Fantasy & Horror
Die Spirale

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"Die Spirale"
Veröffentlicht am 04. Juli 2011, 106 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

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Die Spirale

Die Spirale

Beschreibung

Eine Reihe außergewöhnlicher archäologischer Entdeckungen bringt eine Gruppe Wissenschaftler auf die Spur einer uralten, längst vergessenen Zivilisation, die offensichtlich Hinweise auf Naturkatastrophen der Neuzeit hinterlassen hat.

Als frei publizierender Journalist recherchiere ich seit einigen Monaten in einem mehrfachen Vermisstenfall, bei dem bis heute große Unklarheiten bestehen. Die folgende Wiedergabe von Ereignissen, die sich im Zeitraum von 1995 bis 2007 abgespielt haben sollen, basiert auf den persönlichen Aufzeichnungen von Paul Clark und Dr. Simon Loades. Sie waren so ungewöhnlich in ihrer Natur, dass ich mich entschieden habe, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 

Im Mai 2007 kehrte Clark nach einer archäologischen Expedition in Sibirien in einem Zustand extremer geistiger Verwirrung zurück und wurde der Nervenheilanstalt von Edinburgh zugeführt. Abgesehen von unartikulierten Schreien bei Nacht sprach er von diesem Zeitpunkt an kein Wort mehr und wurde zwei Jahre später, in denen sich sein Zustand nicht besserte, erhängt in seinem Zimmer aufgefunden. Er war 37 Jahre alt, als er starb. Dr. Loades sowie die vier weiteren Teilnehmer der Forschungsreise – Matthias Svartten, Thomas Howard, Adrian Smith und Alexej Kurtschow – werden bis heute vermisst und sind höchstwahrscheinlich nicht mehr am Leben.

Im Zuge der Ermittlungen wurden Tagebücher, Akten und Feldnotizen entdeckt, anhand derer rekonstruiert werden konnte, was den offensichtlich tiefgreifenden Begebenheiten in Russland vorausging. Die letzten Eintragungen jedoch sind derart widersinnig, dass davon ausgegangen werden muss, dass sie bereits im Zustand höchster mentaler Unzurechnungsfähigkeit verfasst worden sind. Der gesunde Menschenverstand lässt keinen Zweifel daran, dass verschiedene befremdliche Schilderungen gewisser Orte und Wesenheiten nicht der Wahrheit entsprechen können. Dennoch werden sie in dieser Niederschrift berücksichtigt, damit sich der Leser ein eigenes Urteil bilden kann. Welche Umstände letztlich tatsächlich zum Verschwinden der fünf Männer und die im Suizid gipfelnde geistige Umnachtung von Paul Clark führten, bleibt nach wie vor unklar.

Die bis heute nicht befriedigend geklärten Naturphänomene, die im Text erwähnt werden, haben sich meinen Recherchen zufolge tatsächlich alle an den besagten Orten und zu besagten Zeiten zugetragen.

I

 

Wer je im Traum erfahren hat die Stimmen der amorphen Götter, die schädlich nagend sich verbergen hinter Chaosdimensionen, unnennbar schreiend, Pestwind nährend, im Zentrum aller Ewigkeit, der folgt dem Ruf, bis sein Verstand noch vor dem Ziel verderblich stirbt!

Gott, dieser Schacht! Die bodenlose Tiefe, der Schlund hinab in die Dunkelheit der inneren Höhlen... Der Sturz in die Leere, die taube Berührung leibloser Hände, die vielstimmigen Schreie schizophrener Verzweiflung! Abscheuliche Angst, grausiger Schrecken! Jede Nacht kehre ich in meinen Träumen erneut zu jenem verfluchten Winkel der Erde zurück... diese grässliche Hölle, die einen so unverrückbaren Schatten über mein Leben warf. Ist es zwei Jahre her? Drei? Ich habe aufgehört, zu zählen, und jedes Gefühl für den Lauf der Zeit verloren. In dieser Anstalt finde ich nicht mehr als die Illusion körperlicher Sicherheit, und mein Geist, das weiß ich wohl, ist längst dem Wahnsinn anheim gefallen, diesem Wahnsinn, der unter der Erde brütet – und der mich in jenem Augenblick überkam, den zu durchleben kein Mensch bestimmt ist. Verstörende Tagträume und scheußliche Visionen von uralten Schrecknissen gestalten meine wachen Stunden kaum erträglicher als die lähmenden Alpträume der Nächte.

Versuche ich heute, mich bewusst an jene Zeit zu erinnern, so sehe ich verblasste Bilder, verschwommen und undeutlich. Der Mensch verdrängt vieles, was ihn über die Grenzen seines Verstandes führt. Doch wie verkommen wäre ein Geist, der imstande ist, sich Dinge jener Art, wie ich sie gesehen habe, auszudenken!

 

Aus den Aufzeichnungen des Paul Clark,

wenige Tage vor seinem Tod.

 

 

Paul Clark war zu seinen besseren Zeiten ein äußerlich recht unauffälliger Mann gewesen. Seit seiner Einlieferung hatte er sich Haare und Bart ungehindert wachsen lassen, sodass bald auch seine äußere Erscheinung seine innere Unruhe widerspiegelte. Er pflegte keinen Kontakt zu den anderen Insassen der Anstalt, auch jeglicher Besuch blieb aus. Er verbrachte die meiste Zeit des Tages in seinem kleinen Zimmer. In einer immer gleich bleibenden, reizarmen Umgebung wie dieser quälten ihn die entsetzlichen Trugbilder zumindest etwas seltener.

Die Wände seines Raumes hatte er im Laufe der Jahre mit einem dichten Netz sonderbarer Zeichnungen übersät, die entfernt an die Zerrbilder menschlicher Gestalten erinnerten, welche so etwas wie Feuertänze oder unnennbare Rituale vollführten. Obwohl er nicht sprach, so schrieb er doch viel, jedoch äußerte er sich nie zu diesen Bildern. Seine Art des Schreibens zeichnet sich durch einen gehobenen Sprachstil aus und könnte so manchen unwissenden Leser glauben lassen, die Diagnose seines Geisteszustands sei zu pessimistisch gewesen, doch die entsetzlichen Inhalte dessen, was er zu Papier brachte, lassen keinen Zweifel an seinem Wahnsinn. Dazu gehörten auch die Schilderungen jener letzten Tage in Sibirien.

Je näher der Tag seiner Selbsttötung nahte, desto unbegreiflicher wurden seine Notizen und Skizzen. Es schien, als stürzte Clarks Geist mit jeder Erinnerung unausweichlich in eine noch tiefere Sphäre.

 

Um nun die Vorgeschichte näher zu beleuchten, muss man das Augenmerk auf eine Reihe bemerkenswerter archäologischer Entdeckungen richten, bei denen Dr. Simon Loades eine Schlüsselrolle spielte. Als die ersten Zusammenhänge zwischen den einzelnen Fundstücken deutlicher wurden, begann eine Zusammenarbeit von Fachleuten, zu denen auch Paul Clark gehörte.

Clark lebte seit Beginn seines Studiums der Archäologie in Edinburgh und lernte dort den zehn Jahre älteren Dr. Simon Loades, gebürtig und tätig im südenglischen Plymouth, bei einer Tagung kennen. Clarks Wissensstand über das „Rätsel“, wie Loades es nannte, war auf das beschränkt, was er und jeder andere aus den spärlichen Pressemitteilungen hatten entnehmen können, und Dr. Loades hielt sich in dieser Hinsicht selbst engen Kollegen gegenüber eher rar. Doch er und Clark fanden Sympathien füreinander, nannten sich bald beim Vornamen und während einiger tiefgehender Gespräche weihte er ihn in die Mysterien ein, die er und sein Team aufzudecken suchten.

Clark erinnerte sich gut an die einleitenden Worte seines Berichtes. „Alles, was uns gelehrt wurde, wagen wir in keiner Silbe anzuzweifeln“, hatte Dr. Loades gesagt, als sie an einem regnerischen Novemberabend in Clarks bescheidener Bleibe in der Altstadt Edinburghs bei einer Flasche Wein saßen. „Die Schulmeinung ist ein unverrückbarer Wissensspeicher, mit dem neue Erkenntnisse entweder vereinbar sind oder, falls nicht, als fehler- oder lückenhaft betrachtet werden müssen. Seit wir dem Rätsel auf der Spur sind, sehe ich mich jedoch gezwungen, alles, was ich je für gesichert gehalten habe, in Frage zu stellen. Wir sind auf einen Sachverhalt gestoßen, der die Geschichte der Menschheit und der Zivilisation auf den Kopf stellt und dennoch keinen Zweifel an seiner Realität lässt. Unsere Aufgabe besteht darin, ein neues Bild zu konstruieren und die Geschichtsschreibung neu zu formulieren. Bis zum jetzigen Zeitpunkt aber tappen wir in völliger Dunkelheit.“

 

In den mittleren Neunzigern war Loades bei seinen Reisen durch Mittelamerika auf eine bislang unerforschte Ruinenstätte der Maya gestoßen, die er auf die mittlere Präklassik, etwa 900 bis 400 vor Christus, datierte. Zu dieser Zeit waren hier auf Yucatán die ersten großen Siedlungskomplexe und Tempelbauten entstanden. Überraschend war der Fund eines gewaltigen Monolithen etwas außerhalb der Siedlungsgrenzen, der sich sowohl stilistisch als auch durch sein augenscheinlich wesentlich höheres Alter von den bekannten Mayarelikten unterschied. Er hatte eine konische, schraubenartige Form, ganz ähnlich dem Gehäuse einer hoch aufgewundenen Meeresschnecke, maß gute zwei Meter an der Basis und war ursprünglich – die Spitze war durch  Erosions- oder Gewalteinwirkung abgebrochen – wohl zwischen sieben und acht Meter hoch gewesen. Große Teile der grauschwarzen Oberfläche waren mit seltsamen geschwungenen, erhabenen Glyphen verziert, bei denen ebenfalls Spiralformen überwogen. Sie ähnelten keiner bekannten Schriftform, sodass jeder Übersetzungsversuch an fehlendem Vergleichsmaterial scheiterte.

Der völlig überwucherte Stein stand noch immer aufrecht, als Loades ihn nahe der Siedlungsreste entdeckte. Die Fremdartigkeit des Artefakts wurde nach den ersten Untersuchungen beinahe von der Erkenntnis überschattet, dass es aus einem extrem harten Tiefengestein gefertigt war, das in dieser Form lediglich in den Anden, Südafrika und Zentralasien zu finden ist. Welches präkolumbische Volk sich zu welchem Zeitpunkt, zu welchem Zweck und – vor allen Dingen – mit welchen Mitteln der monumentalen Aufgabe gestellt hatte, einen 25 Tonnen schweren Steinbrocken an die 3.000 oder 4.000 Kilometer weit zu transportieren, blieb in jeder Hinsicht ein Rätsel.

Der Monolithenfund von Yucatán wurde eingehend vermessen, die Hieroglyphen wurden abgezeichnet, doch einer Lösung kam man nicht näher. Weder in den Überlieferungen der Mayanachkommen noch in den nurmehr spärlich vorhandenen Mayaschriften stieß man auf Erwähnungen oder auch nur einen Hinweis auf das Stück.

Die Untersuchungen wurden auf Eis gelegt und Publikationen der Entdeckung knapp gehalten, als man erkannte, dass die Fragen nicht zu beantworten waren. Die Geschichte erhielt jedoch frischen Aufwind, als gut zehn Jahre später einige Fotos auftauchten, die ein Reisender in Grönland gemacht hatte. Der Mann war in den Watkins-Bergen im Osten der Insel unterwegs gewesen, als er während eines Aufstiegs die Spitze einer schraubenartigen Gesteinsformation aus der Schneedecke ragen sah, die ihn an einen künstlichen Ursprung denken ließ. Die Bilder gelangten auf Umwegen zum Archäologen Loades, der innerhalb weniger Wochen ein entsprechend ausgebildetes Forschungsteam zusammenstellen konnte, um der Geschichte auf den Grund zu gehen.

 

Am Ostrand des Nordost-Grönland-Parks, dem weltweit größten Nationalpark, liegt die isolierte Siedlung Ittoqqortoormiit. Dort traf Loades' Truppe im Juni 2005 auf den Entdecker des Steins, einen kanadischen Freizeitbergsteiger namens Lars Dunnell. Das Team umfasste einen weiteren Kollegen vom Fach, Thomas Howard, sowie den Fotografen Adrian Smith und zwei ausgebildete Alpinisten.

Die Fotos, die Loades' Aufmerksamkeit geweckt hatten, waren an einer Wand des Gunnbjørns Fjeld entstanden, dem höchsten Gipfel der Arktis. Flankiert von weiteren Bergriesen, ragt er fast 3.700 Meter in die Höhe. Seine Spitze und ein Teil seiner Hänge sind eisfrei.

Die Forscher mieteten einen Transporter und drei Motorschlitten. Zudem mit Steigeisen, Seilen und Skiern ausgestattet, machten sie sich am frühen Morgen nach ihrer Ankunft auf den Weg zur Watkins-Bergkette am Rande des Inlandeises. Das Wetter und die Temperaturen waren erträglich. Jeweils zu zweit bewältigten sie einen Großteil des Aufstiegs mühelos mithilfe der Schlittenfahrzeuge. Dunnell führte sie über Firn und Schneefelder den Südgrat hinauf, bis sie in etwa 3.000 Metern Höhe zu Fuß weitergehen mussten. Eine gute Stunde gingen sie den immer steiler werdenden Hang in Richtung des nackten, schwarzen Gipfels hinauf. Dann, etwa 500 Meter unterhalb der Bergspitze, erreichten sie den Fundort.

