Fantasy & Horror
Your dark Soul

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"Your dark Soul "
Veröffentlicht am 26. März 2011, 140 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Hoo~ Was gibts über mich zu sagen? Ich schreibe seit meinem 8ten Lebensjahr, angefangen hats mit Kurzgeschichten und kleinen Satyren, meistens für die Schule, aber auch viel Privat oder für Freunde. Das Schreiben ist für mich nicht einfach nur ein Zeitvertreib, sondern ein Lebensinhalt, eine Möglichkeit meine Gefühle auszudrücken. Wer mich kennenlernen mag, ich beisse nur, wenns erwünscht ist ;) Euer Frosch ^^
Your dark Soul

Your dark Soul

Beschreibung

Your dark Soul beinhaltet Yaoi/BL, dass bedeutet, es geht um die Liebe zwischen zwei jungen Männern. Wer sich damit nicht anfreunden kann, sollte von daher im Vorfeld gewarnt werden ^^ Es kommen zwar keine wirklich pikanten Szenen drin vor, aber es geht ja um die allgemeine Thematik :) Ansonsten gibt es viel Spannung, Drama, Fantasy und einige 'Grusel'-Effekte

Erster Teil - Dämonen

Prolog - Ein Friedhof bei Nacht

Die Umgebung lag brach. Menschen hatten sich schon lange nicht mehr an diesen Ort verirrt.
Die grauen Nebelschwaden glitten geräuschlos über die Felder und hinterließen glänzende Spuren auf meinen Stiefeln. Mittlerweile hingen meine blonden Haare in nassen Strähnen in meine Stirn. Ich hatte vergessen, wie viele Stunden ich hier schon stand und wartete. Doch es tat sich noch immer nichts.
Weiterhin schwiegen die wenigen Gräber, dessen Inschriften zu entziffern die Dunkelheit und der zusätzliche Nebel mir nicht gestatteten. Und auch in meine Knochen war mittlerweile die schleichende Kälte gefahren und ließ sie bei jeder Bewegung leise knacken.
Ein leichtes Knurren entwich meiner Kehle, als sich auch mein Geduldsfaden allmählich zu spannen begann. Wieso war ich nur so dämlich und hatte dieser wirren Gestalt Glauben geschenkt, dass er sich hier blicken lassen würde?
Der Boden unter meinen Füßen war matschig und auf meinem Weg zum alten Friedhof hatten sich deutliche Spuren gebildet. Selbst wenn ich nicht genau den abgemachten Treffpunkt erreicht haben sollte, so sollte der Mann mich finden können.
Gerade begann mein Verstand damit, mir einzuhämmern, diesen friedlosen Ort zu verlassen, als ich hinter mir die Schritte vernehmen konnte. Und so drehte ich mich um, um dem Ankömmling böse anzufunkeln. Das er zu spät war, sollte er wissen. Genau wie die Tatsache, dass ich ihn dafür am liebsten in Stücke gerissen hätte.
"Forderst du mich noch einmal auf, an solch einem ort auf dich zu warten, dann nehm ich dich auseinander." murrte ich dem dunkel gekleideten, hochgewachsenen Mann entgegen, der recht mühelos den kleinen Abhang hinaufgeschlendert kam. Das süffisante Grinsen auf seinen Zügen hätte mich normalerweise dazu getrieben, sofort zum Schlag anzusetzen, doch bei ihm stellte es mich nur ruhig. Im Allgemeinen hatte Blanche eine seltsame Wirkung auf mich, das war mir schnell bewusst geworden.
Ich kannte den brünetten Franzosen erst wenige Tage. Er war mir als neuer Partner zugeteilt worden. Besser gesagt, war es das erste Mal, dass ich einen Partner hatte. Bisher hatte ich jeden Job auf eigene Faust erledigt und war damit auch zufrieden. Doch laut meines Chefs wurden die Jobs heikler, die Gegner gefährlicher. Was mich dazu führt, zunächst einmal von meinem Job zu berichten..
Ich bin Detektiv. Jedoch keiner von denen, wie man sie aus dem Alltag her kennt, oder gar aus irgendwelchen Hollywood-Streifen. meine Abteilung ist für die Sicherung der menschlichen Rasse vor dem Übernatürlichen zuständig. Genauer, ich jage Wesen die es laut der neumordernen Zivilisation nicht gibt und die als Mythen oder Fantasmen abgesegnet wurden. Das es diese Wesen jedoch wirklich gibt, davon waren wir überzeugt, schließlich hatten wir schon häufig mit ihnen Kontakt gehabt.
Eigentlich lebten sie friedlich mit ihren und unseren Gesetzen. Sogar häufig mitten unter uns. Doch es kam auch von Zeit zu Zeit vor, dass jemand seine und unsere Grenzen austesten wollte.
Und für solche Fälle war ich zuständig. Ein hitzköpfiger, 22-jähriger Fantasy-Fanatiker, wie mein Boss mich nur zu gern beschrieb.
Wenigstens hatte er vollstes Vertrauen zu mir, wenn es um meinen Job ging.
"Komm schon, Heis. Sag nicht, so etwas stört dich?" kam die Antwort des Mannes, der mit seinen 25 Jahren angeblich sehr kompetent war, jedoch nicht den geringsten Eindruck davon auf mich machte.
"Nicht, wenn du mir einen guten grund dafür nennst, weshalb wir hier sind."
Sein süffisantes Grinsen wich einem wissenden Lächeln, während er weiterhin auf mich zu schritt und nur einen knappen halben Meter vor mir zum Stehen kam. Diese Nähe war mir unangenehm, dennoch wich ich keinen Schritt zurück. Diese Genugtuung würde ich ihm sicherlich nicht geben.
"Ein Code 14 treibt seit einigen Nächten hier sein Unwesen. ich denke, dass solte Grund genug sein."
Code 14? Ein Grabplünderer? Sofort gingen in meinem Kopf sämtliche Alarmsignale an. Ein Wesen, welches nicht nur widerlich anzusehen, sondern auch schwer zu vertreiben war, wenn es sich über die Regeln hinwegsetzte. Zusätzlich hatte es in dieser Umgebung einen gewissen Vorteil, welcher ihm vom Nebel verschafft wurde.
"Wäre vielleicht hilfreicher, soetwas zu wissen, bevor ich mich alleine und völlig unvorbereitet auf den Weg mache." knurrte ich ihm entgegen. In diesem Moment war ich mir sicher, dass er es noch nie mit einer 14 zu tun bekommen hatte. Zwar greifen sie Menschen im Normalfall nicht grundlos an, aber ich befand mich jetzt schon einige Stunden in seinem Revier. Der Überraschungseffekt war auf jeden Fall hinüber.
"Keine Angst. ich habe alles was wir brauchen dabei~"
Darauf konnte ich nur ungläubig den Kopf schütteln.
"Sind alle Europäer so bescheuert wie du?"

Kapitel 1 - Falsch gedacht

Heisukes Nackenhaare stellten sich auf, als der Atem des Franzosen lautlos über seinen Nacken glitt. Sein Arm drückte den Kleineren enger an seinen Körper. Es war nur ein kurzer Moment voller Nähe und Wärme, die das Blut des jungen Detektivs zum kochen brachte. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte dem Brünetten sonst was an den Kopf geworfen, doch er musste es über sich ergehen lassen.
 Blanche und Heisuke hockten hinter einem der Grabsteine und lauerten dem Grabplünderer auf, der sie mittlerweile gewittert hatte und nun nach ihnen suchte. Die dürre Gestalt schlug ihre Klauen in sämtliche Grabsteine und gab Geräusche von sich, die mit menschlichen Worten kaum zu beschreiben waren. Ein gurgelndes Zischen. Anders konnte man es nicht benennen.
 Das Gefühl seines Revolvers in der Hand beruhigte den Blonden. Wenigstens hatte sein Partner ihre Waffen mitgebracht. Etwas, womit er sicherlich nicht gerechnet hatte.
 Fast schon konnte er den widerlich stechenden Geruch vernehmen, der unablässig von dem Geschöpf ausging. Noch einmal hörte er das Geräusch, welches die scharfen Krallen auf dem Stein verursachte, dann folgte das matschige Stapfen über das nasse, halb verdorrte Gras. Es war keine zwei Meter mehr entfernt. Sein Finger legte sich an den Abzug und seine Muskeln spannten sich an, als sich das Wesen näherte, scheinbar einen Moment nach seiner vermeindlichen Beute schnupperte und anschließend erneut dieses Zischen von sich gab.
 Mit einer flinken Bewegung hatte sich Heisuke aus der Umarmung des Größeren befreit und verlies mit einem Hechtsprung seine Deckung. Der aufgeweichte Boden federte den Aufprall stärker ab, als er erwartet hatte und so musste er einen Moment um sein Gleichgewicht kämpfen. Zielte im selben Augenblick auf den angeblichen Grabplünderer. Doch was er dort sah machte ihn schlagartig Bewegungsunfähig.
 Die gräuliche Haut des Geschöpfes, welches im Nebel zusätzlich blau schimmerte, schien zu eng für den darunterliegenden dürren Körper. Die Rippen waren so deutlich sichtbar, als wollten sie jeden Moment durch die Haut stechen. Und diese Augen. Sie waren groß und rund, schienen fast aus ihren Höhlen zu quellen und schimmerten dabei bedrohlich gelb. Feine grüne Äderchen zierten die schwarzen Klauen, welche sich an Händen und Füßen befanden. Das Wesen hockte still da und sah zu dem jungen Mann hinauf, bewegte nur die einzelnen Krallen und sabberte unheilvoll widerlich glänzenden Schleim.
 Jeder Naivling hätte dieses Wesen sofort als Grabplünderer betitelt. Zumindest, wenn er ein wenig Ahnung vom Übernatürlichen hatte. Doch dafür war dieses Geschöpf zu groß, zu schlacksig.
 Wie in Trance richtete Heisuke den Pistolenlauf auf die Gestalt. Doch seine Finger waren steif, wie eingefroren. Er fühlte sich wie in ein Déjà-vu versetzt und spürte, wie seine Knie zu zittern begannen. Das Wesen richtete sich zu voller Größe auf, überragte ihn um Haupteslänge und kam geifernd auf ihn zu.
 Taumelnd machte der Blonde einen Schritt rückwärts, einen weiteren, bis er von einem der Grabsteine gestoppt wurde, welcher in der Mitte gespalten war und dessen scharfe Kanten sich gegen seine Beine drückten.
 Immer noch richtete er die Waffe mit zittriger Hand auf das Wesen, doch er war nicht fähig abzudrücken. Sein gesamtes Denken hatte ausgesetzt, obwohl es sich unaufhaltsam näherte und bereits seine Klauen nach ihm ausstreckte. Das mit Reißzähnen besetzte Maul öffnete sich und eine Kralle streifte seinen Arm, hinterließ einen feinen Kratzer auf seiner Haut.
 Mitten in der Bewegung stoppte das Ungetüm und in seine Augen trat  ein tiefer Zorn, welcher jedoch nicht gegen den Detektiv gerichtet war, sondern gegen dessen Partner.
 Jedes Geräusch der Umgebung schien im Keim erstickt und dennoch konnte Heisuke nur Bruchstücke von den gemurmelten Worten des Franzosen verstehen. Einzig und allein das "In nomine patri et filii et spiritus sancti." drang zu seinen Ohren vor. Ein Gebet? Was fiel diesem Mann ein, in einer solchen Situation zu beten, anstatt ihm zu helfen? Doch die Klinge von Blanche, der seine Hände gefaltet und die Augen geschlossen hatte, steckte unbeachtet im matschigen Boden.
 Heisuke erwachte schlagartig aus seiner Starre, legte erneut an und betätigte den Abzug, als sich das Wesen seinem Partner zuwandte. Die Kaliber .38 Special.-Kugel zerschnitt die Luft mit einem gedämpften Schuss, fuhr durch den Körper des Geschöpfes, welches sich jedoch im selben Moment auflöste und in dem Nebel verschwand, setzte seinen Weg ungebremst fort und fand sein Ziel in der ausgetrockneten Rinde eines abgestorbenen Baumes.
 Schwer atment sackte der Blonde in die Knie, lies den Arm sinken und strich sich mit der freien Hand die Haare aus der Stirn. Die Kugel hatte den Franzosen nur knapp verfehlt, doch das nahm er gerade gar nicht wahr. Noch immer zitterten seine Knie, während sich sein Atem nur langsam wieder seinem gewohnten Rythmus anpasste.
 Nur am Rande nahm er das Geräusch der Schneide wahr, welche soeben wieder in die Schwertscheide gesteckt wurde, und sah zu Blanche hinauf, der sich vor ihm aufgebaut hatte. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Nicht süffisant oder überheblich, wie er es erwartet hätte, sondern völlig zufrieden. Jedoch mit einem Hauch an Besorgnis.
 "Ein Aufhocker. Damit hatte ich nicht gerechnet." erklärte der hochgewachsene Mann, während er sich in die Hocke setzte und seine Hände auf die Knie von Heisuke legte. Wie auf ein stilles Kommando hin, hörten diese auf zu zittern und der Blonde war wieder klar im Kopf.
 "Ich auch nicht. Danke das du ihn vertrieben hast." Jetzt wurde ihm auch klar, weshalb Blanche gebetet hatte. Ein Aufhocker ließ sich nur von Glockenläuten, Gebeten oder dem Sonnenaufgang vertreiben. Die Kirche an diesem Friedhof war alt und teilweise eingestürzt, die Glocke zu läuten wäre unmöglich. Und die Dämmerung lag knapp hinter ihnen, die Nacht hatte soeben erste begonnen. Somit blieb nur diese Möglichkeit.
 "Du sahst aus, als wärst du schonmal einem begegnet, Heis." Das diese Worte von dem Franzosen keine Frage, sondern eine Feststellung waren, hätte sogar ein Kind verstanden. Und genau wie ein solches schob der Blonde zunächst die Hände von seinen Knien weg und setzte sich richtig auf, jedoch nur, um einen gedehnten Seufzer von sich zu geben. Damit verschaffte er sich zumindest etwas Zeit, bevor er ihm antworten sollte.
"Mein Vater wurde mal von einem angegriffen, als ich noch klein war. Wie in einigen Überlieferungen erschien er zunächst als hilflose alte Frau in der Nähe eines Friedhofs. Sie sprach mit uns. Doch als wir weitergingen, und uns einen Augenblick später umdrehten, war sie verschwunden." wieder seufzte er langgezogen und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen, "Etwas später tauchte er dann in seiner wahren Gestalt wieder auf und haftete sich an den Rücken meines Vaters. Anschließend konnte ich ihn nicht mehr sehen, doch mein Vater plagte die ganze Nacht über Rückenschmerzen und einem beklemmenden Gefühl in der Magengegend..am Morgen war der Schmerz weg. Die Sonne hatte das Wesen vertrieben. Ein paar Tage später wurde mein Vater krank, redete wirr und wurde schließlich in die Geschlossene gesperrt." Heisuke bemerkte selbst, wie aufgesetzt seine Worte klangen. So oft schon hatte er jemandem davon erzählen müssen, dass es sich mittlerweile beinahe wie eine Tonbandansage anhörte.
 In Blanche's Gesicht zeigte sich kaum eine Regung. Der Ausdruck in seinen Augen machte den Blonden stutzig. Der Franzose schien keineswegs überrascht zu sein. Viel eher wirkte sein Blick mitfühlend und unglaublich beruhigend. Wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass Blanche sich genauso gut mit dem Übernatürlich auskannte, wie er selbst, dann hätte er geglaubt, dass der Franzose ihn für verrückt hielt.
 "Ich weiß." sagte er nur mit einer sanften Stimme und nutzte den Moment der Verwirrung des Blonden, um diesen auf die Beine zu hieven. Heisuke wehrte sich nicht, sondern sah dem Größeren nur einen Moment in die hellblauen Augen, bevor er den Blick senkte und sich zu seinem Wagen mitziehen lies.
 Es war das erste Mal, dass er seinen schwarzen Mazda nicht selbst fuhr. Doch es störte ihn nichtmal, dass sich der Franzose auf den Fahrersitz setzte und sie zur Zentrale zurückfuhr.
 Da hatte er ja einen spitzen Eindruck auf seinen neuen Partner gemacht. Nicht nur, das er es nicht geschafft hatte, dem Aufhocker Einhalt zu gebieten, sondern allgemein diese Schwäche, die eigentlich nicht zu ihm passte. Die Gedanken darum gaben einfach keine Ruhe. In seinem Kopf ratterten die wildesten Gedankengänge und versuchten seine neuentdeckte innere Unruhe zu erklären. Früher hätte er sich von nichts und niemandem aufhalten lassen. Seien es Menschen oder diese unheilvollen Kreaturen, die gegen ihre Gesetze verstießen.
 Mühevoll riss er den Blick von seinem Revolver los, den er noch immer fest umklammert hielt, und verstaute diesen in der Innentasche seiner Jacke. Beiläufig sah er zu Blanche hinüber. Irgendetwas an diesem Mann stimmte nicht. Das war das Einzige, wessen er sich im Augenblick sicher war.

