Fantasy & Horror
Dunkelherz - Kapitel 1

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"Dunkelherz - Kapitel 1"
Veröffentlicht am 27. April 2011, 26 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Dunkelherz - Kapitel 1

Dunkelherz - Kapitel 1

Beschreibung

Freue mich über Kommentare, Lob und Kritik.

Kapitel 1

Die dünnen Zweige bogen sich unter den immer stärkeren Windböen, während vereinzelte Blätter hinab fielen und den Boden mit orangen und roten Tupfern übersäten. Der dunkle Wolkenturm, der den ganzen Himmel in ein tristes Meer aus Grautönen verwandelte, wurde vom eisigen Wind ebenfalls immer weiter gedrängt.

In einem gemächlichen Tempo folgte ich dem schmalen Feldweg, der zwischen den hohen Bäumen hindurch führte. Das immer noch dichte Blätterdach sorgte dafür, dass kaum ein Lichtstrahl zu mir fand. Was meine Versuche den großen Pfützen auszuweichen ungemein erschwerte. Bei jedem meiner Schritte platschte der aufgeweichte Boden unter mir. Ich seufzte kläglich. So sehr ich die bunten Farben des Herbstes auch mochte, desto so mehr hasste ich die Kälte und Feuchtigkeit, die einem sofort unter die Haut fuhr.

Nach einigen weiteren Minuten erreichte ich eine Weggabelung. Ich schlug den gewohnten, rechten Weg ein, der mich zum Fliegenden Gipfel führen würde. Dies war der höchste Berg des Calumgebirges und er war mit Gängen und Tunneln durchzogen worden. Jeden Tag suchte ich ihn auf, um meine Lektion in Magie zu absolvieren.

Ein dicker Tropfen fiel mir genau auf die Nasenspitze. Ich legte den Kopf in den Nacken und stellte mit Resignation fest, dass es angefangen hatte leicht zu regnen. Jetzt wiederum ist das dicke Blätterdach nützlich, dachte ich grinsend. Sofort zogen sich meine Mundwinkel wieder nach unten, als ich feststellte, dass die Äste, um den Regen abzuhalten, schon zu kahl waren. Erneut seufzte ich selbstmitleidig, bevor sich meine Schritte automatisch beschleunigten, um nicht vollkommen durchnässt zu werden. Mit kindlicher Begeisterung schaute ich auf die Oberfläche der Pfützen, die sich beim Einschlagen der kleinen Wasserbälle sanft kräuselte.

Als ich den Fuß des Berges erreicht hatte und der erste Tunneleingang in Form eines schwarzen Punktes auf den Granitwänden entdeckte, atmete ich erleichtert auf. Das letzte Stück rannte ich, was ich vielleicht hätte lassen sollen, da ich einmal kurz davor war auf dem glitschigen Boden auszurutschen. Nur mit einem wilden Rudern meiner Arme fand ich Gleichgewicht wieder. Im Angesicht meiner Tollpatschigkeit musste ich fast lachen.

Endlich trat ich in den breiten Gang ein. Ein schummriges Licht, an das sich meine Augen erst gewöhnen mussten, begrüßte mich. Es rührte von runden Leuchtsteinen, in regelmäßigen Abständen waren sie in die Wände eingelassen worden und hatten alle ihren eigenen Farbton. Gemischt ergaben sie einen undefinierbaren Lichtfarbton, der mir sehr vertraut war.

Nur einige Schritte weiter befand sich eine Nische in der Wand, die man erst entdeckte, wenn man genau davor stand. Die Nische war gerade groß genug, um eine Person zu beherbergen, was sie auch tat. Ein junger Mann in einem schwarzen Umhang stand dort. Er diente als Wächter, was man an der großen Lanze und seinem für einen Wächter typischen, roten  Wams sofort erkannte. Auch wenn seit vielen Jahren kein unerwünschter Besucher mehr hier gewesen war, wollte man ganz sicher gehen. Als er mich bemerkte, verwandelte sich seine eben noch gelangweilte Miene in ein Lächeln. Im Gehen nickte ich ihm freundlich zu, schenkte ihm aber nicht mehr Aufmerksamkeit. Manchmal kam es zu einem kurzen Gespräch, aber heute war ich zu spät dran.