Für einen langen Moment starrten Loades und seine Begleiter regungslos auf das Bild, das sich ihnen bot. Die Erschöpfung des Aufstiegs oder der beißende arktische Wind waren längst nicht die einzigen Gründe für ihre Atemlosigkeit. Dieser Anblick und die unbeschreibliche Bedeutung, die ihm beigemessen werden musste, verschlugen ihnen die Sprache.

Gute drei Meter des Objekts lagen an der Oberfläche. Die Berglandschaft hier war zwar tief verschneit, jedoch frei von Packeis, sodass es den Männern gelang, einen weiteren großen Teil mithilfe von Schaufeln und Hacken ans Tageslicht zu befördern. Die Verwunderung, Überraschung, ja unheimliche Berührung der Anwesenden – ganz besonders bei Dr. Loades – ist wohl nachvollziehbar, ähnelte doch dieser Stein seinem Gegenstück in Mittelamerika fast bis ins letzte Detail. Auf den ersten Blick erkannte Loades, dass die  Schriftzeichen demselben kryptischen Alphabet angehörten wie die des Yucatánmonolithen. Dazu dasselbe Material, dessen Heranschaffung so unbegreiflich schien, sowie dieselbe schraubenartige Gesamtform – und das alles in einem über 6.000 Kilometer von Mexiko entfernten Winkel der Erde. Die Spitze dieses Exemplars, ebenso nicht ganz vollständig, ragte in einem leicht schrägen Winkel in die eisige Höhenluft Grönlands hinauf. Grönland, ging es Loades durch den Kopf – einer der unwirtlichsten Orte des Planeten, seit Anbeginn der Zeitrechnung nur an den Küstenstreifen besiedelt und der Lehrmeinung zufolge frei von Anzeichen jeglicher Megalith- oder Hochkulturen. Doch vor den Augen der gestandenen Archäologen erhob sich nun ein unverrückbarer Beweis für die einstmalige Existenz eines urzeitlichen, nicht zuletzt transporttechnisch hoch entwickelten Volkes, dessen Einflussbereich ganz offensichtlich nicht nur auf ein einzelnes Gebiet der Erde beschränkt war. 

Der Stein wurde im Detail fotografiert und in jeder möglichen Form dokumentiert. Im Vergleich mit dem ersten Exemplar stellte sich heraus, dass die sonderbaren Glyphen hier anders angeordnet waren, offensichtlich also einen anderen Text bildeten. Einer Deutung war man damit allerdings keinen Schritt näher gekommen.

 

Eines Abends im März 2006 erreichte Clark ein Telefonanruf. Loades' angenehme, tiefe Stimme begrüßte ihn mit einem Unterton, in dem er sofort eine gewisse Euphorie erkennen konnte. Soweit Clark es seinen kurzen Nachrichten hatte entnehmen können, die ihn in regelmäßigen Abständen erreicht hatten, investierte Loades zu diesem Zeitpunkt fast seine gesamte Zeit in Vergleichsarbeiten zu den rätselhaften Steinen.

„Du weißt, Paul“, sprach er nach einer eiligen Begrüßung, „dass du einer der wenigen Menschen bist, denen ich offen über meine Arbeit berichte, weil ich weiß, dass ich von dir ernst genommen werde. Ich weiß das sehr zu schätzen. Deshalb möchte ich dir einen Platz in meinem Forschungsteam anbieten. Es gibt ein neues Ziel.“

Clark war überrascht, gleichzeitig wuchs seine freudige Erregung. Natürlich nahm er die Einladung an und erfragte die Hintergründe. Wie er erfuhr, hatte der Ranger einer abgelegenen nordatlantischen Hebrideninsel Kontakt zu Loades' Forschungsgruppe aufgenommen, da er der Ansicht war, ein drittes Stück derselben Art befände sich auf dem Eiland.

 

Wenige Tage nach der Meldung steuerte ein kleines gechartertes Schiff die abgelegene Küste von St. Kilda an. Die winzige Inselgruppe liegt ein Stück westlich der schottischen Küste. Neben dem Kapitän, Dr. Loades und Clark umfasste das Team erneut den Archäologen Howard und Smith, den Fotografen.

St. Kildas Hauptinsel Hirta ist nur knappe drei Kilometer lang, weist aber die höchsten Steilklippen des Königreichs auf. Bewohnt wurden die Inseln selten von mehr als 100 Menschen gleichzeitig, bis sie schließlich völlig der Natur überlassen wurden. Einzig das Verzeichnen des Tierbestands und archäologische Untersuchungen von Frühzeitsiedlungen werden bis heute durchgeführt.

Als der Steuermann mit einigen Schwierigkeiten in einer südöstlichen Bucht anlegte, wurde das Team von Glynn Rowe begrüßt, dem Inselranger. Er war ein freundlicher, etwas wortkarger Mann Mitte Dreißig. Außer ihnen befand sich kein weiterer Mensch auf den Inseln – dafür eine Vielzahl an Vögeln, eine Gruppe Schafe und ein paar endemische Feldmäuse, wie die Männer erfuhren.

Jede Entfernung auf der Hauptinsel war problemlos zu Fuß zu bewältigen, also nahmen sie alle nötigen Geräte mit von Bord und ließen sich von Rowe zu jenem Fundort führen, den sie sich als weiteres Puzzlestück des großen Ganzen erhofften.

Die Insel hinterließ in ihrer unberührten Einsamkeit einen bleibenden Eindruck bei Clark. Die vollkommene Abgeschiedenheit dieses Ortes schien selbst in den Tiefen des Geistes desjenigen, der ihn besuchte, noch nachhaltig spürbar. Raue, stürmische Brandung traf auf zerklüftete Steilküsten, mächtige Felsnadeln und steinige Buchten; meterhohe Wellen brachen sich an schroffen Klippen und kreischende Möwen segelten im Aufwind über seinen Kopf hinweg.  Es war kalt, regnerisch und stürmisch, doch in einer ungeahnten Weise fügte sich das schlechte Wetter in einem solchen Maße in die ursprüngliche Atmosphäre dieses verlassenen Ortes ein, dass es keinem der Besucher als störend erschien. Der Inselranger erzählte während des Marsches über die aufgeweichten, graugrünen Wiesen, dass er den Stein, den er ihnen zeigen wollte, schon vor etwa drei Jahren entdeckt, ihn jedoch für eine natürliche Form gehalten hatte – von den Gezeiten erschaffen –, bis er von den Funden in Mexiko und Grönland gelesen hatte und ihm bei näherer Betrachtung einige Übereinstimmungen aufgefallen waren. Das Objekt befände sich in einer kleinen, versteckten Bucht im Norden der Hauptinsel und sei über einen unbefestigten Pfad aus alten Siedlerzeiten erreichbar.

Sie erreichten die windige Bucht nach einem Abstieg entlang der steil abfallenden Nordküste. Steinbrocken verschiedenster Größe und Gestalt lagen kreuz und quer im Brandungsbereich verstreut und brachen riesige Wellen, die ihnen ihre salzige Gischt ins Gesicht warfen. Auf den ersten Blick war das gesuchte Stück nicht zu sehen. Rowe führte die Gruppe um einige der Felsen herum, von denen aus sie ein Schwarm Seemöwen misstrauisch beobachtete, und präsentierte ihnen schließlich einen sehr großen, länglichen und sich verjüngenden Stein, der nicht ganz bis zur Hälfte aus dem schaumigen ufernahen Wasser ragte. Clark hatte zwar einen aufrecht stehenden Monolithen erwartet, erkannte jedoch schnell, dass es sich hierbei tatsächlich ohne Zweifel um eine weitere Kopie der ersten beiden Funde handelte. Und obwohl Wind, Wasser und Steinschlag an der Oberfläche dieses Exemplars stärkere Spuren hinterlassen hatten, waren sowohl die gewundene Formgebung als auch viele der eingearbeiteten Schriftzeichen noch recht gut als solche zu erkennen. Die Kollegen und er waren allesamt in heller Aufregung.

Ungeachtet der tosenden Brandung versuchten sie, sich dem Objekt aus jeder denkbaren Richtung zu nähern. Der Empfehlung des Rangers folgend, die Exkursion nicht ohne Wathosen  durchzuführen, konnten sie sich ein Stück weit ins Wasser begeben, waren jedoch allesamt schon nach wenigen Augenblicken völlig durchnässt. Die Spitze des Monolithen ragte in Richtung des Ufers und befand sich gut anderthalb Meter über der Wasseroberfläche, während die gesamte Basis darunter lag. Große Teile des Steins trugen eine Kruste aus Seepocken, Miesmuscheln und Napfschnecken; Tang wucherte in schleimig-grünen Büscheln und Vogelkot bedeckte die Oberseite. Bei voller Flut lag das Objekt vermutlich ganz oder größtenteils unter Wasser; Rowe hatte für sie jedoch eine günstige Zeit abgepasst.

Soweit es ihnen möglich war, machten die Männer Aufnahmen verschiedener Perspektiven und Details des Stückes, das sichtbar war. Loades, der vor überschäumendem Entdeckerenthusiasmus jede Behinderung durch die brechenden Wellen ignorierte, gelang es, die Oberseite des Steins zu erklimmen, wo er sich daran machte, sie zumindest oberflächlich von den Möwenexkrementen zu befreien. Smith, der Fotograf, folgte ihm und schoss einige Nahaufnahmen der zutage tretenden Hieroglyphen. Loades forderte Clark auf, zu ihm zu stoßen und selbst einen Blick auf die Zeichen zu werfen, doch er lehnte ab und stieg zurück ans steinige Ufer. Während er dem Treiben zusah, rann ihm ein Schauer über den Rücken, der nicht in der feuchten Kälte begründet lag. Ihm wurde plötzlich beinahe körperlich schlecht. Unlösbare Fragen stürzten auf ihn ein.

Wie viele Äonen lag dieses Zeugnis einer untergegangenen Kultur bereits zwischen den zerklüfteten Felsen dieser sturmgepeitschten Bucht? Wie viele Epochen mochten vergangen sein, seit der Monolith auf dieser gottverlassenen Insel errichtet und wieder gestürzt worden war? Oder, so ging es ihm durch den Kopf – wurde der Stein womöglich von den Gletschern der Eiszeit hierher getragen, weit entfernt von seinem unbekannten Ursprung? Mit welchen unvorstellbaren Abgründen der Zeit hatten sie es hier zu tun?

Sie waren sich der Tatsache bewusst, dass jeder Versuch, vernünftig und auf Basis allen als gesichert geltenden Wissens zur Vorgeschichte des Menschen über die möglichen Hintergründe der Funde zu spekulieren, ergebnislos bleiben musste. Anstatt klarer zu werden, näherte sich das Gesamtbild mit jeder neuen Erkenntnis ein Stück weiter dem Unbegreiflichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II

 

Niemand wusste, zu welcher Zeit, mit welchem Ursprung und bis zu welcher Entwicklungsstufe die unbekannte Kultur aufblühte, die die Monolithen erschuf. Loades selbst empfand es noch nicht einmal als gesichert, dass es sich dabei um menschliche Wesen handelte. Fakt jedoch schien, dass sie auf dem gesamten Erdball aktiv gewesen waren. Ebenso offen blieb die Frage, wie diese Zivilisation wieder verschwunden war und ob womöglich noch weitere Hinterlassenschaften existierten – eine Überlegung, die angesichts der größtdenkbaren Abgeschiedenheit der bisherigen Fundorte als durchaus nachvollziehbar erschien. Tatsächlich stieß Loades' Forschungsgruppe bei ihren Recherchen auf Berichte über einen großen, schraubenförmigen Kultstein im australischen Outback, verfasst von einem europäischen Reisenden im 18. Jahrhundert; die ungenauen Angaben über den Standort verhinderten jedoch vorerst eine Überprüfung. Unbestätigt blieb auch die Behauptung eines Sportpiloten, bei einem Tiefflug irgendwo über der ägyptischen Sahara ein ähnliches, vielleicht identisches Objekt gesehen zu haben, das einige Meter aus dem Sand ragte. Bei seinem Versuch, es erneut zu finden, schien es wieder von den Wanderdünen bedeckt worden zu sein.

Hatten die namenlosen Schöpfer des Monolithenrätsels womöglich auch andere Spuren auf der Erde hinterlassen? War es denkbar, dass eben jenes uralte Volk auch die mächtigen Steinwächter der Osterinseln, die kolossalen Fundamente von Baalbek oder die unmögliche Festung von Pumapunku erschaffen hatte? Waren sie die vergessenen Baumeister der unverstandenen Pyramidenstadt Teotihuacán oder der versunkenen Monumente von Yonaguni? Lagen die Zeugnisse ihrer überlegenen Kultur vielleicht direkt vor unseren Augen – seit Menschengedenken fehlgedeutet?

 

Nur zu gern hätte Dr. Loades einen der Steine in die Zivilisation geschafft, doch fehlten seinem Team die finanziellen Mittel für Bergung und Transport. Jeder Versuch, die Zeichen auf den Steinen zu übersetzen, war von Beginn an zum Scheitern verurteilt, da aus keinem Winkel und aus keiner Epoche der Welt eine ähnliche Schriftform bekannt war. Doch etwa ein Jahr nach der Entdeckung auf St. Kilda gelang ein Durchbruch auf dem Weg zum Verständnis.

