Biografien & Erinnerungen
Gebraucht werden - Wie unnötig

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"Gebraucht werden - Wie unnötig"
Veröffentlicht am 21. April 2011, 12 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Gebraucht werden - Wie unnötig

Gebraucht werden - Wie unnötig

Beschreibung

Eine Erinnerung an eine Begebeheit vor drei Jahren.

alt

Noch nie in meinem Leben habe ich mich so gefreut, nicht mehr gebraucht zu werden.

Was, Sie verstehen mich nicht? Unglaublich! Jeder möchte doch gebraucht werden, nicht wahr? - Ich aber nicht.

 

Es war ein ganz besonderer Tag und Abend für uns. Der erste Tag seit langer Zeit, an dem ich meine Große nicht fernsehen ließ. Ich hatte mich am Tag zuvor maßlos über sie geärgert und heute sollte sie einmal die Rechnung tragen.

Normalerweise, ich gebe es ja zu, verwende ich den Fernseher häufig, um in Ruhe ein paar Minuten von dem PC sitzen zu können.

Doch heute, nachdem ich von einer Frauenrunde gekommen war, in der immer wieder andere Bibelstellen durchgenommen werden, nahm ich mir felsenfest vor, mich heute ganz intensiv den Kindern zu widmen.

 

Schon beim Heimweg vom Kindergarten, den wir heute zu Fuß unternahmen, da mein Mann das Auto hatte, versuchte ich ganz fröhlich zu sein, und mich auf die Kinderebene einzustellen. Schon mal im Tempo und auch in der Häufigkeit der Pausen, weil wir ja dort oder da noch balancieren mussten.

Ich hatte kein Essen vorbereitet.  Also schnell eine Faule Weiber Suppe mit Nudeln und wir wurden satt.

Die Große jedoch, wurde von Gier übermannt, die dazu führte sich ihren Teller derart voll zuschaufeln, dass sie die Portion nicht aufessen konnte. Aber als pflichtbewusste Mutter, die darauf bedacht ist, keine Gelegenheit auszulassen, um den Kindern eine Lektion angedeihen, zu lassen, nötigte ich das Mädchen den Teller doch zu leeren. Jetzt weiß ich auch woher der Spruch kommt:

“Wer sich die Suppe einbrockt muss sie auch auslöffeln!“

Das war sozusagen ihre Lektion über Gier. Sie drohte mir zwar damit, dass sie sich übergeben müsse, sollte sie wirklich den ganzen Teller leeren.

 

„Das Risiko gehe ich ein, mein Kind, iss nur schön weiter.“

 

Ein fast schon diabolisches Lachen begleitete ihre letzen Löffel zum Mund Bewegungen.

Endlich war sie soweit, um auch eine Lektion über Gnade zu erhalten, also erließ ich ihr die letzen fünf Esslöffel Suppe und erklärte ihr mein Verhalten, dass ich sie eben begnadigte und sie mir erzählen sollte wie sie sich jetzt fühlte.

 

Dann wollte sie unbedingt fernsehen. Aber ich schob ihr einen Riegel vor. Sie begann zu weinen, weil sie ihre geliebte Serie nicht sehen durfte. Ich nahm sie zu mir auf den Schoß, um ihr eine Unterweisung über Suchtverhalten zu geben.

 

„Schau dir an, was dieser Fernseher aus dir macht. Er lässt dich weinen“, sprach ich selbstgerecht zu ihr.

 

„Nein Mama, nicht der Fernseher, sondern du, weil du mich nicht fernsehen lässt“, war ihre Antwort.

 

Etwas ratlos suchte ich, die ich ja mit ihr vor dem Internet saß, nach einer Seite, die über die Auswirkungen des übermäßigen Fernsehkonsums berichtete.

Da las ich ihr dann vor, was ihr alles passieren könnte, wenn sie dauernd vor der Glotze hinge. Ich habe ihr jeden einzelnen Punkt verständlich gemacht.

Irgendwann brachte ich sie soweit, selber Folgeerscheinungen, wie „das Fernsehen mache müde“, nennen zu können. Was war ich stolz auf sie und lobte sie auch kräftig dafür. Ich fühlte mich zum ersten Mal so richtig gut, als Mutter, so als habe ich da jetzt wirklich etwas bewirkt und nicht, wie immer, nur gegen eine Wand gesprochen.

Nachdem wir einige mp3 Lieder genossen, wurde es Zeit, für das Abendessen.

