Kurzgeschichte
Grüne Plastiksandalen

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"Grüne Plastiksandalen"
Veröffentlicht am 08. März 2011, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Bin eine Art Globetrotter, der bereits im Alter von 18 Jahren zum erstenmal Deutschland verließ, um einen Gutteil der Erde kennenzulernen. Die dabei gemachten Erfahrungen verarbeitete ich in bis heute sechs Büchern unterschiedlichster Genres. Seit 2009 lebe ich wieder in Deutschland. Meine Homepages: www.bernd-michael-grosch.de und http://groschbmich.npage.de ...
Grüne Plastiksandalen

Grüne Plastiksandalen

Beschreibung

Zum größten Teil wahre Erzählung über die Erlebnisse eines indischen Gefangenen.

Grüne Plastiksandalen

 

   Im Distrikt-Gefängnis Benares-Chowkaghat sitzt Naim Ansara eine zehnjährige Haftstrafe ab, welche ihm für den Besitz und Handel von Opium zugesprochen wurde. –

  Der Heute etwa Fünfzigjährige ist Moslem – und kann weder lesen noch schreiben – und gedachte, durch den Opiumhandel seine damals äußerst miserable finanzielle Situation, hervorgerufen durch langwierige Krankheit, zu verbessern.

  Von Beruf Weber, fertigte Naim auf Auftrag Seidensari’s, - welcher Beschäftigung er während seiner Krankheit nicht mehr nachzugehen in der Lage war. –

 

 So zumindest liest sich das Polizeiprotokoll der indischen Polizei in Benares. – Der Vater von drei Knaben und einer Tochter allerdings behauptet, daß er mit dem von der Polizei auf dem Dachboden des von ihm und seiner Vermieterin bewohnten Hauses gefundenen Opium

nicht das Geringste zu tun habe. –

  Diese seine Aussage scheint auf Wahrheit zu beruhen, denn zwei Jahre nach Naim’s Verhaftung wird die Hausbesitzerin ebenfalls wegen eines neuerlichen Fundes auf besagtem Dachboden verhaftet. –

 

 Wie auch immer die Wahrheit ausschauen mag, - Naim Ansara wurde nicht aus der Haft entlassen, - sondern muß weiterhin, trotz der nun festgestellten Schuld der Hausbesitzerin, im Gefängnis bleiben, da er zum Zeitpunkt der Verhaftung der Schuldigen bereits verurteilt war.-

  Die Aussagen unzähliger Zeugen, Welche bestätigten, daß Naim auch während seiner Krankheit vor dem Weberahmen saß, um seiner Arbeit nachzugehen, waren ohne jeden Belang, da der Verurteilte keinerlei Mittel besitzt, um sich, wie sonst in Indien üblich, aus dem Gefängnis freizukaufen.

  Abfinden kann sich Naim Ansara freilich nicht mit seiner ungerechten Strafe, doch weiß er, daß ihm nichts Anderes übrigbleibt, als sich auf die gesamte Strafzeit einzurichten; - wieder aus Gründen fehlender Mittel.

 

 Drei lange Jahre sind bereits vergangen, als Naim Ansara zum Wächter des Hospital -bereiches ernannt wird, da der vorige Wachmann aufgrund verschiedener Unstimmigkeiten zurück in eine der Baracken gebracht wurde.

  Naim kennt diesen Bereich aufgrund eines früheren Lazarettaufenthaltes mit anschließender Unterbringung in einer der vier Isolationszellen, da er von Lungentuberkulose befallen war –

und er ist froh über die nunmehrige Abwechslung vom Einerlei des Barackenleben’s. – Seine Aufgabe besteht darin, einen Teilbereich der Begrenzungsmauer zu bewachen – und dafür zu sorgen, daß keiner der Patienten des Hospital’s sich in dunkeln Ecken herumtreibt. –

 

  Es ist ein gemütlicher Job, so daß der Wächter Zeit und Muße findet, in der nahen Kantine

sowie der Hospitalküche sich nach Eß – und Trinkbarem umzusehen, damit es ihm hier am leiblichen Wohl weniger mangelt als zuvor.