Im Februar 2007 erreichte ein schwergewichtiges Paket die archäologische Sammlung von Plymouth zu Händen von Dr. Loades. Die vernagelte Holzkiste maß einen guten Meter in der Länge und jeweils einen halben Meter in der Höhe und Tiefe. Über den Inhalt wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nichts; lediglich die nahende Übersendung irgendeines Artefaktes war ihm in einem Telefongespräch von einem ahnungslosen Universitätsangestellten aus Mexiko angekündigt worden.

Loades beschrieb Clark einige Tage später am Telefon, was er empfand, als er die Kiste aufstemmte. Es handelte sich um die verloren geglaubte Spitze des Monolithen, den er zwölf Jahre zuvor im Dschungel Yucatáns entdeckt hatte.

Er war nach seiner Entdeckung der Mayastätte bereits einige Male neuerlich dort gewesen, um die Bauwerke und Artefakte zu katalogisieren. Natürlich hatten sich jedoch auch andere, vor allen Dingen einheimische Archäologen der Sache angenommen und weitere Grabungen und Untersuchungen durchgeführt. Die Ruinen waren nach und nach dem Wald entrissen, von Schlingpflanzen und Moosen befreit, vermessen und auf ihre Funktion hin interpretiert worden. Die Arbeiten waren nach wenigen Jahren abgeschlossen gewesen, aber von Zeit zu Zeit wurden Studentengruppen zur Veranschaulichung der Feldforschung in den Komplex geführt – entweder, ohne ihnen den Monolithen vorzuführen, oder man speiste sie mit der banalen Erklärung ab, es handle sich dabei um ein „religiöses Kultobjekt“. Einer jener Studenten nun, so hieß es in dem beiliegenden Schreiben von Loades' mexikanischem Kollegen, sei bei der Exkursion zufällig über einen größeren, überwucherten Stein gestolpert, an dem ihm Spuren künstlicher Bearbeitung aufgefallen seien. Bei genauerer Betrachtung erkannte man, dass der sich verjüngende Block dieselben Schriftmuster aufwies wie das gewaltige „Kultobjekt“ außerhalb des Ruinenfeldes, ebenso wie dieses schraubenartig geformt war und sich die Bruchkanten offenbar passend zusammenfügen ließen. Mithilfe einiger einheimischer Helfer wurde der Stein in die nächste Siedlung getragen, von dort in die Nationale Universität in Mexiko-Stadt befördert, fotografiert, vermessen und anschließend nach Plymouth an Simon Loades versandt, denn der Heimatstadt des Entdeckers wurde adäquaterweise der Besitz einiger Artefakte aus der Ruinenstätte zugestanden.

Loades war außer sich vor Begeisterung. Die gesamte Oberfläche war einwandfrei erhalten, anders als die vom Salzwasser verwaschene Spitze des schottischen Exemplars oder die zerbröckelte Spitze des Steins in den grönländischen Bergen. Zum ersten Mal konnte der Archäologe die tatsächliche Gestaltung des Monolithengipfels betrachten. Es vergingen allerdings einige Wochen, bis er bereit war, Clark gegenüber mit einer Beschreibung aufzuwarten.

 

Mitte März wurde Clark nach Plymouth eingeladen. Loades führte ihn in die Kellerräume der archäologischen Sammlung, durch lange Archivkorridore bis in einen steril ausgeleuchteten Raum, in dessen Mitte ein metallener Tisch stand, der das Bruchstück trug. Das etwa armlange Objekt faszinierte den Besucher von der ersten Sekunde an. Die so absonderlichen Hieroglyphen – dicht gedrängt auf der spiralig gewölbten, dunklen Oberfläche – erweckten Assoziationen in ihm, die er nicht zuordnen, jedoch in Form von unangenehmen Schauern in seinem Nacken spüren konnte. Es war dieser Hauch aus Äonen, die Begegnung mit dem Uralten, die ihn bereits in der Bucht von St. Kilda überwältigt hatte. Diese Berührung eines Artefakts aus einer unbekannten Zeit... Unwillig, sich der beruhigenden Einordnung in unsere sorgsam errichteten und doch wohl so erbärmlich falschen Gedankenkonstrukte zu beugen; jener Lehrmeinung, die wir hochmütig als unser „gesichertes Wissen“ bezeichnen, ohne auch nur die Überlegung in Betracht zu ziehen, dass wir womöglich nicht die einzigen Geschöpfe dieser Erde sind, nicht die ersten denkenden Wesen, die danach streben, die Welt und alles, was in ihr vorgeht, zu katalogisieren und zu verstehen.

Loades atmete tief durch, bevor er begann, Clark seine Erkenntnisse der letzten Wochen zu erläutern. Zunächst jedoch ging er mit ihm um den Tisch herum, sodass sie sich die abgerundete Spitze des Steines ansehen konnten. Clark erkannte einige ineinander liegende elliptische Umrisse, die den Scheitelpunkt umschlossen. Genau in der Mitte, auf dem ehemals höchsten Punkt des Monolithen, befand sich die erhabene Prägung eines neunzackigen Sternes. Als er genauer hinsah, fiel ihm auf jeder der Kreisbahnen jeweils eine runde Punktmarkierung auf. Insgesamt waren es acht Kreise.

Clark musste schlucken und sah seinen Kollegen für einen Moment entgeistert an. Dieser nickte nur. Dann erklärte er ihm, was Clark in Ansätzen bereits erahnte.

„Die Ellipsen stellen die Umlaufbahnen unseres Sonnensystems dar, und zwar die Bahnen sämtlicher Planeten inklusive Uranus und Neptun, die der Mensch erst sehr spät entdeckt hat. Die verschiedenen Durchmesser der Markierungen lassen die genaue Bestimmung der Planeten zu. Pluto fehlt im System; offensichtlich haben ihn die Schöpfer des Monolithen nicht als Planeten eingeordnet.“

Dass jene Kultur über detailliertes astronomisches Wissen verfügte, erschien in Anbetracht der zahllosen anderen ungeklärten Merkwürdigkeiten kaum noch verwunderlich. Dr. Loades' Deutung des Planetenreliefs ging allerdings noch ein Stück weiter. Er hatte einen Gelehrten der Astronomie in seine Arbeit eingeweiht und anhand der Himmelskörperpositionen das Datum feststellen lassen, das zu der Konstellation passte. Die Wiederholung von exakt ein und derselben Konstellation aller Planeten zueinander erfolge in so großen Zeitabständen, erklärte er Clark, dass sich der Wissenschaftler auf ein einziges Ergebnis festgelegt hatte.

„Sofern die unbekannten Künstler in grauer Vorzeit also tatsächlich auf ein bestimmtes Datum hindeuten wollten, dann verweist die Darstellung aller Wahrscheinlichkeit nach auf den 30. Juni des Jahres 1908 – vielleicht mit drei oder vier Tagen Abweichung.“

Clark sah Loades an, als hielte er seine Worte für verrückt. Doch nach einigen Augenblicken wich seine Skepsis. So wenig nachvollziehbar es auch erscheinen mag, dass ein Datum des 20. Jahrhunderts eine Bedeutung für eine Hochkultur gehabt haben könnte, deren Blütezeit ungezählte Epochen zurücklag – es wäre in der Geschichte kein Einzelfall einer solchen Voraussicht gewesen, prophezeiten doch beispielsweise die Maya schon vor Hunderten von Jahren weitreichende Veränderungen ab dem 21. Dezember 2012, dem Tag, an dem die Sternenkonstellation ihres mythologischen Schöpfungstages erstmals wieder eintreten wird.

Im Gegensatz zur Voraussage der Maya jedoch, deren Erfüllung noch in der Zukunft lag, war das offensichtliche Schlüsseldatum dieser untergegangenen Hochkultur bereits auf alle erdenklichen bereits geschehenen Ereignisse hin überprüfbar. Wie sich im weiteren Verlauf des Gesprächs schnell herausstellte, war Dr. Loades auch diesen Schritt bereits gegangen, und je mehr er Clark davon berichtete, desto erregter bebte seine Stimme. Am 30. Juni 1908, so sprach er, trug sich in einer der entlegensten Regionen Sibiriens etwas zu, das seitdem im Allgemeinen als das „Tunguska-Ereignis“ bekannt ist.

Clark hatte davon gehört. Augenzeugen berichteten damals von einer gewaltigen Explosion am Morgenhimmel über der Taiga. Auf den Donnerschlag folgte eine 20 Kilometer hohe Lichtsäule, die kurz darauf einer pilzförmigen Wolke wich. Auf einer Fläche von gut 2.000 Quadratkilometern wurden Bäume aus dem Erdreich gerissen und verbrannt, umgeknickt wie Streichhölzer. Die bewaldete Flusslandschaft verwandelte sich binnen Sekunden in eine verkohlte Wüste. Noch 500 Kilometer weiter bebte die Erde, grollte der Donner, und selbst in Europa blieben die folgenden Nächte taghell. Menschen kamen kaum zu Schaden, da die Region nur spärlich besiedelt war, doch die Zerstörung der Wälder war verheerend. Erste Expeditionen zum Ort des Geschehens fanden, verzögert durch den Ersten Weltkrieg, erst in den zwanziger Jahren statt. Wissenschaftler vermuteten schnell, dass der Einschlag eines Asteroiden oder Kometen für die beispiellose Verwüstung verantwortlich gewesen war, doch fand man weder am Ort des Geschehens noch in der weiteren Umgebung einen Krater oder Bruchstücke, noch nicht einmal kosmischen Staub im Erdreich. Genaue Untersuchungen aller Faktoren erbrachten nichts als weitere offene Fragen, und so überschlugen sich im Laufe der Zeit die verschiedensten Erklärungsansätze – von Gasausbrüchen aus dem Erdinneren über konspirative Bombentests bis hin zum Einfluss eines winzigen schwarzen Loches. Spätestens nach der Entdeckung von radioaktiv verstrahlten Pflanzen in der Tunguskaregion wurden Vermutungen laut, es könne sich um den Absturz eines außerirdischen Flugkörpers gehandelt haben – untermauert von den Berichten verschiedener Zeugen, das explodierende Objekt sei vor der Detonation in einer Kurve vom Himmel herab gesunken.

„Du glaubst also, diese Steine wurden in Voraussicht auf das Tunguska-Ereignis geschaffen?“, erbat Clark Bestätigung für die brisante Theorie.

„Was damals in der Taiga geschehen ist, kann kein Mensch mit Gewissheit sagen“, erwiderte Loades. „Fast 100 Jahre später ist die Ursache heute noch immer so unklar wie damals. Nun stehen wir vor diesen Steinen, einem der größten Rätsel der Geschichte, und finden darauf einen Verweis auf ein anderes der größten Rätsel. Vielleicht haben wir eine Spur entdeckt, die uns dem Verständnis beider Geheimnisse näher bringt.“

„Und was planst du? Feldforschung in Sibirien?“

Loades schüttelte den Kopf. „Ich würde, wenn ich könnte. Die finanziellen Mittel fehlen einfach.“

 

Clark blieb noch einige Tage bei seinem Kollegen, bevor ihn die Arbeit zurück nach Edinburgh rief. Kurz nach seiner Abreise erhielt die Universität von Plymouth eine weitere Postsendung zu Händen von Loades, jedoch lediglich einen Brief – wenngleich dieser durch das edle Papier und eine Absenderadresse in Norwegen aus der Reihe des Üblichen fiel. Das Schreiben war kurz, jedoch in einer schwungvollen Handschrift und mit Bedacht gewählten Worten verfasst.

 

Geschätzter Dr. Loades,

mit großer Aufmerksamkeit habe ich in der letzten Zeit Ihre Veröffentlichungen über die außergewöhnlichen Monolithen verfolgt. Ich bin so frei, gleich mein Anliegen vorzutragen,  von dem ich denke, dass es Ihr Interesse wecken wird. Mein Name ist Matthias Svartten und ich lebe in einem Haus in den Fjorden bei Ålesund. Hier verwahre ich gewisse Erbstücke, die in Verbindung mit Ihrer Arbeit stehen. Ich möchte nicht zu viel in diesem Schreiben preisgeben, hoffe jedoch sehr, dass Sie meinem Angebot nachkommen, mir einen Besuch abzustatten, damit wir über einige Dinge sprechen können. Welche Fragen Sie auch immer haben, Sie werden Antworten erhalten.

Bitte kontaktieren Sie mich unter der Telefonnummer im Briefkopf. Sämtliche Reisekosten werde ich übernehmen.

 Mit besten Grüßen

M. Svartten

 

Loades war unentschlossen, ob er der merkwürdigen Zuschrift Glauben schenken sollte. Weder hatte er den Namen Matthias Svartten jemals gehört noch war er in seinem Leben schon einmal in Norwegen gewesen. Dennoch wählte er umgehend die besagte Nummer. Svarrten persönlich meldete sich, und Loades konnte am Tonfall seiner Stimme hören, dass er sehr erfreut über die Kontaktaufnahme schien. Loades fragte ihn ohne Umschweife, worum es sich bei seinen ominösen Erbstücken handele und inwiefern sie ihm bei seiner Arbeit behilflich sein sollten. Offensichtlich wollte der Mann ihm jedoch auch jetzt noch nichts Genaueres mitteilen.

„Hören Sie, Doktor Loades“, sprach der Norweger, „ich weiß um die Geheimnisse, denen Sie auf der Spur sind. Vermutlich sehr viel mehr, als Sie es sich vorstellen können. Ich verfüge über den Schlüssel.“

„Was für einen Schlüssel?“, wollte Loades wissen.