Während ich mir einen Weg durch das verwinkelte Tunnelsystem bahnte, überlegte ich, ob Meister Taron gestern angedeutet hatte, was wir heute machen würden. Wahrscheinlich nichts Besonderes, sagte ich mir und wechselte das Thema meiner Gedanken wieder.

Ich bog noch einige Male rechts ab, dann folgte ich einem schnurgraden Gang. Auf dem ganzen Weg begegnete mir niemand. Es dauerte eine Weile, bevor ich einen bogenförmigen Durchgang erreicht hatte. Dahinter lag eine große, rechteckige Halle, deren Decke genauso hoch war wie der Raum breit war. Auf der rechten Seite stand eine hölzerne Bank, die komplett fehl am Platz wirkte. Sonst war der Raum leer.

Warum ist Meister Taron wohl noch nicht da? Ich bin doch schon zu spät und er ist sonst immer pünktlich – naja, wahrscheinlich irgendeine Erledigung, die er nicht verschieben konnte.

Ohne länger darüber nachzudenken, ließ ich mich auf der Bank nieder. Bei dem Versuch mich ein wenig zu entspannen, schloss ich meine Augen und lehnte mich zurück.

Schwere Schritte auf dem Granitboden verrieten mir, dass ich nicht mehr lange allein sein würde. Wiederwillig öffnete ich meine Augen wieder und streckte mich etwas.

„Ah, Lanura, du bist schon da. Verzeih mir meine Unpünktlichkeit.“ Meister Taron kam mit raumgreifenden Schritten auf mich zu, wobei sein langer weißer Bart hin und her schwenkte.

Ich stand auf und verbeugte mich leicht.

„Ja, ich bin schon hier. Aber Dalon nicht, also hätten wir eh nicht anfangen können“, erklärte ich ihm, nachdem ich mich wieder hingesetzt hatte.

Taron setzte sich neben mich. Sein gedankenverlorener Blick ruhte auf der Decke.

„Das dachte ich mir schon, der Junge wird es nie lernen, aber damit habe ich mich schon fast abgefunden. Aber sag ihm das nicht, sonst verliert er auch den letzten Ehrgeiz pünktlich zu sein.“ Ein verschmitztes Grinsen hatte sich auf seinem Gesicht breit gemacht.

Ich lachte leise. „Nein, natürlich nicht. Obwohl ich glaube, dass er das schon ahnt.“ Ich war mir sogar ziemlich sicher, dass er das schon ahnte. Jeder andere Meister im Fliegenden Gipfel würde ihm täglich neue Strafdienste zuweisen, nur Taron nicht. Manchmal überlegte ich auch, ob das nicht besser sei.

In diesem Moment ertönten abermals Schritte, Sekunden später erschien die Gestalt eines schlaksigen Mannes am Eingang. Dalon hatte sechzehn Sommer erlebt, war also ungefähr genauso alt wie ich. Sein blondes Haar war vom Wind komplett zerzaust, so dass die einzelnen Strähnen in alle Richtungen abstanden. Aufgrund seines nur stoßweise gehenden Atems vermutete ich, dass er den ganzen Weg  bis hierher gerannt sein musste.

„Wie schön, dass du uns die Ehre zu Teil werden lässt, deine Anwesenheit zu genießen“, witzelte Taron mit einem scharfen, sarkastischen Unterton. Ich musste fast lachen, als ich sah, wie Dalon sich zusammenreißen musste, um ernst zu bleiben.

Dalon verbeugte sich hastig, wobei er jeglichen Blickkontakt zu Taron vermied.

„Euch gewähre ich sie doch immer, Meister.“ Seine Augen funkelten schalkhaft.