Kapitel 2 - \'God safe the Queen\'

Als sie auf den Parkplatz der Detektei fuhren, fiel ihnen sofort der silberne Bentley mit Londoner Kennzeichen auf. Und das nicht nur, weil dieser quer über drei Parkplätze stand, sondern hauptsächlich, dank seiner pompösen Aufmachung. Das diese schicken Sport-Modelle nicht gerade zu Gunsten der Hauskasse lagen, war sicherlich vielen bewusst, doch das es durch Chromfelgen und zusätzlichen Goldverzierungen regelrecht hinausgeschrieen werden musste, war schon fast dreist.
  Heisuke gab einen verblüfften Laut von sich, als sein Blick an dem fast billig wirkenden Aufkleber in der Heckscheibe hängen blieb. 'God safe the Queen'. Was suchte so jemand in einer humoristischen Handelsstadt wie ?saka? Noch dazu bei einer so winzigen Detektei und mitten in der Nacht?
  Blanche parkte den Wagen nahe des Eingangs und gerade so, dass der Engländer ohne Probleme den Parkplatz wieder verlassen konnte und öffnete die Fahrertür. Heisuke hingegen hatte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend und machte keine Anstallten den Wagen zu verlassen. Am liebsten hätte er nur mit Blanche den Platz getauscht und wäre nach Hause gefahren. Aus irgendeinem Grund manifestierte sich der Gedanke in seinem Hinterkopf, dass diese Nacht noch lange nicht vorbei war. Und ihr Besucher war gewiss nicht der einzige Grund dafür.
  "Willst du den Bericht Morgen erstatten?" fragte Blanche, der seine Starre bemerkt hatte und zog die Tür wieder etwas weiter an, damit der kühle Wind nicht zu sehr ins Wageninnere schlug. Einen Moment überlegte der Blonde, schüttelte dann aber den Kopf. Er hatte seine Berichte immer direkt nach getaner Arbeit mündlich abgeliefert und sie anschließend protokolliert. In den letzten Stunden war zuviel geschehen, als dass er nun auch noch diese seiner Prinzipien über Bord geworfen hätte.
  Ohne eine Antwort zu geben, löste er den Gurt und öffnete nun seinerseits die Tür um auszusteigen. Das Gefühl im Magen blieb, doch der Wind schien ihn etwas abzudämmen. Wenigstens die Elemente waren noch halbwegs auf seiner Seite. Auch der Franzose stieg nun endgültig aus, schloss den Wagen ab und wartete, bis Heisuke diesen umrundet hatte, um zusammen mit ihm das Gebäude zu betreten.
  Der matte Kachelboden wurde von gräulichbraunen Sprenkeln verziert, welche die Hausdame angestrengt wegzuwischen versuchte und die beiden Ankömmlinge daher nur knapp begrüßte. Sie schien wohl ebenso wenig begeistert von der nächtlichen Kundschaft wie Heisuke, der genauso knapp zurückgrüßte. Einzig und allein Blanche trällerte eine fröhliche Begrüßung, in welcher sein Akzent mitschwang, und zierte seine Lippen mit einem Strahlemann-Lächeln.
  Der Platz an der Anmeldung war leer. Kein einziger Laut war zu hören, bis auf das Kreisen des Deckenventilators. Ein Blick zur Uhr verriet ihm, dass sie Mitternacht soeben hinter sich gelassen hatten und das Blinken des Anrufbeantworters, dass Zwölf Nachrichten darauf warteten, abgehört zu werden.
  "Merkwürdig. Um so eine Zeit?" murmelte Heisuke und trat dabei auf das Telefon zu, um auf den blinkenden Knopf zu drücken. Im selben Moment ertönte das nervige Klingeln aus eben diesem Apparat und sorgte damit für ein überraschtes Zusammenzucken des Blonden. Wurde er jetzt auch noch Schreckhaft? Genervt seufzend griff er nach dem Hörer, kam jedoch nicht dazu, diesen abzuheben, da hinter ihm die Tür zum Büro seines Chefs aufgerissen wurde.
  "Heb bloß nicht ab! Lass den AB rangehen!" herrschte der eher klein geratene Mittvierziger ihn an und war mit wenigen Schritten neben ihm. Die angestrengte Atmung des Mannes verriet ihm, wie gestresst sein Chef war.
  "Was ist denn los?" zischte er im selben Ton wie der Grauhaarige, wurde jedoch mit einer raschen Handbewegung unterbrochen, die aufs Telefon zeigte. Nach dem fünften Klingeln sprang das Tonband an, nannte den Namen der Detektei und verlangte durch das obligatorische Pfeifen eine Nachricht.
  "Waktunya telah tiba untuk membangunkan iblis." drang es krächzend aus dem Lautsprecher und Heisuke erschauderte bei dieser Stimme. Den Worten folgte ein Rauschen, dann ein Klicken und gänzlich erfüllte Stille den Raum. Erst einige Herzschläge später, wagte es der Blonde wieder zu atmen und wandte sich an seinen Chef.
  "Was. war. das?" fragte er leise, jedoch mit deutlich ungeduldigem Nachdruck in der Stimme. Kaum hatte er diese Frage gestellt, hörte er hinter sich ein Geräusch und drehte sich augenblicklich zur Tür um. Ein junger Mann, vielleicht gerade Volljährig, stand im Türrahmen des Büros und ließ seine Augen zwischen Telefon, Heisuke und Blanche hin und her wandern. Winzige Schweißperlen glänzten auf der Stirn und hafteten an den dunklen Haaren.
  "Ich bekomme diese Anrufe seit Tagen. Und sie verfolgen mich egal wohin. Sogar übers Meer hinaus." die Verzweiflung stand dem Engländer ins Gesicht geschrieben. Ebenso pure Panik und Verwirrung. Heisuke brauchte einen Moment, um die Worte, die von einem verzweifelten Keuchen begleitet wurden, überhaupt zu verstehen. Sein Schulenglisch hatte in den letzten Jahren wohl mehr nachgelassen, als er es angenommen hatte.
  "Herr Burden ist seit zwei Stunden hier und dies war der dreizehnte Anruf.", meldete sich nun endlich sein Chef zu Wort. "Er sagte, ein Bekannter habe uns empfohlen."
  "Ich bin so schnell hergekommen, wie es mir möglich war. Ich bitte Sie, helfen Sie mir. Ich scheue keine Kosten, um diesen Anrufer loszuwerden." Der Blick des Engländers spiegelte noch mehr die innere Verzweiflung wider, wie es seine gesamte Körperhaltung tat, als dieser auf den Blonden zuschritt und die Hände auf dessen Schultern legte. Der Schwarzhaarige überragte ihn um eine Kopfgröße, so dass Heisuke hinaufsehen musste und unweigerlich einen Schritt zurückwich.
  "Jetzt beruhigen Sie sich erstmal.", begann er möglichst ruhig und löste dabei die Hände des Mannes von sich, um einen weiteren Schritt an Abstand zu gewinnen. "Zunächst einmal muss ich einige Details wissen, um mir überhaupt ein Bild über die Lage zu verschaffen. Dann kann ich Ihnen auch helfen." Scheinbar hatte er seinem Bauchgefühl Vertrauen schenken dürfen. Die Bestätigung fand er, als er zu dem Franzosen hinüber sah, der noch immer an der Tür stand und dessen Lächeln einem finsteren Gesichtausdruck gewichen war.
  Heisukes Herzschlag setzte einen Moment aus, als er so etwas wie Wut und eine Vorahnung in Blanches Augen erkannte. Doch er riss den Blick wieder von seinem Partner los und lotste den verzweifelten Engländer in das Büro seines Chefs. Alle drei Anwesenden folgten ihm in das geräumige, elegant eingerichtete Zimmer.
  Der Mittvierziger nahm seinen Platz am Schreibtisch ein, kramte einen Notizblock hervor und reichte diesen dem Blonden, welcher sich auf dem Stuhl niedergelassen hatte und dem Engländer gegenübersaß, der wie ein Häufchen Elend am Rande der Ledercouch hockte und die Finger in seine Haare vergrub. Blanche blieb erneut hinter der Tür stehen, verschränkte die Arme und lehnte sich an den Türrahmen.
  Das ganze Gespräch über sprach er keinen Ton und nichts von der Finsternis in seinen Zügen wich auch nur für eine Sekunde.
 
  Sie fanden nicht viel heraus. Nur, dass der junge Mann seit einer Woche täglich solche Anrufe bekam, die Stimme aber immer wieder etwas anderes gesagt hatte, dass er nicht verstand und das es nie mehr wie Dreizehn Anrufe am Tag waren. Es gab keine Vorgeschichte, keine seltsamen Geschehnisse. Zunächst deutete alles auf einen dummen Jungenstreich hin. Wäre da nicht die Tatsache, dass der unbekannte Anrufer ihn überall aufspürte und ihn verfolgte und dazu in einer Sprache sprach, von der sie im Moment nichts ahnten. Zumindest drei der vier Anwesenden nicht.

Kapitel 3 - Gemütsschwankungen und ein Verdacht

Aus dem jungen Engländer war leider weniger herauszubekommen, als wir uns erhofft hatten. Und die wenigen Dinge brachten uns momentan nicht sonderlich weiter. Aus diesem Grund entließen wir Herrn Burden nach gut zwei Stunden, welcher sich in einem Hotel ganz in der Nähe einquartierte. Nur für den Fall der Fälle wollte er uns in seiner Nähe wissen. Es gab ihm scheinbar ein Gefühl der Sicherheit.
  Für meinen Chef bedeutete dies allerdings nur Überstunden und Bereitschafts-Dienst für Blanche und mich. Wie ich es geahnt hatte, versprach die kommende Nacht schlaflos zu werden. Selbst wenn sich mein Chef nicht melden würde, so hielt mich allein die Tatsache wach, dass es jederzeit der Fall sein könnte. Da mir dies bewusst war, begab ich mich vorerst in mein Büro und an meinen Schreibtisch. Wenigstens den Bericht könnte ich noch fertig stellen, bevor ich mich in die Stille meines kleinen Apartments begeben würde.
  Als erstes musste ich die genauere Hintergründe recherchieren und hinterlegen, da es sich auf dem alten Friedhof nicht wie gemeldet um einen Code 14 gehandelt hatte. Und so öffnete ich einige Fenster unseres Archivs und stöberte mich durch sämtliche Akten. Erstaunlicherweise gab es mehr Berichte über dieses verlassene Stück Landschaft, als ich es geahnt hätte. Die meisten lagen jedoch einige Jahre zurück. 'Es ist eben doch ein verfluchtes Stück Erde in unserem schönem Staat..' schoss es mir durch den Kopf, als ich einige der Fotos betrachtete. Geister. Grabplünderer. Kitsune. Onis.
  Resignierend seufzend schloss ich das Fenster wieder und fuhr den PC runter. Meine Gedanken wollten sich einfach nicht auf den Aufhocker fixieren und so beschloss ich, die Berichterfassung doch lieber in meiner Wohnung zu vollenden. Einmal noch sah ich zur Uhr, zog dabei meine Jacke wieder an und verlies mein Büro wieder, welches ich vorsorglich abschloss. Jetzt nur noch dem Chef von meinem Aufbruch in Kenntnis setzen und mich dann auf eine erfrischende Dusche freuen.
  Ehrlich gesagt, ich staunte nicht schlecht, als ich Blanche noch immer im Hauptbüro neben der Tür an die Wand gelehnt stehen sah, als hätte er sich die ganze Zeit über keinen Millimeter bewegt. Und noch immer starrte er den Läufer so finster an, dass ich befürchtete dieser würde seinem Namen jeden Moment alle Ehre machen und fliehen.
  "Was machst du denn noch hier?" fragte ich ihn möglichst gelassen, allerdings gab meine Stimme mehr von meiner übermüdeten Gemütsstimmung preis, als es mir lieb war.
  "Wenn es dir nichts ausmacht..", begann er, gefolgt von einer kurzen Pause, welche ich direkt als 'Herumdrucksen' interpretierte. "Ich wohne ganz in der Nähe deines Apartments. Würdest du mich mitnehmen?"
  Faszinierenderweise konnte ich beobachten, wie sich die Gesichtzüge meines Partners aufhellten und jegliche Finsternis in seinem Blick wieder der gewohnten Wärme wich. Normalerweise hätte mich dieser plötzliche Wandel stutzig gemacht, doch im Moment war es mir nur Recht. Auch wenn ich den Franzosen nur wenige Tage kannte, so passte diese ernste und nachdenkliche Miene nicht zu ihm.
  "Klar, aber diesmal fahr ich. Also, Chefchen. Wir sind dann mal weg."
  Der Angesprochene sah gar nicht erst von seinen Papieren auf, sondern hob nur die Hand zum Zeichen das er mich verstanden hatte.

  Kaum saßen wir in meinem Wagen, da drehte ich die Anlage etwas auf. Musik war etwas, dass mich schon als Kind immer abschalten ließ und meine Stimmung beeinflusste. Und genau das brauchte ich, um meinen Kopf wieder klar zu bekommen.
  Nur aus den Augenwinkeln sah ich ab und an zu dem Franzosen rüber, der seine Lippen mit einem amüsierten Schmunzeln geschmückt hatte. Dieses angedeutete Grinsen war es wahrscheinlich auch, was mich erneut nachdenken ließ. Wieder schossen einige Fragen in mir hoch. Mehrere Details, welche sich jetzt erst sammelten und zu einem Komplott an unverständlichen Dingen anwuchs.
  "Sag mal, Blanche. Du hast nicht zufällig eine Ahnung, in welcher Sprache die Stimme am Telefon vorhin gesprochen hat, oder?" fragte ich ganz ruhig ohne den Blick dabei von der Straße zu nehmen.
  "Doch, hab ich." Okay, jetzt wandte sich mein Blick ungläubig und gleichermaßen verwirrt zu dem Brünetten neben mir. Er hatte eine Ahnung? Und anstatt seinen Mund aufzumachen starrte er lieber wie ein Bluthund Löcher in die Luft?  "Die Ampel ist rot, Heisuke."
  Reflexartig zuckte ich wieder zurück, bremste im ersten Moment stärker als gewollt und kam schlussendlich vor der Ampel zum stehen, bevor mein Blick erneut zu ihm wanderte.
  "Du hast also eine Ahnung.", in meiner Stimme lag ein unterschwelliges Knurren, welches sich nur schwer unterdrücken ließ. "Dann rück mal raus mit der Sprache. Mittlerweile dürftest du deinen Jetlag doch überwunden haben, also wieso wartest du solange?" Eindeutig, ich war ungeduldig. Wenn nicht sogar etwas erzürnt über diese nachlässige Art des Europäers.
  "Ich glaube es war Malaysisch, doch genau hab ich es nicht verstanden. Ich wollte keine unnötigen Verdächtigungen aussprechen und mir erstmal etwas sicherer sein...Du kannst weiterfahren."
  Kopfschüttelnd folgte ich seiner Aufforderung und fuhr weiter. Jetzt brauchte ich scheinbar wieder einen Fahrlehrer, denn meine Gedanken kreisten um seine Worte wie ein Geier um seine Beute. Glücklicherweise war das Gebäude schnell erreicht und so parkte ich den Wagen auf dem nahe liegenden Parkplatz. Erst als der Motor Ruhe gab lehnte ich mich zurück, strich mir die Haare aus der Stirn und sah in den Rückspiegel. Zu meinem Sitznachbar wollte ich momentan keinen Blickkontakt aufbauen, ansonsten bestand die Gefahr, dass ich ihm an die Gurgel ging.
  "Malaysisch also. Dir ist aber schon klar, dass wir als Detektive mit jedem.. und damit meine ich mit wirklich jedem.. noch so kleinen Detail arbeiten müssen?", an dieser Stelle musste ich erstmal wieder tief durchatmen. "Auch wenn es nur ein Verdacht ist, er kann uns Zeit einsparen wenn es passt."
  "Oder uns Zeit kosten wenn er am Ziel vorbeischießt und wir ihm blindlings nachjagen. Zeit, die man manchmal vielleicht nicht hat." Blanche hatte Recht. Falls unser Engländer tatsächlich von einem kranken Irren verfolgt wurde, dann zählte im Notfall jede Sekunde. Mit einem leisen Seufzen stimmte ich seinen Worten zu, ließ noch einen Herzschlag vergehen und sah anschließend wieder zu ihm.
  "Gut. Dann finde heraus, ob es sich wirklich um diese Sprache handelt und wenn, dann werden wir Morgen eine Runde Dolmetscher spielen." sagte ich leicht spöttisch und griff dabei hinter meinen Sitz, um meine Tasche nach vorn zu ziehen. Auf Blanches Gesicht zeichnete sich nur erneut ein Schmunzeln ab, als er meine scheinbaren Verrenkungen begutachtete. Doch dieses verblasste genauso schnell wie es gekommen war und sein Blick glitt systematisch über den Parkplatz bis hin zu meiner Eingangstür.
  "Wenigstens bist du sicher angekommen." Seine Stimme war leise, als er diese Worte sprach und dennoch hatte ich sie verstanden. Erneut verwirrt hielt ich in der Bewegung inne und sah  den Franzosen fragend an.
  "Wie meinst du das? Ich bin hier nicht der, der verfolgt wird."
  "Gute Nacht, Heisuke. Wir sehen uns Morgen ins der Detektei." Und damit stieg Blanche auch sogleich aus dem Wagen aus und lief gemächlich davon, während ich noch immer mit meiner Tasche kämpfte. Es war doch wirklich zum Mäuse melken. Fragwürdige Abgänge hatte dieser Mann zumindest drauf, allerdings störte mich diese Tatsache ungemein. Immerhin war ich es, der mit offenen Fragen zurückblieb.
  Noch einige Momente zog ich an dem störrischen Leder, bis ich endlich bemerkte, dass sich die Schnalle um den Verstellschalter des Sitzes gewickelt hatte. Seufzend stieg ich also aus und befreite meine Tasche, bevor ich nun endlich den Wagen abschließen und die Straße zum Apartment überqueren konnte. Dabei schossen mir immer wieder seine Worte in den Kopf. Sicher angekommen? Worauf wollte er damit bloß hinaus und weshalb interessierte es ihn überhaupt? Sicher, ich hatte schon recht seltsame Fälle in meiner Berufslaufbahn, was eben jener Job wohl auch unweigerlich mit sich brachte, aber verfolgt worden war ich in den ganzen Jahren noch nie.
  Wieder jeglicher Vernunft blieb ich an der Haustür stehen und sah noch einmal zum Parkplatz zurück. Nichts außergewöhnliches. Keine umherschwebenden Schatten oder zwielichtige Gestalten, welche hinter den parkenden Autos lauerten. Wahrscheinlich war Blanche nur übervorsichtig oder machte sich einen Spaß daraus, mich etwas zu verunsichern.
  Warum genau ich den Blick anschließend an der gegenüberliegenden Hauswand hinaufwandern ließ kann ich nicht sagen, doch für den Bruchteil eines Atemzuges glaubte ich auf dem Dach des Gebäudes eine Gestalt zu erblicken. Mein Herz übersprang einen Schlag, reflexartig musste ich blinzeln und zuckte einen Schritt zurück. Dann war die Gestalt verschwunden. Aber was war das? Eine Einbildung? Fing mein Unterbewusstsein jetzt schon an, mir Dinge vorzugaukeln die gar nicht da waren? Und das nur wegen einer dummen Bemerkung?
  "Das ist doch albern!" meinte ich zu mir selbst und lachte dabei leise, als wolle ich mir so das Gegenteil beweisen. Da war nichts! Mein Geist trieb mich nur ins Innere meiner Wohnung, damit ich endlich unter die Dusche und an meinen Schreibtisch kam, um den Bericht dort fertig zu stellen. Und genau dem wollte ich auch entschlossen nachkommen, als mich im Hausflur bereits die nächste Überraschung erwartete.
  Aus meinem Postfach lugte ein Stück braunes Packpapier hervor, welches mich regelrecht anzog und das Fach aufschließen ließ. Ein breiter Umschlag, fest an der Oberseite zugeklebt  fiel mir entgegen und ich schaffte es gerade noch, diesen aufzufangen. Ich runzelte die Stirn, als ich mir den Umschlag genauer ansah. Kein Absender. Der Stempel des Postamtes war unleserlich, fast als hätte sich jemand an einer Imitation versucht. Ich glaubte nicht, dass es eine Briefbombe sein könnte, immerhin wüsste ich niemanden, der dafür einen Grund haben sollte.
  Trotzdem ließ ich den Umschlag ungeöffnet auf der Kommode neben meiner Eingangstür liegen und beschloss, ihn am nächsten Tag mit zur Detektei zu nehmen.