„Übersetzungen, Deutungen. Erkenntnis. Kommen Sie und Sie erhalten Antworten auf all Ihre Fragen.“

Und so stieg Loades nur drei Tage später in ein Flugzeug nach Norwegen.

 

 

III

 

Er erreichte das Anwesen des reichen Skandinaviers in den Abendstunden mit einem Wagen, der samt privatem Chauffeur eigens für ihn zum Flughafen geschickt worden war. Die grandiose Kulisse der tiefblauen Fjorde, die sich hier im Herzen Norwegens in beispiellosen Verzweigungen ins Inland fraßen, beeindruckte Loades mehr als jedes andere Gesicht der Natur, dem er bislang begegnet war. Und in einer kleinen, verwinkelten Bucht am Fuße einer gewaltigen Steilküste stand, nur einen Steinwurf vom Ufer entfernt, ein zweistöckiges Blockhaus, das in seiner wunderschönen Schlichtheit höchst einladend wirkte. Rauch stieg in weißen Schlieren in die kühle Luft des nordischen Frühlings hinauf. Das war das Haus von Matthias Svartten.

Svartten war ein Mann zwischen 50 und 60, dabei von erwartungsgemäß gepflegter Erscheinung. Seine breiten Schultern, die silbrig-weißen Haare sowie der gekämmte Kinnbart verliehen ihm den Eindruck eines durchaus ehrwürdigen Herren, der zugleich sehr sympathisch wirkte. Bei seinem Anblick wich jedes Misstrauen aus Loades. Sein Gastgeber begrüßte ihn in beinahe akzentfreiem Englisch und drückte seine Freude darüber aus, dass er der Einladung nachgekommen war. Nachdem Svartten ihn hereingebeten und ihm einen Platz am Kamin angeboten hatte, begann er ohne Umschweife mit seinen Ausführungen.

 

„Natürlich sind Sie sich absolut nicht im Klaren darüber, inwiefern ich zu Ihrer Arbeit einen Beitrag leisten kann. Sie müssen verstehen, Dr. Loades... Sie und Ihre Mitarbeiter sind beileibe nicht die ersten, die das Rätsel der schraubenförmigen Steine zu lösen versuchen.“

Loades' Herz schlug schneller. Bevor er fortfuhr, erhob sich Svartten und nahm ein Buch zur Hand, das er offensichtlich griffbereit auf einer Kommode platziert hatte.

„Ich entstamme einer Familie von Handelsreisenden. Viele von meinen Vorfahren haben es zu einigem Wohlstand gebracht. Ich persönlich bin, eher zeitgemäß, ins Bankgeschäft gegangen... Doch der Tradition folgend wurde mir von meinem Vater dieses Buch weitergereicht. Er hatte es von seinem Vater, dieser von seinem und so fort. Wenn Sie es durchblättern, werden Sie feststellen, dass die Einträge unterschiedlichen Alters sind.“

Er reichte seinem Gegenüber das Buch. Es erweckte den Eindruck hohen Alters, der lederne Einband war fleckig und zergriffen. Loades schlug es in der Mitte auf. Eine zittrige Handschrift umfasste einige grobe Zeichnungen.

Nur einen Augenblick später stieß Loades überrascht Luft aus.

Er starrte auf die Abbildungen. Die farblosen Tintenskizzen, umfasst von gedrungen geschriebenem norwegischen Text, stellten nichts anderes dar als die unverständlichen Hieroglyphen, die auf den rätselhaften Monolithen für die Ewigkeit festgehalten worden waren.

Ohne ein Wort zu sprechen, blätterte Loades weiter. Etwa auf jeder vierten Seite prangten die Kartenumrisse irgendeines Winkels der Erde. Es folgte stets ein Text, der von verschiedenen Abbildungen durchsetzt war – darunter nicht nur Abschnitte der fremden Schriftzeichen, sondern auch grobe Wiedergaben von Planetenkreisbahnen in jener symbolischen Art, wie sie Loades auf der Spitze des mexikanischen Monolithen gefunden hatte. Schnell wurde ihm klar, dass es sich bei dem Buch um eine detaillierte Auflistung mehrerer, wenn nicht gar sämtlicher Steine handelte, die auf der Erde existierten; und ganz offensichtlich trug jeder dieser Steine die Darstellung einer anderen Planetenkonstellation.

Fassungslos schlug Loades die erste Seite auf.

„Die Kreiselsteine und ihre Botschaften“, übersetzte Svartten den Titel. „Niedergeschrieben von meinen Vorvätern, im Zeitraum von 1830 bis 1940.“

„Das ist nicht zu fassen“, fand Loades die Worte wieder. Er hatte tausend Fragen und stellte die bohrendste von allen. „Woher stammt dieses Wissen?“

„Meine Händlervorfahren sind um die ganze Welt gereist. Sie haben viel gesehen und viel gehört. Im Jahre 1724 erhielt Niklas Svartten von einem Inselvolk irgendwo in Polynesien zwei runde Platten aus Metall, wohl im Austausch für gewisse Waren. Sie selbst hatten sie, ihren eigenen Angaben zufolge, bereits Jahrzehnte zuvor gefunden und nie etwas damit anzufangen gewusst. Für sie fungierten die Platten nun als Zahlungsmittel oder Dankesgeschenk, da sie hofften, das Material habe einen Wert für die Europäer. Und damit lagen sie richtig, denn sie bestehen aus purem Gold.“

„Diese Platten...“, unterbrach Loades die Ausführungen, „was ist mit ihnen passiert?“

Svartten schien mit dieser Frage gerechnet zu haben und lächelte. „Ich werde Sie ihnen zeigen. Aber lassen Sie mich zunächst noch einige Worte verlieren.“

„Natürlich.“ Loades' Stimme zitterte vor Erregung. Noch immer hielt er das offene Buch in Händen.

„Niklas nahm die Artefakte nicht nur des Goldwertes wegen gern entgegen“, fuhr Svartten fort, „er hegte auch ein reges Interesse an der Geschichte versunkener Kulturen und zog verschiedenste Menschen aus seinem beachtlichen Bekanntenkreis heran, um die Gravuren darauf zu entschlüsseln.“

„Was für Gravuren?“

„Eine der Platten trägt Symbole, die Niklas zwar nicht lesen konnte, die ihm jedoch nicht völlig unbekannt waren. Auf der anderen sind Zeichen verewigt, die weder er noch irgendeiner seiner Anvertrauten jemals zuvor zu Gesicht bekommen hatten. Die Platten haben die Obhut meiner Familie niemals verlassen.“

Svartten stand erneut auf und ging an einen Tresorschrank, der Loades bis zu diesem Augenblick noch gar nicht aufgefallen war. Man hatte ihn diskret mit einer Tischdecke getarnt. Der Norweger öffnete ihn, bückte sich tief und zog mit sichtlicher Anstrengung ein massives Stück Metall daraus hervor, um es zwischen ihn und seinen Besucher auf den Tisch zu legen.

Obwohl sein Gastgeber ihn bereits in seinem Brief darauf hingewiesen hatte, dass er Gegenstände besaß, die in Zusammenhang mit den Spiralsteinen standen, war Loades noch immer völlig fassungslos. Über ein Jahrzehnt schon war er nun nahezu ergebnislos einem archäologischen Rätsel auf der Spur, und plötzlich saß er einem Norweger aus dem Bankgewerbe gegenüber, der ihm eine golden schimmernde Metallplatte zeigte, die dieselben Symbole trug wie die Monolithen.

Loades beugte sich über das Objekt und untersuchte jeden Quadratzentimeter. Es hatte etwa das Format einer Schallplatte und war etwa zehn, vielleicht zwölf Millimeter dick. Er hob das schwere Stück vorsichtig an und drehte es herum. Beide Seiten waren mit den uralten, gekrümmten Schriftzeichen bedeckt, die – kaum überraschend – in Form einer Spirale zum Zentrum der Platte hin einen Text bildeten.

Während Loades das Artefakt betrachtete, nahm Svartten das zweite Exemplar aus dem Safe und brachte es zum Tisch. Es war von derselben Gestalt und trug ebenfalls eingeritzte Schriftsymbole von spiraligem Verlauf, doch Loades erkannte auf den ersten Blick, dass er bei diesem Stück eine gänzlich andere Textsprache vor sich hatte.

„Ägyptische Hieroglyphen!“, rief er aus.

„Diese zwei Platten, Dr. Loades“, sprach Svartten, als er sich wieder setzte, „sind der Schlüssel zur Übersetzung der Steine. Die beiden Exemplare enthalten denselben Text – das eine in Form der vergessenen Symbole, das andere in Form ägyptischer Zeichen.“

„Das heißt, die alten Ägypter hatten Kontakt zum Schöpfervolk der Steine!“

„Der Verdacht liegt nahe.“

„Und Ihren Vorfahren ist eine Übersetzung gelungen?“, fragte Loades aufgeregt.

„Niklas und seine Zeitgenossen wussten auch mit der ägyptischen Schrift noch nicht viel anzufangen. Erst 75 Jahre darauf wurde die Steintafel von Rosetta gefunden, dank der – weitere 22 Jahre später – erstmals die korrekte Übersetzung der Hieroglyphen gelang. 1830 schließlich übertrug Niklas' Urenkel Magnus den Text auf den Platten in unsere Sprache. Von ihm stammt die erste Eintragung im Buch.“

Loades blätterte an den Anfang. Die Übersetzung war erwartungsgemäß norwegisch, doch Svartten trug den Text auswendig in bestem Englisch vor.

 

Acht Steine sind auf dem Antlitz der diesseitigen Welt verborgen, die Gestalt gleich dem Gehäuse der gewundenen Meeresschnecke, die Bestimmung zu bezeichnen der acht Götter Niederkunft. Acht Prophezeiungen sind es, die von jenem, der dieser Schrift folgt, erfahren werden.

Einer am Fuße des höchsten Gipfels. Einer in der Brandung des Nordmeers. Einer in der ewigen Kälte des Nordens. Einer im der ewigen Kälte des Südens. Einer in den Wäldern der Federschlange. Einer bei der höchsten Festung der Federschlange. Einer im glühenden Sand des Apophis. Einer am roten Berg der Regenbogenschlange.

Wer die Steine sucht und liest, wird wissen um das Schicksal des Lebens und all dessen, was noch kommen mag.

 

Loades ließ die Worte auf sich wirken. Acht Steine existierten auf der Erde. Drei hatte er bereits gefunden.

Einer in den Wäldern der Federschlange – das musste auf den Regenwald Mittelamerikas hindeuten, wo Kukulcán verehrt worden war, der Schöpfergott der Maya in Gestalt einer gefiederten Schlange.

 Einer in der ewigen Kälte des Nordens – das war der Stein von Grönland.

Einer in der Brandung des Nordmeers – das war jener, der an St. Kildas Küste lag.

Er ließ sich die anderen Umschreibungen durch den Kopf gehen.

Im „höchsten Gipfel“ vermutete Loades das Dach der Welt im Himalaya.

Die „ewige Kälte des Südens“ bezeichnete mit einiger Sicherheit die Antarktis. Womöglich, so dachte er, hatten die Schöpfer der Monolithen auch diesen Kontinent besiedelt, als er noch nicht vollständig vom Eis bedeckt gewesen war.

Mit der „höchsten Festung der Federschlange“ konnte er nur die alte Inkahauptstadt Cuzco assoziieren, wo dieselbe Gottheit, die auch die Maya ehrten, unter dem Namen Viracocha bekannt war.

Apophis war der altägyptische Schlangengott des Bösen und verwies offenbar auf einen Stein in Ägypten, so wie es auch der Bericht des Sportpiloten nahelegte, den Loades erhalten hatte.

Der „rote Berg der Regenbogenschlange“ schließlich konnte nichts anderes als den Uluru bezeichnen, den heiligen Berg der australischen Aborigines, deren bedeutendste Sagengestalt Wanambi in Gestalt einer vielfarbigen Schlange auftrat. Der Rest der Welt kennt diesen Berg als Ayers Rock. Loades erinnerte sich an den alten Bericht des Reisenden, der im Buschland Australiens offenbar einen der Steine gesehen hatte.

Die Existenz der beiden Goldplatten war mit Sicherheit ein starkes Indiz für einen einstmaligen Kontakt zwischen dem Urvolk und den alten Ägyptern. Die Tatsache, dass sich vier der acht Angaben auf eine mythologische Schlangengestalt bezogen, um den Standort der Monolithen zu umschreiben, brachte Loades zu der Frage, ob die Schlangensymbolik zahlreicher vorzeitlicher Kulturen womöglich auch auf Überlieferungen oder Einflüsse der versunkenen Zivilisation zurückzuführen war.  Wie groß mochte das weitergereichte Vermächtnis der Unbekannten sein – in Mythologie, Kunst, Architektur und Wissenschaft?

 

„Einige meiner Vorfahren haben es sich zur inoffiziellen Lebensaufgabe gemacht, den Angaben der Schriftplatten zu folgen“, fuhr Svartten fort. „Es nahm über ein Jahrhundert in Anspruch, doch mithilfe von mythologischen Überlieferungen, eingeweihten Ortsansässigen und einem unerbittlichen Forscherdrang gelang es ihnen, sämtliche Steine ausfindig zu machen.“

Svartten sah, dass Loades' fassungsloser Gesichtsausdruck einem ungläubigen Kopfschütteln gewichen war.