Taron lachte leise. „Das sollte mich wohl in Hochstimmung versetzen. Ich sage zu deiner Verspätung nur so viel: Irgendwann wird sie Dir zum Verhängnis werden. Aber wie auch immer, wir sollten endlich anfangen, ich habe heute eine Menge vor.“

Ich sah ihn fragend an, und hoffte, dass er uns jetzt sofort erklären würde, was er denn geplant hatte. Aber das tat er nicht. Stattdessen musterte er weiter die Decke, als wenn sich dort etwas extrem interessantes befände. Dieses Verhalten war absolut typisch für ihn, entweder er fand die Decke wirklich so interessant oder er wollte uns einfach nur warten lassen – was ich als wahrscheinlicher fand. Es passte zu ihm, uns damit Geduld lehren zu wollen.

Taron trug üblicherweise seinen bis zu den Knöcheln reichenden kaminroten Mantel, der ihm bestimmt von den schmalen Schultern gerutscht wäre, wenn dies nicht von einem breiten Ledergürtel verhindert worden wäre.

Plötzlich stand der Meister auf und stellte sich vor uns, so dass wir ihm ins Gesicht sehen konnten.

„Ich habe lange darüber nachgedacht. Wirklich lange“, er zögerte einen Moment, „Die erste Stufe der Magie, die Luftmagie, beherrscht ihr beide perfekt. Feuermagie… naja, noch nicht perfekt, aber gut genug wie ich entschieden habe.“ Ich merkte erst gar nicht, dass ich den Atem angehalten hatte. Ich hatte einen ganz bestimmten Verdacht, was jetzt kommen würde. Mit einer ruhigeren Stimme fuhr er fort.

„Ihr habt euch schon viel Wissen über die dritte Stufe, über die Wassermagie angeeignet. Und wenn ihr euch heute nicht allzu dumm anstellt, werden wir morgen damit beginnen. Ich warne euch daher schon mal vor: Es hat einen Grund, warum die Wassermagie erst die dritte Stufe ist. Es wird euch schwieriger fallen sie zu erlernen, also lasst euch nicht allzu schnell entmutigen.“

Dalon und ich blickten uns an. Ich glaube, in diesem Moment waren wir beide zu überrascht,  um etwas sagen zu können. Normalerweise ließen sich die Meister mit der Wassermagie sehr viel Zeit, da sie einige Nebengebiete hatte, mit denen man anderen großen Schaden zufügen konnte.

Meister Taron schien unsere Mienen richtige zu deuten. Er grinste zufrieden und fand unsere Überraschung anscheinend sehr belustigend.

Ich befahl mir selbst, mich wieder zu beruhigen und mich nicht wie ein kleines Kind zu benehmen.

„Ich würde jetzt gerne beginnen, wenn ihr euch dazu in der Lage fühlt…“ In Tarons Augen blitzte purer Spott auf, was ich ihm nicht verübeln konnte.

„Ja natürlich tun wir das, Meister“, sagte ich, woraufhin Taron nickte.

„Als erstes für heute möchte ich euch Feuer- und Luftmagie einsetzen sehen. Ich denke ein kleiner Übungskampf wäre da ganz angebracht.“

Dalon stand auf und schritt ohne was zu sagen oder genauere Anweisungen abzuwarten auf die Mitte der Halle zu. Dort war mit schwarzen Steinen ein Mosaik gelegt worden, dass einen Drachen zeigte. Aus seinem weit aufgerissenem Maul flogen zwei Feuerbälle in verschieden Richtungen. Dalon stellte sich auf eine von ihnen, die beiden Kugeln dienten als Aufstellungspunkte bei einem Duell. Entschlossen mich nicht unterkriegen zu lassen stand ich auf und stellte mich auf die andere Kugel, genau gegenüber zu Dalon. Seine selbstsichere, beinahe überhebliche Ausstrahlung gefiel  mir nicht. Wenn ich zurück dachte, hatten wir uns mit dem Siegen und Verlieren eigentlich immer abgewechselt.

„Fangt an“, schallte es von der Seite herüber. Ich hörte die Worte nur noch in meinem Unterbewusstsein, da ich schon in Konzentration versunken war.

In nur wenigen Sekunden hatte ich meine magische Energie freigelegt, so dass ich sie nach Belieben verwenden konnte. Ein Kunststück, das mich früher Minuten gekostet hatte.