  Als Wächter kann er sich des Abend´s aus der Kantine kostenlos zubereitetes Gemüse zu seinen Fladenbroten erbetteln sowie Tee – und dann und wann auch ein Gebäck.

 

  Also verbringt Naim nunmehr geruhsam seine Tage mit Essen, Trinken, Ausruhen und in den Nächten mit Schlafen in der Hospitalbaracke, bis eines Tages seine Frau über einen Mitgefangenen ein Paar Plastiksandalen schickt. –

 

 Der Empfänger der Sandalen ist Noor-Ullah, der in der früheren Baracke des Naim Ansara

schläft – und nahezu täglich Besuch von seiner Familie erhält.

  Noor-Ullah übergibt die neuen Sandalen Naim, - doch Dieser muß feststellen, daß die von seiner Frau gekauften Chappal zu klein für seine Füße sind. – Was tun ?  -  Noor-Ullah, als

gewiefter Geschäftsmann, weiß Rat: - Er vermittelt die Sandalen Naim’s an einen Gefangenen

mit kleineren Füßen und bestellt bei seinem nächsten Besuch Chappal für Naim Ansara sowie

für einen weiteren Gefangenen mit Namen Anil, - einen der unzähligen `Schreiber´ des Gefängnisses.

 

 Als die bestellten Sandalen eintreffen, stellen sich diejenigen für Anil als zu groß heraus, -

die für Naim jedoch wieder als zu klein !

  Kurzerhand nimmt der verdrehte Noor-Ullah Naim’s Sandalen für sich selbst, - die Sandalen Anil’s erhält Naim. – Diese sind lindgrüne Plastiksandalen. – Anil, der leer ausgegangen ist,

bestellt sich nun selbst seine Sandalen bei einem Gefängnispolizisten. – Damit scheint Alles wieder in bester Ordnung zu sein. –

  Doch man hat nicht mit dem halbverrückten Vinod Yadov, einem Hindu, gerechnet, der ebenfalls bei Noor-Ullah Sandalen bestellt und diese auch richtig erhalten hatte.- Dessen Sandalen allerdings werden von einem weiteren Gefangenen, Welcher zwei Tage darauf entlassen wird, in die Freiheit entführt, so daß Vinod sich wieder ohne Fußbekleidung findet.

 

 Dies und andere Vorkommnisse bringen Vinod Yadov dazu, ganz verrückt werden zu wollen, um im `Mental-Hospital´ außerhalb des Gefängnisses untergebracht zu werden. – Also macht er ein Mordstheater, - führt sich recht auf und beleidigt Gefangene und Polizisten, worauf er in das Gefängnislazarett überstellt wird. – Dort angekommen, legt er erst richtig los:

  Er läuft nackt über das Gelände, - versammelt einige weitere Verrückte um sich – und besetzt schließlich, immer noch nackt, eine Isolationszelle, deren Gittertüre offensteht – und ist durch nichts zu bewegen, die Zelle wieder zu verlassen, so daß schlußendlich die Decken des Tuberkulose-Patienten, Welcher die Zelle rechtmäßig belegt, nach Draußen geschafft – und Vinod drinnen eingesperrt wird. –

  Auch aus der Zelle heraus mag Vinod Yadov keine Ruhe geben; - er beleidigt weiterhin Jeden, der vorübergeht, auf das Übelste und gibt dem armen Wächter Naim, der weder Ein noch Aus weiß, Befehl über Befehl.-

 

  - -  Es muß noch gesagt werden, daß auch die Sandalen Vinod’s von lindgrüner Farbe waren – und darum Dessen Aufregung, als er zum erstenmal die Sandalen an Naim’s Füßen erblickt,

etwas verständlicher wird. – Doch Dieses wird erst in zwei oder drei Tagen geschehen. –

 

  Am Tage darauf wird der übergeschnappte Vinod in das Lazarett verlegt, - wo er sich aber in derart wüsten Beschimpfungen gegen Jedermann vergeht, daß man ihn letztendlich gemeinschaftlich verprügelt und ihn wieder in die Isolationszelle zurückbringt.

