe man sich selbst anbeten kann um sich gnädig zu stimmen und nicht selbst zu vernichten.

 

Tief im Schatten ihrer Seelen schwebte der siebendimensionale Karlsplatz-Karl-Platz, wobei es bei Lebensstrafe verboten war, sich Karlsplatz-Karl-Platz-Karl zu nennen, außer man fliegt auf einem lila Zeisig und kaut gelben Tannenreisig, was aber recht schwierig ist, da in Carcasonne der Himmel brennt. Nachdem wir die schwarze Messe auf dem Weihnachtsmarkt besucht hatten, hüpften wir quakend zum niedrigsten Gebäude der Stadt, dem fünf Millionen Stockwerke hohen Palast des Karlsplatz-Karl, der übrigens sowieso schon längst sehnsüchtig auf uns wartete (das teilte er uns zumindest schriftlich so mit). Bei ihm einzudringen war aber fast unmöglich; es war das Jahrzehnt der offenen Tür und vor den Eingangstoren standen kilometerlange Besucherschlangen. Daher brauchten wir drei Monate bis wir endlich drinnen waren. Die Treppe nach oben hatte eine Stufenhöhe von zehn Metern und war mit spitzen Nägeln beschlagen, welche man nur barfuss berühren durfte. Da die Stufen aber wie bei einer Rolltreppe rasant nach unten fuhren, hatte man ohnehin keine Zeit um auf seine zerfleischten Füße zu achten. Als wir auf diese Art und weise 500.000 Stockwerke erklommen hatten, sahen wir endlich ein, dass dies in Anbetracht der Tatsache, dass in der Zwischenzeit schon wieder eine Million Stockwerke dazugebaut worden waren, nur wenig Sinn hatte und nahmen den gratis Expresslift. In diesem fußballstadiongroßen Lift des Karlsplatz-Karl ist es stockdunkel, damit man die Krähen singen hört. Das konnten wir allerdings nicht, da unsere Nasen verstopft waren. Und so ging das exzentrisch schmeckende Licht an. Deshalb wurden wir auch von Karlsplatz-Karls geisteskranker Cousine – die ich später, wenn mehr Zeit ist, beschreiben werden – entdeckt und in ihre englische Galeone verschleppt, die als U-Boot in ihrer Badewanne schwimmt. Die Karlsplatz-Karl-Cousine sammelte Spinnen. Sie hielt uns für welche. Sie fütterte uns mit lebenden Insekten. Bis wir eine gesunde, giftgrüne Farbe hatten. Dann war sie glücklich. „Nur was du mit Freude tust, bringt Freude in die Welt!“, pflegte sie im Zuckerrausch immer wahnsinnig zu kreischen. Dann öffnete sie sich mithilfe von Glasscherben die Bauchdecke. Uns wollte sie auch Freude bereiten. Sie kam nicht mehr dazu. Wir konnten ihr noch vorher so viel Freude machen, dass sie regungslos zu Boden fiel. Für immer. Das feierten wir mit schwarzer Zuckerwatte.

9. Kapitel

Auf jeden Fall wusste ich immer noch nicht, wie ich meine Absätze wieder ohne „Auf jeden Fall…“ beginnen lassen konnte und John und Shannon wussten nicht, wie sie aktiv in der Geschichte vorkommen sollten. Um uns das mit einer Runde Poker auszumachen, gingen wir auf die Eindringlinge-Toilette zum Fischen. Etwas Größeres als einen Dreimeterhecht bekamen wir aber nicht aus der Kloschüssel. Kurz und gut: Es war alles zusammen eine fade Partie. Um das zu ändern, ließen wir uns von Ivan Wodkanov entdecken, einem ehemaligen KGB-Agenten und jetzigen Beauftragten für Datenschutz und Menschenrechte in der Hirnanhangdrüse von Karlsplatz-Karls Reich. Für das Versprechen auf die reiche Grafschaft Dingsbumsshire im befreiten Stricke de Bauer – „Stricke de Bauer! Stricke de Bauer!“ – ließ er uns aber wieder ziehen. Da wir noch vielen ehemaligen Agenten begegneten (alle KGB-Leute, die im neuen Russland nicht untergekommen sind, wanderten ins Reich des Karlsplatz-Karl aus), verkauften wir Stricke de Bauer – „Stricke de Bauer! Stricke de Bauer!“ –  ungefähr 200 Mal – etwas mehr als das Ganze davon blieb also noch übrig. In Stricke de Bauer gibt es nämlich eine andere Mathematik. Denn wo würde man hinkommen, wenn Drei und Eins oder Zwei und Zwei genauso viel wäre wie Vier und das noch zu jeder Zeit? Unzucht und Unordnung würden herrschen. Eine irrsinnige, kranke und perverse Welt wäre die Folge. Aber ich sehe, dass ich unter Umständen eventuell trotz größter Bemühungen und umfangreicher Therapien gegen meine Abschweifungen genau genommen eigentlich schon wieder irgendwie fast ein ganz kleines bisschen etwas vom innersten Kern der Sache abzukommen drohe.