Kapitel 4 - Eine heiße Spur ...?

Die halbe Nacht verbrachte Heisuke damit, den Bericht in allen Einzelheiten zu erfassen, wobei seine Aufmerksamkeit immer wieder von dem ungeöffneten Umschlag auf seiner Kommode angezogen wurde. Meist blickte er mehrere Minuten einfach nur schweigend zu seiner Tür und dabei lediglich aus den Augenwinkeln zu dem Objekt seiner Neugierde, doch jedes Mal riss er seinen Blick wieder davon los, trank eine Tasse Kaffee nach der anderen, und schlug sich so die Nacht um die Ohren. Er ließ den gesamten Abend noch einmal Revue passieren, nachdem der Bericht gespeichert war und lehnte sich dafür entspannt zurück. Zumindest soweit, wie es die quälenden Fragen zuließen, die seine Gedanken füllten. Und sämtliche Fragen drehten sich um seinen Partner, der mehr zu wissen schien, als er aussprach.

Heisuke strich sich leicht fröstelnd über die Oberarme, seine linke Hand ertastete das Pflaster, welches er über die Kratzspur des Aufhockers geklebt hatte. Sie war nicht tief, aber dennoch brannte die Stelle wie Feuer und erwärmte seinen gesamten Oberarm. Es war eben doch ein Unterschied, ob eine Wunde von einem normalen Tier stammte oder eben von einem Wesen von dem man nicht einmal die Herkunft kannte. Er dachte an seinen Vater, an die Geschehnisse aus seiner Kindheit, und an die Worte von Blanche, als er ihm davon erzählt hatte. . . Ich weiß.
Wollte er ihn damit nur beruhigen? Hatte er absichtlich etwas gesagt, dass ihn verwirrte, damit er ihn zurück zur Detektei schleifen konnte? Oder war sein Chef der Plauderei verfallen? Je mehr er darüber nachdachte, desto weniger ergab alles einen Sinn und lockte nur weitere Fragen hervor. Und so kam er zu dem Entschluss, dass es sinnlos wäre weiter an fragwürdigen Theorien zu basteln und beließ es dabei, dass Blanche eben auch nur ein Mensch war und sicher seine Gründe für diese Worte gehabt hatte.
Und diese waren ganz gewiss harmloser, als er es sich ausmalen würde..

Nachdem der Blonde es tatsächlich geschafft hatte, zwei Stunden zu schlafen, wurde er unsanft von seinem Wecker aus einem unruhigen, bilderlosen Traum gerissen. Sein Rücken schmerzte und ein Gefühl leiser Übelkeit begleitete die pochenden Kopfschmerzen, als er  benommen ins Badezimmer schlurfte, um sich für die Arbeit fertig zu machen. Im ersten Moment erschrak er, als er sein Spiegelbild sah und hätte er es nicht besser gewusst, so wäre er jede Wette eingegangen, dass er sich am Vorabend bis in die Besinnungslosigkeit betrunken hatte.
Wenn dieser Tag so grausig begann, dann konnte er nur noch besser werden, dachte er sich hoffnungsvoll, nachdem ihm einer seiner Schnürsenkel gerissen und der Reißverschluss seiner Jacke geklemmt hatte, und machte sich mit dem Umschlag und seinem Revolver bewaffnet auf den Weg in die Detektei.
Die Fahrt dorthin verlief glücklicherweise besser wie am Abend zuvor und auf dem Parkplatz stand bereits wieder der silberne Bentley. Diesmal jedoch ordentlich in einer Parklücke. Der wohlhabende Engländer war anscheinend entgegen seinen Erwartungen ein Frühaufsteher. Und auch der Franzose war schon anwesend. Dieser kam nämlich freudestrahlend aus dem Gebäude gelaufen und begrüßte Heisuke mit einem überschwänglichen Lächeln.
"Guten Morgen, Heis. Ich hatte Recht mit der Sprache, es ist Malaysisch." trällerte der Brünette ihm entgegen und schlagartig hellte sich auch seine Stimmung. So würden sie wenigstens nicht mehr allzu sehr im Dunkeln tappen.
"Na, wenigstens etwas. Hast du die Anrufe schon übersetzt?"
"Ja, aber sie vermitteln alle dieselbe Botschaft. Alles weitere erzähl ich dir drinnen." meinte Blanche gewohnt optimistisch und winkte den Blonden hinter sich her. Im Gebäude herrschte die alltbekannte Atmosphäre. Ihre Telefonistin saß gelangweilt an der Anmelde und blätterte in den Unterlagen, das Gequatsche des Radiomoderatoren erklang im Hintergrund und der Chef wuselte von A nach B, während er auf Heisukes Ankunft wartete. Nur einer wirkte etwas fehl am Platze. Herr Burden saß, sichtlich entspannter wie am Vorabend, auf einer breiten Couch im Vorflur, welcher gleichzeitig zu einer Art Wartezimmer umfunktioniert worden war und begrüßte ihn mit einem kurzen Wink.
"Heisuke, man. Wir warten schon auf dich, wir... wie siehst du denn aus?" Der Mittvierziger stoppte mitten in seiner Bewegung und musterte den Blonden, der nun völlig entgeistert ebenfalls stehen geblieben war. Wahrscheinlich sah er noch immer aus wie eine wandelnde Leiche.
"Ich bin unausgeschlafen, Tak. Und wieso wartet ihr auf mich? Ich bin doch genauso spät wie immer.", murrte Heisuke mit einem Blick zur Uhr. Seine Entgeisterung sollte nicht schwinden, denn diese zeigte ihm, dass es mittlerweile halb zehn war. Er war also fast zwei Stunden zu spät dran. "Meine.. Uhr muss wohl stehen geblieben sein heut Nacht." war die einzige Erklärung, die er dafür hatte.
"Wie auch immer. Komm schnell in mein Büro und sieh dir die Übersetzungen an. Blanche hat bereits eine Menge herausgefunden." sprach der kleine Mann so aufgeregt, dass sich beinah seine Stimme überschlug und eilte gleichzeitig in sein Büro. Mit einem kurzen Seitenblick auf den Franzosen, welcher nur selbstzufrieden lächelte, folgte Heisuke der Aufforderung seines Chefs, legte den Umschlag völlig in Gedanken auf den Schreibtisch und griff direkt nach den Aufzeichnungen seines Partners. Dieser stand dabei neben ihm und begutäugelte den noch ungeöffneten Brief, ohne diesen jedoch von seinem Platz zu nehmen.
Es war wirklich nicht viel, was in den Übersetzungen stand. Eine Liste von dreizehn Sätzen, in denen immer wieder die Rede davon war, dass die Zeit nun Reif wäre, um einem Dämon gegenüberzutreten. Mehr nicht.  Seufzend legte er die Papiere zurück und sah jeden der Anwesenden kurz nachdenklich an. In den Augen von Milford Burden stand pure Spannung mit einem gewissen Grad an Nervosität, welche er heute allerdings gut im Zaum hielt, sein Chef, den er liebevoll von Takeshi in Tak umgetauft hatte, erwartete nur sichtlich eine Antwort von ihm, und Blanche.. nun, der sah noch immer rätselnd auf den Umschlag.
"Gut, und von welcher Art Dämon ist hier die Rede?" In Heisukes Stimme lag ein deutlicher Ton von Ungeduld, während er erneut seinen Blick in die schweigende Runde warf. Nun regte sich auch der Franzose wieder, indem er nach den Papieren griff und einmal hörbar tief einatmete.
"Da es aus dem Malaysischen Raum kommen muss, hab ich einige alte Sagen durchstöbert, wie auch die aktuellen Meldungen aus dieser Region.", begann er ohne dabei von den sich wiederholenden Sätzen aufzusehen, "Mehrere Menschen sind dort in letzter Zeit auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen oder erkrankt. Die, die noch leben, berichten alle davon, dass ihnen zu Hause ein Marder begegnet sei."
Völlige Stille erfüllte den Raum und alle Blicke waren auf Heisuke gerichtet, als würde dieser sofort wissen, wovon Blanche genau sprach. Dabei hatte er nicht die geringste Ahnung, was er mit einem gedehnten Seufzen Kund tat.
"Ein Marder also. Da würde ich eher auf eine Seuche schließen, anstatt auf einen Dämon." Auf Heisukes Worte hin schüttelte der Franzose nur den Kopf und legte dabei die Papiere zurück auf den Schreibtisch.
"Marder sind nicht unbedingt zahm und eigentlich halten sie sich von den Menschen fern, deshalb ist den Menschen dort dieses Tier sofort aufgefallen, da es ganz ruhig in den Wohnungen saß und sich nur widerwillig vertreiben ließ.. Ich vermute, dass wir es hier mit einem heran gezüchteten Bajang zutun haben."
"Ein Bajang?", fragte der Blonde direkt nach und legte dabei seine Stirn in Falten. Er hatte diesen Namen schon mal gehört, doch erschien ihm diese Variante sehr unglaubwürdig. "Dazu braucht es doch Hexen oder Zauberer, wenn ich mich richtig erinnere."
Blanche nickte nachdenklich, ließ dabei jedoch wieder ein leichtes Lächeln über seine Züge huschen.
"Hexen? Oder Zauberer?" meldete sich nun wieder der Engländer zu Wort und klang dabei noch weniger überzeugt von dieser Möglichkeit. Sicher, es gab Hexen, genauso wie es auch Zauberer oder eben andere übernatürliche Wesen gab, allerdings praktizierten die meisten von ihnen nur weiße Magie und waren seltener böswillig wie die Menschen glauben wollten. Auch Heisuke kannte einige von ihnen, stand in ständigem Kontakt und bekam nicht selten hilfreiche Tipps.
"Laut Legende können Hexen und Zauberer einen Bajang, der in einem totgeborenen Kind heranwächst, heraus befreien und sie für ihre Zwecke abrichten. Es braucht einige Zeit und viele Fachkenntnisse, um sich diesen Dämon hörig zu machen.. doch wenn man sich auskennt und alles richtig macht, dann kann man auf einfachste Art und Weise seine Feinde ausschalten ohne dabei selbst verdächtigt zu werden." erklärte der Franzose weiter an den Schwarzhaarigen gewandt.
"Richtig, der Bajang wird in der Form eines Marders zu den Feinden geschickt, der ihnen ungewöhnliche Krankheiten verschafft, die häufig auch zum Tod führen." Heisuke erinnerte sich daran, dass er zu Beginn seiner Arbeit in der Detektei sämtliche Akten aus dem asiatischen Raum überprüft hatte. Dabei war er auch auf einige Aufzeichnungen über die Bajang gestoßen. Wirklich genau erinnerte er sich nicht mehr an die Details, doch die Sache mit dem Marder, den die Menschen vor ihrer Krankheit oder dem Tod gesehen haben, ergab nun einen Sinn. Blanche hatte anscheinend gut recherchiert.
"Aber.. was habe ich denn damit zu tun?", entgegnete Herr Burden aufgebracht, "Ich war noch nie in Malaysien und ich wüsste nicht, weshalb ich dort Feinde haben sollte, die mir den Tod wünschen."
Und damit traf der Engländer genau den Punkt, der am Fragwürdigsten war. Warum hatte der Besitzer des Bajang es auf den jungen Mann abgesehen? Aus dem Gespräch am Vorabend hatten sie herausnehmen können, dass sich Milford Burden nie etwas zu Schulden hat kommen lassen. Auch seine Akten sprachen nur für ihn. Er war ein Sohn aus reichem Hause, stand dennoch im Dienste der Öffentlichkeit und setzte sich sogar für die Armen und Schwachen ein. Zudem bekannte er sich offen zu seinem Glauben an das Übernatürliche. Mit diesen Voraussetzungen würde er gegenüber einer Hexer oder einem Zauberer nur nützlich sein. Einen offensichtlichen Grund gab es also nicht.
"Herr Burden, wer hat Ihnen unsere Detektei empfohlen?" Es war Blanche, der diese Frage nach einer Weile des Schweigens stellte und damit erneut für verwirrte Blick sorgte.
"Was..? Ich denke nicht, dass der Ihnen irgendwie weiterhelfen kann."
"Sagen Sie uns einfach den Namen und wo er wohnt. Ob er uns helfen kann oder nicht sehen wir dann früh genug."

Mit gemischten Gefühlen machten sich Blanche und Heisuke auf den Weg in den Fukushima-Stadtbezirk. Laut der Aussage des Engländers sollte Yamato Kawimura Nahe dem Fluss Yodo in einem etwas abgelegeneren Wohnviertel zu finden sein. Ein Telefon besaß der gute Mann nicht, wahrscheinlich war er nur über das world-wide-web zu erreichen,  weshalb sie einfach hofften, sie würden ihn zu Hause antreffen. Burden kannte den Mann nur über die Kontakte seines Vaters, scheinbar machten sie gemeinsam Export-Geschäfte zwischen Osaka und London. Die Adresse bekamen sie glücklicherweise schnell heraus und auch das kleine Häuschen war nicht sonderlich schwer zu finden. Es lag auffällig weit entfernt von den restlichen Häusern und strahlte mit dem verwilderten Garten eine Atmosphäre aus, die so gar nicht in eine Metropole wie Osaka passte.
Kaum hatte Heisuke den Wagen vor dem Haus geparkt und sie waren ausgestiegen, da öffnete sich die Tür und ein kleiner, dürrer Mann sah skeptisch, und mit hinter dem Rücken verschränkten Armen, zu ihnen herüber. Nicht gerade einladend, schoss es dem Blonden in den Kopf, dennoch behielt er ein leichtes Lächeln auf den Lippen und folgte dem schmalen Gang bis zur Haustür. Der Ausdruck in Kawimuras Augen änderte sich schlagartig und bevor Heisuke ein Wort sagen konnte, entblößte der Mann seine gelblich verfärbten Zähne zu einem wissenden Lächeln.
"Heisuke Shoran, ich habe Sie bereits erwartet." Die Stimme des Mannes war genauso kratzig, wie Heisuke es erwartet hatte. Doch nicht die Stimme überraschte ihn so sehr, dass er seine Schritte aprubt stoppte, sondern die Worte.
"Woher-?"
"Holen Sie doch bitte den Umschlag aus Ihrem Wagen und kommen Sie dann herein. Ihr... Begleiter ist ebenfalls herzlichst willkommen." unterbrach ihn Kawimura und musterte nun Blanche, der ebenfalls überrascht zu sein schien, jedoch nicht halbwegs so entgeistert dreinschaute wie der Blonde. Die kurze Pause, die der Mann bei der Erwähnung des Franzosen gemacht hatte, war ihm völlig entgangen. Viel zu überrumpelt, als dass er wirklich denken konnte, folgte er der Aufforderung und holte den Umschlag, den er vorsichtshalber mitgenommen hatte, aus seinem Wagen und blieb anschließend noch einen Moment vor der Tür stehen. Blanche wartete dort auf ihn und war noch immer sichtlich entspannt. Kawimura war zwischenzeitlich wieder ins Haus zurückgekehrt und hatte die Tür offen gelassen.
"Sag mal, hat er gerade wirklich meinen Namen gesagt?" fragte Heisuke und schüttelte dabei den Kopf, als hoffe er, somit auch aus seinem Partner eine verneinende Antwort zu erhalten. Dieser deutete jedoch, anstelle einer Antwort, auf ein kleines Schild, welches von innen an die Scheibe der Haustür geklebt wurde. Ein Tierkreiszeichen war darauf abgebildet und der Name des Mannes stand in kaligraphischer Schrift darunter.
Yamato Kawimura war ein Wahrsager, eine Unterkategorie der Zauberer.