 

  - -  Zwei Tage später ist es soweit:  Der eingeschlossene Vinod Yadov erblickt die grünen Sandalen an den Füßen des unschuldigen Naim Ansara und überhäuft deren Träger mit unwiedergeblichen Beleidigungen !  - -  Es seien seine Sandalen, erzählt er Jedem, der neugierig des Weges kommt – und der Wächter sei ein Dieb – und Noor-Ullah ein Betrüger.  Man möge den Schreiber Anil kommen lassen, damit Dieser bestätigen könne, daß die grünen Sandalen ihm, Vinod, gehörten. –

 

 Anil kommt – und erklärt prompt, daß es sich bei den fraglichen Sandalen um seine eigenen

handle, welche er von Noor-Ullah erhalten habe. –

 

  - -  Nun ist Vinod vollkommen aus dem Häuschen und beschimpft Gottes Familie und die Welt. – Noch schlimmere Beleidigungen, gemünzt auf Anil und Noor-Ullah, werden ausgestoßen. – Auch Naim bekommt wieder sein Teil ab – und sieht somit keine Verbesserung seiner Lage.

  Da er nicht im Besitz eines weiteren Paares von Sandalen ist, muß er sich für drei lange Wochen die Beschuldigungen und Beschimpfungen des nun wirklich verrückt gewordenen Yadov anhören, bis Dieser endlich an das Ziel seiner Wünsche gelangt – und in die Irrenanstalt eingewiesen wird. –

  Naim atmet auf – und hofft, nun seine angespannten Nerven wieder schonen zu können. –

 

  - -  Wie das Schicksal es so will, geht Naim Ansara zwei Tage nach Vinod’s Verlegung am Abend zu Bett, will heißen, er legt sich auf seine Schlafdecke, schläft ein – und erliegt einem

Herzinfarkt.....

 

  - Als Naim die Augen öffnet, findet er sich vor der rasiermesserschmalen Brücke, welche jeder Moslem zu überschreiten hat, um das Paradies zu erreichen. – Strauchelt er aber und fällt, so stürzt er in das lodernde Feuer der Hölle.

  Die beiden Engel an Naim’s Seite schieben Diesen nun mit sanfter Gewalt auf den schmalen Steg. – Naim beginnt mit der Überschreitung des höllischen Abgrundes – und es geht leichter, als er eingangs befürchtete. – Mutig geworden, schreitet er voran, bis unvermittelt von Unten

eine Stimme erschallt:

„Er trägt meine Sandalen ! – Sie gehören mir !!“

 

 Zutiefst erschreckt, hält der Arme in seinen Schritten inne. – Er erkennt die Stimme: - Es ist

diejenige Vinod Yadov’s !

  Nun erst bemerkt Naim, daß er splitternackt ist, - jedoch die grünen Plastiksandalen an den

Füßen trägt.-

`Oh Allah,´ geht es ihm durch den Kopf, `die verflixten Sandalen wieder...´

  Im gleichen Moment vernimmt er die Stimme Anil’s:

„Nein, nein !  Die Sandalen gehören mir !“

  Naim sieht sich gehetzt um – und versucht dann, weiterzugehen, doch hindert ihn diesmal die schreckliche Stimme Satan’s selbst daran:

„Komm zu mir, Naim Ansara !  Hier Unten wird sich Keiner daran stoßen, daß du mit gestohlenen Sandalen umherläufst !“ –

 

   Naim kommt in’s Straucheln auf der schmalen Brücke, - kann sich jedoch noch halten. – Er zwingt sich, noch einige Schritte zu gehen, als er jäh von Oben Allah’s ureigene Stimme hört:

„Naim, mein Sohn; - ist es wahr ?  Trägst du die Sandalen anderer Leute ? !“ –

 

  - -  Dies ist zuviel für den armen, unschuldigen `Sünder.´  - Naim Ansara verliert endgültig das Gleichgewicht und stürzt in die Tiefe ....

 

  - -  Schweißgebadet erwacht Naim – und erkennt, daß Herzinfarkt und das Folgende nur ein

böser Traum war. –

  - Dennoch wirft er am nächsten Morgen die grünen Plastiksandalen in hohem Bogen über

die Gefängnismauer....