„Lassen Sie mich Ihnen erzählen, was wir dank der Inschriften auf den Monolithen heute über ihr Schöpfervolk wissen, bevor wir über die einzelnen Steine sprechen“, fuhr der Gastgeber fort.

Loades lauschte angespannt und prägte sich jede Einzelheit ein. Das Ganze klang nach reiner Mythologie, und doch wirkte jedes Detail für sich genommen in Zusammenhang mit den steinernen Fundstücken nachvollziehbar.

 

Vor  ungezählten Äonen herrschte die mächtige Rasse der Thela über einen Großteil der Erde. Niemand weiß heute noch, ob es sich dabei um eine ungeahnt frühe Hochkultur menschlicher Wesen oder um eine gänzlich fremde Art gehandelt hat, fest steht nur, dass dieses Volk über ungeahnte Fähigkeiten verfügte, die den heutigen wohl nur in wenigen Punkten nachstanden.

Irgendwann stießen Abgesandte der Thela im Gebiet des Himalaya auf das Wesen Shiel'ogath. Es schien älter als die Berge selbst zu sein, älter als der Himmel und älter als das Wasser, ganz so, als hätte es schon seit Anbeginn der Zeit dort gelegen. Über die Gestalt dieser Lebensform wird in keiner Niederschrift ein Wort verloren. Die Thela aber erkannten ihre eigene Nichtigkeit gegenüber Shiel'ogath und begründeten, nachdem sie bislang niemals so etwas wie religiöse Vorstellungen gehabt hatten, die erste kultische Lehre ihrer Geschichte auf diese alte Wesenheit.

Im Zuge der immer weiter fortschreitenden Ausbreitung des Volkes wurden weitere Geschöpfe desselben Alters gefunden – sieben an der Zahl. Der Kult um die „Acht Anfänglichen Götter“ wuchs weltweit immer weiter an. Mittels gewisser heute vergessener Rituale gelang es den Priestern der Thela, mit dem kollektiven Geist der Götter in Kontakt zu treten. Von ihnen erlangten sie großes Wissen über die Natur des Universums, des Raumes und der Zeit. Sie verstanden, dass der Planet erst durch die Präsenz dieser Wesen in jene Bahnen geleitet worden war, die die komplexen Vorgänge der Natur ermöglichten. Sie brachten den Ursprung, den Keim, das Leben.

Nach Jahrhunderten schließlich trug es sich zu, dass die Anfänglichen binnen einer einzigen Nacht spurlos verschwanden. Die höchsten aller Priester jedoch wurden von heftigen Träumen heimgesucht, die ihnen die nun zwischenweltlichen Götter sandten. Sie träumten von der Zeit der Wiederkehr, die in ferner Zukunft lag, und von einer Epoche, in der die Wesen die Erde in eine neue Ära führen und den Zyklus des Lebens von Neuem anstoßen würden. Sie erfuhren, dass erst nach der Ankunft des achten und letzten Gottes die Wandlung einsetzen würde. Und so befahlen die Propheten den anderen Kultisten, acht ewige Steine zu errichten, auf denen die Geschichte der Anfänglichen und der Tag der erneuten Niederkunft eines jeden einzelnen festgehalten werden sollten. Doch durch vergessene Umstände wurde das Volk der Thela vom Angesicht der Erde getilgt, lange bevor die Zeit der Wiederkehr auch nur in annähernd greifbare Nähe rücken sollte.

 

„Acht Steine wurden geschaffen, einer für jeden Gott“, sprach Svartten. „Die Gravur an der Spitze verschlüsselt das Datum der Wiederkehr. Die Steine wurden dort platziert, wo das ihnen zugehörige Wesen einstmals gelegen hatte.“

Er setzte sich neben Loades und schlug den zweiten Eintrag des Buches auf, verfasst im Jahre 1847 von Magnus Svartten selbst. Ein grober Kartenumriss zeigte Vorderindien mit der ausgedehnten Kette des Himalaya als nördliche Begrenzung. Im Nordosten des Gebirges war eine Kreuzmarkierung.

„Magnus folgte dem Hinweis des 'höchsten Gipfels' bis in die entlegensten Täler rund um den Mount Everest. Einheimische führten ihn schließlich zu dem Objekt, das er ihnen als 'gleich dem Gehäuse der gewundenen Meeresschnecke' beschrieb. Der Monolith stand in einer Höhle an der Nordseite des Berges. Die Planetenkonstellation auf der Spitze konnte Magnus zu seiner Zeit noch nicht deuten – das geschah erst später –, er hinterließ jedoch eine sinngemäße Übersetzung der Inschriften des Steines.“

Svartten erzählte, blätterte dann weiter und sprach nach und nach von den weiteren Monolithen. Mit jedem Wort baute sich für Loades eine sagenhaftes Bild auf, an das zu glauben er sich jedoch nur weigern konnte. Acht übersinnliche Lebensformen, älter als die Zeit? Träume, die ihre Wiederkehr prophezeiten? Das klang viel eher nach  einer Legende als nach einer möglichen Wahrheit. Doch ergab nicht alles auch einen schwer zu fassenden und zugleich unbestreitbaren Sinn? Stimmten denn nicht gerade die Mythologien der Ägypter sowie der Maya, Azteken und Inka darin überein, dass machtvolle, gottgleiche Wesenheiten einstmals vom Himmel herabstiegen, um die Erde mit Leben und Weisheit zu befruchten?

 

Im Himalaya fanden die Thela das Wesen Shiel'ogath. Sein Datum ist der 13. August 1930. An diesem Tag stürzten im Amazonasgebiet brennende Objekte vom Himmel, deren Überreste niemals gefunden wurden.

Im Wasser bei einer Insel im Nordmeer, die heute als St. Kilda bekannt ist, fanden sie das Wesen Ts'oqqutaph. Sein Datum ist der 22. September 1979. An diesem Tag kam es im Südatlantik zwischen der Bouvetinsel und den Prinz-Edward-Inseln zu einer gewaltigen Explosion unbekannter Ursache.

Im damals noch gemäßigt temperierten Grönland fanden sie das Wesen Thyle'qqoth. Sein Datum ist der 17. September 1966. An diesem Tag brannte der Himmel über dem Huronsee, ohne dass Anzeichen eines Meteoritenabsturzes entdeckt wurden.

In der heute eisbedeckten Antarktis fanden sie das Wesen Sh'ol-Uqqagh. Sein Datum ist der 5. Dezember 1945. An diesem Tag verschwanden vor der Ostküste Floridas fünf amerikanische Kriegsflugzeuge. Schiffsbesatzungen sahen seltsame Flammen am Himmel. Auch ein Flugzeug der Suchmannschaft ging auf unbekannte Weise verloren. Keine der Maschinen wurde bis heute wieder entdeckt.

Im Regenwald Yucatáns fanden sie das Wesen Gluth-Naggath. Sein Datum ist der 30. Juni 1908, der Tag des Tunguska-Ereignisses.

Bei den zyklopischen Ruinen der schon damals uralten Megalithfestung, die heute als Cuzco bekannt ist, fanden sie das Wesen Aph'na-Keph. Sein Datum ist der 28. Mai 1993. An diesem Tag wurde über Südwestaustralien ein riesiger orangeroter Feuerball mit einem bläulichen Schweif gesehen, der in einer mächtigen Explosion gipfelte und ein mittelschweres Erdbeben nach sich zog. Weder ein Krater noch Hinweise auf Herkunft oder Ursache des Phänomens wurden gefunden.

Im Sand der ägyptischen Wüste fanden sie das Wesen Rh'aigh'yoth. Sein Datum ist der 26. Dezember 2004. An diesem Tag traf einer der stärksten Tsunamis seit Beginn der Aufzeichnungen die Küsten Südostasiens und raubte über 200.000 Menschen das Leben. Einige Fischer behaupteten, kurz vor Beginn des Seebebens ein riesiges, schwarzes Objekt am Horizont gesehen zu haben, das über dem Meer vom Himmel fiel.

Im australischen Busch nahe des Ayers Rock fanden sie das Wesen Oth-Naph'talagh. Sein Datum ist der 18. Januar 1994. An diesem Tag ging über einem kleinen spanischen Dorf eine große Feuerkugel nieder, die Felder verwüstete, jedoch keine Überreste hinterließ.

 

„Sämtliche Daten liegen bereits in der Vergangenheit, und an jedem dieser Tage kam es irgendwo auf der Welt zu einem Phänomen, das niemals befriedigend erklärt werden konnte“, sagte Svartten. „Feuerbälle, Flammen und Explosionen am Himmel – die Parallelen sind unverkennbar. Verknüpfen wir die Überlieferung mit den Ereignissen, wissen wir nun also auch, welcher Gott der Sage nach an welchem Ort auf der Erde niedergegangen sein soll.“

„Und alles trug sich innerhalb der letzten 100 Jahre zu“, stellte Loades fest. Er musste sich eingestehen, dass all diese Übereinstimmungen mit Zufall nicht erklärbar waren. Ob die göttliche Deutung des Ganzen nun der Wahrheit entsprach oder nicht, so schienen die vorzeitlichen Propheten doch etwas gewusst zu haben, was jenseits reiner Mythologie anzusiedeln war.

„Die Übersetzung des letzten Monolithen erfolgte im Jahre 1940“, erklärte Svartten weiter. „Durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs wurde die Thematik jedoch in den Hintergrund gedrängt und geriet dann mehr oder minder in Vergessenheit, da sich die Eingeweihten in alle Welt verstreuten. Bis heute wurde zu keinem der ermittelten Orte eine Expedition durchgeführt – zumindest nicht auf Basis unseres Wissens. Und an dieser Stelle, Dr. Loades, möchte ich Ihnen gerne die wahre Absicht meiner Einladung offenbaren.“

Loades ahnte, was Svartten ihm sagen wollte, und seine Vermutung bewahrheitete sich.

„Ich möchte, dass Sie und Ihre Mitarbeiter mich zu dem Ort begleiten, an dem der Prophezeiung nach am 30. Juni 1908 das göttliche Wesen Gluth-Naggath auf die Erde herabstieg. Das Tunguska-Ereignis mag bereits unzählige Untersuchungen durch Wissenschaftler nach sich gezogen haben, doch muss ich davon ausgehen, dass sie alle nicht wussten, wonach sie tatsächlich hätten suchen sollen.“

 

 

IV

 

Der Flug nach Moskau ging am 27. April. Von dort startete eine kleinere Maschine, die die Gruppe um Dr. Loades und Matthias Svartten nach Bratsk brachte, einer wenig einladenden Industriestadt rund 500 Kilometer nordwestlich des Baikalsees. Etwa dieselbe Wegstrecke bis ins Flusstal der Steinigen Tunguska lag nun noch vor ihnen.

Svartten, der die Expedition finanzierte, hatte zwei Geländewagen gemietet, die am Flughafen von Bratsk bereitstanden. Die Archäologen Clark und Howard waren ebenso ein Teil des Teams wie der Fotograf Smith sowie ein russischer Kollege namens Alexej Kurtschow, der in Moskau dazu gestoßen war und nicht zuletzt über die sprachlichen Hürden hinweghelfen sollte. Er hatte bereits an einer früheren Expedition nach Tunguska teilgenommen. Was Svartten sich erhoffte, vor Ort zu finden, war dem Rest der Gruppe ebenso unklar wie die Vorgehensweisen, die ihm vorschwebten.

Am späten Abend erreichten sie Wanawara, eine kleine Handelssiedlung am Ufer des Flusses, wo sie die Nacht in einem heruntergekommenen Gasthaus verbrachten. Es wurde um diese Jahreszeit auch nachts nicht völlig dunkel, und es herrschten angenehme Temperaturen. Das Epizentrum der historischen Explosion lag noch gute 65 Kilometer nördlich von hier, doch gab es keine Ortschaft, die näher gelegen hätte.

Ihr Gastgeber, ein mürrischer, verlebt wirkender Mann von geschätzten 70 Jahren, funkelte die Männer stets ausgesprochen distanziert an, war jedoch bereit, sich auf ein Gespräch mit Svartten, Loades und dem russischen Begleiter einzulassen. Wie der allergrößte Teil der spärlichen Bevölkerung dieses Landstrichs gehörte er den Ewenken an, dem indigenen Volk Sibiriens, und es war selbst für den Dolmetscher nicht einfach, ihn zu verstehen, doch mit einem guten Maß an Geduld entwickelte sich das Gespräch sehr interessant.

Der alte Mann meinte, er empfinge in seinem Haus nur ausgesprochen selten Besucher. Jedoch wusste er, sobald ein ausländischer Reisender oder eine Gruppe auftauchte, dass man mit einiger Sicherheit des Ereignisses wegen gekommen war. „Katastrophentouristen“ nannte er sie, obgleich die Katastrophe bereits weit in der Vergangenheit lag. Sein Großvater sei Zeuge gewesen, erzählte er. An jenem Morgen habe er gerade die Hunde versorgt, als sich der Himmel plötzlich blutrot färbte und er eine gewaltige Feuerkugel sah, die nach Norden über das Firmament schoss und einen brennenden Pfad in der Luft hinterließ. Sekunden später blitzte der Horizont so hell auf, dass seine Augen für Minuten erblindeten. Ein betäubender Donnerschlag rollte über das Land, und eine Druckwelle riss ihn zu Boden, die in der ganzen Siedlung Fenster und Türen eindrückte. Nach der Katastrophe verdunkelte eine gewaltige Wolke den Himmel und schwarzer Regen fiel über der Taiga.

