Kurzgeschichte
Dienstagsmigräne - Übersinnlich?

Dienstagsmigäne

Ich war gerade dabei aus dem Haus zugehen, irgendetwas hielt mich davon ab, die Tür hinter mir zu zuziehen. Ich kontrollierte meine Korb, den ich zurzeit als Handtasche nutze. Ich liebe es einfach alles reinschmeißen zu können ohne Reißverschluss und Klappe. Der Nachteil ist, dass alles durcheinanderfliegt und man nicht schnell schauen kann, ob das Handy im Handyfach steckt, sondern sich von oben nach unten durcharbeiten muss.

Das Handy war im Korb, ebenso der Hausschlüssel, das Portemonnaie und die Taschentücher. Alle Fenster waren geschlossen und die Lichter und der Herd aus. Also was soll es? Aber vielleicht ist oben noch ein Fenster offen? Also nochmal ins Haus und unbewusst lauschte ich auf das was kommen würde.

Da klingelte das Telefon und ich nahm oben ab. Meine Tochter war am Telefon und war nahe am Weinen. Ich erschrak und dachte es sei etwas mit dem Kleinen. Sie berichtete aber gleich, dass sie in der Nacht vor Zahnschmerzen kaum geschlafen habe, eine dicke Backe und Zunge habe und kaum sprechen könne und meinen mütterlichen Rat brauche. Ich wusste, dass Sie um 10:00 Uhr Psychologie Prüfung hatte, das arme Kind. Sie hatte in der letzten Woche bei uns eine Lernwoche eingelegt, damit ich den Kleinen ab und zu nehmen konnte, um ihr Freiräume zu schaffen. Da ich ja auch arbeite, war das schon eine Umstellung für alle. Und jetzt alles umsonst?

Ich riet ihr zur Prüfung zu gehen. Argumente waren das wochenlange Lernen und Verzichten, da die dicke Backe ja nicht ihre Denkfähigkeit einschränkt und Sie nach der Prüfung immer noch zum Zahnarzt könne. Es ist der Weisheitszahn, der im Kiefer drückt, also kein Entzündungsschmerz wie wir ihn von Zahnschmerzen kennen.

Nach dem wir das Problem gelöst hatten, konnte ich das Haus ohne Mühe verlassen. Als ich aber im Auto saß, dachte ich daran, dass Dienstag war. Der Dienstag hatte schon mal drei Monate in meinem Leben eine große Rolle gespielt und es hatte eine Verbindung zu eben dieser Tochter gegeben.

Also nahm ich das Handy in die Hand und rief noch mal an. Ich war verwundert als S. sorry sagte und fragte mich warum, bis sie mich aufklärte, dass sie eben nochmal versucht hatte mich anzurufen um zu fragen, welche Tabletten sie nehme könne. Ich musste lachen, und erzählte ihr, dass ich gerade an unsere Dienstagsgeschichte gedacht hatte und sie aus freien Stücken angerufen habe.

Sie erinnerte sich an meine Dienstagsmigräne im Krankenhaus. Ich hatte während meiner Therapie in Freudenstadt immer dienstags unerklärliche Kopfschmerzen, die Ärzte und ich hatten den Kopfschmerzen den Namen Dienstagsmigräne gegeben und wir konnten den Grund nicht finden. Bis ich eines Tage mit S. telefonierte und sie mir sagte, dass Dienstags der stressigste Tag an der Uni war und sie oft sehr erschöpft und verzweifelt war.

Ich glaube nicht an Telepathie oder übersinnliche Kräfte aber in der Ergotherapie lernte ich, dass diese Dinge eine Bedeutung für uns selbst haben und dass in jeder zufälligen, noch so eigenartigen Geschichte deshalb ein Sinn liegt, weil sie für uns einen Sinn ergibt. 

Ich habe also den Dienstag meiner ältesten Tochter gewidmet und oft denke ich dienstags an Sie und fühle mich ihr sehr verbunden. Die Kopfschmerzen kamen nicht wieder und soeben habe ich erfahren. Sie hat eine glatte eins bekommen. Welch ein schöner Dienstag.