 

Auf jeden Fall wurden wir, um die märchenhafte Drei zu erreichen, noch ein weiteres Mal während des Pinkelns aufgegriffen, wodurch wir gähnen und eine komplexe Novelle über die tragische Normalisierung eines Wahnsinnigen schreiben mussten. Doch davon ließ sich Karlsplatz-Karls untreuer Diener Rüsselschleimer nicht beeindrucken. Denn er besaß ein echtes, denkmalgeschütztes Luftschloss und hatte einen langen, langen Rüssel, der wie der Rest von ihm in grünem Schimmelfilm erstrahlte und aus dem ständig radioaktives Nasensekret floss, auf dem er dahinglitt, wenn er nicht gerade auf seinen haarigen Fledermausflügeln rannte. Diese prächtige Erscheinung rief nun über 20.000 Karlsplatz-Karl-Krieger herbei. Die Fähigkeiten jedes Einzelnen von ihnen waren den unsrigen etwa um das Zehnfache überlegen. Als wir uns nach zähen Verhandlungen endlich damit abgefunden hatten, als Dosenkatzenfutter zu enden und uns dann selbst aufzufressen, rief Shannon: „Im Klo im 1024en Untergeschoß gibt’s einen Wasserrohrbruch!“ Und schon liefen alle 20.000 Karlsplatz-Krieger – Rüsselschleimer zu braun-grünem Brei niedertrampelnd – auf der Todestreppe nach unten, um den fiktiven Rohrbruch fiktiv zu reparieren. Als sie damit endlich fertig und wieder zurück waren, war auch ihre Dienstzeit aus, sie nahmen wieder ihre Gehirne – diese muss man bei Arbeitsbeginn abgeben – aus ihren Spinnten und dachen sich nach Hause.

10. und letztes Kapitel

Nun waren wir uns sicher: der heilige Galoschenherbert, selbstloser, von seiner eigenen Herrlichkeit verklärter Märtyrer für alle Universen und felsenfester Verteidiger des Guten bis in alle Ewigkeit, war nicht umsonst gestorben. Wir lümmelten Kaugummi kauend nun tatsächlich ehrfürchtig vor dem Tor zu Karlsplatz-Karls Gemächern. In der fernen Zukunft, in der es erbaut werden wird, war es fünfzig Meter hoch, 20 Meter breit und hatte einen IQ von 240, was es für die Arbeit als Tor überqualifiziert und arbeitslos machte, bis es sich vor Verzweiflung selbst verbrannte. Die an seiner Stelle verbliebene Luft konnte uns den Adlerblicken Karlsplatz-Karls leider nicht entziehen. Und obwohl wir schon in diesem Moment zu planen begannen, wie wir ihn besiegen wollten, lähmte er mit der Kraft seiner Gedanken unsere Muskeln und ließ uns mitten im Raum schweben. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass er uns nicht vernichten konnte – denn dann wäre ihm wieder so furchtbar langweilig gewesen. So ließ er uns immer wieder frei, damit wir unseren Angriff mithilfe einer neuen Fettlöseformel immer weiter perfektionieren konnten. Nach 1,275122000 Versuchen hatten wir es dann geschafft: Er hielt uns für würdig, nicht einfach nur qualvoll zu sterben, sondern stattdessen integrierte, vollwertige und sozialversicherte Mitglieder der Gesellschaft zu werden. John flehte ihn – vor Furcht und Entsetzen heulend – mit Karamellatem an, dass er doch gnädig sein und uns lieber jahrelang quälen, foltern und kurz vor unserem Tod zu kleinen, blutigen Flocken raspeln solle. Das kostete Karlsplatz-Karl nur einen müden Lacher. Die Lage war hoffnungslos. Ein guter Zeitpunkt, um über Korlsplotz-Karls Cousine zu sprechen.