Immer wieder seien Männer aus der ganzen Welt nach Tunguska gekommen, erzählte er uns, gebildete Menschen aus aller Herren Länder, und ein jeder meinte, seine eigene Theorie zur Ursache des Ganzen sei die richtige. Trugschlüsse, allesamt, urteilte der alte Mann – niemand könne sich auch nur im Entferntesten eine Vorstellung davon machen, was damals tatsächlich geschehen ist. Er wisse es selbst nicht, betonte er. Doch er habe Dinge gehört, über die er nicht sprechen wolle, und Dinge gesehen, die selbst der nicht begreift, der vor ihnen steht.

Loades hob den Kopf bei dieser Bemerkung und blickte zu Svartten, der ihm wiederum zunickte. Loades öffnete daraufhin seine Tasche und zog einen Stoß Fotografien heraus, die er vor sich auf dem Tisch ausbreitete. Es waren Fotos der Monolithen, Gesamtansichten sowie Detailaufnahmen der Hieroglyphen. Der Alte warf einen flüchtigen Blick darauf, starrte sein Gegenüber kurz an und setzte plötzlich eine Mine der Abscheu auf. Die Männer hielten unwillkürlich den Atem an. 

„Hört“, murmelte er ungehalten, „Ihr wisst nicht, was in diesen Wäldern vor sich geht. Woher auch immer ihr diese Bilder habt, ich rate euch, sie in diesem Landstrich niemandem zu zeigen. Man erzählt sich hier die sonderbarsten Geschichten. Strebt nicht danach, in etwas hineingezogen zu werden, dem ihr nicht gewachsen sind.“

Der alte Mann erhob sich und verließ den Raum. Jede Bereitschaft, mit seinen Gästen zu sprechen, schien plötzlich verflogen. Verwirrung machte sich breit; keiner konnte etwas mit der seltsamen Warnung des Gastgebers anfangen. Die Andeutung aber, dass er mit den Aufnahmen der Fundstücke etwas assoziierte, war unmissverständlich gewesen.

 

Am nächsten Morgen fuhr die Gruppe weiter in Richtung Norden. Eine schmale, unbefestigte Straße, die bald nicht mehr als ein holpriger Waldweg war, führte sie durch den immer dichter werdenden Nadelwald der Taiga. Clark saß neben Loades, der das vorausfahrende Fahrzeug steuerte, und genoss die Sicht aus dem Wagenfenster. Sein Blick verlor sich zwischen den Hölzern, und als sie etwa 40 Kilometer hinter sich gelassen hatten, fiel ihm auf, dass die ehrwürdigen, uralten Bäume von jener Größe, wie er sie während der ersten Hälfte der Fahrt noch bewundert hatte, hier nicht mehr zu sehen waren. Die Explosion vor 100 Jahren hatte die Wälder derart niedergewalzt, dass in einem Radius von gut 30 Kilometern kein einziger Baum aus dieser Zeit mehr stand.

Nach einer weiteren halben Stunde der gemächlichen, holprigen Fahrt über Wurzeln und Steine war es schließlich nur noch zu Fuß möglich, weiter voranzukommen. Der Waldweg hatte sich inzwischen im Nichts verloren. Der Navigationshilfe nach zu urteilen befanden sich die Männer etwa fünf Kilometer östlich des Epizentrums, das sie zwecks einer ersten Bestandsaufnahme besichtigen wollten.

Der Fußmarsch durch die lichtdurchfluteten Nadelwälder dehnte sich deutlich, doch als sie eine riesige, unregelmäßig umrissene Lichtung erreicht hatten, wussten sie, dass sie am Ziel waren. Die Bezeichnung „Lichtung“ war kaum noch angebracht, war das annähernd baumlose Areal doch fast fünf Kilometer lang und an die zwei Kilometer breit. Hier, am unmittelbaren Ort der Explosion, wuchs bis heute kaum eine höhere Pflanze; doch Clark entdeckte nach kurzer Zeit einen uralten, umgestürzten Stamm, der wohl zu den letzten noch auffindbaren Zeitzeugen des Phänomens gehörte. Auf dem Gebiet verstreut fanden sie eine ganze Reihe solcher Hölzer. Smith lichtete einige davon ab.

Nichts an der Idylle der Natur ließ heute noch an das unvorstellbare Chaos denken, das hier an jenem Augustmorgen geherrscht hatte.

„Schaut“, sagte Loades und deutete auf ein paar Baumwipfel in westlicher Richtung. „Ich wusste nicht, dass hier Menschen leben.“ Alle folgten seinem Blick und sahen eine dunkle Rauchwolke in den Himmel steigen. Jenseits der Lichtung schien eine kleine Siedlung oder zumindest eine Behausung zu liegen. Sie wussten, dass in der Nähe des Epizentrums einige Hütten standen, die während der ersten Untersuchungen des Zwischenfalls von Forschern gebaut worden waren, jedoch standen sie ihrer Information nach schon lange leer.

Sie fanden einen schmalen Pfad, der sich zwischen den Bäumen entlangschlängelte, und folgten ihm in Richtung der vermuteten Wohnstätte. Nach ein paar Minuten passierten sie eine verwitterte Steinmauer und erkannten, dass es sich tatsächlich um eine kleine Siedlung handeln musste. Auf einer geräumigen Lichtung standen, kreisförmig um einen Platz mit einer großen Feuerstelle angeordnet, an die zehn oder zwölf Holzhütten. Irgendjemand schien hinter seiner Behausung etwas zu verbrennen, denn von dort quoll der dunkle Rauch in die Höhe, der aus der Ferne zu sehen gewesen war. Keinem der Männer war bekannt gewesen, dass es dieses Dorf gab. Clark fiel auf, dass die Dächer der Hütten mit Stroh, Moos und Flechten bedeckt waren, was deutlich werden ließ, weshalb selbst auf den Luftaufnahmen der Region nichts von dieser Siedlung zu sehen gewesen war.

Als sie den Dorfplatz betreten hatten – er maß nicht mehr als vielleicht zehn Meter im Durchmesser –, war keine Menschenseele sichtbar gewesen, doch es dauerte nur einige Augenblicke, bis sich die Tür einer der Hütten auftat und sich ein abstoßender, in schmutzige Leinenkleider gehüllter Mann in gebührendem Abstand vor den Besuchern aufbaute. Ungehalten riss er die Arme in die Höhe und stieß üble Beschimpfungen aus. An den Fenstern der Hütten erschienen weitere Gesichter, die sie argwöhnisch anstarrten.

Der Mann wirkte auf eine beunruhigende Weise verkrümmt und degeneriert, ganz wie die verzerrte Karikatur eines Hinterwäldlers, der jegliches Klischee erfüllte. Er funkelte die Männer aus kleinen, schwarzen Augen an, das bärtige Gesicht zu einer feindseligen Fratze verzogen. Smith hob seine Kamera, doch Svartten hinderte ihn mit einer Geste am Fotografieren.

Der russische Begleiter Kurtschow gewann als erster die Sprache wieder, ging ein Stück nach vorn und begann eine Kontaktaufnahme.

„Wir sind Wissenschaftler aus Europa. Wir kommen, um das Phänomen zu untersuchen...“, setzte er an, doch seine Worte gingen in den aufgebrachten Rufen des Einheimischen unter. Er schien weder eine Erklärung hören noch jegliche Anwesenheit tolerieren zu wollen. Bevor der Dolmetscher einen zweiten Versuch starten konnte, ihn zu beruhigen, trat eine Handvoll weiterer Männer auf den Dorfplatz. Auch ihnen war eine gewisse körperliche und geistige Degeneration anzusehen. Clark fragte sich, ob die Abgeschiedenheit dieses Ortes womöglich zu Inzestfällen geführt hatte. Die Männer schienen gerade ihre Mahlzeiten eingenommen zu haben; einer von ihnen hielt noch ein Stück gebratenes Fleisch in der bloßen Hand, während er ihnen mit erbosten Gesten befahl, das Dorf wieder zu verlassen.

Sie entschieden sich, die Gastfreundschaft dieser Menschen nicht weiter auf die Probe zu stellen, und machten geschlossen Kehrt.  Kopfschüttelnd folgten sie dem Pfad zurück zur großen Lichtung.

Bisher hatte Loades darauf vertraut, dass Svartten wusste, was er tat und wie er das zu finden gedachte, was er suchte. Just in dem Augenblick, als er nun zu der Frage ansetzte, wie er vorgehen wolle, vernahmen sie hinter sich schnelle Schritte, die sich näherten. Sie fuhren herum und sahen, wie ein junger Mann von geschätzten 25 Jahren den Pfad entlang auf sie zu eilte und außer Atem vor ihnen zum Stehen kam.

Seiner zerschlissenen Kleidung war sofort zu entnehmen, dass er dem Dorf entstammte, aus dem sie eben so kompromisslos verwiesen worden waren. Er wirkte jedoch bei Weitem nicht so feindselig wie die anderen Einheimischen, mit denen sie zu sprechen versucht hatten. Auch körperlich schien diese Gestalt, sah man von ihrer leicht humpelnden Gangart ab, eher im Bereich des Normalen zu liegen. Kurtschow begrüßte den Mann im Namen aller.

„Geht noch ein Stück“, erwiderte dieser und hieß der Gruppe, ihm zu folgen. „Ich will nicht, dass man uns sieht.“

Er führte sie unter ständigen Schulterblicken ein Stück abseits des Weges in den Wald hinein.

„Die Bewohner des Dorfes sind Fremden gegenüber sehr abweisend“, sprach er dann. Seine Stimme tendierte hörbar zu einem seltsamen Singsang. „Sie wollen nicht, dass man sich in ihre Angelegenheiten einmischt. Sie haben ihre eigenen, sehr seltsamen Vorstellungen.“

„Und was ist mit dir?“, fragte Kurtschow.

„Ich stamme nicht von hier. Ich wurde in Wanawara geboren, mein Name ist Sergej. Vor drei Jahren kamen ein paar Amerikaner in die Stadt und suchten einen einheimischen Führer für eine Expedition nach Tunguska. Ich ging mit und wir stießen auf dieses Dorf. Die Menschen hier sind anders... aber ich blieb. Es gibt etwas, das mich hier hält.“

„Wie kommt es, dass sie dich akzeptieren?“

„Ich habe niemals danach gefragt. Ich mische mich nicht ein und helfe ihnen bei der Jagd und der Arbeit. Außerdem bleibt mir keine andere Wahl, als hier zu bleiben. Sie würden es nicht zulassen, dass ich mit allem, was ich weiß, wieder gehe.“

Allen lag wohl die Frage danach auf der Zunge, was er damit meinte, doch bevor der Dolmetscher weitersprechen konnte, öffnete Loades seinen Rucksack und zog die Fotos der Monolithen hervor. Er ging einen Schritt auf den jungen Mann zu und reichte sie ihm.

„Sagen dir diese Bilder etwas?“, fragte Kurtschow.

Sergej sah sich jede Fotografie im Einzelnen an. Seine Augen weiteten sich. Nach einem Moment hob er den Kopf und sah die Gruppe mit einem seltsamen Ausdruck zwischen verwirrter Überraschung und wissendem Kopfnicken an.

„Sie wurden also gefunden“, murmelte er.

„Er weiß von den Steinen?“, stieß Loades hervor.

Svartten machte eine beschwichtigende Geste. „Hätte ich damit nicht gerechnet, hätte ich nicht diese Expedition finanziert.“

Der Mann schien zu verstehen. „Ich habe solche Zeichen gesehen. Ich kann sie euch zeigen.“

Er gab die Bilder zurück und fügte hinzu: „Man sollte uns dabei nicht beobachten.“

 

Die unbändige Aufregung war Dr. Loades leicht anzusehen. Der Besuch bei Matthias Svartten hatte ihm bereits die Illusion geraubt, er sei bei der Suche nach Antworten allein auf sich und seine jahrelange Arbeit gestellt, doch nun traf er zu allem Überfluss mitten in den sibirischen Wäldern einen einheimischen Mittzwanziger, der behauptete, er wüsste um die Existenz und den Standort weiterer Hieroglyphen.

Geschlossen folgten sie Sergej einen kaum sichtbaren Trampelpfad zwischen den dichten Bäumen entlang. Man solle sein Humpeln entschuldigen, meinte er, er habe sich vor kurzem am Bein verletzt. Der Ort sei jedoch nicht weit vom Dorf entfernt, und er hoffe, sie hätten Lampen dabei.

Nach kaum zehn Minuten Fußmarsch hügelaufwärts blieben sie stehen. Alles, was sie auf der winzigen Lichtung sehen konnten, war ein großer, flacher Stein in der Mitte des felsigen Bodens. Der junge Einheimische deutete darauf und sagte, sie hätten ihr Ziel erreicht. Mit wenigen Gesten machte er verständlich, dass alle dabei helfen sollten, den Stein ein Stück beiseite zu hieven.

Mit einigem Kraftaufwand gelang das Verschieben des Steines, der, wie schnell deutlich wurde, nichts anderes als die Deckplatte eines verborgenen Schachtes darstellte, den irgendjemand zu unbekannter Zeit und zu unbekannten Zwecken senkrecht in den Fels getrieben hatte. Mit Erstaunen untersuchten die Männer die Öffnung im Boden, die zweifelsfrei nur einzelnes Passieren ermöglichte. Clark beugte sich darüber und richtete den Strahl seiner Taschenlampe in die Tiefe. Offensichtlich von Hand ins Gestein geschlagen, tauchten die Wände kerzengerade in den Untergrund hinab. Der Lichtkegel erfasste in den Stein gemeißelte Stufen und Griffe, doch er erreichte nicht den Boden des Loches.