Kapitel 5 - Weiss

Das Innere des Hauses erinnerte an einen Gang durch die Geisterbahn. Schrumpfköpfe, Knochen, Hasenpfoten, Spinnennetze, Kräuter, Zaubertränke, ausgestopfte Tiere wie Fledermäuse oder Ratten fanden Platz in Vitrinen aus schwarzem Holz oder hingen an den Wänden. Dunkles Laminat führte sie durch einen langen Flur, an dessen Wände zahlreiche Spiegel und Vorhänge angebracht waren. Okkulte Geräusche, die sehr wahrscheinlich an Musik erinnern sollten, drangen aus einem der Zimmer. Es war eben der übliche Hokuspokus, den die Menschen sehen wollten, wenn sie mit dem Übernatürlichen in Kontakt treten wollten. Allerdings minderte die Atmosphäre des Hauses die Überzeugung der beiden Detektive.
Kawimura war stehen geblieben, kaum dass Heisuke seine Gedanken bezüglich der Glaubwürdigkeit des kleinen Mannes zu ende gedacht hatte, und drehte sich zu ihm um. Sein Blick verriet ihm, dass auch er nicht sonderlichen Wert auf seine Ausstattung legte.
"Diesen ganzen.. Kram erwarten die Menschen, die zu mir kommen, Herr Shoran." erklärte er nur kurz angebunden, worauf der Angesprochene mit einem knappen Nicken antwortete.
"Hören Sie bitte auf meine Gedanken zu lesen." Es war nicht das erste Mal, dass Heisuke mit einem Wahrsager sprach und die Worte des Mannes hatten ihm direkt klar gemacht, dass Kawimura nicht nur ein Mann der Show war. Trotzdem empfand er es nicht als angenehm, dass der Mann sämtliche seiner Gedanken erfuhr..
"Tut mir leid, doch es war unumgänglich."
Eine Reihe gelblich verfärbter Zähne trat zwischen den Lippen des Mannes hervor, bevor dieser nach einer Türklinke griff und sie hereinbat. Ein Schlag auf den Hinterkopf wäre mehr zu erwarten gewesen, wie der Anblick der sich ihnen auftat.
Der weiße Marmor-Boden reflektierte das grelle Licht der Neonröhre und blendete ihn für einen Moment. Panorama-Fenster befanden sich an drei Seiten des Raumes und erhellten diesen zusätzlich, trotz der glänzend weißen Vorhänge, die davor zugezogen worden waren. Es gab keine Teppiche, keine kunstvollen Verzierungen oder sonstige Dekoration. Weiß war die vorherrschende Farbe. Sie umschlang ihn wie eine stürmische Umarmung und machte nicht die geringsten Anstalten, ihn aus dieser Umklammerung wieder frei zu geben.
Heisukes Atmung ging hektisch. Sein Blick wollte sich irgendwo dran festkrallen und suchte nach einem Punkt, welcher nicht diese besitzergreifende Reinheit ausstrahlte. Eine einzelne Rose, schwarz, in einer weißen Vase stand auf der Glasplatte eines kleinen Tisches und hinderte ihn daran, sich selbst in dieser reinen Atmosphäre zu verlieren.
Dem Franzosen schien es da jedoch weitaus schlimmer zu ergehen. Aus den Augenwinkeln bemerkte der Blonde, wie Blanches Blick fast panisch in dem Raum umherirrte. Sein Körper war starr, nur der Kopf bewegte sich minimal.
"Nicht jeder verträgt einen so sicheren Ort wie diesen.", meldete sich nun Kawimura wieder zu Wort, "Ich denke es wäre besser Sie warten draußen."
Blanche reagierte mit einem Nicken, kniff kurz die Augen zu und flüchtete regelrecht wieder auf den dunklen Flur. Im ersten Moment wollte Heisuke es ihm gleichtun, doch er überwand sich und blickte weiterhin auf die schwarze Rose. Nachdem er hörte, wie die Tür hinter ihm geschlossen wurde, schritt er auf den Tisch zu und setzte sich ohne dass es einer Aufforderung bedurft hätte. Kawimura folgte ihm und setzte sich gegenüber. Ein wissendes Lächeln zierte seine Lippen, als er die Finger kreuzte und die Ellenbogen auf dem Tisch ablegte.
"Was ist das für ein Raum?" fragte Heisuke, nachdem er einen Moment gebraucht hatte, um seine Atmung zu normalisieren.
"Oh, es gibt keinen Namen für einen Ort wie diesen. Doch Sie können sich sicher sein, dass Ihnen hier nichts geschieht. So sicher wie hier, sind Sie sonst nirgendwo auf der Welt vor dem Übernatürlichen."
"Wenn es so sicher ist, warum verträgt mein Partner ihn dann nicht?" Heisuke sah seinem Gegenüber nun wieder direkt in die Augen. Nun, da er nicht mehr direkt in das weiße Innere des Raumes sah, sondern einen konstanten Kontrast vor sich hatte, fühlte er sich schlagartig gefasster. Trotzdem blieb seine Stimme nicht von dem Gefühl, welches sich in ihm auftat, verschont. Kawimura blieb davon jedoch unbeeindruckt und hielt dem Blickkontakt stand.
"Ich sagte bereits; nicht jeder verträgt einen Ort wie diesen. Es sind nicht nur die dunklen Mächte unter uns, die von der Reinheit abgeschreckt werden, auch Menschen oder Wesen des Lichts weichen ab und an davor zurück."
"Wie meinen Sie das?"
Der Wahrsager lehnte sich etwas in seinem Stuhl zurück und ließ den Blick durch den Raum gleiten. Ihn schien es nicht zu stören, dass sein Blick nirgends haften konnte, sondern an den wenigen Gegenständen, Kanten oder Erhebungen abrutschte.
"Jede Existenz hat ihre ganz eigene Farbe, Herr Shoran. Und das für jede Situation; sei es die Farbe der Angst, des Verlustes, des Bösen oder Guten.. oder aber der Sicherheit und Reinheit. Die meisten bevorzugen das Weiß, um sich vollends sicher zu fühlen." In Heisukes Ohren klang diese Aussage wie das typische Kauderwelsch eines Zauberers. Doch er konnte sich im Ansatz vorstellen, wie dieser es meinte und hatte momentan nicht vor, weiter darauf einzugehen. Viel wichtiger erschien ihm der Grund, weshalb er überhaupt hier war.
"Herr Kawimura, ich bin hier wegen-"
"Dem Bajang, ich weiß.", unterbrach ihn der kleine Mann erneut und sorgte damit für ein leises Seufzen des Blonden, "Öffnen Sie den Umschlag."
Einen Moment lang sah Heisuke auf den Umschlag in seiner Hand, zögerte einen weiteren und öffnete ihn schlussendlich, ohne hinein zu sehen. Aus irgendeinem Grund fürchtete er das, was er darin sehen könnte. Vielleicht sollte er weniger Thriller-Filme gucken, in denen Mörder oder Erpresser einzelne Körperteile ihrer Opfer per Post verschickten..
Kawimura bedeutete ihm mit einer kurzen Handbewegung, den Inhalt auf die Glasplatte zu schütten und Heisuke kam dieser Aufforderung nach. Das klirrende Geräusch von Silber auf Glas ließ ihn kurz zusammenzucken.
"Ein Amulett?" fragte er und besah sich das wertvoll erscheinende Schmuckstück, ohne es dabei zu berühren.
Es war ein rundes, silbernes Plättchen, befestigt an einem ledernen Band, in dessen Mitte sich ein Hexagramm; ein sechszackiger Stern befand. Vier Namen in hebräischer Schrift waren in die 'Ecken' eingraviert und noch einige mehr im Innern des Hexagramms.
"Salomos Schild.", sprach der Zauberer, gefolgt von einem gedehnten Seufzen, "Ich lag also richtig, als ich seine Anwesenheit gespürt habe."
"Was hat das zu bedeuten? Wieso und vor allem.. von wem bekomme ich so etwas?" Heisuke wagte sich noch immer nicht die Kette vom Tisch zu nehmen, sondern sah nur entgeistert zwischen ihr und Kawimura hin und her. Dieser schien von der Kette ebenfalls wenig begeistert zu sein, lehnte sich wieder nach vorne und strich sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen.
"Salomos Schild ist einer der mächtigsten Schutzzauber, die diese Welt besitzt. Es gibt viele Imitationen, doch dieses hier ist das Original. Sehen Sie die eingravierten Namen im äußeren Kreis? Es sind die vier Namen der Flüsse aus dem Paradies; Pishon, Gihon, Prath und Hiddekel. Die Namen im Inneren sind hier nicht von Bedeutung, doch die Worte "Gehe fort, Du und all die, die in deinem Gefolge sind." zeigen mir, dass es geweiht wurde, um Sie zu beschützen."
Eine gefühlte Ewigkeit konnte Heisuke nur dasitzen und den Mann vor sich verwirrt ansehen. Er hatte schon von diesem Amulett gehört. Das Schild Salomos galt seit Jahrtausenden als verschollen. In schweren Lebensphasen trugen es die Erleuchteten, die Heiligen. Ein Mythos aus dem Buche Raziel. Und jetzt sollte es vor ihm liegen? Und sich zuvor per Post - von weiß Gott woher- zu ihm schicken lassen?
"Sie machen Scherze. Wer sollte mir bitte einen so heiligen Gegenstand schicken? Und aus welchem Grund?"
"Das Amulett ist geweiht und es fand den Weg zu Ihnen, es wird seine Gründe dafür geben, Herr Shoran." Der Ausdruck in Kawimuras Augen wechselte schlagartig von der leichten Gereiztheit in Sorge, "Es wird Sie vor dem Bajang schützen können."
Heisuke stutzte. Ihn beschützen? Dabei war er es doch gar nicht, der in Gefahr war, sondern der Engländer, und genau dies sagte er dem Wahrsager auch.
"Es wäre besser, wenn ich es Herrn Burden geben würde, damit es ihn beschützen kann. Er wird doch von dem Bajang verfolgt und nicht ich." fügte er noch mit einem Hauch an wachsendem Optimismus hinzu.
"Diese Idee klingt sehr lobreich, doch würde ihre Umsetzung nichts bringen. Dieses Amulett kann nur für einen einzigen Menschen geweiht werden und es ist zu Ihnen gekommen. Sobald ein anderer es umlegen würde, würde der Schutz verschwinden und das Amulett somit jegliche Wirkung verlieren.
"Aber.. warum kommt es ausgerechnet zu mir?" Heisukes Stimme war kaum hörbar, als sein Blick sich von dem Amulett löste. Er sah zu Kawimura, der nun seinerseits den Anhänger in Augenschein nahm und einige Herzschläge verstreichen ließ, bevor er den Blick wieder hob, um Heisuke mit einem betrübten, jedoch auch ahnungsvollem Blick in die Augen zu sehen.
"Ich denke, der Bajang ist hinter Ihnen her, Herr Shoran."

 

(Hier ein Link, um sich das Amulett ansehen zu können):

http://shop.strato.de/WebRoot/Store6/Shops/300774/45F0/236A/67CD/0997/7997/C0A8/2836/1C40/138_si.jpg

Kapitel 6 - Ein Rauschen in der Luft

Der strahlende Morgenhimmel war einem wolkenverhangenem, blassgrauem Vorhang gewichen. Nieselregen traf in unregelmäßigen Schauern auf die Windschutzscheibe des schwarzen Mazdas und das quietschende Geräusch der abgenutzten Scheibenwischer brachte ihn fast um den Verstand.
Heisuke tastete immer wieder nach dem silbernen Amulett, welches er sich mittlerweile umgehängt hatte. Strich mit den Fingerkuppen über die Inschriften und sah jedes Mal wieder hinab auf das Hexagramm. Blanche steuerte den Wagen und warf gelegentlich einen Blick zu dem Blonden rüber.
Nachdem Kawimura seinen Verdacht ausgesprochen hatte, der Bajang könnte es auf ihn abgesehen haben, war Heisuke regelrecht aus dem Raum geflohen, hatte seinen Partner grob mit sich gezerrt und sich selbst auf den Beifahrersitz gepflanzt, ohne irgendwelche Fragen oder Einwände des Franzosen zu kommentieren. Es konnte einfach nicht stimmen. Aus welchem Grund sollte ihm jemand einen Dämon auf den Hals hetzen? Und dann noch über solche Umwege einen Unschuldigen gefährden oder tyrannisieren?
Ein schwerer Seufzer verließ seine Kehle und mühsam riss er die Hände von dem Anhänger los, um sie durch seine Haare fahren zu lassen. All die Fragen quälten sein Gemüt und Blanche schien sich von seiner Nervosität auch noch anstecken zu lassen, denn nicht zum ersten Mal schaltete dieser in den falschen Gang und ließ damit den Motor qualvoll aufheulen.
"Schrottest du mir den Motor, macht dein Hintern Bekanntschaft mit meinem Fuß." murrte Heisuke wenig überzeugend zu seinem Partner und lehnte sich mit halbgeschlossenen Lidern zurück in den Sitz.
"Wenn du mit mir reden würdest, wäre ich nicht halb so hilflos, Heis." In Blanches Stimme lag ein besorgter Unterton, welchen der Blonde bisher noch nie bei ihm herausgehört hatte und der ihn dennoch leicht zum Schmunzeln brachte. Blanche fühlte sich hilflos? Dabei war der Franzose doch der einzige Mensch, der die Ruhe in Person zu sein schien.
Heisuke sah auf die Straße. Der Verkehr war so ruhig wie selten zuvor, obwohl normalerweise Scharen von Menschen von den Märkten kommen müssten. Zur Detektei war es nicht mehr weit, vielleicht drei Seitenstraßen.
"Park da vorne, wir laufen den restlichen Weg." Auch Blanche hatte mittlerweile bemerkt, dass in Heisuke ein kleiner Faulpelz versteckt war. Dies war wahrscheinlich der Grund für den ungläubigen Blick, welchen der Blonde auf seine Worte hin vom Fahrersitz bekam. "Ich brauch frische Luft, wenn du wirklich wissen willst was los ist."