 

Mein Mann war jedoch nicht zu Hause, sondern mit Kollegen beim Heurigen.

 

Ich genoss das schlichte Abendmahl mit meinen Töchtern sehr. Sie erzählten mir angeregt, was ihre Puppen schon alles konnten und wie gescheit sie wären. Natürlich wusste ich auch, dass meine Kinder eigentlich sich selber meinten.

Ich erzählte ihnen auch sehr viel von mir. Wovon ich träumte und wovor ich Angst hatte. Alles in allem, ein wirklich sehr gelungener Abend.

 

Ich bin überzeugt davon, dass Gott die Kinder oft dazu verwendet, um uns Eltern auf Missstände in unserem Leben aufmerksam zu machen. Also hörte ich meiner Jüngsten aufmerksam zu, als sie mir sagte:

“ Mama ich will, dass du heute nicht fernschaust, denn Fernsehen macht dumm. Auch naschen darfst du heute nicht!“

 

Ich zu ihr: „Ja, mein Kind ich werde versuchen, nichts zu naschen. Fernsehen will ich heute sowieso nicht, weil ich mich nach Schreiben fühle.“

 

Mein Jüngste fuhr fort:“Ich will auch nicht, dass der Papa heute fernschaut und..“

 

Die Große fiel ihr ins Wort:“ Der Papa ist eh schon dumm!“

 

Natürlich prustete ich los, vor Lachen, und verschluckte mich beinahe an meinem Bissen Thunfischbrot.

Nachdem ich mich gefangen hatte, erklärte ich ihr mit ernster Miene, dass ihr Papa nicht dumm sei. Ganz im Gegenteil, er wäre sehr gescheit, ansonsten könnte er nicht täglich so eine wunderbare und gut dotierte  Arbeit erledigen. Die Große schien das kapiert zu haben.

 

Nun war es Zeit zum Schlafengehen. Ich bat meine großen Mädchen mir nun zu zeigen, wie gut sie ihre Puppen, von denen sie so stolz berichtet hatten, im Griff hätten. Sie sollten ihren Puppen befehlen, Pyjama anzuziehen, Zähne zu putzen und ins Bett zu gehen.

 

Die Große:“Mama, ich glaube das wird heute nichts mehr. Dafür ist es schon zu spät!“

 

Wahrlich. Es war bereits acht Uhr abends. Normalerweise war ihre Zu-Bett-geh-Zeit für sieben angesetzt. Ich hatte mich mit meinen Mädchen deutlich verquatscht. Wie peinlich. Nun ja, es hatte uns allen gut getan.

 

Endlich im Bett, baten sie um eine Geschichte, die ich ihnen auch nur zu gerne vorlas.

Doch eine genügte nicht.

 

“Mama noch eine“, ertönte es wie aus einem Munde.

 

„Nun gut, ihre seid zu zweien, so bekommt jedes Kind eine Geschichte. Aber da ihr ja beide zuhört, sind es insgesamt ja dann vier, nicht wahr?“

 

Verständnislose Blicke von meinen Töchtern.

Nach der zweiten Geschichte, wurde noch eine erbeten. Aber ich blieb hart und stellte das Buch zurück ins Regal im Zimmer der Großen, in dem wir uns ganze Zeit befanden.

 

„Nun, Gute Nacht meine Süßen. Ich hab euch lieb!“, und wollte gehen.

 

Darauf sagte meine Große, die schon sieben wird:

“Ach, Quatsch, ich brauche die Mama nicht mehr. Ich kann schon selber lesen!“

 

In mir explodierte ein Feuerwerk des Stolzes und der Freude, über das Interesse meiner Großen an Büchern. Ja, ich war und bin stolz auf sie.

 

Also, wer sagt jetzt, bitte schön, nochmals, dass er gebraucht werden will?

 

 

© Diane Legenstein, 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Hörbuch

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Potschochter

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Kommentare
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Dragon Das ist eine tolle Geschichte. Ich mag noch eine!!! :-D
LG,
Dragon
Vor langer Zeit - Antworten
UteSchuster ein ganz dickes Lob an die ungebrauchte Mutter - und eine selbst lesende Tochter.

Ich musste lächeln, weil es mich an meine Kindheit erinnerte.
Stundenlang vor der Suppe sitzen und essen, essen, essen müssen.

Ich hoffe alle sind im Träumerleland und wohl auf? !

liebe Grüße

Ute
Vor langer Zeit - Antworten
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