Ein Flammenschweif flog in einer immer kleiner werdenden Spirale auf mich zu, so dass ich keine andere Wahl hatte, als in aller Eile einen Schild aus Luft hochzureißen. Die Luft wurde durch Magie so stark gepresst, dass sie härter als jeder Stein wurde. Mit einer gewissen Befriedigung beobachtete ich wie die Flammen mit einem lauten Zischen auf meinen Wall trafen und sich binnen eines Moments zu einer kleinen Rauchwolke auflösten.

Ohne zu zögern startete ich einen Gegenangriff aus lauter kleinen Feuerbällen, die mich nur wenig Energie kosteten. Ich war mir darüber im Klaren, dass sie Dalon nur wenig schaden würden, aber ich war darauf aus, dass er eine ganze Schutzhülle aufbauen musste, was ihm einige Energie kosten würde. Und mir die Gelegenheit gibt mit einem stärkeren Angriff nachzusetzen, fügte ich in Gedanken hinzu. Schnell ging ich meine verschiedenen Möglichkeiten durch. Ich musste am besten irgendetwas tun, was ihn so sehr überraschte, dass er nicht wusste, wie er reagieren sollte.

Ich nahm ein wenig Anlauf und sprang ab. In der Luft machte ich eine Rolle vorwärts, bis ich schließlich genau über Dalon war. Bäuchlings lag ich in der Luft, für einen Moment schwerelos. Dalon starrte mich mit einer Mischung aus Unverständnis und Entsetzung an.

Konzentrier dich, rief ich mir zurück. In beiden Händen gleichzeitig ließ ich Feuerkugeln entstehen. Meine Hände kribbelten, als ob die Magie schon darauf gewartet hätte endlich eingesetzt zu werden. Aus den erst kleinen Rauchwölkchen schwollen in rasender Geschwindigkeit faustgroße Kugeln an, die noch größer geworden wären, wenn ich nicht eine Blockade errichtet hätte.

Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, schleuderte ich sie auf Dalon zu. Im Flug teilten sich die Kugeln in hunderte von Kleinen. Sie wirbelten umeinander, flogen weite Schleifen und schraubten sich höher.

 Nachdem ich sicher gelandet war, wendete ich mich wieder um. Ein leiser Fluch kam mir über die Lippen, als ich sah, dass Dalon nicht einmal getroffen worden war. Zwar war mein Angriff zu plötzlich gekommen, als das er noch einen Schutzschild hätte hoch ziehen können, aber geschickt war es ihm gelungen auszuweichen. Hat er es irgendwie geschafft meine Magie umzuleiten?, fragte ich mich, während ich zu sah, wie jede einzelne Kugel in um eine Haaresbreite verfehlte. So viel Glück kann man doch gar nicht haben! Wütend biss ich mir auf die Lippe. Warum musste ich auch so viel Energie in einen Angriff legen? Das war einfach dumm, und etwas, das mir Taron schon etliche Male vorgehalten hatte. Ich konnte beinahe seine vorwurfsvolle Stimme in meinem Kopf hören. Geh sparsamer mit deiner Magie um, Lanura, teil sie Dir gut ein.

Schemenhaft sah ich etwas Leuchtendes, das auf mich zu raste und gleichzeitig drang das laute Zischen an mein Ohr. Sofort schmiss ich mich auf die Erde und dankte meinen Reflexen sehr. Eine Vielzahl von rot glühenden Blitzen fegte eine Handbreit über meinem Kopf vorbei. Ich richtete mich wieder auf und bereute es sofort. Ein weiterer Blitz flog auf mich zu. Diesmal war ich nicht schnell genug. Der Blitz streifte zumindest noch meine Schulter, so dass ich mein Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse verzog. Ein irrwitziger Schmerz pochte immer lauter in meiner Schulter. Ich presste meine Hand darauf, zwang mich langsam ein und aus zu atmen und versuchte gleichzeitig auf neuerliche Angriffe Dalons zu achten. Schneller als ich es erwartet hätte schwächte sich der Schmerz auf ein erträgliches Maß ab, so dass ich Sekunden später schon wieder einen Racheangriff starten konnte.