Der seichte Regen fühlte sich ungemein gut an auf seiner Haut und so verharrte er einen Moment neben seinem Wagen und schloss die Augen. Blanche schloss die Türen,  umrundete den Mazda und blieb dicht vor Heisuke stehen. Von diesem unbemerkt, schlich sich ein undefinierbares Lächeln auf die Lippen des Franzosen, bevor er dem Blonden gegen die Stirn tippte und ihm anschließend die Schlüssel vor die Nase hielt. Murrend griff Heisuke nach seinem Schlüsselbund, öffnete erst dann wieder die Augen und kämpfte krampfhaft gegen einen bösen Blick an, welchen er seinem Partner nur zu gern für die unerwünschte Berührung geschenkt hätte. Stattdessen räusperte er sich nur leise, steckte die Schlüssel in die Jackentasche und lief gemächlich auf eine der Seitenstraßen zu.
Es dauerte nicht lange, bis Blanche ihn erneut nach den Geschehnissen im Zimmer des Zauberers ausfragte und Heisuke berichtete ihm- wenn auch etwas widerspenstig- in allen Einzelheiten davon.
"Und darum muss ich diesen Anhänger jetzt tragen und kann ihn niemandem sonst geben." endete er nach einigen Minuten und blieb mit einem entrüsteten Kopfschütteln an einer Hausmauer gelehnt stehen. Der Franzose verschränkte die Arme und sah die Gasse hinab. Der Ausdruck in seinen Augen war unlesbar, auch wenn er nicht den erhofften Unglauben darin erkannte. Eher schien Blanche.. wenig überrascht über diese Tatsache zu sein.
"Milford Burden war also nur ein Lockvogel, um an dich ranzukommen." sprach Blanche nachdenklich, zierte seine Lippen jedoch im nächsten Moment mit einem- vor Euphorie nur so triefendem- Lächeln, "Das ist doch perfekt!"
Der Franzose nickte, als wolle er so seine eigenen Worte bestätigen. Heisuke ahnte jedoch nichts von dessen aufkeimender Theorie und brachte nicht mehr wie einen verständnislosen Blick zustande.
"Perfekt? Sag mal.. in was für einer Traumwelt lebst du eigentlich?" Heisuke stieß sich von der Wand in seinem Rücken ab und schlug gegen den Brustkorb seines Partners, welcher zwar überrascht dreinschaute, jedoch nicht viel von dem Schlag zu spüren schien, "Wer auch immer diesen Bajang herangezüchtet hat und ihn steuert, benutzt hier einen Menschen, wie... wie eine Spielfigur und bringt andere Menschen um.. das ist alles andere als perfekt, Blanche." wütend schlug er erneut gegen den Brustkorb des Franzosen, diesmal jedoch mit noch weniger Nachdruck, und nur langsam zog er seine Hand wieder zurück. Er verstand einfach nicht, wieso Blanche so optimistisch bleiben konnte, wenn andere Menschen ihr Leben ließen oder wie Objekte behandelt wurden. Das alles war doch kein Spiel..
"Aber du bist sicher. Dir kann nichts passieren, solange du das Amulett trägst." sprach Blanche ruhig und sah dabei auf die Hand des Anderen, welche sich dank seiner Worte bereits wieder zur Faust ballte, "Also kann der Spieß umgedreht werden und wenn der Bajang wirklich hinter dir her ist, dann wirst du ihn einfangen können, ohne das dir etwas geschieht."
Heisuke stoppte mitten in der Bewegung und sah nun seinerseits überrascht zu dem Größeren hinauf. An diese Möglichkeit hatte er noch gar nicht gedacht. Hätte der Bajang es wirklich auf ihn abgesehen, dann würde dieser mittlerweile seine Spur aufgenommen haben können. Dafür diente schließlich der Engländer. Demnach würde es sicher nicht mehr lange dauern, bis der Dämon bei ihm zu Hause auftauchen würde. Mit der richtigen Vorbereitung und einem ausgeschabten Metallgefäß, könnte er den Bajang tatsächlich einfangen und so auch den Verantwortlichen untätig machen.
"Dann.. benutzen wir lieber mich als Lockvogel." Heisukes Worte waren keineswegs vorwürflich gemeint, doch in Blanches Blick schlich sich ein Ausdruck, als hätte dieser sie als eben solchen wahrgenommen. Sachte schloss der Franzose die Hand um die Faust des Blonden, welche sich noch immer knapp vor dessen Brustkorb befand, und sorgte damit für einen völligen Verlust von Heisukes Denkvermögen.
"Ich würde dich niemals als Lockvogel oder Mittel zum Zweck ansehen, Heisuke. Du bist mir.. ich meine uns allen sehr wichtig, also sag so was nicht noch mal."
Heisuke fühlte sich so sehr vor den Kopf gestoßen, dass er nicht mal wusste, was ihn nur mehr verwirrte; die Worte seines Partners im allgemeinen oder aber der Ernst, welcher in seiner Stimme lag. Eine solche Reaktion hätte er von einer Mutter erwartete, wenn ihr Kind sagen würde, dass Leben wäre nichts wert. Doch weiter darüber nachdenken oder in irgendeiner Form reagieren konnte er nicht mehr.
Kaum löste sich Blanches Griff um seine Hand etwas, da erfüllte ein Rauschen die Luft um sie herum. Ein Geräusch wie tausende kleiner Flügel und Reptilienkörper, die aneinander rieben. Ein kalter Schauer erfasste seinen Körper und seine Augen glitten über die Fassaden der hohen Häuser neben ihnen. Es war nichts zu sehen, doch das Geräusch wurde stetig lauter und schmerzte in den Ohren je mehr er sich auf dessen Quelle zu konzentrieren versuchte. Auch Blanche sah sich suchend um, ließ den Blick die Gasse hinabwandern und blieb an einem Punkt unweit von ihnen entfernt hängen.
Heisuke bemerkte den Blick des Franzosen und folgte ihm mit den Augen bis zu einem Gitterzaun, an dem die Luft ungleichmäßig flackerte und wo das Geräusch seinen Ursprung fand. Das Flackern wandelte sich zu einem schwarz-bläulichen Schimmern und bildete allmählich eine menschliche Gestalt. In wenigen Sekunden tauchte ein Mann in einem schwarzen Ledermantel vor ihnen auf und sah sie aus unergründlich finsteren Augen an, im gleichen Moment verklang das Rauschen. Die Haut des Mannes, welche nur in seinem Gesicht zu erkennen war, erinnerte an verwischte Kreide und die feinen Gesichtzüge strahlten eine gefährliche Anziehungskraft aus. Seine schwarzen Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden und nur wenige Strähnen hingen ihm vor die violett schimmernden Augen. Der Mann war so makellos, dass sich jeder Unwissende sofort in seinem Bann befinden und sich darin verlieren würde. Für einen Vampir war sein Aussehen eben eine der stärksten Waffen.
"Ich hab keine geweihten Kugeln." sprach Heisuke leise, nachdem er sich als erster wieder gefangen hatte.
Blanche schüttelte kaum merklich den Kopf. Sein Schwert hatte er ebenfalls nicht dabei. Da sie bei ihrem Zusammentreffen mit Kawimura keine Waffen oder mit Weihwasser gefüllte Munition hätten brauchen dürfen, hatten sie diese in der Detektei gelassen. Doch der Vampir machte nicht die geringsten Anstalten sie anzugreifen, sondern blieb starr im Schatten der Hausmauern stehen.
"Was treibt dich her, Vampir? Wandelst du ohne Erlaubnis unter den Menschen?" fragte nun Blanche und spannte sichtlich seine Muskeln an, um auf einen Überraschungsangriff gefasst zu sein. Mit einem halben Schritt zur Seite stellte er sich zudem schützend vor Heisuke, welcher sich in diesem Moment nicht mal dagegen wehren konnte, sondern nur so gut wie möglich an seinem Partner vorbei sah.
Der Vampir regte sich, holte tief Luft und trat einen Schritt aus dem Schatten heraus auf sie zu.
"Ich bin weder euer Feind, noch bin ich euer Freund. Nur der Informant eines höheren Wesens, um euch eine Nachricht zu überbringen." sprach der Vampir mit einer samtenen Stimme und formte dabei die schmalen Lippen zu einem arroganten Lächeln, "Ein kleines Geschöpf versucht meinem Meister in die Quere zu kommen. Ich denke, ihr wisst um diesen Dämon Bescheid."
Heisukes Nackenhaare stellten sich auf. Der Vampir sprach von dem Bajang. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.
"Und was sollst du uns ausrichten?" Heisuke schob Blanche beiseite und ging einige Schritte auf den Mann vor sich zu. Dieser ließ sich von der Ungeduld in der Stimme des Menschen nicht beeindrucken, nur sein Lächeln wurde eine Spur herablassender, als er weiter sprach.
"Ich würde ja selbst des Meisters Werk vollenden, doch ist es mir im Moment nicht möglich." bei diesen Worten löste der Vampir den Blick für einen Herzschlag von Heisuke und sah zu dem Franzosen. Heisuke folgte seinem Blick und sah noch, wie Blanche beide Hände zu Fäusten ballte, "Kehrt in euer Quartier zurück und vernichtet den Dämon. Ihr werdet ihn dort vorfinden."
Kaum hatte der Vampir die letzten Worte ausgesprochen, verschwand er im Flackern der Luft und dem rauschendem Klang. Heisukes Herz übersprang einen Schlag, als er begriff, dass sich der Bajang in diesem Moment in der Detektei befand.

Kapitel 7 - Gefangen im Phantasma

Der eiskalte Regen nahm immer mehr zu und peitschte ihnen ins Gesicht, während Heisuke und Blanche durch die Straßen hetzten wie vom Teufel gejagt. Jedes Geräusch der Umgebung schien im Keim erstickt worden zu sein, nicht einmal das Prasseln des Regens war zu hören. Nur das Rauschen seines Blutes und das unregelmäßige Schlagen seines Herzens erklangen in Heisukes Ohren. Seine Gedanken kreisten um die Menschen in der Detektei und Panik keimte in ihm auf, während er alles andere um sich herum ignorierte. Nur gab es nichts, was ignoriert werden konnte.
Die ganze Stadt war still und leblos, doch auch das blendete er vollkommen aus.
Die Gasse machte eine letzte Krümmung, dann konnte er das Gebäude auf der anderen Straßenseite sehen. Im Sprint legte Heisuke die letzten Meter bis zum Bürgersteig zurück, wurde jedoch brutal zurückgerissen, als Blanche nach seinem Arm griff und ihn so stoppte.
"Was ist denn?" herrschte er seinen Partner an, dessen Blick prüfend über die Straße huschte.
"Hörst du das nicht?"
Heisuke schwieg, hielt den Atem an und lauschte in die Stille der Umgebung. Kopfschüttelnd verneinte er die Frage des Franzosen und wollte sich losreißen, um weiter zu rennen. Doch Blanche machte nicht die geringsten Anstalten ihn loszulassen, sondern zog ihn weiter in die Schatten zurück.
"Wir haben keine Zeit hier ins Nichts zu lauschen! Der Dämon-" Blanche unterbrach seine Worte mit einer raschen Handbewegung, drückte ihn daraufhin an eine der Hauswände und bedeutete ihm still zu sein. Das irgendetwas an dieser Ruhe nicht stimmen konnte, bemerkte nun auch der Blonde und sah auf die Straße. Die Atmosphäre erschien unwirklich und ungenau, wie ein Dreidimensionales Wackelbild. Immer wieder mischten sich Farben in die Regentropfen, welche er nicht erklären konnte. Fast wie in einer Illusion.
"Wir befinden uns in einem Phantasma." sagte Blanche leise und bestätigte damit seinen Verdacht. Doch wo befanden sie sich jetzt und wer hatte sie in dieses Trugbild gelockt?
"Der Vampir?" Heisuke wandte den Blick von der Straße ab und sah zu dem Franzosen hinauf, der ihn noch immer am Arm festhielt und mit einem Nicken auf seine Frage antwortete. Es war vielleicht selten, dass ein Vampir die Fähigkeiten eines Illusionisten besaß, doch auch nicht unmöglich. Mit solch einem mächtigen Vampir hatte er allerdings bisher keine Erfahrungen gesammelt. Im Bereich der Illusionen und Trugbilder befand sich demnach sein persönlicher Schwachpunkt.
Blanche bemerkte seine Unsicherheit und griff augenblicklich nach seinen Händen. Mit festem Blick sah er dem Blonden in die Augen.
"Es ist nicht real, sondern nur eine Sinnestäuschung. Wiederhole diese Worte in Gedanken und schließ die Augen. Und lass sie geschlossen bis es vorbei ist!" sprach der Franzose mit einem deutlichen Nachdruck in der Stimme. Ohne großartig darüber nachzudenken kam Heisuke der Aufforderung nach, verschloss die Augen und rief sich immer wieder die Worte in seinen Kopf. |Nicht real, nur eine Sinnestäuschung. Nur eine Täuschung.|
Immer lauter erklang die Stimme seines Partners in seinen Ohren, welcher parallel zu seinen Gedanken die Worte erneut aussprach und dabei seine Hände drückte.
Er konnte nicht sagen, wie viel Zeit verging und noch weniger, wie albern dieses Schauspiel aussehen musste, doch mit einem Mal drang das Rauschen wieder in sein Unterbewusstsein. Reflexartig öffnete er seine Augen wieder und konnte beobachten, wie sich die Atmosphäre um sie herum erneut in einem flackernden Schimmer aufzulösen begann.

Die Menschen sprachen davon, sie hätten ein gleißendes Licht am Ende allen Seins gesehen. Ein Licht, welches Wärme und Geborgenheit ausstrahlte. Doch es war ganz anders. Das Licht war grell und bedrohlich. Heisukes Muskeln zogen sich zusammen und seine Augen schmerzten, als würden sie in Säure gebadet. Panik stieg in ihm auf, wie in dem weißen Zimmer des Wahrsagers, als sie von dem weißen Licht eingehüllt wurden.
Die Stadt verschwand. Eine blasse, unwirkliche Ebene erschien vor ihm und die Sonne- zumindest empfand er den weißen Schein am Firmament als solche- brannte auf ihn herab. Es gab kein Leben an diesem Ort, alles erinnerte an eine ausgestorbene Wüste. Nur wenige und verzerrte Stimmen erfüllten die Luft. Voller Qual und Pein.
"Wo bin ich?" Heisuke erschrack, als die Worte seinen Mund verließen, jedoch keinen Klang erzeugten. Er war allein und besaß keine Stimme. Was war dies nur für ein Ort? Obwohl alles so fremdartig und bedrohlich wirkte, kam es ihm auf seltsame Art und Weise.. vertraut vor. Als müsste er die Umgebung kennen.
|Was ist passiert? | Seine Gedanken hallten als einziges, wirkliches Geräusch in seinem Kopf wieder.
Der Detektiv drehte sich um die eigene Achse, fühlte sich dabei, als würde diese Bewegung eine Ewigkeit andauern. Und endlich sah er jemanden. Der Mann vor ihm war nur ein schwarzer Schemen in der strahlend weißen Umgebung und doch fühlte er sich von diesem angezogen. Dort würde er sicher sein.
Die Gestalt griff nach seiner Hand, dennoch berührte sie ihn nicht, sondern glitt durch seine Handfläche hindurch.
|Heis, schließ die Augen oder du wirst hier gefangen bleiben! |
Blanche.
Mit einem Schlag kamen die Erinnerungen zurück. Er befand sich noch immer in seiner Stadt. Nur war er in der Illusion des Vampirs gefangen und begann bereits, sich in dieser zu verlieren. Er hatte die Augen geöffnet und in den Quellpunkt des Phantasmas geschaut. Im selben Moment, als sich die irdische Illusion aufgelöst hatte, musste der Vampir sie auf seine Sinne übertragen haben.
Der körperliche Übergang in die Welt eines Phantasmas war leicht, doch die Rückkehr von dieser Ebene schmerzhaft. Ein Gefühl wie Einstiche von tausenden Nadeln am ganzen Körper durchfuhr ihn, jeder Muskel wurde von Krämpfen gepackt, sein Rücken krümmte sich vor Schmerz und ein qualvolles Keuchen drang aus seiner Kehle, als die Rückkehr stattfand. Nur mit festem Willen konnte er die Lider wieder schließen und er spürte, wie der Franzose ihm die Hand über die Augen legte, den anderen Arm um seinen Körper schlang und ihn näher an sich heran zog. Heisuke konnte jeden einzelnen Muskel in seinem Körper spüren. Wie sie sich gegen die Kraft des Vampirs zur Wehr setzten.
"Du schaffst es, Heisuke. Du musst es schaffen!" Wie durch Watte gefiltert drang die Stimme von Blanche in seine Ohren und füllte die Leere in seinem Kopf. Seine Finger tasteten nach dem Franzosen, krallten sich verbissen in dessen Mantel. Diese wenigen Bewegungen verstärkten den Schmerz um ein Dutzendfaches und entlockten seiner Kehle einen von Pein erfüllten Schrei.
Der Kampf dauerte nur wenige Augenblicke, doch fühlten sie sich wie eine Ewigkeit an. Heisuke gewann diesen Kampf und sackte in den Armen seines Partners zusammen. Sein Körper war schwach und seine Gliedmaßen fühlten sich an, als wären Bleigewichte daran befestigt. Mühsam und mit Blanches Hilfe richtete er sich wieder auf, musste sich jedoch weiterhin an ihm abstützen.
"Nein, welch eine herzzerreißende Szenerie." Der Vampir stand unweit von ihnen entfernt. Seine Stimme war noch immer von Hohn erfüllt, doch das arrogante Lächeln sprozte regelrecht vor Hass. Seine Falle hatte nicht zugeschnappt, auch wenn sie ihre Wirkung nur knapp verfehlt hatte. Demnach musste ein Stolz gut angekratzt sein.
Stück für Stück konnte Heisuke seine Muskeln wieder spüren, welche allmählich ihre Kräfte wieder fanden. Mit kleinen, abgepassten Bewegungen, brachte er zudem seinen Kreislauf wieder auf Vordermann und konnte sogar- wenn auch noch etwas wacklig- wieder allein stehen bleiben. Einem Kampf gegen den Vampir würde er dennoch nicht gewachsen sein.
"Kannst du laufen?" fragte Blanche an ihn gewandt, musterte kurz den zittrigen Körper seines Partners und löste langsam seinen Griff um Heisuke. Dieser nickte nur und löste sich vollends aus seinem Griff, "Gut. Dann lauf zur Detektei. Du musst den Bajang aufhalten, ich kümmere mich um die Blassbacke." fügte er noch leise hinzu. An der Reaktion des Vampirs- welcher entrüstet die Arme verschränkte- erkannte er jedoch, dass dieser die Beleidigung mehr als deutlich verstanden hatte. Heisuke wollte widersprechen und seinem Partner im Kampf beistehen. Immerhin hatte er keine Waffe. Doch würde er in seinem derzeitigen Zustand nur eine zusätzliche Behinderung sein. Er sah ein, dass Blanche Recht hatte. Der Franzose würde zu Recht kommen, doch die Menschen in der Detektei waren dem Dämon Schutzlos ausgeliefert, wenn er nicht schleunigst handelte.
"Womit.. fange ich ihn?" fragte Heisuke noch immer leise keuchend und spannte jeden Muskel in seinem Körper an. Sein Körper schmerzte zwar nicht mehr, doch er war immer noch schwach.
"Nimm die Scheide meines Schwertes. Dort wirst du ihn erstmal halten können. Und nun lauf!" Kaum hatte Blanche ihm die letzten Worte entgegen gerufen, da drehte sich dieser um, um dem ersten Angriff des Vampirs auszuweichen.
Heisuke wetzte herum und eilte die Gasse hinauf. Glücklicherweise kannte er sich gut aus und bemerkte sofort, dass sie sich in der Illusion nur um wenige Straßen verlaufen hatten.
|Komm mir bloß lebend wieder! | Dachte er den gesamten Weg über, bereitete sich jedoch gleichzeitig darauf vor, dem Dämon gegenüber zu treten und ihn einzufangen. Hoffentlich war den anderen nichts geschehen. |Bitte, lass es nicht zu spät sein! |

Mit einem lauten Knall stieß er die Tür auf und verharrte im Eingang der Detektei. Systematisch glitt sein Blick über die Gänge und Türen. Es war still. Zu still.
Das panische Klopfen an die Scheibe der Bürotür seines Bosses lenkte Heisukes Aufmerksamkeit auf sich und mit schnellen Schritten eilte er in den Vorraum. Sein Chef stand in seinem Büro, klopfte erneut gegen die Scheibe und deutete auf eine andere Tür den Gang hinauf.
"Der Marder ist hier! Er ist in deinem Büro!" rief Takeshi ihm durch die Tür zu, öffnete diese im selben Moment und wollte ihn hineinlassen. Hastig stemmte sich Heisuke gegen das Holz.
"Ich weiß wie ich ihn fangen kann." sprach er so ruhig, wie es seine Atemlosigkeit zuließ, damit der Dämon ihn nicht hören konnte. Man konnte ja nicht vorsichtig genug sein.. "Wo ist Blanches Schwert?"
Der Mittvierziger sah ihn entgeistert an und deutete erneut auf die Tür.
"In deinem Büro."

