Kapitel 8
Die  Nacht war hereingebrochen, die Wölfe hatten sich alle einen Schlafplatz  gesucht, möglichst immer paarweise, um eventuellen Angreifern keine  Chance zu bieten, ihre schlimme Lage auszunutzen. Lani, die Wölfin,  hatte sich ein wenig abseits zur Ruhe gebettet, um sich herum ihre drei  Kinder. Zwei Söhne, eine Tochter hatte sie geboren, allerdings bereits  vor mehreren Monden. Sie waren rasant gewachsen, sehr stark und kräftig  geworden. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie ihre Eltern nicht  mehr brauchten. „Sie wachsen so schnell…“ murmelte Lani unhörbar vor  sich hin. Sie war sehr stolz auf ihren Nachwuchs, wusste, dass alle drei  es später mal zu etwas Großem bringen könnten. Sie waren schließlich  die Kinder ihres Anführers. Sie und Chorm waren bereits ewig ein Paar.  Beide konnten sich ein Leben ohne einander nicht mehr vorstellen. Sie  machte sich ein wenig Sorgen, Chorm war bereits vor Stunden  aufgebrochen. Er hätte längst wieder hier sein müssen. Doch sie wusste,  außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Er  wird noch immer nach der Quelle suchen. Die Berge waren ja auch ziemlich  verwinkelt, man konnte, gerade im Dunkeln leicht den Überblick  verlieren. Die Tatsache, dass Palos bei ihm war beruhigte sie ein wenig.  Sicher hatten sie sich verlaufen, warteten nun den Morgen ab, um sich  wieder sicherer orientieren zu können. Sie sah sich um. Alle anderen  Wölfe schliefen tief und fest, der harte Marsch ins Gebirge, der Hunger  und der Durst hatte sie alle völlig erschöpft. Auch Lani war am Ende  ihrer Kräfte, schlafen konnte sie aber beim besten Willen nicht. Zu  viele Gedanken flogen ihr durch den Kopf. Was wäre. wenn die Quelle  nicht gefunden wird? Was, wenn es die Pflanzen und Bäume unten im Tal  nicht geschafft hatten? Wird es jemals wieder so sein wie früher? Eine  richtige Antwort fand sie auf keine dieser Fragen. Es war totenstill.  Kein Laut war zu hören. Lediglich der Wind, der zwar nicht stark wehte,  dennoch spürbar war, spielte ab und an mit den Grashalmen und Pflanzen.  Plötzlich ein Geräusch, da waren Schritte. Jemand näherte sich. Wieder  sah sich um, blickte zu den anderen Wölfen. Niemand schien was zu hören.  Auch Lani senkte ihren Kopf, schloss ihre Augen bis auf einen kleinen  Spalt, durch den sie alles noch ausreichend überblicken konnte. Dann sah  sie die Gestalt, die sich vorsichtig aus dem Schatten der Felswände  schlich. Ihre Anspannung wich, sie beruhigte sich. Es war Palos. Dann  musste Chorm ja auch gleich hinterher kommen. Sie sah, wie sich Palos  vorsichtig an den schlafenden Wölfen vorbei schlich. Er setze sich auf  einen kleinen Felsvorsprung, blickte auf das Rudel nieder. Von Chorm  aber weit und breit keine Spur. Lani war äußerst beunruhigt. Sie erhob  sich und schlich ebenfalls sehr leise auf den Bruder des Anführers zu.  Der jedoch schien sie kaum zu bemerken. Er starrte mit einem leeren  Blick in die Ferne, wirkte abwesend, bedrückt. Mit flüsternder Stimme  sprach sie ihn an. „Palos! Wo wart ihr? Wo ist Chorm?“ Doch sie bekam  keine Antwort. „Palos, hörst du mich? Ist euch was passiert?“ Diesmal  war die Stimme ein bisschen lauter. Aber wieder keine Antwort, doch  Palos schien sie gehört zu haben. Er sah sie mit einem durchdringenden  Blick an. Dann blickte er wieder auf das Rudel, ließ seine Augen über  das gesamte Areal, alle Wölfe gleiten und blieb an der Stelle hängen, an  dem Lani zuvor gelegen hatte. Ihre Kinder lagen noch dort und  schliefen. Sie blickte ihren Schwager verwirrt an, verstand nicht.  „Palos!! Was ist los mit dir?“ Ohne eine Antwort sprang der Wolf,  beinahe aus dem Stand, von dem Felsvorsprung, mit einem Satz schoss er  an den Wölfen vorbei und verschwand in die Nacht, in dieselbe Richtung  aus der er eben gekommen war.