Romane & Erzählungen
Herz aus Stein - 4. Fortsetzung

„Du hast was?“ schrie Onkel Henry. Seine grauen Augen funkelten in seinem zornig verzerrten Gesicht.

„Du weißt ganz genau, dass wir sehr, sehr vorsichtig sein müssen! Niemand darf wissen, wer und vor allen Dingen nicht was wir sind!"

„Er hat mich erweckt! Sein Blut hat sich mit dem meinen vermischt! Ich bin nun für ihn verantwortlich! Wenn er diesen Angriff überlebt, werden die Ärzte denken, die Verletzungen wären von allein geheilt! Dann lebt er ganz normal weiter und wird keine Veränderung bemerken!“ versuchte ich ihn zu beschwichtigen.

„Wenn er überlebt! Und wenn derjenige oder diejenigen, die ihn so zugerichtet haben, ihr Werk vollenden wollen? Dann haben sie keine Leiche, sondern er wird sich innerhalb von fünfzehn Minuten in einen Stein verwandeln! Wenn wir Pech haben, direkt vor ihren Augen!“

„Wir könnten ihn bewachen!“ schlug ich vor.

„Du hast gesagt, du bist seine Frau! Und bist dann spurlos verschwunden. Sie werden dich wahrscheinlich festnehmen, wenn sie herausfinden, dass es dich gar nicht geben dürfte! Sarah! Niemand darf etwas von unserer Existenz erfahren!“

„Onkel Henry, das weiß ich doch! Aber was sollte ich denn tun? Ihn sterben lassen?“

„Nein, das konntest du nicht zulassen. Aber nun ist sein Blut verändert. Drei Tropfen seines Blutes können nun Krankheiten heilen und Tote zum Leben erwecken! Was, wenn sie Tests machen? Und es entdecken? Oder noch schlimmer, wenn einer unserer Feinde herausfindet, was geschehen ist? Wir müssen ihn aus dem Krankenhaus holen!“

„Gut. Ich gehe selbst. Gib mir das Steinmesser.“ Entschlossen straffte ich meine Schultern.

„Sie werden dich erkennen und festhalten! Du bist vor der Polizei geflüchtet!“ wandte Onkel Henry ein.

„Ich werde mein Aussehen verändern. Bereite bitte das Steinelexier zu.“

„Na gut! Komm bitte in einer Stunde in mein Labor!“ Onkel Henry stapfte immer noch wütend aus meinem Zimmer.

 

„Herein!“ erklang es mürrisch aus dem Labor, als ich eine Stunde später an die Tür klopfte.

„Welche Haarfarbe möchtest du für dieses Leben? Rot? Grün? Schwarz?“

Onkel Henry hielt mir einen Rubin, einen Smaragd und einen schwarzen Turmalin  entgegen. Grün? Ich lachte, griff nach dem Rubin und ließ ihn in das köchelnde Gebräu fallen.

Es brodelte auf, zischte, roter Rauch erhob sich und füllte den Raum aus.

„Trink es möglichst heiß!“ Onkel Henry setzte mir das Gefäß an die Lippen und gehorsam schluckte ich den Trank hinunter. Er hinterließ ein unangenehmes Brennen in meiner Kehle. Ich röchelte, Onkel Henry grinste und reichte mir ein Glas Wasser.

„Du weißt doch, dass es scheußlich schmeckt!“

Ich trat vor den großen Barockspiegel an der Stirnwand des Raumes uns beobachtete, wie meine Haare sich zuerst aufstellten, wie Stacheln bei einem Igel, dann in Sekundenschnelle zwanzig Zentimeter länger wurden und eine rote Farbe annahmen. Meine Haut wurde blasser, Sommersprossen verteilen sich großzügig auf meinen Armen und in meinem Gesicht.  Meine Augen begannen grün zu funkeln und ich wurde ein Stück größer.

„Perfekt!“ Onkel Henry musterte mich zufrieden von oben bis unten, "ich erkenne dich selbst kaum wieder! Du siehtst toll aus!"
„Die Sommersprossen hättest du auch weglassen können!“ murrte ich.

Er lachte und zog mich aus dem Labor.

„James wird sich um deine neuen Papiere kümmern. Deine alte Wohnung haben wir gekauft und für dich bereit gehalten. Außer, dass 65 Jahre regelmäßig geputzt, eine Zentralheizung, ein Badezimmer und neue elektrische Leitungen eingebaut wurden, haben wir nichts verändert. Alle deine Sachen befinden sich noch dort. Kümmere dich um diesen Julian und dann werden wir uns auf die Suche nach deinen Eltern, deinen Geschwistern und euren Mördern begeben!“