 

 

 

 

 

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groschbmich
Bin eine Art Globetrotter, der bereits im Alter von 18 Jahren zum erstenmal Deutschland verließ, um einen Gutteil der Erde kennenzulernen. Die dabei gemachten Erfahrungen verarbeitete ich in bis heute sechs Büchern unterschiedlichster Genres.
Seit 2009 lebe ich wieder in Deutschland.
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baesta Re: Re: Eines muss Dir den Neid lassen, -
Zitat: (Original von groschbmich am 08.03.2011 - 17:48 Uhr)
Zitat: (Original von baesta am 08.03.2011 - 16:44 Uhr) Du kannst wirklich gute Geschichten erzählen, die zudem nicht einer gewissen Situationskomik entbehren.
Habe es gern gelesen, aber grüne Sandalen würde ich um nichts in der Welt anziehen, schon gar nicht nach dieser Geschichte. Ich glaube aber, dass es das nicht nur in Indien gibt, sondern auch bei uns, d.h. dass man unschuldig hinter Gittern gelangt.

Liebe Grüße
Bärbel


Danke, liebe Bärbel, für den netten Kommentar. Diesmal war die Geschichte übrigens wahr, bis auf den Traum am Ende - den habe ich frei erfunden.
Liebe Grüße,
Bernd



Ja, Du bist halt viel in der Welt herumgereist. Ich kann diese Sachen nur im Fernsehen entdecken.
LG BÄrbel
Vor langer Zeit - Antworten
groschbmich Re: -
Zitat: (Original von RogerWright am 08.03.2011 - 16:45 Uhr) Gute Geschichte, das einzige Problem beim Lesen besteht bei den Bindestrichen. Sie erleichtern einem das Lesen nicht wirklich.
An manchen Stellen ist es besser sie ganz einfach auszulassen. Auch sollte bei der Geschichte darauf geachtet werden, dass die Sätze kürzer sind, denn gerade wenn mehrere Namen auftauen und dazu noch mehrere Nebensätze kommen, dann wird die Geschichte nicht mehr lesefreundlich.
Muss aber selbstkritisch anmerken, dass ich meist auch unter diesem Problem leide.

Sonst eine wahrlich interessante Geschichte.


Danke für den Kommentar. Ich halte nichts von kurzer, knapper Erzählweise und werde mich auch nicht der heutigen Mode dahingehend, anpassen.
Viele Grüße,
Bernd
Vor langer Zeit - Antworten
groschbmich Re: Eines muss Dir den Neid lassen, -
Zitat: (Original von baesta am 08.03.2011 - 16:44 Uhr) Du kannst wirklich gute Geschichten erzählen, die zudem nicht einer gewissen Situationskomik entbehren.
Habe es gern gelesen, aber grüne Sandalen würde ich um nichts in der Welt anziehen, schon gar nicht nach dieser Geschichte. Ich glaube aber, dass es das nicht nur in Indien gibt, sondern auch bei uns, d.h. dass man unschuldig hinter Gittern gelangt.

Liebe Grüße
Bärbel


Danke, liebe Bärbel, für den netten Kommentar. Diesmal war die Geschichte übrigens wahr, bis auf den Traum am Ende - den habe ich frei erfunden.
Liebe Grüße,
Bernd
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright Gute Geschichte, das einzige Problem beim Lesen besteht bei den Bindestrichen. Sie erleichtern einem das Lesen nicht wirklich.
An manchen Stellen ist es besser sie ganz einfach auszulassen. Auch sollte bei der Geschichte darauf geachtet werden, dass die Sätze kürzer sind, denn gerade wenn mehrere Namen auftauen und dazu noch mehrere Nebensätze kommen, dann wird die Geschichte nicht mehr lesefreundlich.
Muss aber selbstkritisch anmerken, dass ich meist auch unter diesem Problem leide.

Sonst eine wahrlich interessante Geschichte.
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Eines muss Dir den Neid lassen, - Du kannst wirklich gute Geschichten erzählen, die zudem nicht einer gewissen Situationskomik entbehren.
Habe es gern gelesen, aber grüne Sandalen würde ich um nichts in der Welt anziehen, schon gar nicht nach dieser Geschichte. Ich glaube aber, dass es das nicht nur in Indien gibt, sondern auch bei uns, d.h. dass man unschuldig hinter Gittern gelangt.

Liebe Grüße
Bärbel
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