 

„Nach allem, was ich erfahren habe, ist es älter als alle hiesigen Siedlungen“, erklärte Sergej. „Auch die Bewohner des Dorfes sind erst darauf gestoßen, als es schon sehr lange zu existieren schien. Die Abdeckung stammt jedoch von ihnen. Was ihr sucht, befindet sich im Inneren.“

Sergej gab zu verstehen, dass er selbst aufgrund seiner Verletzung nicht mit hinab kommen könne. So teilte sich die Gruppe auf: Svartten, Loades, Clark und Smith würden den Abstieg für eine erste kurze Besichtigung wagen, während Kurtschow und Howard oben bei ihrem einheimischen Führer blieben.

Clark kletterte voran in die Schwärze, die ihn bald völlig umschlang. Als er nach einer gefühlten Minute in die Tiefe leuchtete, konnte er noch immer keinen Grund sehen. Einige Dutzend Stufen weiter meinte er jedoch, im Schein der Lampe eine steinige Fläche zu erkennen.

Einer nach dem anderen betraten sie den harten Boden. Sie mussten etwa zwanzig oder dreißig Meter unter der Oberfläche sein. Vor ihnen lag ein schmaler, aber gerade ausreichend hoher Gang, der nach wenigen Schritten um eine Biegung führte. Einige alte, verkohlte Fackeln primitivster Machart steckten in metallenen Halterungen an den rußgeschwärzten, grob behauenen Wänden. Doch offensichtlich waren sie vor kürzerer Zeit verwendet worden, denn sie wirkten noch immer ölig. Smith zog sein Feuerzeug hervor und entzündete eine davon.

Einige Meter weiter betraten die Männer einen Raum, der etwa die Maße einer kleinen Wohnstube hatte. Sein Boden war mit grobem Sand bedeckt. Der Fotograf entfachte auch hier einige Fackeln. Im Lichtschein sahen sie, dass der untere Bereich der Wände rundum stufenartig ein Stück nach vorne versetzt war, sodass etwa in Hüfthöhe eine Art Ablagefläche entstand. Offenbar war diese in vergangenen Zeiten auch für jedes erdenkliche Utensil verwendet worden, denn die ursprünglich wohl recht glatt polierten Flächen waren zerkratzt und abgenutzt. Etwa in der Mitte des Raumes stand ein großer Steinquader, der in einem Stück in den Untergrund überging. An der hinteren Wand war eine kleine Nische eingehauen worden, die jedoch leer war. Sonst war in dieser Kammer nichts zu sehen. Keine weitere Öffnung führte hinaus, hier war die Gruft zu Ende.

Smith machte einige Fotos und die anderen suchten mit ihren Blicken die Wände ab, als plötzlich ein sehr gedämpftes, sehr entferntes und dennoch unverkennbares Geräusch von der Oberfläche herabsickerte. Es musste ein Schuss gefallen sein.

Alarmiert stürzten die Vier den Gang zurück und blickten den Schacht hinauf. Hoch oben leuchtete das kleine Quadrat des blauen Himmels. Ganz gleich, welcher der drei Männer draußen den Schuss auch abgefeuert hatte – er bedeutete Gefahr, vielleicht einen Angriff des Fremdlings, und niemand wusste, ob er noch immer dort oben war und womöglich nur darauf wartete, dass sie zurückkehrten. Loades beschloss schließlich, vorauszusteigen und einen Blick ins Freie zu wagen.

Als er etwa die Hälfte der Leiter hinter sich gelassen hatte, vernahm er über sich ein steinernes Schaben. Plötzlich wurde es dunkel. Kein blaues Quadrat wies mehr den Weg hinauf. Kein Lichtstrahl drang mehr in die Tiefe, und Panik schnürte allen die Kehle zu. Jemand hatte den Deckstein wieder auf die Öffnung gelegt.

 

 

V

 

Rufe verhallten ungehört, verzweifelte Schläge gegen die Unterseite der schweren Steinplatte verblieben ohne jeden Nutzen. Loades stürzte bei seinen vergeblichen Versuchen, sie im Alleingang zu bewegen, beinahe in den Tod. Resigniert und halb im Schock stiegen sie im Licht der Taschenlampen wieder hinab und sanken in der Kammer am Ende des Ganges mutlos zu Boden.

Was eigentlich offensichtlich war, brauchte einige Augenblicke, um jedem vollends ins Bewusstsein zu sickern. Sie waren in eine Falle getappt. Niemand wagte eine Vermutung über die Absichten jener Menschen aufzustellen, die sie in diesem Raum festhielten,  darüber, ob sie zurückkehren würden oder was mit Howard und Kurtschow geschehen war, und ganz sicher wollte sich niemand seinem Schicksal fügen. Doch jedem standen Fragen ins Gesicht geschrieben, auf die keiner eine Antwort wusste.

Das Licht der einsamen Fackel, die sie hatten brennen lassen, tauchte die Kammer in ein schwaches, trostloses Flackern, in dem die Männer Stunden klaustrophobischer und paranoider Ängste durchlebten. Wie viele es schon waren, vermochte keiner zu sagen. Clark saß immerfort schweigend in einer der hinteren Ecken und zeichnete Muster in den Sand, während Loades und Svartten die panische Befangenheit durch Gespräche über berufliche Belanglosigkeiten zu verdrängen suchten. Smith versuchte offensichtlich dasselbe, indem er sich sämtliche seiner bisher geschossenen Bilder auf dem Display seiner Kamera ansah.

Mit einem Mal stieß Clark ein überraschtes Keuchen aus. Sein Finger, mit dem er unentwegt durch den Sand gefahren war, war auf Grund gestoßen, der entgegen jeder Erwartung hölzern erschien. Augenblicklich seiner Apathie entronnen, schob er mit den Händen den Sand vor sich zur Seite und legte eine in den Felsboden eingelassene Falltür aus hartem, versiegeltem Holz frei.

Die anderen sahen sich die Tür an. Ein metallener Ring stellte ihren Griff dar. Zwar führte der neu entdeckte Weg noch weiter in die Tiefe, doch die Männer machten sich Mut. Die Möglichkeit, dass dieser Durchlass einen Ausweg aus der Gefangenschaft darstellte, war verlockend. Vielleicht existierten weitere Ausgänge.

Die Kraft von vier Händen war nötig, um die Falltür zu öffnen. Schwer schlug sie auf dem Sandboden auf und gab den Blick auf kontrastlose Schwärze frei. Ein weiterer Schacht, der unerbittlich umweglos in die innersten Eingeweide der Erde führte.

Ihre leuchtenden Taschenlampen am Gürtel, stiegen die Vier durch die Öffnung. Sie kletterten lange; so lange, dass die Hoffnung, auf diesem Weg einen zweiten Ausgang zu finden, bald schwand. Doch mehr als diese Chance blieb ihnen nicht.

Nach einiger Zeit hatten sie wieder Boden unter den Füßen. Ihre Glieder schmerzten vom langen Abstieg, und jeder fürchtete, dass er für einen Weg nach oben kaum noch Kraft hatte.

Wieder öffnete sich vor ihnen ein schmaler Gang mit einer leichten Krümmung, doch er verlief etwas abschüssig. Sie folgten ihm im Schein einer Fackel, die Smith von der Wand genommen und entzündet hatte. Jedoch verbreiterte sich dieser Gang nicht nach wenigen Metern zu einer Kammer, sondern führte immer nur noch weiter hinab, stets in einer Biegung, schmucklos, beklemmend. Bald wurde ihnen bewusst, dass sie sich im Inneren einer riesigen, in den gewachsenen Fels geschlagenen Spirale nach unten bewegten. Die mühevolle Errichtung dieses unterirdischen Hohlraumsystems mit Handwerkzeugen musste Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte in Anspruch genommen haben.

Gut zehn Minuten Wegzeit waren verstrichen, doch den Männern erschienen sie wie eine halbe Ewigkeit. Die immer gleich bleibende Linkskrümmung des Ganges führte bei denen, die ihn durchquerten, schnell zu Schwindel, und keiner mehr konnte auch nur eine grobe Schätzung darüber anstellen, wie tief sie inzwischen waren. Stärker werdende Kopfschmerzen und ein stetig wachsendes Unbehagen quälten jeden einzelnen, je weiter er in die Tiefe vordrang.

Schließlich endete der Gang vor einem großen, offenen Durchgang in Rundbogenform, der im vollen Gegensatz zu den grob behauenen Wänden der Kammer und der Gänge aufwendig mit verworrenen Schnörkeln jeder Art verziert war.

Dahinter öffnete sich eine regelrechte Halle im Fels. Das Licht der Taschenlampen durchdrang nur die ersten Meter und verlor sich dann in der Dunkelheit. Ein leichter Luftzug erfasste sie.

„Von hier aus muss es einen Ausweg geben!“, rief Svartten hoffnungsvoll und suchte nach Fackeln an den Wänden. Doch er fand keine, noch nicht einmal Halterungen.

Vor ihnen lag schwärzeste Finsternis. Langsam gingen die Vier einige Schritte nach vorn. Bald fielen ihre Lichtkegel auf etwas, das wie ein breiter Brunnen aussah. Wie es schien, markierte der etwa hüfthohe Ring aus Mauerwerk den Mittelpunkt des Raumes. Die Männer beugten sich über die Öffnung und leuchteten hinunter. Bodenlose Schwärze.

„Wie tief mag das hier noch reichen?“, sprach Loades, nur wenige Augenblicke, bevor ihn eine neue Welle bohrender Kopfschmerzen in die Knie gehen ließ. Mit jedem Schritt in die Tiefe war seine Verwirrung gewachsen. War er tatsächlich in einer uralten Anlage tief unter der sibirischen Erdoberfläche oder durchlebte er einen makaberen Tagtraum? Alles erschien ihm absolut surreal, und er bemerkte, dass es den anderen ähnlich erging.

Smith deutete über das Loch hinweg und hieß alle, ihre Lampen zu löschen. Als sie in Dunkelheit gehüllt waren, sah jeder das schwache, quadratische Glimmen, das von der gegenüberliegenden Wand der Höhle schien. Sie gingen darauf zu und stellten mit aufkeimender Hoffnung fest, dass es sich um einen Durchgang handelte, hinter dem ein Tunnel nach oben führte. Ein müdes Flackern drang daraus hervor.

Einer nach dem anderen betraten sie den Gang, der kaum höher und breiter war als anderthalb Meter. Sie fühlten sich wie Ratten in einem Abwasserrohr, als sie mühsam gebückt den immer steiler werdenden Weg hinaufkletterten. Das Licht wurde heller, und als sie nach einigen Minuten eine Leiter erreichten, die sie senkrecht nach oben durch eine offene Falltür in eine weitere Kammer führte, erkannten sie seinen Ursprung. Eine brennende Fackel an der Wand. Ein großer Steinquader in der Mitte des Raumes. Eine leere Nische in der Wand und rundherum ein abgenutzter Vorsprung. Der Boden war mit Sand bedeckt, der ihre Fußspuren trug.

„Nein!“, rief Clark aus. „Das ist völlig unmöglich!“

Jeder dachte dasselbe, und jeder zweifelte nun endgültig an seinem Verstand. Nachdem sie dieses verfluchte Gefängnis durch die Bodenklappe verlassen hatten, waren sie gefühlte Meilen in die Tiefe gegangen. Dass sie nun nach nur wenigen Minuten des Aufstiegs durch dieselbe Falltür in denselben Raum zurückgekehrt waren, lag nicht im Bereich des Erklärbaren.

Clarks Geisteszustand begann zu diesem Zeitpunkt, ernsthaft gestörte Züge anzunehmen. Er sank in sich zusammen, in derselben Ecke der Kammer, in der er schon einige Zeit zuvor gesessen hatte, und stieß ein wahnsinniges Lachen aus, das minutenlang nicht verebben wollte. Auch Loades war an einem Tiefpunkt angelangt. Woher, so fragte er sich, war der Luftzug gekommen, den sie gespürt hatten? Was war das für ein falscher Ort?

 

Weitere Stunden verharrten sie machtlos in der stickigen Kammer. Irgendwann riss sie ein Geräusch aus ihren wirren, ziellosen Gedanken. Alarmiert horchten die Vier auf. Da waren Schritte und gedämpfte Stimmen, die langsam näher kamen. Schnell dämmerte es ihnen: Jemand hatte die Steinabdeckung an der Oberfläche entfernt und stieg zu ihnen hinab in die Tiefe. Mit Panik in den Augen blickten sich die Männer an. Die Entscheidung, sich in die unbegreiflichen Abgründe der unterirdischen Gänge zu flüchten oder sich dem zu fügen, was da kommen mochte, fiel nicht leicht, doch sie eilte. Clark entschloss sich als erster, sprang zur Falltür und stieg die Leiter hinab. Svartten folgte ihm. Die Schritte wurden lauter und schneller; die Fremden hatten den Grund des Schachtes erreicht und würden jeden Augenblick die Kammer betreten. Gerade, als Loades und Smith den anderen durch die Öffnung folgen wollten, stürmten sechs mächtige Gestalten in den Raum und packten die beiden. Schreiend und tretend versuchten sie, sich den kräftigen Griffen zu entziehen, doch die Männer waren ihnen körperlich weit überlegen. Ihrer Erscheinung nach zu urteilen, gehörten sie dem degenerierten Eingeborenenvolk an, dem sie bereits begegnet waren. Sie banden Loades und Smith die Arme und Beine zusammen, knebelten sie und trugen sie zurück zum Ausgang.

