Kurzgeschichte
Die Sache mit den gekauften Charts..

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"Die Sache mit den gekauften Charts.."
Veröffentlicht am 08. März 2011, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Die Sache mit den gekauften Charts..

Die Sache mit den gekauften Charts..

Die Leute reden über viele Dinge.

Am liebsten über solche, von denen sie keine Ahnung haben. Über das Leben. Und über die Liebe. Das Leben sei eine Schachtel Pralinen. Oder die wahre Liebe besiege alles. Ja, so was sagen sie gerne und verstecken sich hinter ihren abgedroschenen Phrasen und Lebensweisheiten. Seien wir doch mal ehrlich: Im Grunde genommen sind diese ganzen Zitate, die wir mit Vorliebe in Netzwerken posten oder anderen Leuten in selbst gebastelte Kalender kleben doch nur Buchstaben-Kostüme, die wir uns überstreifen, um zu sagen: „Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut“. Wir verstecken uns, weil es sich nicht gehört, zu sagen „Scheiße – deine Situation is’ echt ne aussichtslose Nummer. Wird wohl nichts mehr. Mit dir.“

Die Sache mit der Liebe.

Ich finde ja, diese Sache mit der Liebe hat vielmehr den Charakter einer Musiksendung. Leider ohne Moderation, so, wie damals „Formel Eins“. Aber wie sagen die Leute so schön? „Früher war eh alles besser“. Und genau aus diesem Grund ist die Liebes-Musiksendung heutzutage unmoderiert. Wäre auch viel zu einfach. Denn man wüsste vorher, welcher Song als nächstes gespielt würde. Und ob man lieber umschalten oder dran bleiben sollte.

Als Anhängerin sämtlicher Verschwörungstheorien bin ich mir ziemlich sicher, dass sämtliche Chartplatzierungen von reichen Leuten in einem heimlichen Chart-Platzierungs-Online-Shop gekauft werden können. Denn wie sagen die Leute so schön? „Geld regiert die Welt“. Deswegen können die anderen, die so genannten „kleinen Männer“ und „armen Würste“ dieser Welt leider nie beeinflussen, welcher Song gerade an der Chartspitze steht oder diese als nächstes stürmen wird. Meist sind es diese unvorhersehbaren Hits, die scheinbar aus dem Nichts auftauchen und einschlagen, wie eine Bombe. Bis eben hörst du noch diese eine Platte, die seit Jahren als dein absoluter Dauerbrenner ununterbrochen auf „Repeat“ steht. Und plötzlich taucht dann dieser eine Song auf. Du kennst ihn nicht. Aber innerhalb kürzester Zeit, kannst du ihn mitsingen – natürlich schon allein deshalb, weil er in sämtlichen Radiostationen dieser Welt pausenlos hoch und runter gespielt wird und er dich so in deinem Alltag begleitet und sich nahezu heimlich und unbemerkt in dein Leben einnistet. Und am Anfang findest du ihn vielleicht noch ein bisschen merkwürdig, aber dann gewöhnst du dich an ihn und fängst an, ihn zu mögen. Und du denkst, die Texte hätten irgendeine tiefgreifende Bedeutung und bewegst den Fuß erfreut im Takt zur Musik. Und ehe du dich versiehst, findest du deine eigentliche Lieblingsplatte auf einmal langweilig und stellst sie ins Regal, wo sie in Ruhe einstauben kann. Euphorisiert kaufst du dir erst die Singleauskopplung und ohne darüber nachzudenken schiebst du kurze Zeit später das ganze Album in deine Anlage. Weil du mehr willst, investierst du in die Platte eines unbekannten Interpreten, den du nicht kennst und über den du nichts weißt. Aber wie sagen die Leute so schön? „Öfter mal was Neues probieren“. Möglicherweise haut dich bereits das Intro aus den Latschen und du hast das Gefühl, richtig investiert und dir die weltbeste Platte zugelegt zu haben. Du saugst alles in dich auf und bist ein bisschen ergriffen und dein Herz zeigt sich berührt – hach, wie schön sich das anfühlt. Und dann hat er dich. Der unbekannte Interpret. Und spielt mit seinen Melodien und Texten an deinem Herzen, wie Lang Lang seine Partituren am Klavier. Haut ordentlich in die Tasten. Sehr professionell. Mal schnell und mal langsam. Laut und leise. Jedoch immer mit viel Hingabe und so, dass sich die Melodie für lange Zeit einbrennt.

One-Hit-Wonder.

Man könnte vermuten, das Album sei hitverdächtig. Ist es aber nicht. Du bemerkst es zwar erst nach dem dritten Song, aber du bemerkst es. Dass sich die Dinge wiederholen und der Takt immer derselbe ist. Es geht einfach nicht vorwärts auf der Platte und würde dir die Titelanzeige nicht verraten, dass der Song gewechselt hat, so würdest du noch immer denken, du hörst den ersten Track. Zum gefühlten 50. Mal. Dauerschleife im Dauerabo. Zunächst machst du dir Gedanken und denkst, es sei deine Schuld, weil du das Album möglicherweise nicht verstanden hast. Weil du den Interpreten möglicherweise nicht verstanden hast. Oder zu viel erwartet hast. Wie sagen die Leute so schön? „Übertriebene Erwartungen werden selten erfüllt“. Leider hat dich der Künstler nicht zu einem persönlichen Meet & Greet eingeladen, um dir zu erklären, was seine Songs bedeuten. Ob sie überhaupt etwas bedeutet. Das Album, auf das du gesetzt hast, war offensichtlich kein Konzeptalbum, sondern eher ein One-Hit-Wonder mit einem langatmigen Outro. Du wirst nie erfahren, ob der Künstler mit seinem Album vorsichtig sein wollte, um den Markt erst einmal anzutesten. Schließlich wäre es möglich, dass er nicht zu den Mutigen gehört und noch nicht sicher ist, was die Fans hören wollen. Aber wie sagen die Leute so schön? „Am Mute hängt der Erfolg“. Und wenn sich der Künstler dazu entscheidet, sich der Welt mitzuteilen, dann sollte er sich grundsätzlich Mühe geben. Da er das nicht getan hat, bist du ziemlich sicher, dass er eigentlich nur einen Hit wollte. Sich kurz im Ruhm suhlen, Applaus ernten und dann wieder von der Bildfläche verschwinden. Vielleicht entscheidet er sich irgendwann noch mal für ein Comeback, aber dann wirst du auch nicht mehr auf ihn warten. Das Musikgeschäft ist hart und eigentlich mochtest du sowieso schon immer eher progressivere Sachen, als Endlos-Balladen. Deshalb stellst du die Platte des One-Hit-Wonder-Interpreten in dein Regal oder verkaufst sie gleich bei Ebay. Denn eigentlich hast du keine Lust, sie irgendwann noch einmal hervorzukramen, denn wie sagen die Leute so schön? „Kalter Kaffee schmeckt nicht“!

 

Nachtrag.

Wäre ich reich, ich würde auch in diesem Chart-Platzierungs-Online-Shop einkaufen. Aber wie sagen die Leute so schön? „Geld allein macht auch nicht glücklich“.

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