Kapitel 8 - Verlorener Sieg

Heisuke hatte den Atem angehalten, als seine Hand nach der Türklinke griff. Nur sein Herz schlug in angespanntem Rhythmus, während sich der kalte Griff aus mattem Chrom senkte und sich die Tür öffnete. Der dahinter liegende Raum bietete denselben Anblick wie immer; für einen geborenen Chaotiker war es relativ ordentlich. Nichts deutete auf die derzeitige Gefahr hin, welche sich in seinem Büro befand.
Sein Blick glitt durch den abgedunkelten Raum. Die ersehnte Schwertscheide entdeckte er im hinteren Teil, neben seinem Schreibtisch. Es war immer gut, seine Waffen so weit wie möglich weg von einer Eingangstür zu platzieren, damit man sie im Notfall nur durch die Überwindung einer Distanz erreichen konnte..
Heisuke seufzte leise und betrat mit leisen Schritten das Zimmer. In derselben Bewegung schloss er die Tür hinter sich und behielt jeden Winkel genau im Auge. Ein Geräusch, wie das Knistern einer Papiertüte im Wind, drang hinter seinem Schreibtisch hervor und ließ ihn in der Bewegung innehalten. Der Dämon musste sich dort befinden.
Mit angespannten Muskeln schöpfte er seine Kraftreserven zusammen, vertraute auf den Schutz des Amuletts und sprang mit einem Satz nach vorne, griff im Sprung nach dem Schwert und landete auf einem Knie. Durch die halb heruntergelassenen Rollläden drangen vereinzelte Sonnenstrahlen und ließen die Klinge aufblitzen, als er sie aus der Scheide zog. Bereit zum Angriff umklammerte seine Hand den Griff. Doch da war nichts. Nur eine Mülltüte, die durch den Luftzug der Klimaanlage leise raschelte.
"Was?" Heisuke kam nicht dazu, seiner Verwunderung Ausdruck zu verleihen, denn kaum ließ er das Schwert etwas sinken und wollte sich gerade wieder aufrichten, da ertönte hinter ihm ein markerschütterndes, unmenschliches Geräusch. Er wirbelte herum, versuchte in derselben Bewegung wieder aufzustehen, doch der Anblick des Wesens ließ sein Blut in den Adern gefrieren.
Auf zwei Beinen aufgerichtet war der Dämon so groß wie ein ausgewachsener Bär, glich einem solchen auch in der Statur. Den Rücken der Kreatur zierten orange-rote Zacken, die sich stetig bewegten und sie wie Feuer aussehen ließen. Auch an den Armen, Händen und Füßen befanden sie sich. Doch das Schlimmste waren die Augen. Wie Mahnmale des Bösen blitzten sie aus dem schwarzen, konturlosen Gesicht hervor. Starr blickte der Bajang, in seiner wahren Gestalt, auf Heisuke herab, der sich mit aller Mühe wieder fing und auf die Beine kam. Vor Entsetzen taumelnd stolperte er einige Schritte zurück, verstärkte den Griff um das Schwert, da zeigte auch der Dämon wieder eine Regung.
Ein Klang wie die Schreie von tausend gequälter Seelen erfüllte die Luft, als das Wesen seinen Kopf herumwarf, in der gleichen Bewegung Schwung in seinen Arm legte und nach ihm ausholte. Fast zu spät bemerkte Heisuke den Angriff, warf sich im letzten Moment zurück und entging so der tödlichen Berührung. Im nächsten Moment traf ihn jedoch etwas so hart vor den Brustkorb, dass er rücklings an die Wand geschleudert wurde.
Den Schweif des Dämons hatte er vollkommen übersehen und nach dem ersten Angriff hatte sich der Bajang auf die Vorderläufe geworfen und schritt nun an ihm vorbei auf die Tür zu. Heisuke sah Sterne, kämpfte krampfhaft gegen eine Ohnmacht und registrierte nur am Rande, was der Dämon vorhatte.
In dem Moment, als das Holz der Tür unter dem Ungetüm zerberste, wurde er wieder klar im Kopf, stemmte sich auf die Beine und wetzte ihm nach. Erneut hallten panische Schreie durch das Gebäude, als das Wesen durch die Bürotür seines Chefs drang. Die feuerrot lodernden Augen hafteten sich auf den Engländer, welcher sich in die hinterste Ecke des Zimmers gekauert hatte und unter dem Blick des Dämons erstarrte.
Von Wut gepackt stürmte Heisuke nach vorn und rammte dem Geschöpf die Klinge mit ganzer Kraft in die Seite. Der Bajang bäumte sich unter Schmerzen auf, zerstörte dabei einen Großteil der Wand und wirbelte schneller als es seine Statur vermuten ließ herum, wobei sich der Blonde noch immer an das Schwert klammerte und es nur mit großer Anstrengung aus dem Leib des Dämons wieder herausziehen konnte. Dieser erneute Schmerz ließ den Dämon aufschreien und mit der Pranke nach seiner Wunde greifen.
Heisuke baute sich vor dem Wesen auf, hielt das Schwert seitlich vor sich und die Scheide unter die blutbeschmierte Klinge.
"Dämon, du wandelst ohne Befugnis unter den Menschen und wirst dafür bestraft." sprach er die Bannworte und ein Tropfen des Dämonenblutes landete in der Schwertscheide. Im selben Moment, als sich der Dämon aufzulösen begann, verdrängte ein Ausdruck von Zufriedenheit die Mordlust aus dessen Augen. Der Bajang hatte nicht freiwillig gehandelt. Auch er war wie ein Werkzeug gelenkt worden.
Ein Gefühl von Mitleid machte sich in ihm breit, als er die Klinge in ihr Gehäuse schob und damit vorläufig das Gefängnis des Dämons versiegelte. Doch der Ruf seines Chefs riss ihn sofort wieder aus seinen Gedanken.

Bittere Enttäuschung und Wut hatten ihn an die frische Luft getrieben, während sich im Innern der Detektei Unruhe breit gemacht hatte. Eine Gruppe von Männern und Frauen protokollierten die Einzelheiten des Vorfalls und speziell ausgebildete Exorzisten kümmerten sich um die Vernichtung des Dämons. Mit der Vernichtung des Bajang würde auch sein Züchter seine Kräfte verlieren. Doch Heisuke empfand nicht die geringste Genugtuung.
Blanche stand schweigend neben ihm. Auch er sah erschöpft aus, obwohl er keine Kratzer oder Wunden von dem Kampf mit dem Vampir davongetragen hatte.
"Ich hab versagt." sprach Heisuke leise und biss sich auf die Unterlippe, während er den Blick senkte. Leise seufzend sah Blanche zu ihm.
"Du hast dein bestes getan. Es wird keine Opfer mehr geben."
Heisuke sah zu der Hand des Franzosen, die sich um seine legte und drückte sie etwas. Es fühlte sich gut an, gab ihm den nötigen Halt. Zu Beginn ihrer gemeinsamen Arbeit hatte er ihn noch für Unfähig und Unnötig gehalten, doch nun war es ein beruhigendes Gefühl, Blanche bei sich zu wissen.
"Und trotzdem gibt es ein Opfer zu viel."
Unweit von ihnen entfernt wurde der Motor eines Wagens gestartet und fuhr nur wenige Sekunden später an ihnen vorbei. Schweigend sahen sie dem schwarzen Kombi nach, der Milford Burden in die Leichenhalle brachte.

Zweiter Teil - Vampire

Kapitel 12 - Erste Einblicke in den Plan

Die Anwesenden starrten wie gebannt auf den Mann, in dessen bisher tot geglaubten Körper immer weiter das Leben zurückkehrte. Die Atemzüge des Pastors, anfangs noch unregelmäßig und kaum wahrnehmbar, wurden immer konstanter und auch die Augen bewegten sich immer mehr.
Heisuke war der erste, der sich wieder fasste und aus einem Reflex heraus nach dem Handgelenk des Mannes griff, um dessen Puls zu fühlen.
Seine Augen weiteten sich ungläubig, als das erwartete pulsieren ausblieb, die Augen des Pastors jedoch direkt in seine sahen und einen stummen Hilferuf ausstießen. Sofort wich er wieder zurück, spürte jemanden in seinem Rücken und verkrampfte sich wie unter einem gewaltigen Hieb.
"Er wird zu einem von ihnen." Blanches Stimme war ruhig, mehr ein Flüstern. Dennoch verstanden ihn die Anwesenden. Einige von ihnen, die von der Theorie der Vampire überzeugt waren, wichen nun ebenfalls zurück und sahen zwischen den Detektiven und dem werdenden Vampir hin und her. Einer der Männer lachte ungläubig und zog voller Sarkasmus die Augenbrauen hoch.
"Was denn? Sie glauben also wirklich an diesen Schwachsinn?" fragte der Mann und sah dabei in die Runde, bis Heisuke seinen Blick traf. Dieser konnte das zornige Funkeln in seinen Augen regelrecht spüren.
"Sie wollen also eher an ein Wunder glauben? Dass dieser Mann einfach so von den Toten wieder aufersteht?"
Jeglicher Sarkasmus in den Augen des Pathologen wandelte sich schlagartig in Unsicherheit. Doch bevor dieser etwas erwidern konnte, wurde die angestrebte Diskussion von einem heißeren Röcheln unterbrochen.
Der, nur bis zur Hüfte mit einem Tuch bedeckte, Pastor öffnete langsam die Lippen, hielt dabei die Augen noch immer fest auf den blonden Detektiv gerichtet und krallte die Hände in das kalte Metall unter ihm. Mit einem knirschenden Geräusch, welches den Anwesenden durch Mark und Bein drang, gab der Tisch unter diesem Druck nach.
Schon im nächsten Moment spürte Heisuke einen harten Schlag gegen den Brustkorb und wurde mit voller Wucht zurückgeschlagen. Alles geschah so schnell. Zu schnell für das menschliche Auge..
Der Mann war ohne Vorwarnung aufgesprungen, hatte Heisuke zunächst von Blanche weg und im Anschluss an die Wand geschlagen.
Keuchend stützte sich der Blonde mit einer Hand an die Wand, tastete mit der anderen nach der getroffenen Stelle und wurde im nächsten Moment brutal an den Haaren zurückgerissen. Gleichzeitig legte sich eine rasiermesserscharfe Kralle an seine Halsschlagader und drückte so fest zu, dass er spüren konnte, wie die oberste Hautschicht unter ihr riss.
"Heisuke!" Blanche war herumgewirbelt, hielt mitten in der Bewegung inne und sah mit schockgeweiteten Augen auf die Szene. Sein Ausdruck wandelte in wenigen Sekundenbruchteilen von Sorge in puren Zorn.
Die Ärzte und Pathologen wichen nun vollends in Panik geraten zurück, hielten dabei jedoch bedachten Abstand zu den restlichen Leichen.
"Was... willst Du?" keuchte Heisuke unter dem Schmerz an seiner Kehle und versuchte aus den Augenwinkeln den Mann hinter sich sehen zu können. Dieser verstärkte den Druck auf seine Ader jedoch nur und lachte ein bitteres Lachen.
"Du bist es, was wir wollen, Junge." drang die kalte Stimme des Untoten in sein Ohr und jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Heisuke spürte die Wut in sich aufsteigen. Wut darüber, dass er es nicht verstehen konnte..
"Wenn ich Euer Ziel bin, warum dann die ganzen Opfer in der Villa?"
Erneut kratzte die Klaue des Mannes über seine Haut. Nun konnte er spüren, wie warmes Blut an seinem Hals hinab lief.
"Es müssen immer ein paar Bauern geopfert werden, um den König zu beschützen. Oder wie in unserem Fall eben den Fürsten."
Heisuke ballte die Hände zu Fäusten. Blanche stand da wie festgefroren. Er wusste, eine falsche Regung und der Vampir würde dieses Spiel hier beenden, egal was sein Meister davon halten würde. Er war ein Neugeborener, noch schwer zu kontrollieren oder einzuschätzen.
"Wer ist euer Fürst.. und was plant er?"
Eine kurze Weile schwieg der neugeborene Vampir, beobachtete derweil ganz genau jede noch so kleine Regung im Gesicht des Franzosen und erfüllte anschließend den Raum mit seinem Lachen.
"Balzas wird unseren Platz in dieser Welt zurück fordern. Und du wirst nichts dagegen unternehmen können, Kleiner. Die Vampire werden schon bald wieder herrschen."
Zögernd löste sich die kalte Klaue von Heisukes Hals und sofort nutzte dieser seine Chance, um mit einem eiligen Schritt von ihm zu weichen.
Geschockt und zugleich angewidert konnte er beobachten, wie sich der Mann das Blut von seinem Finger leckte.
"Sag deinem Fürsten, dass ich es nicht soweit kommen werden lasse!"
Ein süffisantes Lächeln stahl sich auf die Lippen des Mannes und in die toten Augen trat ein Funkeln, welches er nicht einzuordnen wusste. Er war sich nicht sicher, aber er glaubte einen ahnenden Schimmer darin zu erkennen..
"Ich werde dich sogar zitieren, Junge. Auch noch, wenn die Menschheit uns unterliegt." Und mit diesen Worten verschwand der Vampir mit so schnellen Schritten aus dem Raum, dass Heisuke es erst realisierte, als die schwere Tür mit einem lauten Knall wieder ins Schloss fiel.


"Scheinbar wurde den Leuten vorgegaukelt, sie seien weder hungrig noch durstig, während ihre Körper austrockneten. Es muss ein relativ kurzer Prozess gewesen sein und die psychische Stärke der Einzelnen war dabei Ausschluss gebend, ob sie durch diese Art und Weise sterben sollten."
Mahiro Keene ließ die Akte auf den Tisch fallen, schüttelte immer wieder energisch den Kopf und stützte die Ellenbogen auf den Knien ab. Nach den Geschehnissen in der Leichenhalle hatten sich alle wieder in der Detektei eingefunden.
Zudem kamen die neuen Ergebnisse der Mediziner und Wissenschaftler, die in den vergangenen Stunden sämtliche möglichen Vorgänge durchgearbeitet und sich insbesondere mit der unbekannten Substanz auseinandergesetzt hatten.
Heisuke gefiel diese Entwicklung keineswegs. Schon wieder machte ein Vampir von der menschlichen Psyche Gebrauch und nutzte sie für seine Zwecke.
"Und die anderen? Die, die dieser Sinnestäuschung nicht unterlagen und merkten, dass ihre Körper austrockneten?" fragte er ruhig nach und versuchte dabei, das Pflaster an der Stelle an seinem Hals zu behalten. Da diese noch immer etwas nässte, wollte es nicht wirklich halten.
"Die fielen dann dem Durst der Vampire zum Opfer. Wir vermuten, dass sie nur das Blut von geistig starken Menschen trinken.."
"Nur von denen, die es Wert sind." beendete Blanche den Satz des Polizisten und sprach damit die ersten Worte, seit dem sie zurückgekehrt waren. Heisuke spürte, dass sich Blanche Vorwürfe machte. Jedes Mal, wenn sein Blick auf den Kratzer fiel, trat eine so unglaublich tiefer Trauer und ein Schmerz in seine Augen, als hätte man ihm seinetwegen einen Arm abgetrennt. Bis auf ein leicht taubes Gefühl war die Wunde jedoch nicht weiter schlimm, doch egal, wie oft Heisuke ihm dies versichert hatte, der Franzose schwieg.
Heisuke biss sich auf die Unterlippe und wandte sich ans Fenster. Am liebsten hätte er sich direkt auf die Suche nach diesem Fürsten gemacht.
Doch was hätte er alleine ausrichten sollen?
"Wir brauchen mindestens eine Armee, wenn die Anzahl der Vampire so groß ist, wie ich es befürchte." sprach er ruhig und ohne zurück zu den Anderen zu sehen. Heisuke hörte, wie Keene hinter ihm ebenfalls aufstand und eine kleine Runde im Zimmer drehte, bevor er neben ihm stehen blieb.
"Ich werde einige Hebel in Bewegung setzen, aber versprechen kann ich nichts.", Der Mann seufzte schwerfällig, und als Heisuke den Blick zu ihm wandte, konnte er die Sorge in seinen Augen erkennen, "Ich glaube kaum, dass mir überhaupt jemand diese Geschichte abkaufen wird."