Clark und Svartten, die wie besessen die Leiter hinabgestiegen waren, hatten nur gehört, wie einer der Fremden die Falltür über ihnen mit einem verächtlichen Lachen zugetreten hatte. Waren sich diese Menschen der unerklärlichen Eigenart der Gangsysteme bewusst, die jeden Eindringling immer wieder an seinen Ausgangspunkt zurück zu führen schien, und würden sie zu späterer Gelegenheit holen? Oder wollte man sie in den Gewölben verrotten lassen? Die beiden waren von Angst geschüttelt und zutiefst verzweifelt. Einen Ausweg schien es nicht zu geben.

Niemand stieg ihnen nach. Schweißgebadet erreichten sie den spiralförmigen Gang und folgten ihm ein zweites Mal hinab bis in den großen Raum mit dem brunnenartigen Mauerwerk. Schreckliche Kopfschmerzen plagten sie, und immer wieder wurden sie von unwillkürlich auftretenden Phasen größter Verwirrtheit heimgesucht, gerade so, als übe die Atmosphäre dieses unseligen Ortes eine krank machende Wirkung auf seine Besucher aus. Clark entsann sich des Moments, als er vor dem Monolithen in der Brandung St. Kildas gestanden und dabei wahrgenommen hatte, wie ihn der Geist des Uralten berührt hatte. Ebenso erging es ihm hier, jedoch um ein Vielfaches stärker und durchsetzt von plötzlichen Eindrücken der schauerlichsten Art, die vor seinem inneren Auge aufblitzten. Er und Svartten waren sich nicht sicher, ob ihre geistige Gesundheit – sollten sie jemals einen Ausweg finden – den Aufenthalt in diesen Höhlen ohne größere Schäden überstehen konnte.

Sie entzündeten zwei Fackeln, die sie aus dem Tunnel mitgenommen hatten, und traten an das ummauerte Loch heran. Diese Öffnung war der einzig denkbare Weg, der ihnen noch blieb. Sie leuchteten hinein und suchten nach einer Möglichkeit, hinab zu steigen. Sprossen oder Griffe gab es nicht, einzig ein paar Vorsprünge und Kerben im Fels würden wohl leidlichen Halt bieten. Plötzlich kam wieder ein schwacher Wind auf, der nach wenigen Sekunden verebbte.

„Der Luftzug kam nicht von oben, sondern von unten!“, sagte Clark. „Wir müssen hinunter, das ist unsere einzige Chance.“

Er hielt seine brennende Fackel über das Loch und ließ sie fallen. Nach gut zwei Sekunden schlug sie unten auf und offenbarte feuchten Boden. Hoch konzentriert und mit ihren leuchtenden Taschenlampen in den Gürtelschlaufen machten sich die beiden an den Abstieg. Nach einigen Minuten der kräftezehrenden Suche nach Halt und der nervenaufreibenden Angst abzustürzen, wurde ihnen bewusst, dass sie sich auf einem Weg ohne Wendemöglichkeit befanden. Diesen Schacht in umgekehrter Richtung zu erklimmen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Doch der Luftzug, den sie wahrgenommen hatten, gab ihnen die leise Hoffnung, dass von irgendwo hier unten ein Weg ins Freie führte. Und wenn es ihnen gelang, aus dieser unterirdischen Hölle zu entkommen, würden sie es vielleicht auch schaffen, ihre verschleppten Kollegen in einem günstigen Moment zu befreien. Sich auszumalen, was die degenerierten Fremden mit ihren Opfern anzustellen gedachten, verursachte nichts als Übelkeit. Himmel, hoffentlich waren sie nicht schon längst tot!

 

Als sie unten angekommen waren, schmerzten ihre Finger vom krampfhaften Festklammern am Fels. Sie waren am Ende ihrer Kräfte. Clark hob die noch brennende Fackel vom Boden auf. Vor ihnen öffnete sich nun ein breiter Gang, der nach wenigen Metern in einen größeren Raum zu münden schien, aus dem ein diffuses Licht drang. Wieder erhob sich für einige Augenblicke ein Luftstoß, der nun etwas stärker ausfiel.

Als die beiden die Wände des Tunnelstücks betrachteten, entdeckten sie eine Reihe von primitiven Ritzzeichnungen und Schriftsymbolen. Sie sahen genauer hin.

„Diese Zeichen“, sagte Clark, „ähneln den Symbolen auf den Monolithen.“

„Es sind dieselben“, entgegnete Svartten. Fassungslos fuhr er mit den Fingern über die geschwungenen Einkerbungen. „Sehen Sie nur. Es ist dasselbe Alphabet. Wenn ich es doch nur lesen könnte.“

Sie traten näher an den Durchgang heran, der vor ihnen lag. Dahinter erstreckte sich ein Saal, der ihnen schon ganz allein durch seine überwältigenden Ausmaße den Atem hätte stocken lassen – hätte ihr Blick nicht auch jene unsägliche Abscheulichkeit getroffen, die das Zentrum der Halle beherrschte und sie jeder noch verbliebenen Spur vernünftigen Denkvermögens beraubte.

Sie befanden sich in einiger Höhe über dem Boden der gewaltigen Grotte, deren jenseitige Grenzen kaum mehr auszumachen waren. Die Öffnung, an deren Rand sie schwindelnd standen, lag inmitten einer senkrechten Felswand, und eine schmale, in den Stein gehauene Treppe führte hinab. Das flackernde Licht, das den Saal aufgrund seiner Größe nur schwach ausleuchtete, rührte von einer Reihe großer Feuerschalen her, die weit unter ihnen am Boden kreisförmig um etwas aufgereiht standen, das sich jeder plastischen Beschreibung entzog. Dort lag eine kolossale Wesenheit, die nicht mithilfe anatomischer oder taxonomischer Begriffe und Gesetzmäßigkeiten, die auf dieser Erde galten, definiert werden konnte. Die Männer sahen sie, ohne sie zu begreifen. Allein der Schrei des unmenschlichen Entsetzens, den beide ausstießen, verriet ihnen, dass sie keiner bloßen Sinnestäuschung ihres umnachteten Geistes ausgesetzt waren. Sie sahen dasselbe. Sie sahen, eingebettet in primitiv behauenes Mauerwerk und verwitterte Stufenbauten,  eine formlose, bleiche Masse pulsierenden Gallerts, durchzogen von abstoßenden Adern und umringt von einem Kranz aus Fühlern oder Armen, die sich polypenhaft in die Höhe reckten und grässlich träge im Zwielicht wanden. Sie sahen ein Geschwür aus schwarzen Blasen, das im Inneren der katastrophalen Masse wogte wie Froschlaich, und eine Öffnung in ihrer toxischen Oberfläche, die sich im Wechsel weitete und zusammenzog.

Die Luftstöße, die sie in die Tiefe gelockt hatten, waren keine  Winde aus der Freiheit gewesen. Sie waren der Atem des Anfänglichen Gottes Gluth-Naggath.

In diesen Augenblicken unnennbarer Bestürzung wich der Verstand der beiden Männer in fremde Sphären jenseits aller irdischen Logik. Clark brach im Wahnsinn zusammen, geschüttelt von grausigen Visionen uralter Scheußlichkeiten und namenloser kosmischer Schrecknisse. Er krümmte sich am Boden und schrie entsetzliche Phrasen unbekannter Bedeutung, während seine menschliche Persönlichkeit immer mehr von den unbegreiflichen Gedanken einer fremden, jenseitigen Macht verdrängt wurde. Svartten indes begann, in grenzenloser Idiotie zu lachen und stieg in höchster Eile die Treppen hinunter. Clark sah, wie sich sein Begleiter mit hochgerissenen Armen auf die ekle Masse zu bewegte, nur um mit einem gellenden Schrei von ihren zuckenden Tentakeln erfasst und von ihren ätzenden Membranen für immer umschlossen zu werden. Dann glaubte er, gebückte Gestalten zu erkennen, abstoßende Zerrbilder menschlicher Wesen, die zwischen den Felsen am Boden auftauchten und in einen wahnwitzigen Tanz um die uralte Kreatur verfielen. Clark senkte den Kopf. Sein letzter Blick, bevor ihn die Ohnmacht gnädig aus dem Hier und Jetzt riss, fiel auf die flackernd beleuchteten Hieroglyphen an den Wänden des Tunnels.

 

 

Aus den letzten Aufzeichnungen des Paul Clark:

 

Und im Traum sah ich, wie der formlose Gott mit seinen sieben Brüdern vor Urzeiten die Erde verlassen hatte, um in die Sphären zwischen den Welten einzutreten. Was ich sah, entstammte nicht meiner bewussten oder unterschwelligen Gedankenwelt; es waren die Erinnerungen des Gottes selbst, die er zu mir, der ich im Delirium in seiner Grotte lag, entsandte. In verborgenen Winkeln unbekannter Dimensionen wurden die Anfänglichen neu geboren. Sie trugen den Keim der Schöpfung in andere Welten. Und nach Äonen, in einer Zeit, die nun gekommen ist, fahren sie erneut auf die Erde nieder, um zu vertilgen, was sie einst geschaffen, und den Zyklus der Existenz neu zu entfachen.

Ich weiß nicht mehr, wie ich an die Oberfläche zurückkehrte. Vielleicht nahmen mich die schattenhaften Tänzer mit sich – ich sehe noch, wie sich mich packten! Sie gaben mir von einer Substanz, die mich mit Gleichgültigkeit erfüllte, die mich das Beisein des rasendmachenden Gottes ertragen ließ, ohne mich in den Selbstmord zu stürzen. Waren sie die letzten der Thela? Auf unbekannten Wegen taumelte ich im Rausch zurück ans Licht. Ich gäbe vieles dafür, würden auch die letzten verbliebenen Einzelheiten meiner Flucht endlich restlos in den Tiefen der Verdrängung versinken, denn ich glaube, mich eines kurzen Augenblickes jener verblassten Stunden zu entsinnen, der mich bis heute in meinen quälendsten Alpträumen verfolgt. Die Lichtung unter der klaren Scheibe des Vollmondes, im lodernden Feuer glühend, beherrscht von der dilettantisch gemeißelten Nachahmung eines spiralförmigen Monolithen... Umringt von zuckenden Leibern missförmiger Einheimischer, die die verstümmelten Gestalten meiner vier verschleppten Gefährten in madenhaften Bewegungen umtanzten und sie als Opfer zugunsten ihres schändlichen Gottes missbrauchten. Schon längst waren diese ehrlosen Eingeborenen dem Wahnsinn der unterirdischen Säle verfallen, gefangen im kosmischen Schatten jener grausigen Lebensform, in dem kein Mensch bei Verstand zu wandeln vermag.

Und die Acht Anfänglichen Götter brüten unter der Erde und unter den Wassern der Meere und nähren sich schändlich im Zwielicht, bis sie die Kraft erlangt haben, ihre amorphen Leiber ein weiteres Mal über den Planeten zu ergießen und alles zu verzehren, was in anderer Gestalt neu gezeugt werden soll! Wenn das Zeichen der Spirale am Himmel steht, wird der letzte Hauch niedersickern aus der Zwischenwelt, um die Macht der Götter letztgültig zu entfachen, und ist dieser Tag gekommen, so wird sich der Wandel vollziehen, noch ehe die Erde ein weiteres Mal um die Sonne gezogen ist. Das Ende allen Seins ist der Preis für den Neubeginn allen Lebens!

Shiel'ogath! Ts'oqqutaph!  Thyle'qqoth!  Sh'ol-Uqqagh! Gluth-Naggath! Aph'na-Keph! Rh'aigh'yoth! Oth-Naph'talagh!

Unter der gleißenden Spirale!

 

Nachtrag:

 

Am 9. Dezember 2009 erschien gegen acht Uhr morgens eine perfekt gezirkelte Spirale aus weißem Licht am Himmel über Tromsø in Norwegen. Nach einigen Minuten entwuchs ein bläulicher Strahl aus ihrem Zentrum in Richtung Boden, dann löste sich der Wirbel in einer schwarzen, kreisrunden Fläche auf. Nach anfänglichen Debatten über einen fehlgeschlagenen russischen Raketentest, die von offiziellen Stellen dementiert wurden, wurden auf der Webseite des EISCAT-Projektes Protokolle über ein Experiment veröffentlicht, das zu exakt derselben Zeit an demselben Ort durchgeführt worden sein soll. Ziel des EISCAT (European Incoherent Scatter) ist es, mittels Radaranlagen Erkenntnisse über Interaktionen zwischen Sonne und Erde zu gewinnen. Den Informationen auf der Webseite ist zu entnehmen, dass am jenem Tag durch Aufheizen der Atmosphäre bei Sonnenaufgang sogenannte ELF-Wellen sichtbar gemacht werden sollten, ermöglicht durch besondere Lichtbrechungsverhältnisse durch Meteorstaub im polaren Winter. Es sollte der Nachweis erbracht werden, dass ELF-Wellen spiralförmig verlaufen, was vorangehende Simulationen nahegelegt hatten.

Eines der führenden Forschungsmitglieder der EISCAT-Anlage bei Tromsø und Urheber der Versuchsprotokolle zum 9. Dezember 2009 ist Elias Svartten, der einzige Sohn des verschollenen Bankiers Matthias Svartten.

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Yuggoth
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Buhuuuh Beeindruckendes Coverbild! :-)
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Puroduroo Cool
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