Einige Minuten blieb es dabei, dass wir uns gegenseitig Blitze und Feuerkugeln entgegen schmetterten und uns dabei beide verausgabten. Manchmal trafen sich unsere Blitze auch in der Luft und löschten sich gegenseitig aus. Zurück blieb dann nur noch eine starke Druckwelle freigesetzter Magie, die in alle Richtungen davon ging und mich einmal fast von den Füßen riss.

Wenn ich siegen will, muss ich jetzt zu einem schnellen Ende kommen. Sonst habe ich einfach keine Kraft mehr, ich bin jetzt schon komplett erschöpft.  Und das war ich wirklich. Ich schnappte hörbar nach Luft, aber trotzdem leerten sich meine Lungen immer mehr. Hätte ich mich nicht an die Wand angelehnt, wäre ich wahrscheinlich schon umgekippt.

Als sich in meinen Gedanken gerade ein Plan hervortat, der hätte funktionieren können, kam abermals ein Schwarm von Feuerbällen auf mich zu. Obwohl ich einige Seite zur Seite wich und mich alle mit Abstand verfehlten, spürte ich die glühende Hitze wie einen Schlag in meinem Gesicht. Erschrocken über die Hitze der Kugeln wich ich weiter zurück. Solange, bis ich die harte Felswand in meinem Rücken spürte.

Mein Herz begann wild zu pochen, was ich selbst nicht verstand. Warum pochte es so? Das war kein richtiges Duell, ich war nicht in Gefahr und unter keinen Umständen würde mir irgendetwas passieren. Ich glaube es war einfach die Macht dieser Kugeln. Aber genau das ist deine Hoffnung!, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Und sie hatte Recht. Dalon musste seine ganze verbliebene Energie in diesen Angriff gelegt haben. Oder nicht? Doch es musste so sein, die Tatsache, dass ich Meter entfernt immer noch ihre Hitze und Kraft spürte, war ein unumstößlicher Beweis dafür.

Meine restlichen Energiereserven zusammen nehmend, zwang ich mich alles andere zumindest für diesen Moment zurückzustellen. Die gebündelte magische Energie durchfloss mich und gab mir ein Gefühl von Unbesiegbarkeit. Einen letzten Augenblick zögerte ich.

Mein Kopf rauschte, während die gewaltige Welle aus Magie und Kraft aus mir herausströmte und ihren Lauf nahm.  Es fühlte sich an, als ob sich mein Kopf unter einem Wasserfall befände, nur dass das Wasser waagerecht floss.

Die Luft vibrierte und knisterte. Kleine Blitze zuckten umher, so dass auf den Felsen wänden undefinierbare Schatten auf und ab flackerten.

Die Magie formte sich zu einer halbkreisförmigen Welle, die genau auf einen Punkt zu eilte. Genau im Zentrum stand Dalon. Selbst von der anderen Seite der Halle konnte ich erkennen, dass er seine Augen vor Überraschung weit aufgerissen hatte und die Magiewellen, die wie richtige Wellen aussahen, nur dass sie feuerrot waren, reaktionslos anstarrte.

Mit einem ohrenbetäubendem Zischen, ähnlich dem eines Feuers, wenn man es mit Wasser löschte ertönte, erreichte die Welle ihr Ziel. In letzter Sekunde hatte Dalon einen Schild geschaffen, der aber sofort ins Wanken geriet und sofort wieder zerbrach.

Dalon stand dem Wirbel aus Magie nun schutzlos gegenüber und wurde mit ihr mitgerissen. Er prallte gegen die Wand. Während sich die Magie langsam auflöste, rutschte Dalon immer weiter an der Felsenwand hinunter, bis er schwer atmend und all seiner Kräfte beraubt auf dem Boden saß.

„Halt“, rief Taron. Das selbstzufriedene und überhebliche Grinsen einer Siegerin verschwand von meinem Gesicht, als ich beobachtete, wie Taron eilig auf Dalon zu stürzte.