Kapitel 13 - Streitereien

Er war der Einzige, der seinem Herrn ohne jegliches Zögern gehorchte, und dennoch war sein Geist mit Zweifeln gefüllt. Ein Grund, weshalb Kiron nicht im Stande war, seinen Körper vollends in den einer Fledermaus zu wandeln. Schon die Morde in der Villa hatten sein Gemüt geschwächt und einen brennenden Schmerz in seinem Unterbewusstsein zurückgelassen. Vielleicht lag es daran, dass er der Jüngste von ihnen war. Ein Vampir, den man kaum als einen solchen betiteln konnte, noch ein halbes Kind.
Trotz allem wurde er gebraucht. Seine Gabe würde dem Fürsten dienlich sein.
Und für ihn würde er jede Dunkelheit in Kauf nehmen, jeden qualvollen Schrei ertragen und zum Mörder werden. Balzas hatte ihn gerettet, er war es ihm schuldig..
Und so kam seine Nacht immer näher. Kiron würde seine Aufgabe erfüllen und sich somit das Wohlwollen seines Herrn verdienen..


In seiner Verzweiflung, nichts unternehmen zu können, hatte sich Heisuke mit Blanche im Schlepptau auf den Heimweg gemacht. Die Atmosphäre in der Detektei war zu angespannt, als dass er es dort noch länger ausgehalten hätte.
Keene hatte ihm versichert, sich zu melden, sobald es Neuigkeiten geben würde. Egal ob positiv oder negativ. Wobei die Wahrscheinlichkeit einer positiven Nachricht schwindend gering erschien, behielt er die Hoffnung aufrecht.
Was sich derweil in Blanches Kopf abspielte blieb ihm ein Rätsel, da dieser noch immer nicht zu einem richtigen Gespräch bereit zu sein schien und sich stattdessen mit seinem Computer beschäftigte, um einige Nachforschungen anzustellen. Nicht gerade ein leichtes Unterfangen, wenn man nicht den geringsten Anhaltspunkt hatte.
"Heis?", sprach Blanche nach einer Weile im müden Tonfall und drehte sich halb im Stuhl zu dem Blonden, der wie gebannt aus dem Fenster sah, jedoch mit einem knappen Nicken reagierte, "Woran denkst du?"
Es war wohl eher eine obligatorische Frage, um das anhaltende Schweigen im Zimmer zu brechen, doch für einen Moment wusste Heisuke nicht recht, welchen seiner Gedanken er als erstes aussprechen sollte. Es waren zu viele und es gab keine wirkliche Ordnung in diesem Strom des Nachdenkens.
"Daran das ich müde bin.", kam es deshalb auch nicht sonderlich überzeugend von dem Blonden, der mühsam seinen Blick vom Fenster abwandte, um dem Franzosen in die Augen zu sehen. Dieser hingegen wich seinem Blick aus und sah ins Nichts. Als gäbe es ein interessantes Muster an der weiß gestrichenen Wand zu entdecken. "Und das du dich wie ein kleiner Junge verhältst."
Der Franzose seufzte schwer, schüttelte den Kopf und sah nun endlich zu ihm, doch wieder war dieser tiefe Schmerz in seinen Augen erkennbar.
"Ich hätte dich besser beschützen müssen."
"Ich habe dich nie darum gebeten!", knurrte der Blonde und stieß sich vom Fenstersims ab, um einige Schritte auf Blanche zuzugehen. Allmählich tauchte in ihm das dringende Verlangen auf, seinem Partner gehörig die Meinung zu geigen, doch der verletzte Gesichtsausdruck, der dem eines geprügelten Hundes glich, ließ ihn in der Bewegung stoppen. Die geballte Faust lockerte sich und seufzend strich er sich die Haare zurück, "Außerdem ist doch nichts weiter passiert. Ich hätte genauso damit rechnen müssen, dass der Vampir jemanden angreift... In den letzten Tagen gelingt mir so etwas simples aber kaum noch."
Aus den Augenwinkeln erkannte er, wie Blanche kaum merklich bei seinen Worten zusammenzuckte und sich seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde weiteten. Heisuke hatte es bisher nicht ausgesprochen, aber die Geschehnisse der letzten Tage setzten ihm mehr zu, als er es selbst glauben wollte. Er fühlte sich regelrecht schwach und kraftlos. Und mit jedem Tag schien sich dieser Zustand zu verschlimmern, als würde jemand oder etwas an seiner Seele zerren und ihm die Kraft rauben. Die kurze Reaktion des Franzosen entging ihm keineswegs und machte ihn etwas stutzig.
"Es ist viel passiert." meinte Blanche eindeutig ausweichend, was der ebenfalls ausweichende Blick verriet. Heisuke konnte zunächst gar nicht darauf reagieren und schwieg eine Weile, während er versuchte, diese Reaktion seines Partners zu deuten. Eine logische Erklärung wollte ihm allerdings nicht einfallen...
Und dementsprechend eine Frage zu stellen, würde in Blanches Fall auch zu keiner Erleuchtung führen, soviel war ihm mittlerweile bewusst. Wenn er schwieg, dann schwieg er. Und so tat er das, was ihm im Moment als Einziges etwas Ablenkung versprach und ging zurück zum Fenster. Ein kalter Schauer jagte über seinen Rücken, als er durch das Fenster hinaus in die Nacht starrte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand ein Mann, von dessen Schirm der Regen in dünnen Strömen abperlte.
Vielleicht lag es ja an den tristen Wetterverhältnissen, dass er sich so schwach fühlte...


Heisuke hustete einen staubig-trockenen, kratzigen Husten, als er mit einer kleinen Kiste unterm Arm aus dem Keller zurückkam. Ihm war das Herumsitzen und Abwarten zuwider geworden, und so hatte er beschlossen, nach möglichen Hilfsmitteln im Kampf gegen die Vampire zu suchen.
Seiner Angewohnheit, Dinge zu behalten, die man eventuell irgendwann noch mal gebrauchen konnte, hatte er es zu verdanken, dass er auch etwas gefunden hatte, an das er jahrelang nicht einmal einen Gedanken verschwendet hatte.
Die hölzerne Kiste schepperte, als er sie auf dem Wohnzimmertisch abstellte und weckte somit die Aufmerksamkeit des Franzosen, der unweit von ihm entfernt noch immer am Computer saß und sich nun mit zögernden Schritten näherte.
Aus einem kleinen Beutel, den er zusätzlich noch hatte suchen dürfen, fischte der Blonde den passenden Schlüssel für die ernannte Schatztruhe, die sicherlich schon beide Weltkriege miterlebt hatte und lächelte bedeutend über die Schulter zu Blanche, der mit neugierigen Blicken jede seiner Bewegungen verfolgte.
"Was ist da drin?" fragte Blanche und wollte nach dem kleinen Schlüssel greifen, welchen Heisuke allerdings direkt in seiner Handfläche verbarg. Wenn sich der Franzose schon den ganzen Abend über wie ein Kind benahm, dann konnte er den Spieß auch umdrehen. Entgegen seiner Erwartung reagierte der Europäer jedoch nur mit einem Schmunzeln.
"Ich hatte in meiner Jugend häufig Langeweile und zu viele Ideen.", begann er mit einem beiläufigen Schulterzucken und setzte sich auf die Couch. Er ließ sich noch einen Moment Zeit, in der er den vergoldeten Schlüssel genauer betrachtete, dann beugte er sich weiter nach vorne und öffnete das Schloss, welches an den Kanten bereits zu rosten begann.
Knirschend setzte sich der Mechanismus in Gang. Das Klicken ineinander greifender Zahnräder klang wie das Brechen kleiner Knochen, bevor sich das Schloss öffnen ließ und den Inhalt der Kiste preisgab.
Was sich darin verbarg schien auf den ersten Blick nichts Besonderes zu sein, vielleicht nicht mal wertvoll genug, um in den Keller zu gehen und danach zu suchen. Und eigentlich war es auch nicht mehr als ein Walkie-Talkie, dem er mehrere Funktionen hinzugefügt und ihn anschließend mit den Lämpchen einer Ampel aus einem Model-Baukasten versehen hatte.
"Irgendwann hab ich dann mal einen Vampir-Detektor gebastelt." beendete er nach einem Moment des Schweigens seinen Satz und hob das Gerät aus seiner Behausung der letzten Jahre. Nun beugte sich auch Blanche weiter über die Lehne, schien jedoch nicht sonderlich überzeugt davon zu sein.
"Und der funktioniert auch?"
Heisuke warf dem Franzosen einen knappen Blick über die Schulter zu und erhob sich mit einem Räuspern, um den Detektor wie eine neuwertige Ware präsentierend in die Luft zu halten.
"Natürlich funktioniert der, ich hab ihn schon mal testen können vor einigen Jahren. Als die Vampire noch nicht zum Krieg gerufen haben." Das Letzte fügte er mit einem leisen Seufzen hinzu und wartete nun gespannt auf die Reaktion des Franzosen. Dieser umrundete zunächst die Couch und schritt auf ihn zu.
"Wenn du ihn wirklich selbst gebaut hast und er auch funktioniert, dann würde ich sagen, dass du handwerklich begabt bist."
Der Blonde lachte daraufhin nur knapp und schüttelte den Kopf.
"Handwerklich begabt? Ich würde es eher 'Zusammengewürfelt und glücklicherweise was geworden' nennen."
"Wie auch immer, Hauptsache es funktioniert.", meinte Blanche lächelnd und stellte sich neben Heisuke, der gerade nach dem ON-Schalter suchte. "Spürt der denn nur Vampire auf?"
Heisuke nickte knapp, betätigte den Schalter nachdem er ihn gefunden hatte und wartete, während das System hochfuhr.
"Mit großartig anderen Wesen kannte ich mich damals noch nicht aus." erklärte er, als die drei Lampen nacheinander zu blinken begannen.
Im nächsten Augenblick, kaum dass der Detektor sein System gestartet hatte, schlug der Alarm an und sorgte somit für einen eiskalten Schauer auf dem Rücken des Blonden und einen geschockten Blick zu Blanche, in dessen Augen ein Ausdruck trat, den er so bei ihm nicht kannte...

Kapitel 11 - Der kalte Geruch des Todes

Die sorgfältig angelegte Akte fühlte sich schwer an. Heisuke war sich jedoch sicher, dass er es nur so empfand, denn auch sein Körper fühlte sich so träge und kraftlos als hätte er seit Tagen keinen Schlaf bekommen. Wahrscheinlich lag es an der Schlafposition der letzten Nacht, obwohl er sich kein angenehmeres Kissen wie Blanche vorstellen konnte..
Ein kalter Schauer jagte über seinen Rücken, als er sich die einzelnen Fotografien der Toten ansah. Keiner dieser Menschen schien wirklich tot zu sein, was den Anblick nur erschwerte.
"Sie sagten, die Spurensicherung wäre etwa drei Stunden nach den Morden in der Villa eingetroffen?" fragte Heisuke an den Polizisten Keene gewandt, der auf der Couch Platz genommen hatte und den durchsichtigen Inhalt seines Glases schwenkte als sei es schottischer Whiskey. Ein bedachtes Nicken reichte ihm als Antwort und brachte Heisuke erneut dazu, sich das Bild des Pastors anzusehen. Das noch immer glänzende Blut auf dem Körper des Toten machte ihn stutzig. Nach solch einer Zeit sollte die Blutzirkulation längst gestoppt haben.
"Es sind einige Dinge, die wir uns nicht erklären können, Herr Shoran." sprach der Mann, als habe er seine Gedanken lesen können, stellte das Glas beiseite und erhob sich, um ans Fenster zu treten. "Wie ich bereits erwähnte, befand sich im Blut von 46 Leuten eine unbekannte Substanz, die vermutlich dazu führte, die inneren Organe auszutrocknen. Sämtliche Organe waren nicht mehr auffindbar, die Haut brüchig wie altes Pergament. Die anderen befanden sich in relativ unversehrtem Zustand.."
"Bis auf die Tatsache, dass ihnen das Blut ausgesaugt wurde." warf Blanche ein und entnahm Heisuke die Akte, "Das weißt deutlich auf Vampire hin. Doch normalerweise ist es nicht ihre Art, dermaßen in der Öffentlichkeit zu erscheinen und ein solches Massaker anzurichten."
Im Gesicht Mahiro Keenes konnte Heisuke einen Anflug von Ehrfurcht, bei der Erwähnung der mutmaßlichen Mörder, erkennen. Eine völlig normale Reaktion, wie er fand.
"Sie erwähnten 60 Tote, doch der Pastor ist extra aufgeführt. Sein Körper ist weder ausgetrocknet noch blutleer, eher im Gegenteil." An Blanche vorbei tippte Heisuke bei dieser Feststellung auf die Akte. Keene seufzte schwerfällig. Er hatte mit dieser Frage gerechnet.
"Der Tod des Pastors wirft die meisten Rätsel auf. Bis auf den blasphemischen Kratzern auf seiner Brust gab es keine Wunden. Die Organe sind allesamt noch vorhanden und unversehrt. Es sind keine Spuren von Drogen oder ähnlichem in seinem Blut gefunden worden.. dennoch hört sein Organismus einfach nicht auf zu arbeiten; das Blut fließt noch immer, wenn auch verlangsamt, und es ist bisher noch kein Anzeichen der Totenstarre eingetreten." erklärte der Mann und schüttelte dabei immer wieder verneinend den Kopf. Irgendetwas mussten die Vampire mit dieser Aktion bezwecken..
Takeshi wippte unruhig auf seinem Stuhl hin und her und noch unruhiger sah er dabei abwechselnd die Anwesenden an.
"Wo befinden sich die Toten jetzt?" fragte er, wahrscheinlich nur um überhaupt mal wieder zu Wort zu kommen. Oder aber, um die schleichende Stille zu vermeiden, die bereits im Begriff war, den Raum zu erfüllen. Und nicht nur Mahiro Keene blickte ungläubig zu dem Leiter der Detektei..
"In der örtlichen Leichenhalle natürlich. Dort werden auch die letzten Autopsien durchgeführt."
Blanche warf einen Blick zu seinem Partner, der keine Zweifel offen ließ; sie mussten sich an einen Ort begeben, den Heisuke noch weniger leiden konnte, wie einen abgelegenen Friedhof bei Nacht..

Das Gebäude war ein architektonisches Überbleibsel der Jahrhundertwende, ein klotziger, zweistöckiger Bau von ebenso unerschütterlicher wie beruhigender Standfestigkeit
Fahl schimmerndes Licht, ausgestrahlt von unzähligen Neonröhren, umgab sie wie die kalte Hand einer vorgegaukelten Ruhe und dem irrsinnigen Versprechen von Frieden. Ihre Schritte hallten von den gefliesten Wänden wider und sorgten für die unwirklich erscheinende Atmosphäre eines Alptraums.
Heisuke fror, was nicht nur an der allgemeinen Kälte des Gebäudes lag, und folgte den anderen als Schlusslicht, wobei er immer wieder einen Blick hinter sich warf. Es war nicht nur eine Art Unwohlsein des jungen Detektivs, die ihn dazu veranlasste, sondern richtige, sich in manchen Momenten bis zur panisch steigernden, Angst, die sich in Kindheitstagen tief in ihm verankert hatte, nachdem er seinem Vater hier den letzten 'Besuch' abgestattet hatte. Damals war er hier dem ersten übernatürlichen Wesen begegnet, an das er sich direkt als solches erinnern konnte. Das klagende Weinen der Banshee; einer Todesfee, hatte damals durch die Hallen gehallt und war bis in sein tiefstes Unterbewusstsein gedrungen. Nur er hatte  es vernehmen können. Starr hatte sie am Totenbett seines Vaters gestanden und ihre Tränen um den Verstorbenen vergossen, eingehüllt in ein weißes Gewand, welches keinen Blick auf ihr Gesicht freigab. Seine Mutter und er hatten schweigend neben ihr gestanden..
Laut alter Sagen besitzt jede Familie eine Banshee, die entweder nach dem Tod eines der Familienmitglieder um diesen trauert oder vor dem Geschehen in Erscheinung tritt. Nur in wenigen Fällen wird ihre Anwesenheit überhaupt wahrgenommen.
Blanche bemerkte die panischen Blicke des Blonden und verlangsamte seine Schritte, um neben ihm zu laufen.
"Keine Sorge. Man kann nur die der eigenen Familie hören oder sehen." sagte der Franzose im beruhigenden Tonfall, welches sein Ziel jedoch verfehlte und Heisuke nur mehr verwirrte. Woher wusste er... oder sprach er von etwas ganz anderem?
Wieder einmal kam er nicht dazu, eine Frage zu stellen oder gar weiter darüber nachzudenken, denn soeben wurde die schwere Sicherheitstür geöffnet und gab eine Welle kalten Nebels frei. In mattes Grün gehüllte Männer und Frauen hantierten mit chirurgischen Sägen und anderweitigen Gegenständen an bizarr glänzenden Tischen umher, störten sich nicht weiter an den Ankömmlingen, sondern arbeiteten routiniert weiter.
Der Anblick traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht, so dass er den Blick abwenden musste, um gegen das Gefühl der Übelkeit ankämpfen zu können. Süßlicher Geruch der Verwesung schlich sich in seine Nase, begleitet von staubiger Luft durch die ausgetrocknete Haut, welche bereit war, sich in seine Atemwege abzusetzen.
Nur mit großer Anstrengung schaffte er es, die Geräusche und Gerüche auszublenden und den Männern weiter zu folgen, bis hin zu einem der Tische, an dem sich eine kleine Gruppe von Leuten versammelt hatte, die ratlos ihre Köpfe schüttelten.
Erst als sie beiseite traten, und den Blick auf den Pastor freigaben, verstand er ihre Verwirrung.
Der Brustkorb des Mannes hob und senkte sich ungleichmäßig. Die Augen waren weit aufgerissen und langsam, als müssen sie sich erneut an ihre Aufgabe gewöhnen, bewegten sich die Pupillen darin..

