Kurzgeschichte
Im Land

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"Im Land"
Veröffentlicht am 02. Mai 2011, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Im Land

Im Land

Es überfiel mich immer tiefe Schwermut wenn wir ins Land fuhren.
So weit das Auge reichte erstreckte sich die hügelige Landschaft in ihren fruchtbaren Farben.
Die Leere des Landes nannte ich es insgeheim.
Heute weiß ich, dass es nicht nur die Leere war, die mich so sehr vereinnahmte. Es war die Tristesse des Altbekannten, die sich bis in meine Knochen und Organe ausbreitete. Gerade in meiner Jugend trieb sie mich manchmal an den Rand der Verzweiflung.
Sie ist mir bis heute geblieben, die Abscheu gegenüber Bekanntem. Immer noch, wenn ich mit dem Zug übers Land fahre befällt sie mich und treibt mich zur Umkehr an.  

Und es ist das Nichts das mir Angst macht. Felder um Felder reihen sich aneinander, hie und da ein Baum und selten ein Haus erfreuen das nach Abwechslung durstende Herz.
Nichts ist da, was das eigene, bedeutungslose Leben bedeutungsvoller machen würde.
Nichts was dem leeren Leben trivialen Inhalt verleihen würde.
Ich bin da wo Nichts ist.
Nichts.

Es ist nicht die Einsamkeit die mir zusetzt.
Die Einsamkeit am richtigen Ort verleiht der Seele Flügel.
Ich fürchte die Einsamkeit nicht.
Es ist die Belanglosigkeit die mir am Land vor Augen geführt wird. Die eigene Belanglosigkeit, die dort so viel lauter schreit als in der lärmenden Stadt. Oder vielleicht höre ich sie in der Stille besser.
Und dann kommen Ruhelosigkeit und Depression.

Damals flüchtete ich mich in meine Bücher. Gerade in der Jugend war das der einzige Weg um der Verzweiflung und Depression zu entkommen.
Stundenlang lag ich in meinem verschlossenen Zimmer, während draußen strahlender Sonnenschein herrschte. Stille umgab mich, nur das Lachen meiner spielenden Brüder bahnte sich gelegentlich einen Weg in meine Welt.
So gerne wäre ich woanders gewesen. Mein junges Herz verzehrte sich nach etwas, das ich bis heute nicht greifen kann.

Denn mit der Schwermut die mich am Land befällt kommt die Sehnsucht. Doch wonach? Ich weiß es noch immer nicht.
Wie oft schon habe ich in mich gehört. Unzählige Abende lauschte ich in mich. Suchte nach der Antwort. Wonach sehne ich mich sosehr?

Es gibt Zeiten da gelingt es mir diese Sehnsucht zu vergessen. Monatelang und länger kehrt die Leichtigkeit in mein Leben zurück. Kein Suchen in meinem Herzen.
Doch dann ist sie wieder da. Schleicht sich in meinen Körper und meine Seele.
Ich sehne und verzehre mich nach etwas, das ich nicht kenne.

Manchmal überwinde ich dieses Verlangen in mir indem ich das Land verlasse. Mich auf neue Wege begebe und fremde Länder kennenlerne.
Doch diese List währt nicht lange.
Wenn sich der Urlaub dem Ende neigt kehrt auch die Sehnsucht zurück.
Alles in mir drängt hier zu bleiben. Hier wo es noch so vieles zu entdecken gibt.
Schon als Kind litt ich an dieser Form des Fernwehs. Depressionen überfielen mich wenn ich an die Heimkehr dachte. Und das ist mir bis heute geblieben.

Doch ich liebe das Land auch. Nach längerer Zeit in der Stadt stellt sich die Vorfreude auf den ländlichen Besuch ein. Die Freude auf unberührte Natur, Landluft und Stille. Spaziergänge durch Blumenwiesen und Wanderungen durch Felder.
Trotzdem, bin ich einmal im Zug und fahre übers Land überfällt mich erneut die Schwermut. Die Kälte hält Einzug in mein Herz und alle Vorfreude verschwindet. Die bisher entspannende Zugfahrt wird als lästig und anstrengend empfunden. Die Schönheit der verlassenen Natur als Leere. Und meine Vorfreude als unerfüllte Sehnsucht.

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Salomefrieda

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