 

Also, sie hatte quadratische Augen ohne Ecken, mit denen sie alles schmecken konnte. Ihre Haare, die in einem riesigen Schmalztopf klebten, bestanden aus matschigen Vollkornspaghetti. Wie bereits einmal erwähnt, sammelte sie leidenschaftlich gerne Spinnen, wobei sie diese mit Schmetterlingen verwechselte, obwohl sie weder das eine noch das andere jemals gesehen hatte. Außerdem war sie stolz darauf, selbst ein reinrassiger Papierschmetterling zu sein. Ihre Zähne hatte sie in der Vorschule gegen Kaugummizigaretten mit Quellwassergeschmack eingetauscht. Hast du schon eine Idee John?
John: „Nein, erzählt einfach weiter.“

 

Gut, also, äh, genau in dem Moment, wo mir nichts mehr einfiel, krachten Johns Nachbarn Peter und Paul durch das Zuckergussfenster, das in Karlsplatz-Karls Thronsaal vielleicht einmal sein könnte. Sie wurden von ihm zerquetscht und als Zahnpasta benutzt. Aber für ihren heroischen Mut werden sie im Krüziwuziland noch heute geächtet. Das wäre unser Ende gewesen, gäbe es nicht die Himbeermarmelade. Denn so erzählte uns Shannon von Karlsplatz-Karls einziger Schwachstelle: Er zerfällt sofort zu Staub, wenn er einen Affen sieht. Krüziwuzis können sich in jedes beliebige Tier verwandeln. Karlsplatz-Karl fand das ungerecht. Jedes Tier, außer Affen. Karlsplatz-Karl fand das würdig und recht. Denn in Wahrheit ist es würdig und recht weder zu leben noch zu sterben, sondern die eigene Konkursmasse in die Gründung eines Mitglieds der Gesellschaft zu investieren – außer wenn man Spielschulden bei einem Orang-Utan im weißen Smoking hat und dieser einen schließlich im Thronsaal des Korlsplotz-Korl aufstöbert.

 

Auf jeden Fall war Karlsplatz-Karl aus unerfindlichen Gründen in diesem Moment zu einem Berg staubiger Zuckerstückchen zerfallen, wir mussten dafür aber 4129 verlorene Partien bezahlen – was für ein Unglückstag. Trotzdem jubelten alle. Auch ich und John (jeweils in Zweitausgabe). John verkündete mit Apfelatem: „Wir sind gerettet! Karlsplatz-Karl, die Inkarnation des Bösen, der Straßen, Schulen, Krankenhäuser und so einen Mist bauen und uns eine sichere ökosoziale Demokratie aufzwängen wollte, ist besiegt! Die Anarchie ist wieder hergestellt!“ Drauf Shannon: „Stricke de Bauer! Stricke de Bauer!“ Danach wandte sich John an mich und sagte, aus dem Mund Weihrauchduft verströmend, zu mir: „Danke Galoschenherbert!“ Doch dann löste sich auf in wasserfarbenem Marihuanarauch. Ich war der Galoschenherbert! Und dabei hatte ich die ganze Zeit so an mich geglaubt, solange ich nicht wusste, dass ich ich bin!

 

Auf jeden Fall kam dann noch irgendetwas ganz, ganz Wichtiges. Aber ich hab’s vergessen. Ich war zu sehr damit beschäftigt, Karlsplatz-Karls Zuckerstückchen zu zählen. Es waren genug, dass ich nie wieder die Not des Würfelzuckermangels leiden musst und darauf kommt es ja an. So kam es, dass nicht noch mehr wirres Zeug von Stricke de Bauer niedergeschrieben wurde.

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LordUltra
Ich rasiere mich nur jeden zweiten Tag.

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Herbsttag Mein lieber Scholli, - was eine tolle Geschichte. Ich bin begeistert! Ich mag so verrückte Geschichten.
Kennst Du das Buch: "Die Stadt der träumenden Bücher", von Walter Moers? Das müßte etwas sein, was Dir gefallen könnte.
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