Das kalte Lächeln auf den makellosen Zügen Balzas' war zu einer noch kälteren, von Hass und Abscheu geprägten Grimasse gefroren. Seine bleichen Finger badeten im erkalteten Blut eines der vielen Opfer.
Zu seinen Füßen hockte ein Junge mit spitzen, fledermausartigen Ohren. Gespannt auf die folgende Nacht, um seine Aufgabe zu erfüllen, seinem Meister zu dienen und ihn stolz zu machen.
Alle Stimmen waren verstummt. Ihre Ohren lauschten gebannt den Neuigkeiten des Beobachters. Alles verlief genau nach Plan...

Kapitel 10 - Mysteriöse Todesfälle

Vor der Villa drängten sich die Sensationsgierigen bis hin zu jener Grenze, die nicht überschritten werden durfte; das im kühlen Morgenwind leise wispernde Absperrband. Männer in weißen Overalls machten Fotos, feiner Schmutz wurde aus den Fugen des Fußbodens gekratzt.
Ein Mann und eine Frau folgten dem Leiter der Spurensicherung durch die riesige Halle nach hinten, zu einem aufgebauten Altar. Blut bahnte sich seinen Weg hinab an dem massiven Holz und endete in einer Blutlache, die zum größten Teil bereits angetrocknet war. Die Polizistin sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, als ihr Blick auf den Leichnam fiel.
"Man hat ihn festgenagelt."
"Eh, geschraubt. Der oder die Täter benutzten Schrauben. 6,5 cm lang, Spezialgewinde, gehärtet." klärte sie der Spurenleiter auf, deutete dabei mit den behandschuhten Fingern auf die Schraubenköpfe, welche nur wenige Zentimeter aus dem Leib des etwa fünfzig Jahre alten Mannes herausragten, "Anscheinend hatten diese Leute etwas gegen den Geistlichen. Sehen Sie hier, auf seiner Brust.."
Widerwillig sah die Frau erneut auf den Leichnam, dem soeben das Hemd geöffnet wurde. Tiefe Kratzspuren formten ein umgedrehtes Kreuz. Und noch immer tropften feine Bahnen des Blutes an dem toten Körper hinab, direkt auf ein paar helle Punkte, die nicht zum Muster des Bodens passten.
"Was ist das?" fragte sie und lenkte nun auch die Aufmerksamkeit ihres Kollegen zu den Füßen des Getöteten. Mahiro Keene hockte sich auf ein Knie und strich über die feinen Oblaten.
"Hostien. In der katholischen Kirche gilt Hostienschändung als schlimmes Sakrileg. Die Täter sind eindeutig keine Kirchengänger."
Ein kalter Schauer überkam die Polizistin, unwissend ob es an der Kühle in der ungeheizten Villa lag oder am Anblick der bestialisch zugerichteten Leiche.
"Was ist mit den anderen?" wandte sie sich wieder an Okita. Der Angesprochene deutete mit einem Nicken hinter sie. Die restlichen Toten wurden bereits auf Barren weggetragen.
"Es sind 60 Tote, alle von hohem Ansehen in der Gesellschaft. Sogar zwei Männer aus dem Innenministerium sind darunter. 46 von ihnen wiesen eine uns unbekannte Substanz im Blut auf, die Haut ist völlig ausgetrocknet und über den aktivsten Muskelsträngen aufgerissen, einige Organe sind regelrecht zu Staub zerfallen. Wir befürchten, dass sie von Innen her ausgetrocknet sind, bis auch das Herz versagte." Okita machte eine Pause und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Von weiten konnte Risa Saehara einen Blick auf die Toten werfen und verstand sofort, wie grausam dieser Anblick aus nächster Nähe gewesen sein musste. "Die anderen 14 waren weitestgehend unversehrt, nur.. waren ihre Körper blutleer."
Einen Moment lang erfüllten nur die Geräusche der Spurensicherung die Luft. Keene war der Erste, der sich wieder regte, indem er sein Handy aus der Jackentasche hervor holte und eine Nummer wählte. Gespannte Blicke lagen dabei auf ihm.
"Ich weiß schon, an wen ich mich in dieser Sache wenden muss. Für die Polizei ist das eine Nummer zu groß."


Das Klingeln seines Handys drang ungewöhnlich laut in seine Ohren. Dennoch fand er nur langsam den Weg zurück in die Wirklichkeit. Sie waren auf der Couch eingeschlafen, nachdem sie lange Zeit nur schweigend ihre Zweisamkeit genossen hatten. Heisukes angewinkelte Beine waren taub; er saß noch immer auf dem Schoß des Franzosen, der die Arme um seinen Körper geschlungen hatte und friedlich - das penetrante Klingeln ignorierend - weiterschlief. Auch er überhörte einen Moment lang das störende Geräusch, musterte das Gesicht des Schlafenden und musste unweigerlich lächeln. Es war nichts weiter zwischen ihnen passiert, sie hatten sich lediglich gegenseitig Wärme gespendet und waren sparsam mit ihren Zärtlichkeiten umgegangen. Sie wollten jeden Schritt dieser neu gewonnenen Zuneigung genießen...
Wieder im Vollbesitz seines Bewusstseins griff Heisuke an Blanche vorbei nach dem Handy, welches sich auf der  Fensterbank in seiner Ladestation befand und drückte auf den grünen Hörer, ohne vorher auf die Anzeige zu sehen.
"Shoran." meldete er sich und erschrak fast über seine eigene, noch vom Schlaf raue Stimme.
"Auch endlich unter den Lebenden?" Sein Chef klang so gereizt, dass Heisuke zunächst doch auf das Display sah, ob die Nummer tatsächlich die der Detektei war. Dabei fiel ihm auch die Uhrzeit auf; er hatte schon wieder verschlafen. Die Ereignisse vom Vortag hatten ihn vergessen lassen, seinen Wecker wieder richtig einzustellen. Doch da dieser sich eh im Schlafzimmer befand, hätte es ihm nicht großartig weitergeholfen..
"Was ist denn passiert?"
"Ein Bekannter der Polizei hat bei mir angerufen. Komm sofort in die Detektei und sag auch Blanche bescheid, der ist nämlich auch noch nicht hier."  Heisuke spürte eine Regung unter sich und lehnte sich etwas zurück. Scheinbar hatte der Franzose seinen Namen gehört und meldete sich nun mit einem leisen Seufzen, welcher für einige Herzschläge lang am anderen Ende der Leitung für Stille sorgte. "Wehe ihr seid nicht in einer halben Stunde hier."
Das nächste was er hören konnte, war wie der Hörer am anderen Ende auf seinem Gehäuse landete, gefolgt von dem obligatorischen Freizeichen.
"Hab ich uns verraten?" fragte Blanche mit seiner Unschuldsmiene, über welche Heisuke nur einen Moment schmunzeln konnte.
"Vielleicht zum Teil. Doch egal jetzt, wir sind zu spät und sollten uns beeilen."
Blanches unschuldiger Blick wich einem sanften Lächeln und auch der Griff um seine Taille verstärkte sich etwas, woraufhin Heisuke ihn nur fragend ansah.
"Es ist schön, wenn du von uns sprichst."
Im nächsten Moment bereute er, sich die Zähne noch nicht geputzt zu haben, ansonsten wäre der folgende Kuss sicherlich unterhalb seiner Nasenspitze gelandet.


Das kalte Wasser an den Wänden war dem Blut ihrer Opfer gewichen. Markerschütternde Schreie, Fauchen und Gelächter hallten durch die hohen Gänge, die von wenigen Fackeln beleuchtet wurden und die Szenerie in der großen steinernen Halle noch bizarrer wirken ließen. Überall befanden sich die dunklen Leiber, einige hatten ihre gewaltigen Schwingen ausgebreitet, hingen an der Decke, den Wänden, wieder andere führten untereinander Machtkämpfe aus und sorgten damit für Belustigung bei ihrem Herrn.
Die Vampire hatten ihre ersten Opfer gefordert und schon bald würden sie stark genug sein, ihr unterirdisches Verließ, in welches sie vor tausenden Jahren eingesperrt wurden, zu verlassen. Ein neues Zeitalter würde über die Menschheit hereinbrechen und Balzas würde seine Untertanen zu neuer Stärke und Macht führen. Die Welt würde wieder ihnen gehören und der Ära des Hasses und der Blutsklaverei unterliegen..

Kapitel 9 - Erste Annäherung ~

Von den Wänden ihres steinernen Gefängnisses tropfte das Wasser aus den vergangenen Jahrzehnten. Breite Risse begannen an vielen Stellen das Gestein zu zersetzen und ihnen somit den Weg zu bahnen in eine neue Ära.
In tiefster Dunkelheit hatte er ausgeharrt und die Jahrtausende überdauert. Doch nun, nach 4375 Jahren, drang die Stimme der Befreiung an seine Ohren.
Balzas würde frei sein.
Und mit ihm seine Heerschar..


Die Stunden nach der Vernichtung des Bajang wollten einfach nicht weichen. Sie hatten viele Fragen beantworten und zudem den Tod des Engländers erklären müssen. Es ist vorstellbar, wie unglaubwürdig die Erklärung klang, dass allein der Blick des Bajang in seiner damönischen Gestalt ausgereicht hatte, um einem völlig gesunden jungen Mann das Leben zu nehmen...
Der strahlende Sonnenschein vom Vormittag war mittlerweile, dank des heraufgezogenen Unwetters, in Vergessenheit geraten. So wie die Stimmung aller Beteiligten war das Wetter von einem Moment auf den anderen umgeschlagen. Und auch die Tatsache, dass sie den Rest des Tages frei bekommen hatten, änderte nichts an der getrübten Atmosphäre. Schon oft waren ihre Gegner stark und gefährlich gewesen, und auch Verletzte gehörten nicht der Seltenheit an, doch auf diese Weise hatten sie noch nie einen Klienten verloren...
Heisuke saß in seiner Küche, genoss die Ruhe und beobachtete das tosende Unwetter, den vorbeiziehenden Verkehr und die Menschen, die ihrem Alltagstrott nachhetzten. Auch von Blanche, der in seiner Wohnung jedes Zimmer inspizierte, ließ er sich dabei nicht stören. Der Franzose hatte darauf bestanden, ihn nach Hause zu begleiten und sich anschließend auch nicht abwimmeln lassen. Und eigentlich war Heisuke auch recht froh darüber, im Moment nicht allein sein zu müssen.
In wenigen Tagen hatte sich sein relativ geordnetes Leben völlig auf den Kopf stellen lassen, und nicht selten hatte er den Drang verspürt einfach aus dieser Situation zu fliehen. Sollte man meinen, junge Menschen würden mehr vertragen, so traf es nicht sonderlich auf ihn zu, denn so gefasst und bodenständig, wie er meistens auftrat, so empfindsam war er auch im tiefsten Innern. Er ließ auf emotionaler Ebene zu viel an sich herankommen und konnte diese ganzen Gefühle nicht verdrängen oder beiseite schieben.
Die Schritte ließen ihn aus seinen Gedanken hochschrecken. Blanche hatte seinen Rundgang beendet und betrat lächelnd die Küche. Doch auch sein Lächeln hatte eine Spur an Optimismus verloren, es wirkte eher matt und etwas aufgesetzt. Und trotzdem war es das, was Heisuke erwartet hatte und woran er sich unbewusst klammerte. Blanche war einfach stärker als er, auch wenn er öfters unbeholfen zu sein schien oder den Ernst mancher Lage offensichtlich nicht einschätzen konnte.
"Nun grübel doch nicht so viel." sagte der Franzose mit einer Stimme, die ebenfalls nichts anderes erwartet hatte und strich Heisuke im Vorbeigehen durch das blonde Haar, bevor er sich an die Fensterbank lehnte und ihm somit die Sicht versperrte.
"Wenn es dir nicht passt, dann sorg für Ablenkung." Heisuke stand auf und ging mit zögernden Schritten auf seinen Partner zu. Erst kurz vor ihm blieb er stehen, als er spürte, wie sein Herz immer schneller schlug. Er hasste Nähe, hatte nie sonderlich etwas für menschliche Wärme übrig, doch bei Blanche war es anders. Noch vor wenigen Stunden hatte er sich in seiner Umarmung so sicher gefühlt, wie niemals zuvor. Doch dieser schien seine Worte falsch zu deuten, denn sein Lächeln wurde eine Spur amüsierter, als er die Frisur des Blonden betrachtete, welche er mit seiner Berührung durcheinander gebracht hatte.
"Du solltest das Haargel weglassen, bei Regen ist das keine gute Kombination." meinte er mit einem leisen Lachen und strich die einzelnen Strähnen wieder glatt. Heisuke hingegen sah stur auf den Brustkorb des Franzosen und hatte alle Mühe den Kloß in seinem Hals zu ignorieren. Sein ganzer Körper spannte sich an, wollte aus alter Gewohnheit vor den Berührungen zurückweichen, doch diesmal war sein eigener Wille stärker.
"In der kurzen Zeit wo wir uns kennen.. hast du mir schon zweimal das Leben gerettet, als ich nichts tun konnte."
Blanche hielt in der Bewegung inne, überlegte einen Moment und legte ihm anschließend die Hände auf die Schultern.
"Soll mir das jetzt irgendwas sagen?"
Bei dieser Frage musste Heisuke unweigerlich den Blick wieder heben und sah in die Augen des Franzosen. Seiner eigenen Nervosität hatte er es jedoch zu verdanken, dass er den Ausdruck darin nicht wirklich deuten konnte.
"Nein, aber.. du hast etwas gut bei mir."
"Etwas gut? Und was wäre das?" fragte Blanche nun doch sichtlich verwirrt. Allerdings konnte Heisuke auch eine Spur Neugier in seinem Blick entdecken. Nun war er es, der etwas herumdruckste und nicht recht wusste, wie er  ausdrücken sollte, was er meinte. Doch wie sollte er ihm seine Gefühle klarmachen, ohne sein aufgesetztes Ego vollends zu zerstören?
"Egal was du als nächstes machst... ich werde dich dafür nicht erschießen." sagte er möglichst ruhig und konnte beobachten, wie die Verwirrung in den Augen seines Partners nur größer wurde. Heisuke seufzte innerlich und spürte regelrecht, wie sich die Schamesröte auf seine Wangen schlich, "Oder eben nicht für das, wozu du mich treibst."
Kaum hatte Heisuke diese Worte ausgesprochen und einen Teil seines Mutes zusammengekratzt, da spürte er, wie Blanche sanft mit dem Daumen über seine rot gefärbte Wange strich und scheinbar verstanden hatte. Bedacht langsam näherten sich ihre Lippen und ein sehnsuchtsvolles Kribbeln erfüllte ihn, als sie sich endlich trafen und er sich in den Armen seines Partners fallen lassen konnte.


Währenddessen trafen in einer hell erleuchteten Villa am Rande der Stadt unzählige Menschen zu einem Fest ein. Der Fürst eines fernen Landes lud die Obersten der Gesellschaft zum Maskenball und sie alle waren der Einladung nachgekommen. Unwissend, dass das üppige Buffet für die meisten von ihnen den Tod bedeuten und die restlichen selbst als Festmahl gelten würden...

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Über den Autor

VariasFroggy
Hoo~ Was gibts über mich zu sagen?
Ich schreibe seit meinem 8ten Lebensjahr, angefangen hats mit Kurzgeschichten und kleinen Satyren, meistens für die Schule, aber auch viel Privat oder für Freunde.
Das Schreiben ist für mich nicht einfach nur ein Zeitvertreib, sondern ein Lebensinhalt, eine Möglichkeit meine Gefühle auszudrücken.

Wer mich kennenlernen mag, ich beisse nur, wenns erwünscht ist ;)

Euer Frosch ^^

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