Mit einem Schlag wurde mir erst einmal bewusst, was ich möglicherweise angerichtet hatte. Mein Blick wanderte wieder zu Dalon. Er lehnte mit geschlossenen Augen an der Wand und rührte sich nicht.

Ein eisiger Mantel legte sich über mich und gab mir das Gefühl, dass ich jeden Moment schreien musste. Wenn ich Dalons blasses Gesicht an sah, drohte mich mein schlechtes Gewissen zu überwältigen. Dann schlüpfte zum ersten Mal dieses eine Wort in meine Gedanken. Tot. Ich schüttelte den Kopf und versuchte dieses Wort aus meinem Kopf zu verbannen. Das konnte gar nicht sein. Ich hatte doch gar nicht genug Energie, um jemanden zu töten. Solch eine Kraftwelle hatte ich schon öfters frei gesetzt und Dalon hatte sie immer gut überstanden. Warum jetzt nicht?

Ich bemerkte Tarons Blick, der unentwegt auf mir ruhte. Seine Stirn war von Falten des Nachdenkens gerade zu durchfurcht, sein Ausdruck wirkte gar nicht wütend, was mich verwunderte.

Meine Beine begannen schließlich von ganz alleine zu Dalon und Taron zu laufen. Ich kniete mich neben Taron, der Dalon gerade vorsichtig schüttelte.

Weil ich Angst hatte, dass mir die Stimme wegbrach, konzentrierte ich mich vollkommen auf das Sprechen.

„Lebt … er …?“ Den Drang mir die Ohren zu zuhalten, da ich die Antwort gar nicht hören wollte, unterdrückte ich mühsam.

Taron blickte zu mir auf, als Dalon leise stöhnte und versuchte sich aufzurichten.

„Da hast du deine Antwort“, antwortete Taron fast lachend.

Ich verstand die Welt nicht mehr. Was war an dieser ganzen Sache denn bloß zu lachen? Ich konnte beim besten Willen nichts finden.

Taron wandte wieder Dalon zu.

„Kannst du aufstehen?“, fragte er, während er den jungen Mann mit väterlicher Sorge im Blick musterte.

„Ganz langsam, sonst…“ setzte er an, musste aber abbrechen, um Dalon daran zu hindern allzu hastig aufzustehen.

Dalon schob sich stückchenweise an der Wand hoch, bevor er vorsichtig seinen rechten Fuß aufsetzte.

Ich wusste sofort, dass er wieder einknicken würde und streckte die Arme aus, um ihn wieder aufzufangen. Er schrie auf vor Schmerz.

Taron ließ zu, dass er sich wieder an die Wand anlehnte und begann mit äußerster Vorsicht den schon leicht bläulichen Knöchel abzutasten, während Dalon tapfer die Zähne zusammenbiss.

„Lanura?“, fragte Taron.

„Ja?“

„Wie hast du das gemacht? Hast du irgendetwas anders gemacht?“ Er schaute mich direkt an. Ich glaubte einen seltsamen Glanz in seinen Augen zu erkennen. „Versuch dich zu erinnern.“

Ich schüttelte betrübt den Kopf, wobei mir meine Haare ins Gesicht fielen.

„Bitte, Ihr müsst mir glauben, ich wollte das alles nicht. Ich weiß nicht, was ich anders gemacht haben soll, es war wie immer!“ Da ich Angst hatte, dass meine sowieso schon zittrige Stimme ganz wegbrach, schwieg ich und starrte betreten meine Fußspitzen an.

„Ich glaube Dir, Lanura“, Taron lächelte mir aufmunternd zu.

Der Sonnenschein in seinen Augen wurde von einem dicken Turm Gewitterwolken abgelöst, so dass sie ihr eigentliches Blau verloren und sich grau färbten. Ich schauderte.

Er schüttelte nachdenklich den Kopf. „Das ändert nur leider nichts. Ich fürchte, es ist doch schlimmer als ich erst dache. Sein Knöchel ist mindestens verstaucht – wenn nicht gebrochen. Hol Helia und sag ihr, dass sie zur großen Halle kommen soll. Beeil dich.“

Es dauerte einen Moment, bis die Worte mein Bewusstsein erreichte. Langsam in einem tranceartigen Zustand, stand ich auf, klopfte mir den Staub von der Kleidung und schritt auf den Ausgang zu.

„Es ist nicht so schlimm, in ein paar Tagen wird er wieder genesen sein, und noch ein paar Tage später wird er wieder laufen und  Magie wirken können. Noch was: Bitte mach dir keine Vorwürfe, du kannst nur indirekt was dafür“, rief Taron mir hinterher.

Ich nickte. Nachdem mir klar geworden war, dass er diese Geste gar nicht sehen konnte, murmelte ich: „ Vielleicht habt Ihr Recht, Meister…“

Ich trat wieder durch den hohen Torbogen und in diesem Moment kam ich mir eigenartig klein vor. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie winzig ich im Vergleich zu der Welt, auf der ich lebte, sein musste. Und nicht nur ich, alle anderen auch.

Als ich noch einmal über die Schulter zurück schaute, begegnete ich Dalons bohrendem, fragendem Blick. Auch als ich ihn erwiderte, ließ er ihn nicht sinken.

Ich brauche mir selbst keine Vorwürfe zu machen, das werden andere für mich übernehmen. Nicht ganz zu Unrecht wohl gemerkt, erkannte ich. Es tat mir doch wirklich Leid und ich hoffte von ganzem Herzen, dass Dalon mich verstehen würde. Ich wollte ihn als Freund nicht verlieren.

Um dem Blick zu entkommen, begann ich zu rennen. Dank der sonstigen Stille und dem lauten Echo, das aus jeder Ecke zurückschallte, kam ich mir vor wie ein Trampeltier.

Endlich wurde ich von einer dicken, undurchdringlichen Felswand beschützt. Endlich.

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Kenshin Re: Re: -
Zitat: (Original von Butterblume am 28.04.2011 - 22:04 Uhr)
Zitat: (Original von Kenshin am 28.04.2011 - 19:34 Uhr) Hast du diese Geschichte schon einmal hier veröffentlichst? Sie kommt mir sehr bekannt vor....

Sprachlich super, inhaltlich eigentlich auch ( am Anfang des Kampfes sehe ich da einige Parralle zu "Die Gilde der schwarzen Magier", aber vielleicht ist das auch nur Zufall^^^
Wäre schön wenn es weitergehen würde

lg Kenshin


Ja, habe ich :)


Puuh dann kann ich mein Kurzzeitgedächtnis ja behalten^^ dachte schon das taugt nichts mehr
Vor langer Zeit - Antworten
Butterblume Re: -
Zitat: (Original von Kenshin am 28.04.2011 - 19:34 Uhr) Hast du diese Geschichte schon einmal hier veröffentlichst? Sie kommt mir sehr bekannt vor....

Sprachlich super, inhaltlich eigentlich auch ( am Anfang des Kampfes sehe ich da einige Parralle zu "Die Gilde der schwarzen Magier", aber vielleicht ist das auch nur Zufall^^^
Wäre schön wenn es weitergehen würde

lg Kenshin


Ja, habe ich :)
Vor langer Zeit - Antworten
MissWinky Cool! - Kann mich Kenshin unter mir nur anschließen. Sprachlich sehr gut geschrieben und ich brenne darauf, mehr von dieser Geschichte zu lesen. =)

Stimmt, ein wenig erinnerte es mich auch an die "Die Gilde der schwarzen Magier" aber ich finds trotzdem gelungen. ^^

LG, MissWIny
Vor langer Zeit - Antworten
Kenshin Hast du diese Geschichte schon einmal hier veröffentlichst? Sie kommt mir sehr bekannt vor....

Sprachlich super, inhaltlich eigentlich auch ( am Anfang des Kampfes sehe ich da einige Parralle zu "Die Gilde der schwarzen Magier", aber vielleicht ist das auch nur Zufall^^^
Wäre schön wenn es weitergehen würde

lg Kenshin
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